„Es gibt eine Wissenschaft, die das Seiende, insofern es seiend ist, betrachtet und das, was ihm an sich zukommt“ – so beginnt Aristoteles das vierte Buch seiner Metaphysik. Jene Wissenschaft, die im Gegensatz zu allen anderen das Seiende allgemein betrachtet und nicht nur einen Teil davon, nennt Aristoteles „erste Philosophie“. Diese spezielle Wissenschaft (Metaphysik oder Ontologie) will „die ersten Ursachen des Seienden, insofern es seiend ist, erfassen“ und ist somit allen anderen Wissenschaften über- und vorgeordnet.
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit eben dieser „ersten Philosophie“ des Aristoteles, die er in seiner Metaphysik entwickelt und besonders um ihre Rezeption durch Thomas von Aquin. Dazu sollen hier jene Aspekte der aristotelischen Philosophie in den Mittelpunkt des Interesses gestellt werden, die etwa 1500 Jahre später verstärkt Grundlage Eingang die Philosophie der Hochscholastik gefunden haben. Diese christlich geprägte Form des Philosophierens auf der Grundlage aristotelischer Metaphysik trug und trägt die Handschrift des Dominikanermönches Thomas von Aquin, der neben einer Vielzahl weiterer, auch nicht nur christlicher Denker, die aristotelische Philosophie revitalisiert und mit den Formen und Motiven tief religiös geprägter Anliegen durchsetzt.
Im ersten Kapitel gilt es zunächst den philosophiegeschichtlichen Hintergrund der Aristoteles-Rezeption zu konturieren, vor dem die kritische Gegenüberstellung beider Denksysteme – also der des Aristoteles und des Thomas – überhaupt erst entfaltet werden kann. Dazu sind zunächst die acht der wichtigsten, eng miteinander verknüpften, ontologischen Begriffe des Aristoteles zu erläutern werden. Deren Rezeption und Modifikation durch Thomas werden im zweiten Kapitel der Arbeit vorgestellt – die durch den Aquinaten übernommenen Begriffe sollen dazu nicht noch einmal eigens erklärt werden.
Auf Grundlage der aus den ersten beiden Kapiteln gewonnen Einsichten soll im dritten Kapitel die Frage geklärt werden, inwieweit Thomas in Folge seiner Rezeption des antiken Philosophen als Aristoteliker bezeichnet werden kann.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Aristoteles: Wegbahner und Referenzautorität
- Philosophiegeschichtliche Hintergründe der Aristoteles-Rezeption
- Die Kategorien
- Substanz und Akzidens
- Form und Materie
- Akt und Potenz
- Ursachen
- Thomas von Aquin: Theologia scientia speculativa est
- Hintergrund
- Differenzen
- Materie
- Substanz
- Realdistinktion
- Thomas von Aquin: „Bloß“ Aristoteliker?
- Ergebnis und Schluss
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert die Rezeption der Philosophie des Aristoteles durch Thomas von Aquin, insbesondere im Kontext der „ersten Philosophie“ (Metaphysik/Ontologie). Sie untersucht die wichtigsten ontologischen Begriffe des Aristoteles, die im 13. Jahrhundert durch die Übersetzungsbewegung wiederentdeckt wurden und maßgeblich die scholastische Philosophie prägten.
- Die philosophiegeschichtlichen Hintergründe der Aristoteles-Rezeption
- Die zentralen ontologischen Begriffe des Aristoteles (Kategorien, Substanz und Akzidens, Form und Materie, Akt und Potenz, Ursachen)
- Die Übernahme und Modifikation dieser Begriffe durch Thomas von Aquin
- Die Frage, inwieweit Thomas von Aquin als „Aristoteliker“ bezeichnet werden kann
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Arbeit stellt das Thema und die Zielsetzung der Analyse der Aristoteles-Rezeption durch Thomas von Aquin vor, wobei die „erste Philosophie“ (Metaphysik) im Vordergrund steht.
- Aristoteles: Wegbahner und Referenzautorität: Dieses Kapitel erläutert die philosophiegeschichtlichen Hintergründe der Aristoteles-Rezeption im 12. und 13. Jahrhundert. Die Übersetzungsbewegung und der Einfluss arabischer und jüdischer Kommentatoren werden dargestellt. Anschließend werden die wichtigsten ontologischen Begriffe des Aristoteles vorgestellt, darunter die Kategorien, Substanz und Akzidens, Form und Materie, Akt und Potenz sowie die Ursachen.
- Thomas von Aquin: Theologia scientia speculativa est: Dieses Kapitel beleuchtet die Übernahme und Modifikation der aristotelischen Begriffe durch Thomas von Aquin. Dabei werden die Unterschiede in Bezug auf die Materie, Substanz und die Realdistinktion behandelt.
Schlüsselwörter
Aristoteles, Thomas von Aquin, Metaphysik, Ontologie, Kategorien, Substanz, Akzidens, Form, Materie, Akt, Potenz, Ursachen, Scholastik, Theologia, Realdistinktion
- Quote paper
- Boris Krause (Author), 2004, "Bloß" Aristoteliker? Kritische Untersuchung der Aristoteles-Rezeption des Thomas von Aquin, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/34061