"Die Leiden des Jungen Werther". Eine psychoanalytische Betrachtung


Hausarbeit, 2008

15 Seiten, Note: 2

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. „Die Leiden des jungen Werther“ in der Literaturgeschichte

3. Form und Erzähltechnik des Romans

4. Zum Inhalt des Romans
4.1 Der fiktive Herausgeber
4.2 Die Funktionen der Parallelepisoden
4.3 Werthers Depression und sein Tod

5. Eine Charakterisierung Werthers

6. Schlussbetrachtung

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

In dieser Hausarbeit beschäftige ich mich mit dem Roman „Die Leiden des jungen Werther“ von Johann Wolfgang von Goethe. Dabei lege ich die zweite Fassung des Romans zugrunde.

In der Literaturwissenschaft ist es üblich, den „Werther“ als einen Liebesroman zu klassifizieren. Zugleich wird postuliert, dieser Briefroman sei ein Werk, das die Grundkonflikte eines Menschen zeige, der sich in der Epoche der Aufklärung an die vorherrschenden Verhaltensmuster und Normen nicht gewöhnen könne. Dieser Mensch heißt Werther und er wird vom fiktiven Herausgeber bereits im Vorwort eingeführt. Werther beharrt einerseits auf seinem Recht der Entfaltung seiner Persönlichkeit und der Verwirklichung seiner Liebe; andererseits muss er erfahren, dass ihm die Gesellschaft dieses Recht verweigert.

Dieser Grundkonflikt der Werther-Gestalt, aus dem dann sich der Liebeskonflikt entwickelt, hat mich zu der Entscheidung kommen lassen, mich der Figur des Werther mit psychoanalytischen Methoden anzunähern. Mein Ziel ist es dabei, eine Antwort auf folgende Fragen zu finden: „Woran leidet Werther?“ und „Warum ist er in einem Konflikt?“ Eine mögliche Antwort ist, dass Werther an der Gesellschaft, an seinen persönlichen Konflikten und Gefühlen leidet. Um meine Hypothese zu überprüfen, werde ich die Arbeit von Elisabeth Auer (1999) „Selbstmord begehen zu wollen ist wie ein Gedicht zu schreiben. Eine psychoanalytische Studie zu Goethes Briefroman 'Die Leiden des jungen Werther'“ und den Aufsatz von Ernst Feise „Goethes Werther als nervöser Charakter“ zugrunde legen.

Zur Struktur der vorliegenden Untersuchung: In einem ersten Schritt soll es darum gehen, das Werk in die Literaturgeschichte einzuordnen. Sodann befasse ich mich in Kapitel 3 mit der Form und der Erzähltechnik des Romans. Kapitel 4 ist das Kernstück der Arbeit. An die Auseinandersetzung mit dem fiktiven Herausgeber (4.1) schließt sich in Abschnitt (4.2) die Beschäftigung mit der Frage nach der Bedeutung der Parallelepisoden im „Werther“ an. Dabei lege ich den Akzent darauf, dass diese Episoden den Wahnsinn eines verzweifelt liebenden Menschen hervorheben. Außerdem deuten die Episoden darauf hin, dass der Mensch frei ist, über sein Leben bzw. seinen Tod zu entscheiden. Im letzten Abschnitt des Hauptteils, (4.3), geht es um den Versuch, Werthers Selbstmord und dessen Ursachen zu ergründen. Kapitel 5 widmet sich schließlich der Frage nach den wesentlichen Charaktermerkmalen der Werther-Figur. In einer kurzen Schlussbetrachtung werden die zentralen Ergebnisse meiner Überlegungen nach einmal zusammengefasst.

2. „Die Leiden des jungen Werther“ in der Literaturgeschichte

Der Roman „Die Leiden des jungen Werther“ entstand im Jahr 1774. Zwei Jahre zuvor hatte Goethe den Wunsch seines Vaters erfüllt, Jurist zu werden. Im Sommer 1772 nahm er die Stelle eines Referendars am Reichskammergericht in Wetzlar an. Dort lernte er Charlotte Buff kennen, in die er sich verliebte. Allerdings waren Goethes Bemühungen um Charlotte vergeblich, da sie bereits mit dem Bremer Legationssekretär Kestner verlobt war. Aus Verzweiflung über die unerfüllte Liebe kehrte Goethe 1772 nach Frankfurt zurück. Noch im selben Jahr heiratete Charlotte Buff ihren Verlobten; somit war sie für Goethe endgültig verloren. Zugleich litt Goethe aber auch unter dem Selbstmord des jungen Braunschweiger Gesandtschaftssekretärs am Reichskammergericht, Carl Wilhelm Jerusalem (vgl. Grundmann 2001: 147). Goethe hatte diesen jungen Mann, der aus Liebeskummer Selbstmord beging, sehr geschätzt, weil er intelligent und aufgeschlossen war. Carl Wilhelm Jerusalem brachte sich mit der Pistole von Charlottes Verlobtem um.

Wichtig für die Entstehung des Romans war auch Goethes Freundschaft zur Mutter von Maximiliane La Roche. Nach Maximilianes Heirat im Januar 1774 durfte Goethe sie nicht mehr sehen, weil ihr Ehegatte sehr eifersüchtig war. Dieses Erlebnis erschütterte Goethe so sehr, dass er sogar an Selbstmord dachte (vgl. Grundmann 2001: 148).

Mit dem „Werther“ entstand der moderne Roman in Deutschland, der „eine höchst subjektive Konfession in Briefform (ist)“ (Beutin, Wolfgang et al. 2001: 173). Diese subjektive Form nahm in einer Zeit zu, in der das Individuum aus höfischer und klerikaler Gebundenheit befreit wurde. Diese Befreiung blieb aber nicht ohne Konsequenzen, weil nun jeder anfing, seine Persönlichkeit als unverwechselbar und unabhängig von äußeren Autoritäten und Instanzen wahrzunehmen. „Bei dieser Identitätssuche wurde die Literatur zu einer wesentlichen Form der Selbsterfahrung und Selbstdarstellungen“ (ebd.: 174). Im „Werther“ scheitert ein unzufriedener, junger, bürgerlicher Intellektueller bei dem Versuch, sich in die ständisch gegliederte Gesellschaft zu integrieren (vgl. Beutin, Wolfgang et al. 2001: 173). Er scheitert aber auch, „an der eigenen hohen Selbsteinschätzung“ (ebd.: 173). Goethes Roman zeigt, dass das bürgerliche Individuum keine Chance hat, Teil des Feudalsystems zu werden und innerhalb dieses Systems seine Identität zu finden. Werther leidet unter einer Gesellschaft, mit der er sich nicht identifizieren kann, und er scheitert. Sein Scheitern wird durch seine Selbsttötung offenkundig.

Neu am „Werther“ist nicht die Briefform; neu ist vielmehr, dass alle Briefe nureinenAbsender haben, nämlich Werther. Alle Briefe sind an einen einzigen Adressaten, nämlich Werthers Freund Wilhelm gerichtet, und zwar ohne dass dieser Freund antwortet (vgl. Grundmann 2001: 148). Die monologische Form des Briefromans macht Werther zu einem allwissenden Helden und veranlasst die Leser dazu, sich mit dem Schicksal und den Konflikten des Helden zu identifizieren. „Tatsächlich gab es eine erhebliche Anzahl von Selbstmorden unter denWerther-Lesern […]“ (Beutin, Wolfgang et al. 2001: 174).

Im ersten Teil des Romans erfährt der Leser von der beginnenden Liebe Werthers zu Lotte. Als Werther feststellen muss, dass diese Liebe keine Zukunft haben wird, entscheidet er sich, ins ‚praktische Leben’ zu fliehen und ein Amt in einer Gesandtschaft zu übernehmen. Aber auch hier scheitert Werther, weil es für einen Bürgerlichen unmöglich ist, sich in die adlige Gesellschaft zu integrieren. Als er Lotte wieder trifft, wird ihm die Tragik seiner Existenz bewusst. Für ihn bleibt – so Werthers Überzeugung - nur der Freitod als einziger Ausweg (vgl. Grundmann 2001: 149). In dieser Perspektive erscheint der „Werther“ als ein Liebesroman. „Ein Liebesroman ist er“, so GRUNDMANN, „auf jeden Fall“ (2001: 149). Zugleich zeigt der Roman den Grundkonflikt eines Menschen, der „gegen die erstarrten, seelenlos gewordenen Verhaltensmuster und Normen, wie sie sich in der Epoche der Aufklärung in den bürgerlichen Schichten herausgebildet hatten, (kämpft) und die das Leben zu ersticken drohten“ (ebd.: 150). Der schon erwähnte Liebeskonflikt, unter dem Werther leidet, kann als Emanation dieses Grundkonfliktes betrachtet werden, der das Individuum zwischen seinen Wünschen einerseits und den Ansprüchen und Forderungen der Gesellschaft andererseits zerreibt. Indem der „Werther“ diesen Konflikt veranschaulicht, spiegelt er gewichtige Probleme einer bürgerlichen Existenz in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wider.

Im Folgenden wende ich mich nun der Beschreibung formaler Aspekte sowie der Erzähltechnik im „Werther“-Roman zu.

3. Form und Erzähltechnik des Romans

Die oben angesprochene monologische Form des Briefromans nähert den „Werther“ dem fiktiven Tagebuch an. Angaben wie z. B. „Morgen gehe ich von hier ab, und weil mein Geburtsort nur sechs Meilen vom Wege liegt …“ erscheinen, so Werther (2008: 61), nur im Briefroman, nicht aber im Tagebuch, weil das Tagebuch keinen Empfänger voraussetzt. Der schwedische Literaturwissenschaftler Staffan Björck postuliert, dass Brief- und Tagebuchromane eine psychoanalytische Auseinandersetzung nahelegen. Demnach hätte Goethe im „Werther“ versucht, innere und äußere Konflikte zu analysieren und zu verarbeiten. Ferner hätte er sich bemüht, Konflikte aus seiner Kindheit zu untersuchen und zu verwerten. In einer solchen Betrachtungsweise wird der „Werther“ zu einem literarischen Werk, das psychische Erfahrungen und Konflikte zur Sprache bringt.

Der Roman „Die Leiden des jungen Werther“ besteht aus zwei Büchern. Der erste Teil beginnt mit einem Brief, der am 4. Mai 1771 verfasst wurde, und er endet am 10. September desselben Jahres. Der zweite Teil fängt am 20. Oktober 1771 an und endet mit Werthers Tod am 23. Dezember 1772. Alle Briefe werden vom Ich-Erzähler Werther datiert. Diese Datierung verleiht dem Werk den Anschein von Authentizität.

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Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
"Die Leiden des Jungen Werther". Eine psychoanalytische Betrachtung
Hochschule
Universität Hamburg  (Germanistik)
Veranstaltung
Seminar II
Note
2
Jahr
2008
Seiten
15
Katalognummer
V339435
ISBN (eBook)
9783668293632
ISBN (Buch)
9783668293649
Dateigröße
482 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Werther, Goethe, Elisabeth Auer, Ernst Feise, psychoanalyse
Arbeit zitieren
Anonym, 2008, "Die Leiden des Jungen Werther". Eine psychoanalytische Betrachtung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/339435

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