Jugendkriminalität. Mehr Kriminalität? Härtere Strafen?


Hausarbeit, 2013

19 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Jugendkriminalität. Immer schlimmer?

3. Sanktionen/Strafen gegenüber Jugendlichen
3.1 Formelle und informelle Sanktionsmöglichkeiten des JGG
3.2 Sanktionierungspraxis in Deutschland
3.3 Sind härtere Strafen sinnvoll?
3.4 Rechtliche Tendenzen zu mehr Härte

4. Erziehung zur Freiheit durch Freiheitsentzug?

5. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die mediale Berichterstattung über kriminelle Jugendliche[1] erweckt oft den Anschein von einer immer gefährlicher werdenden jungen Generation. Gerade im Zusammenhang mit einzelnen äußerst brutalen Gewaltanwendungen (beispielhaft sei hier auf die Schlägerei mit Todesfolge in einem Münchner S-Bahnhof im Jahr 2009[2] und ähnlich gearteter und medial präsenter Fälle in den letzten Jahren hingewiesen) werden Stimmen laut, die vor einer Gefahr durch die heutige Jugend warnen. In der Folge greifen üblicherweise Politiker die Thematik auf, um sogleich für mehr Überwachung und härtere Strafen gegenüber Jugendlichen zu plädieren. In der hessischen Landtagswahl im Jahr 2008 wurde diese Thematik sogar zentrales Wahlkampfthema einer Partei[3]. Eine wissenschaftliche Untermauerung solcher Forderungen nach härterem Durchgreifen und der Darstellung einer zunehmenden Jugendkriminalität fehlt es in der Regel in den zugehörigen Berichterstattungen, was verschiedene Fragen aufwirft. Im Kern lassen sich hier zwei Grundannahmen herausfiltern: Die Jugendkriminalität ist ein ständig wachsendes Problemfeld (1) und mit härteren Strafen lässt sich dieses Problem zurückdrängen oder gar beseitigen (2).

In dieser Arbeit werden jene zwei Grundannahmen aufgegriffen, um abseits von populistischen Äußerungen darzustellen, ob es hierfür auch aus wissenschaftlicher Sicht Belege gibt.

Können die Jugendlichen in Deutschland also als immer krimineller angesehen werden? Und hilft ein härteres Durchgreifen in Form von Strafverschärfungen generell Kriminalität zu bekämpfen bzw. präventiv als Abschreckung zu dienen? Um diese Fragen beantworten zu können wird zunächst die quantitativen und qualitativen Ausmaße der Jugendkriminalität und ihre Entwicklung dargestellt. Danach werden die strafrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten und die Sanktionspraxis gegenüber Jugendlichen in Deutschland vorgestellt. Zum Abschluss wird betrachtet, ob härtere Strafen vorteilhaft gegenüber milderen Sanktionsarten sind und was die härtesten Strafen, namentlich die freiheitsentziehenden Sanktionen, mit Blick auf die Ziele des Jugendstrafrechts (hierauf wird im entsprechenden Kapitel näher eingegangen) überhaupt leisten können.

2. Jugendkriminalität. Immer schlimmer?

Ob die Jugendkriminalität in Deutschland ein immer größer werdendes Problem ist, lässt sich zum einen in quantitativer Hinsicht untersuchen, indem man die registrierten Straftaten der letzten Jahre vergleicht. Zum anderen lässt sich auch die Qualität der verübten Kriminalität beleuchten, denn möglicherweise gab es im Zeitverlauf Veränderungen in der Schwere der verübten Delikte. Eine Zunahme von schweren Straftaten würde zumindest mit der hohen Präsenz dieser Taten in der Medienlandschaft korrespondieren. Die Informationen über Delikte, Deliktarten und die Strafverfolgung in Deutschland können aus der jährlich erscheinenden polizeilichen Kriminalstatistik (kurz: PKS) und der Strafverfolgungsstatistik entnommen werden.

Zunächst wird die Quantität betrachtet. In seiner Auswertung der Daten aus der PKS und der Strafverfolgungsstatistiken (letzter Datenstand aus dem Jahr 2010), nutzt der Soziologe und Kriminologe GERHARD SPIESS (2012) zur besseren Vergleichbarkeit über die Jahre hinweg Häufigkeitszahlen, anstatt absoluter Zahlen. Aufgrund der sich stark verändernden Altersstrukturen in den letzten Jahrzehnten sind nur so sinnvolle Aussagen auf die jeweiligen Altersgruppen möglich. Die Zahl der durch die Polizei als tatverdächtig registrierten jungen Menschen unter 21 Jahren hat seit Anfang der 90er Jahre deutlich zugenommen und erreichte ihren Höhepunkt im Jahr 2004. Seitdem ist wieder ein klarer Abwärtstrend zu beobachten. Diese langjährig zu beobachtende Zunahme bei Jugendlichen ist allerdings differenzierter zu beurteilen, wenn man die relative Entwicklung der Tatverdächtigenbelastungen nach Altersgruppen zwischen 1998 und 2008 untersucht. Denn hier ist zu erkennen, dass überdurchschnittliche Zuwächse nicht bei den Jugendlichen, sondern bei den 21-40jährigen festzustellen sind (vgl. SPIESS 2012, S. 10-15). Zusammengefasst spricht die langjährige Entwicklung nicht für eine pauschale Verurteilung der jungen Generation, denn „in quantitativer Hinsicht ist darauf hinzuweisen, dass die Polizeiauffälligkeit auch nach dem 18. oder 21. Lebensjahr keineswegs endet: Nach dem 21. Lebensjahr erfolgen doppelt so viele Registrierungen wie in der Lebensphase bis zum 21. Lebensjahr. Allein in den Jahren zwischen 20 und 40 nimmt die Zahl der Registrierungen im selben Umfang zu wie in den ersten 20 Lebensjahren eines Menschen; und in den Jahren nach 40 noch einmal im selben Umfang.“ (ebd., S. 38, Hervorhebung im Original).

Kriminalität ist demnach kein alleiniges Phänomen der unter 21 jährigen Bevölkerung. Festzuhalten ist aber dennoch, dass es seit Beginn der statistischen Auswertungen zu beobachten ist, dass die Kriminalitätsbelastung stark vom Alter[4] abhängig ist und gerade die jungen registrierten Menschen deutlich überrepräsentierter als die Vollerwachsenen sind, was ebenfalls durch Dunkelfelduntersuchungen bestätigt wird (vgl. HEINZ 2003, S. 85). Diese überproportionale Präsenz der jungen Generation in den Kriminalstatistiken lässt sich durch die qualitativen Unterschiede gegenüber den Vollerwachsenen erklären. Typischerweise können von Jugendlichen begangene Delikte dem Bagatellbereich zugeordnet werden (hauptsächlich Ladendiebstahl, aber auch z.B. fahrlässige oder vorsätzliche leichte Körperverletzung). Die mangelnde Professionalität, mit der diese Delikte überwiegend begangen werden, ist ursächlich dafür, dass sie eben auch leichter zu erkennen und aufzuklären sind, was wiederum ein Grund für ein erhöhtes Kontrollausmaß durch Polizei und Privatleute ist (vgl. SPIESS 2012, S. 21).

Nur weil der größte Teil der Jugendkriminalität aus leichten Vergehen besteht, schließt dies nicht aus, dass auch in dieser Altersgruppe Gewaltdelikte begangen werden. Das subjektive Sicherheitsgefühl der Bevölkerung dürfte vor allem von den Presseberichten über (immer brutaler werdende) Gewaltverbrechen beeinflusst werden. Ob deutlich messbare Auswirkungen von der Medienberichterstattung auf das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung bestehen, kann hier nicht näher erörtert werden. Zumindest kann aber davon ausgegangen werden, dass durch die vermehrte mediale Darstellung solcher Einzelfälle wie der einleitend erwähnte Vorfall in München, die Präsenz von durch Jugendlichen begangenen Gewaltdelikten in der Wahrnehmung der Bevölkerung erhöht wird. Tatsächlich ist in den letzten Jahren eine Zunahme der Häufigkeit von Jugendlichen und Heranwachsenden begangener Gewaltdelikte zu beobachten, wenn man das Hellfeld, also die Daten der PKS betrachtet. In der PKS werden unter dem Begriff Gewaltkriminalität die Deliktarten Mord, Totschlag und Tötung auf Verlangen, Vergewaltigung und sexuelle Nötigung, Raub, räuberische Erpressung und räuberischer Angriff auf Kraftfahrer, Körperverletzung mit Todesfolge, gefährliche und schwere Körperverletzung, erpresserischer Menschenraub, Geiselnahme und Angriff auf den Luft- und Seeverkehr zusammengefasst. Der Anteil an der Gesamtkriminalität der begangenen Gewaltkriminalität betrug im Jahr 2010 lediglich 3%. Innerhalb dieses Anteils entfallen über zwei Drittel der Delikte auf die Gruppe der gefährlichen und schweren Körperverletzung. Die restlichen Anteile entfallen auf Raub- (24%), Vergewaltigungs- (4%) und Tötungsdelikte (1%). Hieraus wird ersichtlich, dass die Gewaltkriminalität am Kriminalitätsgesamtaufkommen nur eine sehr kleine Rolle spielt. Nichtsdestotrotz ist, wie bereits erwähnt, der Anteil der Gewaltkriminalität unter Jugendlichen gestiegen. Nimmt man die anteilsmäßig größte Deliktgruppe der gefährlichen und schweren Körperverletzung näher in Augenschein, so fällt auf, dass hierunter nicht automatisch von Taten mit gefährlichen Verletzungsfolgen ausgegangen werden kann, da auch gemeinschaftlich begangene Straftaten erfasst werden. Gruppenraufereien, wie sie unter Jugendlichen häufig zu beobachten sind, fallen also auch in den Bereich der Gewaltkriminalität, ohne dass damit schwere Verletzungen einhergehen müssen. Es zeigt sich nach statistischer Auswertung, dass gerade diese gemeinschaftlich begangenen Taten die jugendliche Gewaltdelinquenz dominieren, was durch Dunkelfeldstudien ebenfalls bestätigt wird. Die Untersuchungen des Dunkelfelds zeigen weiterhin, dass, entgegen des medial vermittelten Anscheins und der statistischen Ergebnisse des Hellfelds, die Häufigkeit von schwerer Gewalt nicht zugenommen hat und man sogar von einem Rückgang sprechen kann (vgl. SPIESS 2012, S. 23 ff). Dies kann auf eine Grenzverschiebung zwischen Dunkel- und Hellfeld deuten. Im Dunkelfeld begangene, also nicht registrierte, Delikte gelangen vermehrt in den Bereich des Hellfelds, was „einer gestiegenen Sensibilisierung der Öffentlichkeit, einer abnehmenden Gewaltakzeptanz und einer entsprechenden Änderung des Anzeigeverhaltens zuzuschreiben [ist], die insbesondere zur vermehrten Anzeige und Registrierung von Fällen auch geringerer Schwere geführt hat.“ (ebd., S. 27).

Die bisherigen Darstellungen zeigen, dass in Bezug auf Jugendkriminalität weder im quantitativen, noch im qualitativen Sinn von einer besorgniserregenden Entwicklung gesprochen werden kann. Von einer brutaleren Jugend, die immer deutlichere Mängel in der Erziehung zeigt, darf also nicht ausgegangen werden. Dies wird auch dadurch bestätigt, dass man kriminelle Auffälligkeiten im Jugendalter vor allem im Bagatell- und mittelschweren Bereich als ubiquitär bezeichnen kann. Damit ist gemeint, dass eine Polizeiauffälligkeit im jungen Alter eher zur Regel gehört, als eine Ausnahme darstellt. Statistisch wird die durch die Zahlen der PKS 2010 bestätigt, wonach allein in diesem einen Jahr fast jeder zehnte männliche Deutsche zwischen 16 und 21 Jahren als Tatverdächtiger registriert wird. Da die Jugendphase hier als Abschnitt zwischen 14 und 21 Jahren verstanden wird, ist die Wahrscheinlichkeit in diesem Altersbereich polizeilich registriert zu werden sehr hoch (vgl. ebd., S. 17; HEINZ 2003, S. 87).

Weiterhin ist Jugendkriminalität als episodenhaft zu kennzeichnen. Vermehrte polizeiliche Auffälligkeiten verbleiben in der Regel in der Jugendphase. Selbst wiederholte Registrierungen in dieser Altersphase sind kein eindeutiger Garant für eine Prognose der Zukunft. Man kann also nicht aus wiederholter Auffälligkeit auf eine sich in das Erwachsenenalter hinein erweiternde Verbrecherkarriere schließen. Zwar muss eingewendet werden, dass Erwachsenenkriminalität vermehrt im Dunkelfeld verbleibt, die statistischen Auswertungen aber dennoch dafür sprechen, dass das Abklingen der kriminellen Energien im Altersverlauf wesentlich wahrscheinlicher ist (vgl. ebd., S. 87).

[...]


[1] Unter Jugendlichen wird hier die Altersgruppe zwischen 14 und 21 Jahren verstanden. Aus Platzgründen wird keine detaillierte Unterteilung der Gruppen Jugendliche (14-18) und Heranwachsende (18-21) wie sie im Jugendstrafrecht zu finden ist vorgenommen. Auf einzelne Besonderheiten bezüglich der strafrechtlichen Behandlung von Heranwachsenden wird aber im Kapitel 3 eingegangen.

[2] siehe bspw.: http://www.spiegel.de/panorama/justiz/toedliche-attacke-in-muenchen-opfer-der-s-bahn-pruegler-erlitt-22-verletzungen-a-648806.html.

[3] Siehe bspw.: http://www.sueddeutsche.de/politik/landtagswahl-in-hessen-trotz-debakel-cdu-bleibt-staerkste-partei-1.289257.

[4] Das Geschlecht spielt ebenfalls eine große Rolle. Auf die geschlechterspezifischen Unterschiede im Bereich der Kriminalität wird in dieser Arbeit allerdings nicht eingegangen. Exemplarisch hierzu: HEINZ 2003, S. 60 ff.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Jugendkriminalität. Mehr Kriminalität? Härtere Strafen?
Hochschule
Philipps-Universität Marburg  (Erziehung- und Bildungswissenschaft)
Veranstaltung
Einführung in die Erwachsenenbildung/Außerschulische Jugendbildung
Note
1,7
Autor
Jahr
2013
Seiten
19
Katalognummer
V340174
ISBN (eBook)
9783668298606
ISBN (Buch)
9783668298613
Dateigröße
463 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
jugendkriminalität, mehr, kriminalität, härtere, strafen
Arbeit zitieren
Sandra Kraft (Autor:in), 2013, Jugendkriminalität. Mehr Kriminalität? Härtere Strafen?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/340174

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