Stasis auf Korkyra. Das antike Phänomen des inneren Krieges


Hausarbeit, 2012

17 Seiten, Note: 1, 7


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Analyse der Stasis des 4. und 5. Jahrunderts v. Chr.
2.1 Allgemeine Definition
2.2. Innere und äußere Akteure
2.2.1 Demokraten versus Oligarchen
2.2.2 Die Stasis angesichts des Antagonismus zwischen Athen und Sparta
2.3 Aktionen und weitere Ziele in der Stasis
2.4 Folgen einer Stasis im Kontext des Antagonismus zwischen Sparta und Athen

3. Stasis auf Korkyra
3.1 Ausgangslage der Polis Korkyra im 5. Jahrhundert v. Chr.
3.2 Ausbruch und Verlauf der Stasis
3.2.1 Frühphase
3.2.2 Mittlere Phase
3.2.3 Das Ende der Stasis

4. Folgen der Stasis auf Korkyra und Ursachen nach Thukydides

5. Bibliographie
5.1. Quellen
5.2. Literatur

1. Einleitung

„Denn Zwietracht im eigenen Volke ist ebensoviel schlimmer als Krieg, wie Krieg schlimmer ist als Friede“[1]. Auf diese Art und Weise beschrieb nicht nur Herodot einen der weitaus bedeutendsten Phänomene der griechischen Geschichte: Die Stasis (στάσεις). Von zeitgenössischen Schriftstellern und Philosophen als „Armutsbringerin und feindselige Ziehmutter“[2] bzw. als „Allvernichterin“[3] dargestellt bilden diese inneren Wirren einen nicht unwichtigen Faktor für Ereignisse wie den Perserkriegen beginnend mit dem ionischen Aufstand. Von der modernen Altertumsforschung bis in jüngster Zeit eher missachtet[4] stellte vor allen Dingen die Stasis auf Korkyra für Thukydides eine wesentliche Ursache für den Ausbruch des peloponnesischen Krieges dar. Daher wurde sie nicht nurin ihrem Verlauf, sondern auch in ihren Bedingungen und Folgen relativ genau von demselben analysiert und beschrieben.

Ähnlich wie Thukydides wird diese Arbeit einer Art Zweiteilung unterliegen. Im 1. Teil sollen die Voraussetzungen, Ursachen und die Akteure vor dem Hintergrund einer allgemeinen Interpretation stehen, um so ihren Charakter fassen zu können.Im Nachfolgenden werde ich den Verlauf der Stasis auf Korkyra mithilfe von Thukydides schildern und die Ergebnisse auf den Antagonismus zwischen Sparta und Athenbeziehen.

Neben den primären Quellen wie Thukydides oder Herodot ziehe ich vor allem für den 1. Teil der Arbeit Analysen wie die von Hans-Joachim Gehrke (Stasis. Untersuchungen zu den inneren Kriegen in den griechischen Staaten des 5. und 4. Jahrhunderts v. Chr.) hinzu. Fernernoch dieSchriften von Kagan, (The Peloponnesian War) etc., die sich auf die sozioökonomischen Hintergründe in den damaligen griechischen Poleis konzentrieren und mit relativ modernen Methoden an dieses Phänomen herangehen.

Diese Einteilung hat ihren Ursprung in der Komplexität dieses Themas - wie im Folgenden deutlich wird. Um überhaupt allgemeine und sichere Erkenntnisse erfassen zu können müssten alle bekannten Fälle analysiert werden. Darum beschränke ich mich hauptsächlich auf Korkyra und versuche allgemeine Annahmen in diesem Ereignis wiederzufinden.

2.Analyse der Stasis des 4. und 5. Jahrunderts v. Chr.

2.1 Allgemeine Definition

Wie schon in der Einleitung angedeutet führt die Komplexität diesen Themenbereichs zwangsweise zu einer Einschränkung, aber nicht nur. Auch eine genaue Definition wird angesichts der Artenvielfalt dieses Phänomens, dass sich über die Jahrhunderte hinweg bei den Akteuren als auch in ihrem Verlauf geändert hat, problematisch. Zudem spielen der außenpolitische Rahmen und die vorangegangen Verfassungen des politischen Systems eine wesentliche Rolle um ihr Wesenzu erschließen. Daher reichen moderne Begriffe wie Revolution oder Bürgerkriege, die in eher modernen Kontexten eingebettet sind, nicht aus bzw. scheinen nicht geeignet[5].

Allgemein ist die Stasis ein innerer Krieg mit revolutionären Charakter innerhalb einer Polis zwischen konkurrierenden, politischen Gruppierungen. Dementsprechend spricht die antike Staatstheorie davon, dass die jeweilige Seite ihre Verfassung etablieren will und somit ein Wandel des staatlichen Systems vorantreibt (Metabole politeion[6] ).

2.2. Innere und äußere Akteure

2.2.1 Demokraten versus Oligarchen

Wie die Überschrift schon verrätstehen sich in den inneren Kämpfen des 4. und 5. Jhr.Oligarchen (ὀλίγοι)und die Demokraten (δῆμος) gegenüber, die bei den jeweiligen Autoren unterschiedlich verwendet werden und mit modernen Vorstellungen einer Partei oder Gruppierung nicht gänzlich zusammenfallen. Im Falle von Thukydides lässt sich dennoch die Demos als einfaches Volk bzw. als untere Schicht und im Falle der Oligarchen als die „Wenigen[7] “ charakterisieren. Doch auch Thukydides oder Samos gehen oft einen Schritt weiter und spezifizierenmit Begriffen wie γεωμόροι[8] die soziale Einordnung der Gruppen. Dadurch kann man allgemein sagen, dass ein Bürger innerhalb einer Polis seine Rangzuordnung aufgrund politischen Einflusses und seines Vermögens erhält. Doch selbst diese Einteilung unterliegt einem Wandel und ist von Polis zu Polis unterschiedlich, wenn man z.B. die Oligarchen betrachtet, die zahlenmäßig nicht selten an die Gruppe der Demokraten heranreichten.

Besser hingegen lassen sich die Gruppierungen in Hinblick auf ihre Verfassung definieren.DenDemokratien – die sich je nach Polis im Grad der politischen Partizipation unterscheiden – ist zumindest eine gewisse Gewaltenteilung via Volksversammlung und demokratischen Rat gemeinsam, bei denen ein großer Teil der Vollbürger sich an Wahlen, Gesetzgebung bzw. der Rechtsprechung beteiligten. Die dabei radikalste Form bildet mit Abstand Athen, in der eine Vergabe der Ämter per Los erfolgte und später auch ein Sold für den Besuch der Volksversammlung vergeben worden ist[9].Da eine politische Partizipation aufgrund ausgezahlter Diäten etc. keine hohe ökonomische Potenz der einzelnen Bürger voraussetzte, waren es vornehmlich Bauern, Handwerker etc., die für diese Form der staatlichen Organisation einstanden[10].

Die Oligarchie, die sich in ihrer Ausprägung je nach Polis ähnlich unterschied, prägte im Ganzen die Einteilung der Vollbürger nach dem Vermögen. Die Institutionen hingegen waren inderselben Weise gegeben wie in den meisten Demokratien. Jedoch war der Einfluss in diesen Gremien – wie oben angedeutet – abhängig vom Grad der Hoplitenfähigkeit, also dem agrarischen Reichtum und der damit verbundenen Potenz im Kriegsfall die Stadt zu verteidigen. In diesem Sinne streben vor allem Mittel- bis Großbauern oligarchische Strukturen an, die aber in ihrer Masse sehr groß sein konnten. Demgegenüber stehen aber auch Oligarchien mit kleinen Gruppen (meistens einer Familie), denen eine große Masse an Kleinerbauern gegenüberstand, die von jeglicher politischer Beteiligung ausgeschlossen waren[11].

Innerhalb der Stasis-Situation standen sich dennoch die eben genannten Gruppen zunächst nicht in ihren jeweiligen sozialen Schichten gegenüber, was auf eine andere Motivation zu derartigen Aufständen schließen lässt. Denn die Anführerschaft zum Wechsel der politischen Verhältnisse lag meistens in den Händen kleiner, aktiver Gruppen, die die Masse der Bevölkerung (eben die Kleinbauern) hinter sich versammelten[12]. Dabei ist es häufig allein der kleine Kreis der Insurgenten, die neben demselben Stand auch über einen entsprechenden Einfluss und Reichtum in der Polis verfügten. Dies war auch bei denjenigen Rädelsführern der Fall, die eine demokratische Verfassung anstrebten. Diese aktiven Gemeinschaften waren oftmals alsHetairien (ἑταιρία) organisiert. Dabei handelt es sich um einen Personenkreis, der schon vor der eigentlichen Stasis (Vgl. Theben[13] ) intern Machtkämpfe mit anderen um die Positionen im Staat ausübten. Das Wesen bildete – so der wie Name verrät – ein Art Freundschaft oder die einer„Verwandschaftsbeziehung[en][14] “ mit fast konspirativen Charakter. Für den Umstand der Stasis ist jedoch von großer Wichtigkeit, dass die Loyalität zu einer derartigen Gruppierung meist größer war als zur Polis. Daraus ergibt sich gleichzeitig, dass die Beweggründe dieser Hetarien zur Stasis nicht nur politisch-programmatisch waren und sie nicht „als Interessenvertreter größerer Gruppen[15] “ angesehen werden konnten. Auch

Thukydides sieht in diesen „Volksführern[16] “ und ihren Strukturen ein wesentliches Element der Stasis.

Die großen, passiven Bevölkerungsanteile schlossen sich dann aufgrund der politischen Legitimität einer der politischen Parteien an. So erfolgte, um einen möglichst großen Teil der Bürger einer Polis an sich zu binden, ein Ausgleich der Interessen, was auch bedeuten konnte, dass z.B. ein Großteil der unteren Schichten zur oligarchischen Hetairia wechselte. Ferner spielten auch die Überzeugungskraft bzw. das Charisma der Wortführer innerhalb der Stasis eine wesentliche Rolle. Und auch die freundschaftlichen Beziehungen innerhalb Hetairia konnten sich über dieselbe hinaus (ähnlich einer römischen Fides zwischen Patrizier und Client) auf einen Teil der Bevölkerung ausweiten[17]. Dadurch waren die Fronten schnell geklärt, sobald der persönliche Feind seine Seite eingenommen hatte.

Beides – politische Überzeugung sowie persönliche Bindung -fielen jedoch fast zusammen, wenn z.B. ein Handwerker sich nur mit seinen eigenen Standesgenossen umgab. Die Tendenz geht also wiederum – wie oben beschrieben – in die Richtung, dass die von Subsistenzwirtschaft geprägten Bürger einer Polis sich zunächst den Demokraten anschlossen und das Pendant den Oligarchen. Mit dem Verlauf einer Stasis und dem Ausgang konnten sich aber neue soziale Strukturen und Verhältnisse einstellen.

2.2.2 Die Stasis angesichts des Antagonismus zwischen Athen und Sparta

Und diese Strukturen wurden nicht unwesentlich von Außen beeinflusst. Denn bei den 283 bekannten Fällen fügten sich in fast 72% äußere Akteure ein[18]. Vor allen angesichts der Perserkriege oder im Falle der Pentekontätie versuchten Athen bzw. Sparta (später auch Theben) die jeweiligen Gruppierungen für sich zu gewinnen, die ihren politischen Vorstellungen entsprachen und sich in ihr Bündnissystem einfügten. Dies wird vor allem bei Thukydides und anderen Autoren deutlich, die oftmals die konkurrierenden Gruppen mithilfe ihrer außenpolitischen Orientierung bezeichneten.

[...]


[1] Herodot VII, 3,1.

[2] Gehrke, Hans-Joachim, Stasis. Untersuchungen zu den inneren Kriegen in den griechischen Staaten des 5. und 4. Jahrhunderts v. Chr., C.H. Beck´sche Verlagsbuchhandlung (Oscar Beck), München 1985, S. 1.

[3] Ebd., S.1.

[4] Ebd., Vgl. S. 2.

[5] Ebd., S.6 f.

[6] Ryffel, Heinrich, Metabolēpoliteiōn. Der Wandel der Staatsverfassungen, Paul Haupt Bern, Schweiz 1949, S. 75.

[7] Gehrke: a.a.O., S. 310.

[8] Ebd., S.311.

[9] Ebd., S. 312 ff..

[10] Ebd., S. 315.

[11] Ebd., S. 320.

[12] Ebd., S. 329.

[13] Ebd., S. 332.

[14] Gehrke: a.a.O., S. 333.

[15] Ebd., S.336.

[16] Thuk. III,82,1.

[17] Gehkre: a.a.O., S. 344.

[18] Ebd.,S. 269.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Stasis auf Korkyra. Das antike Phänomen des inneren Krieges
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg  (Lehrstuhl für Alte Geschichte)
Veranstaltung
Perikles und der Untergang Athens im Peloponnesischen Krieg
Note
1, 7
Autor
Jahr
2012
Seiten
17
Katalognummer
V340107
ISBN (eBook)
9783668319844
ISBN (Buch)
9783668319851
Dateigröße
547 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
stasis, phänomen, krieges, beispiel, polis, korkyra
Arbeit zitieren
Markus Hofbauer (Autor:in), 2012, Stasis auf Korkyra. Das antike Phänomen des inneren Krieges, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/340107

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