Anleitende Texte. Erarbeitet anhand eines frühneuhochdeutschen und niederdeutschen Kochbuchrezeptes


Ausarbeitung, 2015

13 Seiten

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Definition und Kennzeichen „Anleitender Texte“ nach Reichmann/Wegera (1988)

3. Einordnung „Anleitender Texte“ in das Gliederungssystem von Käster/Schütz/Schwitalla (2000)

4. Einordnung „Anleitender Texte“ in das Gliederungssystem von Fandrych/Thurmayr (2011)

5. Der Untersuchungsgegenstand
5.1 Die „ Kuchenmeysterey “
5.2 „ Dat Klene Kakeboeck “

6. Die Untersuchung: Kennzeichen „Anleitender Texte“ in zwei Beispielkochrezepten
6.1 Ein Sülzenrezept aus der Kuchenmeysterey
6.2 Ein Weinmus aus dem Klenen Kakeboeck

7. Resümee

8. Literatur- und Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

Im Rahmen des Seminares „Textsorten der frühen Neuzeit“ beschäftigten wir uns mit den unterschiedlichsten Gliederungsmöglichkeiten von Textsorten. Zugrunde lag uns dabei das „Frühneuhochdeutsche Lesebuch“, herausgegeben von Oskar Reichmann und Klaus-Peter Wegera im Jahre 1988. In diesem Buch ordnen die beiden Autoren die frühneuhochdeutschen Texte, indem sie die „kommunikative Intention“ des zu untersuchenden Textes erkennen und ihn anschließend seiner Absicht bzw. Funktion nach eingliedern.1 So konnten Reichmann und Wegera auf eine Anzahl von neun unterschiedlichen „kommunikativen Intentionen“ kommen, in denen die entsprechenden Texte eingeordnet werden konnten. Um noch weitere Gliederungsmöglichkeiten von Textsorten kennenzulernen, betrachteten wir anschließend den von Hannes Kästner, Eva Schütz und Johannes Schwitalla verfassten Aufsatz „Die Textsorten des Frühneuhochdeutschen“, welcher im Jahre 2000 im Handbuch zur Sprachgeschichte veröffentlicht wurde. Hier ordnen die Autoren die Textsorten nicht nach dominanten Funktionen, sondern nach Sinnwelten, d.h. nach Themengebieten.2 Da jedoch der funktionale Aspekt einer Textsorte wie bei Reichmann und Wegera ein primär linguistischer Aspekt ist, erhält dieser mehr Gewicht als die Einteilung in fünf recht wage Sinnwelten. Eine Idee wäre, beide Gliederungssysteme miteinander zu verbinden und zu überlegen, in welche Sinnwelten sich die Textsorten Reichmann/Wegeras einordnen lassen. Dies soll in Punkt 3 dieser Ausarbeitung geschehen, nachdem in Punkt 2 die ausgewählte Textsorte „Anleitende Texte“3 auf ihre Definition und ihre Kennzeichen hin untersucht wurde. Anschließend soll die Einordnung „Anleitender Texte“ in ein weiteres Gliederungssystem erfolgen. Es handelt sich hierbei um ein neues Konzept der Textlinguistik aus dem Jahre 2011 von Christian Fandrych und Maria Thurmayr. Sie untersuchten anhand bestimmter Kriterien jeden einzelnen Text auf seine Merkmale, um ihn einer Textsorte zuordnen zu können. Fandrych/Thurmayr unterscheiden in ihrer Textsortenanalyse zwischen 1. Dimensionen und 2. Funktionen.4 Wo und wie sich die „Anleitenden Texte“ schließlich einordnen lassen, wird in Punkt 4 näher betrachtet werden. Ziel dieser Ausarbeitung ist jedoch festzustellen, wie sich die Funktion der Textsorte „jemanden anzuleiten“ sprachlich in einem Text wiederfinden lässt. Wodurch konstituieren sich „Anleitende Texte“? Wie korrespondiert die Funktion des Textes mit seiner sprachlichen Struktur? Dies möchte ich anhand des Beispieles von zwei Kochbuchrezepten näher untersuchen. Dabei werde ich die Kennzeichen Reichmann/Wegeras zur Hilfe nehmen, möchte jedoch die Feststellung weiterer sprachlicher Merkmale in Bezug auf Kochbuchtexte nicht ausschließen und außer Acht lassen. Die beiden Kochbuchrezepte, die dieser Untersuchung dienen sollen, stammen aus zweierlei Kochbüchern, zum einen aus der „Kuchenmeysterey“ und zum anderen aus dem „Klenen Kakeboeck“. Beide Kochbücher werden in Punkt 5.1 und 5.2 erläutert. In Punkt 6 schließlich folgt die Untersuchung der Kochbuchrezepte, um in Punkt 7, dem Resümee, zu einem Ergebnis zu gelangen.

2. Definition und Kennzeichen „Anleitender Texte“ nach Reichmann/Wegera (1988)

Der Übergang von informierenden Texten zu anleitenden Texten ist fließend. Während es in informierenden Texten um den Zweck geht, objektive und fachlich korrekte Informationen an interessierte Personengruppen weiterzugeben5, und „allgemeine kognitive Dispositionen zu Handlungen [zu] vermitteln“6, so möchten anleitende Texte ebenfalls Menschen erreichen, darüber hinaus jedoch „genaue Verfahrensregeln zur Erreichung eines meist instrumentalen, seltener sozialen Handlungszieles geben“.7 Gemeinsam kann man beide Textgruppen dem Frühneuhochdeutschen Literaturbereich des Fachschrifttums zuordnen.

Konkrete Personen, die von einem anderen angeleitet werden möchten, gelten meist als einschlägig interessiert, gehören oft einer bestimmten Berufsgruppe an oder sind sonst fachlich orientiert, sodass man gewisse Kenntnisse voraussetzen kann.8 Die Herausbildung anleitender Texte steht in einem engen Zusammenhang „mit dem Aufschwung des städtischen Gewerbes und des beginnenden Manufakturwesens, wie überhaupt der Technik sowie der Wissenschaft seit dem 14. Jahrhundert.“9

Als Beispiele für anleitende Texte wären besonders Medizinbücher, Arzneibücher10, Anleitungen für den Garten- und Weinbau oder zur Pflege und Abrichtung des Habichts, Rechenbücher und Kochbücher zu nennen.11

Kennzeichen, um anleitende Texte unterscheiden zu können, wären folgende: 1. Anleitende Texte bestehen meist aus simplen sowie zusammengesetzten Aussageund Befehlssätzen. 2. Die Zeitform des Textes ist meist im Präsens geschrieben und Verbformen stehen oft im Imperativ. 3. Typisch ist auch ein nominaler Stil, d.h. es werden viele Substantive gebraucht statt viele Verben und Adjektive, da diese Schreibweise den Text verdichtet. 4. Oft ist ein ausgeprägtes Fachvokabular zu finden, sowie 5. Tabellen, Schemata, Bilder etc.12

Ob jedoch stets alle diese Kennzeichen in einem anleitenden Text vorhanden sein müssen, um ihn eindeutig als „anleitend“ identifizieren zu können, gilt es noch zu untersuchen.

3. Einordnung „Anleitender Texte“ in das Gliederungssystem von Käster/Schütz/Schwitalla (2000)

Der Aufsatz „Die Textsorten des Frühneuhochdeutschen“ von Hannes Kästner, Eva Schütz und Johannes Schwitalla aus dem Jahre 2000 ist zu finden im Handbuch zur Sprachgeschichte. Wie Reichmann und Wegera versuchen die Autoren verschiedene Textsorten grob in Gruppen zu gliedern, unterscheiden sich jedoch gegenüber Reichmann/Wegera nicht nur in ihrer wissenschaftlichen Herangehensweise aufgrund der Veröffentlichung in einem Handbuch13, sondern auch in ihren Gliederungsrastern. Während Reichmann/Wegera ihre Textgliederung nach Textfunktionen vornehmen und auf diese Weise auf neun Textgruppen an der Zahl kommen, ordnen Kästner/Schütz/Schwitalla ihre Texte grob nach Sinnwelten, d.h. nach Themengebieten. Logischerweise kommt dabei eine andere Textgruppierung heraus, als bei Reichmann/Wegera. Insgesamt gibt es fünf Sinnwelten: Die Alltagswelt, Institutionen, Religion, die Wissenschaft und die Dichtung.14 Durch diese recht grobe und wage Gliederung wird aufgezeigt, wie schwer die Einordnung von Texten wirklich ist.

Betrachten wir die Möglichkeit anleitende Texte in die Gliederung Kästner/Schütz/Schwitallas einzuordnen, so gibt es vorwiegend eine Sinnwelt, die primär in Frage käme: die Alltagswelt. Der Grund liegt vor allem in der dominanten Funktion, die der Sinnwelt zugrunde liegt: „[...] die Sicherung des materiellen und sozialen Lebens.“15 Texte, die Menschen anleiten bestimmte Dinge zu tun bzw. die Menschen dazu befähigen diese Dinge tun zu können, sind hilfreich, dieses Ziel zu erreichen. Hinzu kommt die explizite Aufführung Käster/Schütz/Schwitallas von bestimmten Textsorten in ihrem Aufsatz unter der Sinnwelt Alltag. Dort werden insbesondere Kochbücher, Arzneibücher, Anweisungen für einzelne Tätigkeiten und Handwerk etc. aufgeführt16, die laut Reichmann/Wegera zu den anleitenden Texten zählen. Die Einordnung anleitender Texte in die Sinnwelt Alltag wäre somit schlüssig und begründet logisch.

4. Einordnung „Anleitender Texte“ in das Gliederungssystem von Fandrych/Thurmayr (2011)

Der Text „Textsorten des Deutschen“ von Christian Fandrych und Maria Thurmayr aus dem Jahre 2011 ist dem Bereich der „Textlinguistik“ zuzuordnen, welche sich ab den 1960er Jahren als eigene Unterdisziplin der Sprachwissenschaft etablierte. Fandrych/Thurmayr untersuchten in diesem Zusammenhang die sprachlichen Strukturen von Texten um aufzuzeigen, wie diese Texte funktionieren und um die Texte in Klassen, Genres oder Sorten einzuordnen. Demnach war es auch Fandrych/Thurmayrs Ziel, unterschiedlichste Texte in Gruppen zu gliedern. Im Vergleich zu Reichmann/Wegera taten sie es jedoch auf viel feinfühligere Weise, auch wenn sie in den allgemeinen Ausführungen noch keine direkten Textkennzeichen mit auf den Weg geben.17 Doch wie gehen Fandrych/Thurmayr vor, um Textsorten zu analysieren?

Unterschieden werden muss einerseits zwischen den Beschreibungsdimensionen und den Textfunktionen. Zunächst wird die Kommunikationssituation, welche sich aus dem Kommunikationsbereich und dem Kommunikationsmedium ergibt, analysiert.18

Daraufhin stehen die Textfunktion bzw. die Textfunktionen im Mittelpunkt, welche ein zentrales Kriterium für die Textsortenklassifikation darstellen.19 Es kann sich hierbei um wissensbezogene Texte, in denen es darum geht Wissen zu speichern und zu tradieren, handlungsbeeinflussende und handlungspräformierende Texte oder um expressiv-soziale bzw. sinnsuchende Texte, in denen es um die Stellung eines Individuums zu seiner sozialen Umwelt geht, handeln.20 Insgesamt geben Fandrych/Thurmayr zwölf mögliche Kategorien bzw. Textfunkionen an. Drei Einordnungsmöglichkeiten mehr als Reichmann/Wegera. Abschließend werden Thema, Textstruktur und die sprachliche Ausgestaltung analysiert, in denen Vertextungsstrategien und formal-grammatische Aspekte behandelt werden.21

Versuchen wir also anleitende Texte in das Gliederungssystem Fandrych/Thurmayrs einzuordnen, so müssen wir Schritt für Schritt vorgehen. Der Kommunikationsbereich von anleitenden Texten spielt sich meist im Haus oder im Beruf ab. Als Medium wäre die konzeptionelle Schriftlichkeit eine Möglichkeit. Als Thema wäre im Fall dieser Ausarbeitung „Kochbuchrezepte“ zu nennen. Das Thema kann jedoch je nach Text variieren. Die Textstruktur entspricht einer Instruktion und formal-grammatische Aspekte werden bei Fandrych/Thurmayr erst am individuellen Text selbst entfaltet, sodass eine pauschale Aussage nicht möglich ist. Betrachtet man die Textfunktionen von anleitenden Texten, so wäre die Funktion demnach „jemanden anleiten“. Im Fandrych/Thurmayrischen Sinne gehört diese Textsorte also den handlungsbeeinflussenden Texten an und enthält eine instruktive Funktion. Ein Text also, der ein Handlungsangebot bietet22 und so handlungspräformierend wirkt.23

Eine Einordnung in das Gliederungssystem Fandrych/Thurmayrs ist somit möglich und eine gute Ergänzung zum Gliederungssystem Reichmann/Wegeras.

[...]


1 Vgl. Reichmann, O., Wegera, K.-P.: Frühneuhochdeutsches Lesebuch, S. XI.

2 Vgl. Käster, H., Schütz, E., Schwitalla, J.: Die Textsorten des Frühneuhochdeutschen, S. 1606.

3 Die VIII. Textsorte nach Reichmann/Wegera, die dazu dient jemanden anleiten zu wollen.

4 Vgl. Fandrych, Ch., Thurmayr, M.: Textsorten des Deutschen, S. 17-22.

5 Vgl. Reichmann, O., Wegera, K.-P.: Frühneuhochdeutsches Lesebuch, S. 170.

6 Reichmann, O., Wegera, K.-P.: Frühneuhochdeutsches Lesebuch, S. 191.

7 Ebd.

8 Vgl. Reichmann, O., Wegera, K.-P.: Frühneuhochdeutsches Lesebuch, S. 191.

9 Reichmann, O., Wegera, K.-P.: Frühneuhochdeutsches Lesebuch, S. 191.

10 In Arzneibüchern wird beispielsweise geschrieben, was bei Pferdekrankheiten zu tun ist.

11 Vgl. Reichmann, O., Wegera, K.-P.: Frühneuhochdeutsches Lesebuch, S. 192-207.

12 Vgl. Reichmann, O., Wegera, K.-P.: Frühneuhochdeutsches Lesebuch, S. 191.

13 Reichmann und Wegeras Buch kann man hingegen eher als Lesebuch einordnen.

14 Vgl. Käster, H., Schütz, E., Schwitalla, J.: Die Textsorten des Frühneuhochdeutschen, S. 1606-1607.

15 Käster, H., Schütz, E., Schwitalla, J.: Die Textsorten des Frühneuhochdeutschen, S. 1606.

16 Vgl. Ebd., S. 1607.

17 Diese werden erst in den Textsortenanalysen mit einbezogen.

18 Vgl. Fandrych, Ch., Thurmayr, M.: Textsorten des Deutschen, S. 17.

19 Ebd. S. 19.

20 Ebd. S. 29-33.

21 Ebd. S. 20-22.

22 Beispiel Kochbuchrezepte: Wie koche ich ein Gericht? Handlungsanleitung zum Gelingen.

23 Vgl. Fandrych, Ch., Thurmayr, M.: Textsorten des Deutschen, S. 31.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Anleitende Texte. Erarbeitet anhand eines frühneuhochdeutschen und niederdeutschen Kochbuchrezeptes
Hochschule
Universität Münster
Jahr
2015
Seiten
13
Katalognummer
V339781
ISBN (eBook)
9783668296602
ISBN (Buch)
9783668296619
Dateigröße
834 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
anleitende, texte, erarbeitet, kochbuchrezeptes
Arbeit zitieren
Anonym, 2015, Anleitende Texte. Erarbeitet anhand eines frühneuhochdeutschen und niederdeutschen Kochbuchrezeptes, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/339781

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