Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. historischer Kontext der Freiheitsschrift
3. Analyse
3.1 Der innere Mensch
3.1.1 Gesetz und Evangelium
Exkurs: Rechtfertigungslehre nach Martin Luther
3.1.2 Glaube
3.1.3 der fröhliche Wechsel
3.1.4 Königtum und Priestertum
Exkurs: Luther und Paulus
3.2 Der äußere Mensch und die Werke
4. Der Freiheitsbegriff nach Luther
5. Fazit
1. Einleitung
Martin Luthers Traktat „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ (De libertate christiana)[1]steht zusammen mit den Schriften „An den christlichen Adel Deutscher Nation“ und „De captivitate Babylonica ecclesiae praeludium“ (Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche) als sogenannte reformatorische Hauptschrift im Werk Luthers. In diesen Schriften werden vor allem die weltlichen und die klerikalen Missstände kritisiert. In der Freiheitsschrift wendet sich Luther jedoch hauptsächlich dem Geistlichen oder dem Inneren des Menschen zu.
Ich stimme mit Ringlebens Meinung überein, wenn er davon ausgeht, dass dies die meistrezipierte Schrift in Luthers Werk sei.[2]Die Freiheitsschrift war nicht zuletzt wegen der Veröffentlichung einer deutschen Fassung für alle Volksschichten zugänglich und deshalb für einen Großteil der Bevölkerung verständlich. Ich denke, dass das untersuchte Thema im Leben jeder Person verortet und somit nichts Abstraktes ist, vielmehr ist es Lebenswirklichkeit. Die Leser können sich mit der Schrift identifizieren. Und obgleich die Schrift nunmehr fast 500 Jahre alt ist, hat der Gegenstand auch heute nicht an Relevanz abgenommen. Das ist für mich der Grund, mich mit dieser Abhandlung näher zu beschäftigen. Luther wollte seine reformatorische Idee für eine breite Masse zugänglich machen. Daher lautet die Frage, der ich bei meiner Analyse der Schrift nachgehen werde:Wo steckt in der Schrift “Von der Freiheit eines Christenmenschen“ der reformatorische Impuls?Diese Arbeit soll demnach den reformatorischen Gehalt der Freiheitsschrift ermitteln. Dabei soll aufgezeigt werden, wo Luthers neue Ansätze liegen. An einigen Stellen werde ich dabei auch beleuchten,wieLuther diese neuen Gegenstände darstellt.
Zunächst wird der historische Kontext der Verfassung der Schrift dargestellt. Dabei können natürlich nur die relevanten Eckpunkte beachtet werden, da eine genaue Analyse der Umstände den Rahmen dieser Arbeit übertreten würde.
Dann muss geklärt werden, was der Reformator unter dem Begriff der Freiheit verstand. Um den Gehalt dieses Begriffes zu ermitteln, soll Luthers Anthropologie und seine Unterscheidung von Gesetz und Evangelium herausgearbeitet werden. Dazu wird ebenfalls der Glaube als wichtiges Element der Theologie beleuchtet. Wie zu zeigen ist, stellt Christus das Zentrum in Luthers Schrift dar, sein Name ist ihr sogar überschrieben worden. Christus bildet ein Glied desfröhlichen Wechsels, daher soll ebenfalls gezeigt werden, was dieser beinhaltet. Des Weiteren wird das Wesen guter Werke betrachtet.
Diese Arbeit kann jedoch nur die Hauptgedanken und nicht eine umfassende Kommentierung der ganzen Schrift bieten. Da die Schrift des Weiteren eng ineinandergreift werde ich an einigen Stellen auf kommende Kapitel vorgreifen müssen, weshalb es zu Wiederholungen im Text kommen kann.
2. historischer Kontext der Freiheitsschrift
Luther verfasste die Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ im Oktober 1520 zunächst in lateinischer Sprache, eine kürzere deutsche Version sollte folgen[3]. Am 15. Juni 1520 wurde die Bannandrohungsbulle „Exurge Domie“ ausgearbeitet und in Rom am 25. Juli 1520 publiziert. Auf Anraten eines Vertrauten, dem päpstlichen Geheimkämmerer Karl v. Miltitz, sandte Luther dem Papst Leo X. einen Brief. Dieser enthielt die lateinische Fassung der Freiheitsschrift und ein an den Papst gerichtetes Widmungsschreiben. In diesem Schreiben bezieht Luther Stellung zu den Aussagen in den vorangegangenen Schriften. Gleichzeitig äußerte er sich darüber, welche Themen er, sollte der Papst einlenken, künftig in seinen Abhandlungen bearbeiten würde. Des Weiteren kritisiert er das provozierende Verhalten Johannes Ecks. Luther folgte ebenfalls Miltitz Empfehlung, sowohl die Schrift als auch die Widmung auf den 6. September des Jahres zurückzudatieren. Eck hatte am 21. September 1520 die Bannandrohungsbulle in Deutschland veröffentlicht, und die Schrift sollte nicht als Reaktion darauf verstanden werden. Miltitz Bemühungen blieben letztendlich jedoch erfolglos und Luthers Schreiben an den Papst unbeantwortet. Die deutsche Fassung der Schrift widmete Luther dem Zwickauer Stadtvogt Hieronymus Mehlpfordt.[4]
So durcheinander der Entstehungshintergrund der Freiheitsschrift auch war, umso bedeutender ist deren Inhalt. Rieger schreibt sogar, dass die Schrift dem „reformatorischen Grundanliegen Luthers einen leicht zugänglichen und breit aufgenommenen Ausdruck“[5]bot.
Das Freiheitstrakt will dem Leser ausschließlich Glaubensinhalte vermitteln, aber ursächlich betrachtet konnte es als eine Zurechtweisung der Theologie der Zeit gesehen werden. Dem heutigen Leser erschließt sich dies nur bei genauem hinsehen. Luther vollendete damit sein in der Adelsschrift und in der Babylonica begonnenes Werk. Er griff das Fundament der Kirche an, bot jedoch auch Alternativen.[6]
3. Analyse
Nachdem nun einige Vorüberlegungen zum Verständnis geklärt wurden soll jetzt die Analyse der Schrift folgen. Dabei werde ich das Traktat zunächst kurz gliedern und somit gleichsam den Aufbau aufzeigen, dem der Hauptteil folgt.
Luther selbst stellt die Schrift in die Gattung des Traktates[7], es bietet eine kurze Abhandlung über das Problem der Freiheit. Diesem Thema werden weitere Fragen untergeordnet, so bietet die Schrift ebenfalls einen kurzen Abriss über Luthers Anthropologie, Christologie und dessen Soteriologie. Die Schrift enthält gewissermaßen Luthers Theologie in einem, verglichen zur Tragweite des Gegenstandes, kurzen Überblick.
Die 30 Thesen[8]der Schrift lassen sich grob in zwei große Teile gliedern[9]. Im Anschluss an eine kurze Einleitung widmet sich Luther im ersten großen Teil dem inneren Menschen, im zweiten dann dem äußeren Menschen. Er schließt in der 30. These mit einem Fazit über die vorangegangene Schrift[10].Im Folgenden werde ich meine persönliche Gliederung der Freiheitsschrift darstellen. Nach dieser Gliederung richtet sich ebenfalls die vorliegende Arbeit.[11]
1. Einleitung
A Doppelthese These 1 (WA 7, 25-21, 10)
B Dichotomie des Menschen These 2 (WA 7, 21, 11-17)
2. Der innere Mensch
A Wort Gottes These 3-7 (WA 7, 21,18-23, 23)
B Glaube These 8-13 (WA 7, 23, 24-26, 31)
C Zwei Ämter Christi These 14-17 (WA 7, 26, 32-29, 6)
D Stärkung des Glaubens These 18 (WA 7, 29, 7-30)
3. Der äußere Mensch
A Werke im Allgemeinen These 19-25 (WA 7, 29, 31-34, 22)
B Werke gegenüber dem Nächsten These 26-29 (WA 7, 34, 23-38, 5)
4. Zusammenfassung These 30 (WA 7, 38, 6-15)
Da die Einleitung in der vorliegenden Arbeit nicht gesondert dargestellt wird werde ich sie hier kurz beachten.
Den Ausgang der Schrift bildet Luthers bekannte Doppelthese, welche gleichsam die Schrift in zwei Teile gliedert,
„Eyn Christen mensch ist eyn herr u(e)ber alle ding / und niemandt unterthan.
Eyn Christen mensch ist eyn dienstbar knecht aller ding / und yderman unterthan.“[12],
welche auf den ersten Blick paradox anmutet. Die Bedeutung dieser These entfaltet Luther in folgenden Traktat. Dabei ist keine partielle Verteilung von Freiheit und Knechtschaft gedacht, wie es auf den ersten Blick scheinen mag, sondern vielmehr ein nebeneinander beider Eigenschaften. Dazu gibt Luther dem Leser in der zweiten These ein erstes Verständnis seiner Anthropologie. Darin wird der Mensch als ein zweigeteiltes Wesen verstanden. Denn „eyn yglich Christen mensch ist / zweyerley natur, geystlicher und leyplicher. Nach der seelen wirt er eyn / geystlich, new, ynnerlich mensch genennet, nach dem fleysch und blut wirt er / eyn leyplich, allt und eußerlich mensch genennet.“[13]
Das Wesen des Menschen ist zum Einen der innere, geistliche, neue Mensch und zum anderen der äußere, leibliche, alte Mensch.
[...]
[1]D. Martin Luthers Werke, Kritische Gesamtausgabe (Weimarer Ausgabe), 7. Bd., 1897;1966. Von der Freiheit eines Christenmenschen. 1520 S. 20-38; Tractatus de libertate christiana. 1520, S. 49-73. Im Folgenden wird die deutsche Fassung zitiert.
[2]Vgl. u.a.: Ringleben, Joachim: Arbeit am Gottesbegriff. Band 1: Reformatorische Grundlegung, Gotteslehre, Eschatologie. Tübingen 2004, S. 3.
[3]Über die Debatte, welcher der beiden Schriften das Original darstellt und welche die Übertragung siehe den Überblick in Rieger, Reinhold: Von der Freiheit eines Christenmenschen. De libertate christiana. Thomas Kaufmann (Hrsg.): Kommentare zu Schriften Luthers Bd.1. Tübingen 2007 (Mohr Siebeck), S. 5-12.
[4]Vgl. Rieger: Freiheit, S. 1-4; vgl. auch die Einleitung Von der Freiheit eines Christenmenschen / De libertate christiana. In: Delius, Hans-Ulrich (Hrsg.): Studienausgabe Bd. 2, Berlin 1982, S. 260f.
[5]Rieger: Freiheit, S. 4.
[6]Vgl. Riege, r: Freiheit, S. 1-4.
[7]Ebd., S. 39; vgl. auch den Dudeneintrag „Traktat“. In: Wissenschaftlicher Rat der Dudenredaktion (Hrsg.) Duden. Die deutsche Rechtschreibung. Mannheim 2006 (Brockhaus), S. 1017, Sp. 3.
[8]Im Lateinischen fehlt eine solche Unterteilung und Rieger bezeichnet diese Abschnitte nicht als Artikel, sondern auf Grund ihres Charakters als Thesen. Vgl. Rieger: Freiheit, S. 12. Auch ich werde in dieser Arbeit jedoch den Begriff These gebrauchen.
[9]Ich stimme hierbei weitestgehend mit der Gliederung von Rieger überein. Vgl. Rieger: Freiheit, S. 12-15.
[10]WA 7, 37, 16f.
[11]Hierzu s. Anm. 9.
[12]WA 7, 21, 1-4.
[13]WA 7, 21, 12-15.