Diese Arbeit beschäftigt sich mit den Pluralsystemen des Deutschen und des Russischen und stellt eine Art komparative Analyse dar. Es wird untersucht, ob die Pluralbildungsregeln im Deutschen und Russischen nach denselben Kriterien formuliert und angewendet werden, und, wenn nicht, wo die Unterschiede liegen.
Zentral für die vorliegende Untersuchung ist die These von Wegener, dass „sich die Pluralform aus Merkmalen des Singularstamms ableiten lassen muss“ und dass die „Genusklassenzugehörigkeit dafür eine Rolle spielt.“ Darum bilden die Genusregeln und ihre Anwendung den ersten Schwerpunkt dieser Arbeit.
Das zweite von Wegener genannte Merkmal, das für die Pluralbildung relevant sein kann, ist die Flexionsklasse. Im Russischen ist die Flexionsklassenzugehörigkeit an den Auslaut des jeweiligen Substantivs gebunden und korreliert mehr oder weniger zuverlässig mit der Eigenschaft Genus. Insofern ist es logisch zu vermuten, dass der Wortauslaut als ein zweites wichtiges Kriterium neben dem Genus für die Bildung der Pluralformen von Bedeutung ist. Deswegen bilden die Wortauslautregeln in den beiden Sprachen einen weiteren Schwerpunkt.
Es ist offensichtlich, dass auf das jeweilige Wort mehr als nur eine Regel zutreffen kann. Darum ist es wichtig, nicht nur die Regeln an sich zu beherrschen, sondern auch zu wissen, welche der eventuell mit einander konkurrierenden Regeln anzuwenden ist. Dass die Regeln nicht beliebig benutzt werden können, ist klar. Insofern stellt die Frage nach der Hierarchisierung der Genus- und Wortauslautregeln den nächsten Schwerpunkt dar.
In dieser Hinsicht sind zwei Aspekte besonders wichtig. Der erste Aspekt betrifft die Rangordnung der Pluralbildungsregeln als solche. Die damit verbundenen Fragen, die beantwortet werden müssen, sind:
– Welche Gruppe von Regeln ist in der jeweiligen Sprache höher gerankt und für die Bildung der Pluralformen wichtiger, die Genusregeln oder die Wortauslautregeln?
– Welche Gruppe von Regeln hat in der jeweiligen Sprache einen größeren Anwendungsskorpus?
– Inwiefern unterscheiden sich das Deutsche und das Russische in Bezug auf die relative Gewichtung der Genus- und der Wortauslautregeln?
Den zweiten wichtigen Aspekt der Regelhierarchisierung bildet die Frage, ob die Anwendungsreihenfolge der Pluralregeln arbiträr ist und von den Sprechern gelernt werden muss oder ob sie automatisch erfolgt. In diesem Zusammenhang stellt die Annahme des Spezifizitätsprinzips ein besonderes Interesse dar.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Die existierenden Ansätze zum Thema Pluralbildung und sprachliche Daten
- 2.1. Das Pluralsystem des Deutschen und die traditionellen Pluralregeln
- 2.1.1. Der Reichtum der deutschen Pluralformen
- 2.1.2. Die Behandlung der deutschen Pluralbildung in der Dudengrammatik
- 2.1.2.1. Faktor Genus bei der Formulierung der Grundregeln im Duden
- 2.1.2.2. Faktor Wortauslaut und die Zusatzregeln nach Duden
- 2.1.2.3. Lexikalische Spezifikationen und ihre Behandlung im Duden
- 2.2. Die Daten des Russischen und verschiedene Ansätze zu ihrer Beschreibung
- 2.2.1. Die Vielfalt der Pluralbildungsmuster im Russischen
- 2.2.2. Die Pluralbildungsregeln des Russischen
- 2.2.2.1. Die deklinationsklassenbasierte Behandlung russischer Plurale in den Referenzgrammatiken
- 2.2.2.2. Die Pluralbildungsregeln in den genusgesteuerten Ansätzen
- 2.2.2.3. Die Rolle des Wortauslautes bei der Formulierung der Pluralregeln
- 2.2.2.4. Behandlung der nur teilweise regulären Fälle und die Ausnahmen
- 3. Pluralregeln in ihrem Zusammenspiel
- 3.1. Korrelation zwischen dem Genus und dem Wortauslaut und Möglichkeiten ihrer Auswirkung auf die Pluralbildung im Deutschen und Russischen
- 3.2. Mögliche Varianten der Regelinteraktion
- 3.3. Das Spezifizitätsprinzip als Mechanismus der Regelhierarchisierung
- 3.3.1. Definition des Spezifizitätsprinzips und seine Vorteile
- 3.3.2. Was ist spezifischer, das Genus oder der Wortauslaut?
- 3.3.3. Wortauslaut als Elsewhere-Condition für die genusgesteuerte Pluralbildung im Deutschen
- 3.3.4. Wortauslaut als Elsewhere-Condition für die genusgesteuerte Pluralbildung im Russischen
- 4. Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit den Pluralsystemen des Deutschen und des Russischen und stellt eine komparative Analyse dar. Die beiden Sprachen verfügen über diverse Pluralbildungsmuster, wodurch die Frage entsteht, welche Faktoren die Bildung einer bestimmten Form in jedem konkreten Fall beeinflussen, welche Pluralregeln sich aufstellen lassen, welche Gültigkeit sie besitzen und wie sie miteinander interagieren. Zudem wird untersucht, ob die Pluralbildungsregeln im Deutschen und Russischen nach denselben Kriterien formuliert und angewendet werden und, falls nicht, welche Unterschiede bestehen.
- Die Abhängigkeit der Pluralformen vom Genus im Deutschen und Russischen, da beide Sprachen drei Genera aufweisen.
- Die Bedeutung des Wortauslauts als ein wichtiges Kriterium neben dem Genus für die Bildung der Pluralformen.
- Die Hierarchisierung der Genus- und Wortauslautregeln, insbesondere die Rangordnung der Regeln und die Frage, ob die Anwendungsreihenfolge arbiträr ist oder automatisch erfolgt.
- Die Übertragung des Spezifizitätsprinzips auf die Pluralregeln des Russischen, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den beiden Sprachen hinsichtlich der Benutzung einzelner Pluralregeln und der Behandlung der Ausnahmen zu analysieren.
- Die Frage, ob das Spezifizitätsprinzip bei der Bildung der Pluralformen sprachenübergreifend funktioniert.
Zusammenfassung der Kapitel
- Kapitel 1: Einleitung: Dieses Kapitel führt in die Thematik der Pluralbildung im Deutschen und Russischen ein und stellt die zentralen Fragestellungen der Arbeit vor. Es erläutert die Relevanz von Genus und Wortauslaut für die Pluralbildung und definiert die wichtigsten Forschungsziele.
- Kapitel 2: Die existierenden Ansätze zum Thema Pluralbildung und sprachliche Daten: Dieses Kapitel präsentiert sprachliche Daten zur Pluralbildung im Deutschen und Russischen und analysiert deren Behandlung in verschiedenen Grammatiken. Dabei werden die wichtigsten Pluralbildungsmuster sowie die im Duden formulierten Pluralregeln für das Deutsche und verschiedene Ansätze zur Beschreibung der Pluralbildung im Russischen beleuchtet, die sich auf Genus und Wortauslaut stützen.
- Kapitel 3: Pluralregeln in ihrem Zusammenspiel: Dieses Kapitel untersucht die Interaktion von Genus- und Wortauslautregeln bei der Pluralbildung im Deutschen und Russischen. Es analysiert die Korrelation zwischen den beiden Faktoren und ihre Auswirkungen auf die Pluralform. Zudem wird das Spezifizitätsprinzip als Mechanismus der Regelhierarchisierung eingeführt und dessen Anwendung auf die Pluralbildung im Deutschen und Russischen untersucht.
Schlüsselwörter
Pluralbildung, Genus, Wortauslaut, Deutsche Sprache, Russische Sprache, Spezifizitätsprinzip, Elsewhere Condition, Deklinationsklasse, Vergleichende Analyse, Sprachliche Daten, Regelhierarchisierung.
- Arbeit zitieren
- Alena Küchenberg (Autor:in), 2015, Genus, Wortauslaut und Pluralform im Deutschen und Russischen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/339788