Die berufliche Weiterbildung von Geringqualifizierten. Eine Untersuchung der Voraussetzungen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für digitale Weiterbildungsmaßnahmen


Hausarbeit (Hauptseminar), 2016

35 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Zielgruppe „gering Qualifizierte“
2.1 Merkmale der Zielgruppe „gering Qualifizierte“
2.2 Arbeitsmarktsituation der gering Qualifizierten

3. Soziale Ungleichheiten bei der Teilnahme an beruflicher Weiterbildung
3.1 Beschreibung der Disparitäten anhand soziodemographischer Faktoren
3.2 Hemmende Faktoren bei formal gering Qualifizierten
3.3 Digitale Medien – eine „Wunderwaffe“ zur Weiterbildung von Geringqualifizierten im quartären Sektor?
3.4 Gesellschaftliche Rahmenbedingungen für digitale Weiterbildungsangebote
3.5 Soziologische Aspekte

4. Ansatzpunkte zur Einbeziehung weiterbildungsabstinenter Gruppen

5. Fazit und Ausblick

Literatur

Anhang A

Hinweis:

Zur besseren Lesbarkeit wurde auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Formen bei Nomen verzichtet. Oft werden neutrale Bezeichnungen verwendet; wo dies nicht erfolgt ist und die männliche Form gebraucht wurde, sind selbstverständlich immer auch die weiblichen Vertreterinnen gemeint.

1. Einleitung

Seit Ende der 1960er Jahre vollzieht sich ein Wandel von der Industrie- zur Wissensgesellschaft, verbunden mit einer steigenden Technisierung, Digitalisierung und Globalisierung in der Arbeitswelt. Im Zuge dieser Veränderungen tendiert die Arbeitskräftenachfrage in Richtung einer Höherqualifizierung, was zu einem zunehmenden Bedeutungsverlust für Tätigkeiten mit geringen Qualifikationsanforderungen führt (Kalina 2005, S. 15). Gleichzeitig wird sich durch den demographischen Wandel die Struktur der Gesellschaft deutlich verändern. Ein großer Teil der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter wird in den Ruhestand gehen und zugleich rücken weniger Berufseinsteiger nach, so dass ein bedrohlicher Fachkräftemangel prognostiziert wird. Die Sicherung des Fachkräftebedarfs stellt eine zentrale politische Herausforderung dar, die die Notwendigkeit nach sich zieht, alle Potenziale auszuschöpfen (BMAS 2015, S. 26ff).

Vor diesem Hintergrund wird im vorherrschenden Diskurs dem lebenslangen Lernen und der beständigen beruflichen Weiterbildung eine Schlüsselrolle bei der Förderung der Beschäftigungsfähigkeit, aber auch der Chancengleichheit und der sozialen Teilhabe zugeschrieben. Berufliche Weiterbildung soll Versäumnisse der gering Qualifizierten in früheren Bildungsphasen kompensieren, um Zugang zu existenzsichernder Arbeit und sozialer Integration zu gewähren (Dehnbostel 2008, S. 9f).

In dieser Arbeit soll untersucht werden, inwieweit berufliche Weiterbildung diesen hohen Erwartungen gerecht werden kann. Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass gerade die Zielgruppe der formal gering Qualifizierten bei der Weiterbildungsbeteiligung stark unterrepräsentiert ist. Um die Ursachen für dieses Phänomen eruieren zu können, wird zunächst ein genauerer Blick auf die Merkmale der Gruppe von formal gering Qualifizierten und ihre Situation am Arbeitsmarkt geworfen. Im Anschluss wird in Kapitel drei die Ungleichheit in der Weiterbildungsteilnahme unter Berücksichtigung von soziodemographischen Faktoren genauer beleuchtet. Hierzu werden die Daten des Adult Education Survey 2012 sowie 2014 herangezogen und analysiert, um danach Barrieren für die Weiterbildungsteilnahme auf Mikro-, Meso- und Makroebene herauszuarbeiten. Im Anschluss soll untersucht werden, ob der Einsatz von digitalen Medien diese hinderlichen Faktoren abschwächen oder verhindern kann. Der Fokus soll aber nicht auf einzelnen Instrumenten des E-Learning liegen, sondern vielmehr darauf, ob die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und Voraussetzungen innerhalb der Zielgruppe geeignet sind, diese neuen Lernformen erfolgreich einsetzen zu können. Hierzu werden die Bildungsvoraussetzungen der formal gering Qualifizierten anhand der PISA- und PIAAC-Studien beschrieben, um danach auch einen soziologischen Blick auf die unterschiedlichen Einstellungen bestimmter gesellschaftlicher Schichten gegenüber Bildung und deren Voraussetzungen zu werfen.

Nach diesem ausführlichen Blick auf die angesprochene Zielgruppe und den personalen, sozialen und strukturellen Barrieren, die zu der konstatierten geringen Weiterbildungsbeteiligung führen, soll dargestellt werden, welche Ansatzpunkte zur Verbesserung der Situation sich aus der Analyse schlussfolgern lassen. In diesem Zuge werden exemplarisch bereits initiierte Maßnahmen und Projekte vorgestellt sowie Vorschläge eingebracht, den Ursachen für die Weiterbildungsabstinenz zu begegnen. Zum Abschluss wird in Kapitel fünf ein Fazit gezogen und ein Ausblick in die Zukunft gegeben.

2. Die Zielgruppe „gering Qualifizierte“

Bevor die Voraussetzungen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für die berufliche Weiterbildung von gering Qualifizierten untersucht werden, soll zuerst ein genauerer Blick auf die Zielgruppe selbst und deren Arbeitsmarktsituation geworfen werden.

2.1 Merkmale der Zielgruppe „gering Qualifizierte“

Eine einheitliche Definition dieser Zielgruppe lässt sich in der Literatur bzw. in der arbeitsmarktpolitischen Diskussion nicht finden. Neben dem Begriff „gering Qualifizierte“ findet man oft die Begriffe „An- und Ungelernte“ oder auch im Zusammenhang mit dem lebenslangen Lernen und der beruflichen Weiterbildung die Bezeichnung „Bildungsferne“.

Die OECD klassifiziert diejenigen Menschen als gering qualifiziert, die höchstens einen Realschulabschluss und keinen Berufsabschluss haben, so dass neben dem Kriterium Berufsausbildung hier auch der Schulabschluss distinktiv ist (OECD 2014, o. S.). Reutter dagegen unterscheidet innerhalb der gering Qualifizierten zwei Teilgruppen:

„Das sind zum einen die, die aufgrund fehlender Schul- und Berufsabschlüsse kaum Zugänge in die Erwerbsarbeit finden […]. Zum anderen rechne ich diejenigen dazu, die entweder nur über Teilberufsausbildungen (Helfer/innen-Berufe) verfügen oder aufgrund nicht auf dem Markt nachgefragter Berufsabschlüsse berufsfremd in Branchen mit niedriger Bezahlung mit Tätigkeiten befasst sind […]“ (Reutter 2011, S. 246 ff).

Bei Ambos (2005, S. 6) zählen lediglich die Menschen ohne abgeschlossene Berufsausbildung zu den gering Qualifizierten, womit sie sich weitgehend der Definition des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) anschließt, das bei der Erstellung der amtlichen Statistik unter dieser Gruppe diejenigen Menschen versteht, die nicht über eine formal zertifizierte Berufsausbildung verfügen.

Weiterhin existiert der Begriff der „An- und Ungelernten“, bei dem neben dem Schul- bzw. Berufsabschluss auch die ausgeübte Tätigkeit ein Kriterium ist. Bei Gutschow umfasst der Begriff der an- und ungelernten Erwerbstätigen neben den Menschen ohne Berufsausbildung auch diejenigen, die zwar einen Berufsabschluss aufweisen, aber Tätigkeiten unter Facharbeiterniveau ausführen (Gutschow 2008, S. 3). Daneben verwendet Kuwan in seiner Befragung zur Weiterbildungssituation in Deutschland die Bezeichnungen „Benachteiligte und Bildungsferne“ für „Personen ohne beruflichen Bildungsabschluss oder […] Personen mit Lehre, die seit sechs Jahren nicht mehr in ihrem erlernten Beruf als Fachkraft tätig sind“ (Kuwan 2002, S. 121). Damit unterstreicht er die Bedeutung der Aktualität bzw. der immer kürzeren Halbwertszeit von Wissen im Zuge des Wandels zur Wissensgesellschaft.

Diese Kurzübersicht zeigt die unterschiedliche Begrifflichkeit innerhalb verschiedener Untersuchungen und Statistiken. Im Grunde zielen sie auf ähnliche Personengruppen ab, beziehen jedoch verschiedene Aspekte mit ein, wie z.B. das Niveau des Schulabschlusses, die formale berufliche Qualifikation oder die Anforderungen eines Arbeitsplatzes. In dieser Arbeit wird die Bezeichnung „gering Qualifizierte“ für den Personenkreis verwendet, der über keine zertifizierte bzw. keine in Deutschland offiziell anerkannte Berufsausbildung oder ein (Fach-)Hochschulstudium verfügt. Es sind also immer die Menschen gemeint, denen eine formale berufliche Qualifikation fehlt, auch wenn in diesem Text gelegentlich auf das Wort formal verzichtet wird.

Der Fokus liegt in dieser Arbeit auf den erwerbstätigen gering qualifizierten Menschen, da die Gruppe der (langzeit)arbeitslosen Personen eine Vielzahl an weiteren Aspekten in die Thematik einbringen und damit den Rahmen dieser Hausarbeit sprengen würde. Eine weitere Einschränkung wird bezüglich des Alters der Zielgruppe vorgenommen. Personen in Ausbildung sowie junge Menschen an der Schwelle Schule – Beruf sollen nicht mitberücksichtigt werden, da sie zwar häufig laut Definition zur Zielgruppe gehören, aber in größerem Ausmaß noch eine Berufsausbildung abschließen. Solga bestimmt in diesem Zusammenhang das 25. Lebensjahr als Obergrenze, da es als relativ unwahrscheinlich oder zumindest als zu vernachlässigende Größe gilt, dass Personen, die mit 25 Jahren noch über keinen beruflichen Abschluss verfügen und sich nicht in Ausbildung befinden, dies noch nachholen werden (Solga 2002, S. 15). So liefert der Bildungsbericht Deutschland 2014 für die Menschen ab 15 Jahren eine Quote von 26,7% ohne berufliche Ausbildung (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014, S. 237); legt man allerdings Solga folgend das Altersspektrum ab 25 Jahren zugrunde, ergibt sich aber lediglich eine Quote von 18,0% (eigene Berechnung auf Datenbasis des Bildungsberichts 2014).

In der definierten Zielgruppe verbergen sich allerdings höchst disparate Profile mit unterschiedlichen Arbeitserfahrungen und Kompetenzen (Baethge & Severing 2015, S. 9f):

- Personen ohne schulische Abschlüsse
- Personen mit Mängeln in der Grundbildung verglichen mit dem Bevölkerungsdurchschnitt
- Personen ohne beruflichen Abschluss, aber mit hochwertiger oder langer Berufserfahrung
- Studienabbrecher
- Personen, die nach langen Unterbrechungen (lange Arbeitslosigkeit oder Krankheit, mehrjährige Elternzeit) mit obsoleter Ausbildung wieder berufstätig werden oder die ihren Beruf wechseln
- Personen mit ausländischen nicht anerkannten akademischen und beruflichen Abschlüssen und/oder längerer Berufserfahrung.

Nach Reinberg (2003, S. 1653f) besitzen lediglich 13% aller nicht formal qualifizierten Erwerbspersonen überhaupt keinen allgemeinbildenden Schulabschluss, 13% die Mittlere Reife, 7% haben das Abitur und der weitaus größte Teil den Hauptschulabschluss. Anhand dieser Auswahl der verschiedenen Qualifikationsausprägungen soll exemplarisch die Heterogenität innerhalb der Gruppe der formal gering Qualifizierten aufgezeigt werden. Diese betrifft einerseits das Niveau der informell oder non-formal erworbenen Kompetenzen und Kenntnisse, sowie personale Unterschiede hinsichtlich der Vorbildung, der Lernaffinität bzw. Bildungsnähe als auch unterschiedliche soziale und ökonomische Hintergründe. Diese Disparitäten sind bei der Erstellung von Weiterbildungsangeboten zu berücksichtigen, worauf an späterer Stelle noch eingegangen wird.

2.2 Arbeitsmarktsituation der gering Qualifizierten

Menschen ohne beruflichen Abschluss sind deutlich häufiger und auch länger arbeitslos als beruflich Qualifizierte. In Deutschland ist die Arbeitslosigkeit 2014 gegenüber dem Vorjahr wieder gesunken und liegt bei 6,8% (Februar 2016: 6,6%; Quelle: http://statistik.arbeitsagentur.de). Das Arbeitslosigkeitsrisiko hängt neben anderen Faktoren wie Region, Geschlecht, Alter, Nationalität vor allem mit der Qualifikation zusammen. Je niedriger die Qualifikation, desto geringer sind die Chancen auf dem Arbeitsmarkt (vgl. Abbildung 1 im Anhang).

Besonders betroffen von Arbeitslosigkeit ist die Gruppe ohne Berufsabschluss. Hier war 2014 fast jeder Fünfte ohne Arbeit. Im Vergleich dazu herrscht unter den Akademikern bei einer Arbeitslosenquote auf konstant niedrigem Niveau quasi Vollbeschäftigung (2014: 2,6%), was auch für Erwerbstätige mit Fachschul-, Techniker oder Meisterausbildung festzustellen ist (vgl. IAB 2015, S. 3). Ebenfalls überdurchschnittlich ist die Beschäftigungssituation für Personen mit einer beruflichen Ausbildung. Ihre Arbeitslosenquote liegt knapp unter 5 Prozent und damit bei etwa einem Viertel der gering Qualifizierten (19,9%). Beim Langzeitvergleich von 1975 bis 2014 (alte Bundesländer, vgl. Abb. 1 im Anhang) lässt sich feststellen, dass sich die Diskrepanz in der Arbeitslosenquote unter den verschiedenen Qualifikationsniveaus deutlich zuungunsten der gering Qualifizierten entwickelt hat. 1975 waren bei einer Gesamtarbeitslosigkeit von 3,9% die Menschen ohne Ausbildung zu 6,1% arbeitslos, was einem Faktor von ca. 1,56 entspricht. Bis zum Jahr 2014 öffnet sich die Schere immer weiter, so dass 2014 bei 18,3% der Menschen ohne Berufsausbildung arbeitslos waren (Gesamtarbeitslosenquote von 6,2% ≙ ca. Faktor 2,95).

3. Soziale Ungleichheiten bei der Teilnahme an beruflicher Weiterbildung

Wie weiter oben beschrieben, kann durch berufliche Weiterbildung eine Nachqualifizierung für Menschen ohne beruflichen Abschluss und damit höhere Chancen auf dem Arbeitsmarkt, ein verringertes Armutsrisiko und eine verbesserte gesellschaftliche Teilhabe erreicht werden. Im folgenden Kapitel soll untersucht werden, inwieweit die Gruppe der gering Qualifizierten diese Möglichkeit wahrnimmt und davon profitiert. Diese Analyse wird anhand der Datengrundlage des europaweiten Adult Education Survey (AES) 2014 und des AES 2012 (detailliertere Gesamtstudie) zum Weiterbildungsverhalten in Deutschland vorgenommen. Im Jahr 2007 löste der AES das Berichtssystem Weiterbildung (BSW) ab, d.h. ältere Daten als 2007 stammen also aus der letzteren, nationalen Erhebung, die im Jahr 1979 erstmals durchgeführt wurde. Auf eine ausführliche Definition und Ausdifferenzierung des Begriffs Weiterbildung wird im begrenzten Rahmen dieser Arbeit verzichtet. Eine Einordnung der beruflichen Weiterbildung in den Gesamtkontext der Weiterbildung nach Dehnbostel (2008) kann Abbildung 2 im Anhang entnommen werden.

Der AES unterschiedet drei Segmente der Weiterbildung, von der aber lediglich die beiden ersten relevant für diese Arbeit sind. Deshalb sollen – wenn nicht explizit anders aufgeführt – im weiteren Verlauf der Arbeit nur diese Daten herangezogen werden sollen:

1. Die betriebliche Weiterbildung, bei der die Teilnahme ganz oder überwiegend während der bezahlten Arbeitszeit stattfindet und bei der die direkten Weiterbildungskosten vom Arbeitgeber übernommen werden
2. Die individuelle berufsbezogene Weiterbildung, die (zum großen Teil) in der Freizeit und auf eigene Kosten, aber hauptsächlich aus beruflichen Gründen erfolgt
3. Die nicht-berufsbezogene Weiterbildung, die mehr aus privaten Gründen wahrgenommen wird (Bilger & Strauß 2015, S. 19).

3.1 Beschreibung der Disparitäten anhand soziodemographischer Faktoren

Die allgemeine Weiterbildungsbeteiligung lag 2014 bei 51%, d.h. mehr als die Hälfte der Befragten hat in diesem Jahr an einer Weiterbildung teilgenommen, was 26,3 Millionen Personen im Erwerbsalter entspricht. Damit lässt sich ein deutlicher Zuwachs seit 2010 (42%; 2012: 49%) feststellen nach einer Phase der Stagnation bei der Weiterbildungsbeteiligung zwischen 2000 und 2010. Von diesen 51% nahmen ca. die Hälfte an zwei bis vier Aktivitäten, 5% sogar an fünf oder mehr Weiterbildungen teil (Bilger & Strauß 2015, S. 26ff).

Um Rückschlüsse auf die Zielgruppe ziehen zu können, müssen diese scheinbar hohen Quoten hinsichtlich relevanter Faktoren wie z.B. der formalen Qualifikation der Teilnehmer, der Art der Weiterbildung, der aufgewendeten Zeit u.v.m. genauer betrachtet werden. Auch wenn sich unter den arbeitslosen Menschen ein großer Anteil an gering Qualifizierten befindet, soll dieser Personenkreis in dieser Arbeit nicht berücksichtigt werden, da er nicht die Möglichkeit hat Weiterbildungsangebote der Betriebe zu nutzen und somit einer gesonderten Betrachtung von Weiterbildungsangeboten der öffentlichen Hand bedürfte.

Untersucht man die Weiterbildungsbeteiligung unter dem Aspekt „Arbeitsverhältnis“, so zeigt sich bereits ein differenzierteres Bild. Auch wenn die Teilnahmequoten bei den berufsrelevanten Weiterbildungen auf Seiten der Arbeiter seit 2012 um 8% gestiegen ist, so liegt sie mit 43% doch deutlich unter der Quote der Angestellten/ Beamten (65%). Noch deutlicher zeigen sich Unterschiede, wenn man auf die berufliche Positionierung blickt. Unter den Führungskräften beteiligten sich 2014 69%, unter den Facharbeitern 58%, aber unter den Un-/ Angelernten nur 37% (Bilger & Strauß 2015, S. 29ff, vgl. Abb. 3 & 4 im Anhang).

Einen besonders aussagekräftigen Prädikator für die Weiterbildungsbeteiligung stellt der Bildungshintergrund dar. Mit zunehmender Schulbildung steigt auch die Teilnahmequote an der beruflichen Weiterbildung. Während Personen mit niedrigem Schulabschluss (Hauptschule oder darunter) zu 36% an allen Formen von Weiterbildungen (an beruflichen: 33%) teilnahmen, waren dies bei den Menschen mit hohem Schulabschluss (mindestens Fachabitur) 62% (berufliche: 56%). Besonders signifikant ist die Korrelation Schulbildung – nicht-berufsbezogene Weiterbildung, woraus sich eine höhere Affinität zu nicht zweckgebundener Bildung und zum Lernen allgemein ableiten ließe (vgl. Abb. 5 im Anhang).

Es ist auch eine starke Abhängigkeit der Weiterbildungsbeteiligung vom Berufsabschluss zu erkennen (vgl. Abb. 6 im Anhang). Personen ohne Berufsabschluss beteiligen sich zu 29% an beruflichen Weiterbildungen. Mit zunehmender Qualifikation steigt dieser Prozentsatz und liegt bei Meistern/Fachschulabsolventen bei 69%, bei (Fach)Hochschulabsolventen bei 63% und damit mehr als doppelt so hoch (Bilger & Strauß 2015, S. 33f). Somit lässt sich resümieren, dass der schulische und berufliche Bildungshintergrund stark mit der Weiterbildungsteilnahme korreliert.

Aus dem weitaus detaillierteren AES von 2012 (der AES 2014 ist nur eine verkürzte Trendstudie) lässt sich erkennen, dass Weiterbildungsangebote abhängig vom Bildungsgrad bei unterschiedlichen Anbietern wahrgenommen werden. Bei der betrieblichen Weiterbildung ist mit steigendem Bildungshintergrund eine Tendenz weg vom Betrieb hin zu externen Bildungseinrichtungen zu erkennen. Diese Differenz ist bei den individuellen berufsbezogenen Weiterbildungen, die ja oft auf eigene Initiative ausgewählt und durchgeführt werden, noch viel stärker ausgeprägt. So belegen Personen mit niedriger Bildung nur zu 25% ihre Angebote in Bildungseinrichtungen, Menschen mit mittlerer Bildung zu 36% und höher Gebildete zu 54%, woraus sich eine unterschiedliche Zu- bzw. Abneigung zu schulähnlichem formalen Lernen erkennen lässt. Ein weiterer wichtiger Erklärungsansatz, auf den später noch genauer eingegangen wird, ist, dass gering Qualifizierte weniger als Zielgruppe im Fokus der Betriebe stehen. Dies erklärt auch das (gezwungenermaßen) häufigere Annehmen von Angeboten der Arbeitsagentur, die mit steigendem Bildungsgrad und somit größerer Angebotsbreite immer weniger frequentiert werden (niedriger Bildungsgrad: 53%, mittel: 19%, hoch: 9%; Quelle: Bilger, Gnahs, Hartmann & Kuper 2013, S. 110ff).

3.2 Hemmende Faktoren bei formal gering Qualifizierten

Wie im letzten Kapitel ausführlich beschrieben, besteht ein enger Zusammenhang zwischen geringer schulischer bzw. beruflicher Qualifikation und niedriger Weiterbildungsbeteiligung. Dafür lassen sich Ursachen auf verschiedenen Ebenen finden. Auf der subjektiven Ebene sind unterschiedliche Einstellungen und Haltungen gegenüber der Weiterbildung zwischen den verschiedenen Qualifikationsniveaus festzustellen (vgl. Abb. 7 im Anhang). So sind Befragte mit niedrigem Schulabschluss im Vergleich zu formal höher Gebildeten weitaus häufiger der Ansicht, keinen Bedarf an Weiterbildung zu haben. Dies gilt sowohl für den privaten Weiterbildungsbedarf (67% vs. 47%) als auch für den beruflichen (57% vs. 32%).

Hemmend wirken auch die stärkere Abneigung gegenüber schulähnlichem Lernen (16% vs. 2%) und die Zweifel, die Anforderungen in einer Weiterbildung zu erfüllen (14% vs. 1%). Diese Unsicherheit drückt sich auch im dreimal häufigeren Wunsch nach einer persönlichen Beratung zu Weiterbildung aus (18% vs. 6%). Unter den Befragten mit geringer Qualifikation kann jedoch eine ähnliche Zustimmung zur Notwendigkeit des lebenslangen Lernens festgestellt werden. Da ein Transfer auf die eigene Lebenssituation aber nicht in gleichem Maße stattfindet, folgern die Autoren der AES 2012-Auswertung, dass die bereits „in früheren Studien beobachtete Sichtweise ≪Weiterbildung ist wichtig, aber nicht für mich≫ […] insbesondere bei manchen Befragten mit niedrigem Schulabschluss noch nicht verschwunden zu sein“ scheint (Bilger et al. 2013, S. 218f). Altersgründe als Barriere werden wesentlich öfter genannt (15% vs. 2%), woraus sich die Einstellung ablesen lässt, dass sich ab einem gewissen Alter Lernen nicht mehr lohne, was dem Postulat des lebenslangen Lernens diametral entgegensteht. (ebd., S. 218f)

[...]

Ende der Leseprobe aus 35 Seiten

Details

Titel
Die berufliche Weiterbildung von Geringqualifizierten. Eine Untersuchung der Voraussetzungen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für digitale Weiterbildungsmaßnahmen
Hochschule
FernUniversität Hagen
Veranstaltung
Modul 6
Note
1,3
Autor
Jahr
2016
Seiten
35
Katalognummer
V341638
ISBN (eBook)
9783668313996
ISBN (Buch)
9783668314009
Dateigröße
1646 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
berufliche Weiterbildung, Weiterbildung, Soziologie, Gesellschaftliche Rahmenbedingungen, Modul 6, E-Learning, Digital Divide, gering Qualifizierte, Geringqualifizierte, digitale Medien
Arbeit zitieren
Udo Kroack (Autor:in), 2016, Die berufliche Weiterbildung von Geringqualifizierten. Eine Untersuchung der Voraussetzungen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für digitale Weiterbildungsmaßnahmen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/341638

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