Die Informationsgesellschaft im Globalisierungsprozess. Strukturelle Eigenschaften, politische Gestaltung und Risiken


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

37 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Die Informationsgesellschaft im Globalisierungsprozess

2. Strukturelle Eigenschaften der Informationsgesellschaft
2.1 Neue Produktivkräfte
2.2 Neue Informations- und Kommunikationstechnologien
2.3 Wandel der Arbeit
2.4 Zunehmende inner- und außergesellschaftliche Interdependenz

3. Politischer Kontext: Prozesse auf der Ebene der Europäischen Union
3.1 Vorgeschichte der Europäischen Telekommunikationspolitik
3.2 Leitbild der „europäischen“ Informationsgesellschaft: einheitlicher Binnen- markt im Telekommunikationssektor
3.3 Liberalisierungsmaßnahmen und (erhoffte) Entwicklungen bzw. Potentiale der Informationsgesellschaft auf europäischer Ebene

4. Die Informationsgesellschaft und deren Entwicklung in Deutschland
4.1 Sozialpolitische Programme der Bundesregierung und deren Ministerien
4.2 Wirtschaftsprogrammatische Maßnahmen und Zielsetzungen
4.3 Umbau von Bürokratie. Ziel: effizientere staatliche Dienstleistungen und stei- gende Partizipationschancen der Bürger

5. Risiken der Informationsgesellschaft
5.1 Problem der Sicherheit
5.2 Neue soziale Risiken für das Individuum

6. Resümee und Ausblick

7. Literaturverzeichnis

1. Die Informationsgesellschaft im Globalisierungsprozess

Globalisierung, das Schlagwort in Politik, Ökonomie und Soziologie, bezeichnet mehr als nur transnationale Verflechtungen und zunehmende Interdependenz zwischen einzelnen Volkswirtschaften bzw. Märkten. Dass es eine Epoche bezeichnet, in der Kapitalströme so ungehindert wie noch nie zuvor zwischen Finanzmärken fließen und Börsenmakler die Anlagemöglichkeiten weltweit innerhalb kürzester Zeiten vergleichen können, ist lediglich eine der vielen Facetten der Globalisierung. Auch die Produktionsverlagerung einzelner Unternehmen in Niedriglohnländer, mit dem Ziel, die Kosten-Nutzen Relation im Bereich der Produktion ergiebig auszuschöpfen und sich auf dem Weltmarkt zu behaupten, ist nur ein weiterer – zwar nicht zu unrecht – aber dennoch lediglich zu sehr auf die ökonomische Seite ausgerichteter Blick. Viele Autoren beschränken sich auf die Analyse der Bestimmungszwänge durch den „Weltmarkt“ bzw. durch transnationale Konzerne, so auch Narr und Schubert, die von der „Weltökonomie als Definitionsmacht“[1] ausgehen und durch eine etwas pessimistisch angehauchte Herangehensweise auffallen. Dies stellt der Leser spätestens dann fest, wenn die These einer übergeordneten und erfolgreichen Weltregierung zerschlagen wird und der „Weltstaat gewaltförmigen Konflikten eher zuarbeite als diese eindämme.“[2] Doch auch komplexere und weiter ausgelegte Analysen liegen vor. Treffend differenziert beispielsweise Michael Zürn den Prozess der Globalisierung detaillierter aus. Hierbei versteht er die „Ausweitung gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Handlungszusammenhänge über die politischen Grenzen des Nationalstaates hinaus.“[3] Somit bewegt sich die Betrachtungsweise neben der ökonomisch-politischen Dimension auch auf die soziologische Ebene. Darunter stoßen Fragen nach gesellschaftlichen Wandlungsprozessen ebenso auf wie eine Skepsis gegenüber traditionellen nationalstaatlichen Aufgaben und Handlungsweisen. Folglich sind nicht nur ökonomische Faktoren entscheidend, auch innergesellschaftlicher Wertewandel und ökologische Risiken sind relevant, so auch Zürn: „die Zerstörung der stratosphärischen Ozonschicht, die Klimaerwärmung, die Abnahme der Artenvielfalt, die zunehmende Wüstenbildung sind heute Ausdruck einer Weltrisikogesellschaft.“[4]

Was aber verbindet den Begriff der „Informationsgesellschaft“ mit dem Globalisierungsprozess? Die Antwort darauf kann – ohne langwierige Überlegungen – sofort gegeben werden: die Informationsgesellschaft ist eine der vielen Facetten der Globalisierung. Einerseits bedingt sie den Globalisierungsprozess, da dieser mit der Informationsgesellschaft innerhalb eines Staates – sowohl durch Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Individuen, als auch zwischen Individuen und Gruppen bzw. Organisationen – getragen wird. Dies beinhaltet vor allem Prozesse und Veränderungen auf der innergesellschaftlichen Ebene. Andererseits wird die „gesellschaftliche Informierung“ durch die Globalisierung verstärkt und in bestimmte Entwicklungsfelder gelenkt. Dabei dominieren wieder die makrostrukturellen Gegebenheiten und Abläufe, wie beispielsweise politische Organisationen und deren gefällte Richtlinien. Vereinfacht gesagt: „Informationsgesellschaft und Globalisierung gehen Hand in Hand.“[5] Die Informationsgesellschaft soll als neuer Vergesellschaftungstypus der Globalisierung verstanden werden, die die Industrienation des traditionellen Nationalstaates ablöst. Zwar forcieren die Staaten die Entwicklungen „ihrer“ Informationsgesellschaft, doch kann die Informationsgesellschaft nicht mehr „national“ abgegrenzt werden. Die Informationsgesellschaft ist ein grenzüberschreitender bzw. transnationaler Gesellschaftstypus. Global ist er aber aufgrund regionaler und nationaler Disparitäten noch lange nicht, auch wenn dies unter anderem von den bedeutenden OECD-Staaten – zumindest laut Aussagen – angestrebt wird.

In der folgenden Arbeit sollen zunächst Eigenschaften bzw. Strukturen der Informationsgesellschaft wiedergegeben werden, welche sich in den letzten 20 bis 30 Jahren herausgebildet haben und immer noch einer kontinuierlichen Entwicklung unterliegen. Hierbei handelt es sich vor allem um Veränderungen der Arbeits- und Lebenswelt, welche nicht zuletzt durch neue Informations- und Kommunikationstechnologie komplexer wird. Dann soll gezeigt werden, welche Initiativen auf politischer Ebene gestartet wurden, um den Prozess der „Informatisierung“ in der Europäischen Union voranzutreiben. Dabei wird sichtbar, welche Entwicklungen gefördert werden sollen und worauf der eigentliche politische Fokus liegt. Darauf werden einige Initiativen seitens der Bundesregierung bezüglich der Informationsgesellschaft vorgestellt. Hierbei gilt es vor allem, die aufgezeigten Schritte in ihrer Wirkungsweise und ihren Ergebnissen darzustellen. Anschließend folgt eine Analyse möglicher – oftmals nicht ernst genommener – Risiken des Konzeptes der Informationsgesellschaft.

2. Strukturelle Eigenschaften der Informationsgesellschaft

Die ersten Ansätze und Überlegungen zu Informationsgesellschaft[6] entstanden bereits in den 60´er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts, so auch Steinbicker im Bezug auf den japanischen Autor Tadao Umesao und dessen Verständnis des Begriffs der Informationsgesellschaft: „Für Umesao bezeichnet die sich hier abzeichnende „Industrialisierung des Geistes“ eine dritte fundamentale Stufe der Evolution der Menschheit nach Agrikultur und Industrie, in der die Manipulation von Symbolen zur zentralen gesellschaftlichen Aktivität und zum Leitprinzip der Gesellschaft wird.“[7] Die strukturellen Eigenschaften konzentrieren sich überwiegend auf neuen Produktivkräfte, auf Informations- und Kommunikationstechnologien, auf dem Wandel der Arbeit und nicht zuletzt damit einhergehend auch auf die Veränderungen bzw. Verdichtungen der gesellschaftlichen Zusammenhänge im Zuge der Ablösung der Industrienation.

2.1 Neue Produktivkräfte

Neue Produktivkräfte der Informationsgesellschaft unterscheiden sich von den Arbeitskräften des Industriezeitalters vor allem hinsichtlich der Materialien bzw. der Stoffe, die in den Verarbeitungs- und Wertschöpfungsprozess einfließen. Während dies im Industriezeitalter überwiegend Rohstoffe waren und die körperliche Arbeit dominierte, so stellt die Informationsgesellschaft Produktivkräfte in einer Volkswirtschaft dar, wobei „die Mehrheit der Beschäftigten in Informationsberufen arbeiten, also mehr mit Information, Signalen, Symbolen, Zeichen oder Bildern umgehen als mit Kraft und Stoff.“[8] Die Autoren Stockinger und Stifter definieren die Informationsgesellschaft als „ein System, in dem Bildung und Wissen, also Informationen, der wichtigste Faktor der Gesellschaftsentwicklung sind.“[9] Die Prinzipien der Wertschöpfung belaufen sich also hauptsächlich auf Wissen und Innovation. Steinbickers Vergleich der Theoretiker Peter Drucker, Daniel Bell und Manuel Castell liefert – trotz einiger Unterschiede in deren Ausarbeitungen – dennoch Gemeinsamkeiten in vielerlei Hinsicht. So ist sowohl bei Drucker als auch bei Bell Wissen „ein zentraler Aspekt der Informationsgesellschaft“[10], wodurch sich tief greifende Veränderung in Organisationsstrukturen und innergesellschaftlichen Systemen ergeben. Drucker beschreibt die Entwicklung des Wissens, was seiner Meinung nach seit dem Zweiten Weltkrieg zunehmend an Bedeutung gewann und durch die Bildungsrevolution der späten Sechziger Jahre endgültig zum vorherrschenden Paradigma wurde, als leitendes Prinzip der Informationsgesellschaft. Zentral ist für ihn die Position des Managements, welches einerseits selbst Wissen anbietet und verarbeitet, andererseits aber auch die „Wissensarbeiter“ koordiniert und somit Wissen auf Wissen anwendet. Für Drucker entzieht sich der Staat vielen Entscheidungsprozeduren und setzt lediglich Ordnungsrahmen, die von Akteuren befolgt werden sollten. Bei Bell hingegen steht nicht der Manager auf höchster Ebene, sondern der Wissenschaftler, also das Wissen in seiner Reinform, das keinerlei regulatorischer Maßnahmen seitens einer übergeordneten Instanz (Management) bedarf. Vordergründig stellt Bell den professionelle Dienstleistungen hervor, die im quintären Sektor aufgehen und überwiegend Bildung und Forschung umfassen. Bell selbst sieht den Staat – im Gegensatz zu Drucker – als vorherrschende Organisation, die über die wirtschaftlichen Aktivitäten entscheidet und Maßstäbe zu deren Verwirklichung setzt. Dennoch ist „Wissen“ beiden Theoretikern für den Produktionsprozess zentral. Auch bei Castell ist Wissen in der Informationsgesellschaft ein Eckpfeiler seines Theoriekonstruktes. Castells´ Forschungsarbeit umfasste einen Zeitraum von 20 Jahren und bezieht auch realwirtschaftliche Größen und makroökonomische Kriterien aller Volkswirtschaften mit ein. Dies betont auch Steinbicker: „Es ist eine besondere Stärke Castells´, dass er sich nicht nur auf die USA oder einer Reihe von OECD-Ländern beschränkt, sondern den asiatisch-pazifischen Raum ebenso einbezieht wie die „Vierte Welt“, ob diese nun in Afrika oder in der Bronx zu finden ist;“[11] Ähnlich der Theorie Druckers ist nach Castell die Anwendung von Wissen auf Wissen bedeutend; hinzukommt jedoch auch die Innovation, die den eigentlichen Wertschöpfungsprozess ausmacht. Castell betont somit eine fortlaufende Dynamik der gesellschaftlichen Strukturen. Interessanterweise machen sich auch Ähnlichkeiten bezüglich neuer Konfliktlinien in den Sichtweisen dieser Autoren bemerkbar. So steht nicht die klassische Dichotomie zwischen Industriearbeiter und Unternehmer im Vordergrund, sondern eine neue Konfliktlinie zwischen dem höher gestellten Wissensarbeiter und dem einfachen Angestellten des Dienstleistungssektors, der den Anschluss an die neuen gesellschaftlichen und beruflichen Gegebenheiten verpasst hat.

Was die Entwicklung der Ressource „Wissen“ betrifft, so kann durchaus gesagt werden, dass diese stark an Bedeutung gewonnen hat, nicht nur durch die zunehmende Vergrößerung des Dienstleistungssektors der letzten Jahrzehnte in den westlichen Industrienationen, wie Abbildung 1 illustriert:

Abbildung 1: Beschäftigungsgewicht des Dienstleistungssektors 1998

- Anteile der im Dienstleistungssektor Beschäftigten an allen Beschäftigten in Prozent -

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle:www.wissenschaftsforum-saar.de/docs/2002-07-03-IW_Koeln_Bildung_und_wirtschaftlicher_Strukturwandel.pdf 26.12.03

Abbildung 1 zeigt die Anteile der Beschäftigten im Dienstleistungssektor im Verhältnis zu allen registrierten Beschäftigten bezogen auf die OECD-Länder. Man sieht, dass obwohl es sich hierbei nicht um eine aktuelle tabellarische Statistik aus dem Jahr 1998 handelt, der Dienstleistungssektor dennoch stark mit einem Durchschnitt (im OECD Rahmen) von 63,5% aller Beschäftigten dominiert. Abbildung 2 illustriert die Entwicklung des Dienstleistungssektors zwischen 1980 und 1997 in Westdeutschland.

Abbildung 2: Entwicklung des Dienstleistungssektors in Westdeutschland

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Insofern sind die Vorläufer der „Theorie der Informationsgesellschaft“– Drucker, Bell und Castell – mit ihren Thesen nah an der Realität, bei der Wissen und Informationsverarbeitung, also Eigen-schaften des Dienstleistungssektors, zunehmend an Bedeutung gewinnen.

Quelle: http://www.einblick.dgb.de/archiv 27.12.03

2.2 Neue Informations- und Kommunikationstechnologien

Durch neue Informations- und Kommunikationstechnologien (Iuk-Technologien) wird der Wandel der gesellschaftlichen Strukturen, vor allem der Arbeitswelt, enorm beschleunigt, da sich die technische Entwicklung und der gesellschaftliche Wandel permanent gegenseitig beeinflussen. Neue Technik schafft neue Strukturen, verwischt andere oder beseitigt sie ganz, da sie sich auf alle gesellschaftlichen Teilbereiche auswirkt. Erfolgreiche Durchsetzung beschleunigt jedoch wieder die Technikforcierung, denn „Eine Rückkoppelung der kommerziellen Effizienz beschleunigt wiederum die Einführung neuer Technik.“[12] Somit wird selbstverständlich auch die bereits erwähnte neue Produktivkraft, der „Wissensarbeiter“, davon tangiert.

IuK-Technologien umfassen, nur um einige Beispiele zu nennen, die traditionelle Briefpost genauso wie die moderne E-Mail Nachricht. Des Weiteren zählen hierzu natürlich unter anderem auch Telefon, Bildschirmtext, Radarsysteme, Personalcomputer, das Internet selbst, welches als „ein Massensport, der von gut 300 Millionen Menschen weltweit betrieben wird“[13] bezeichnet werden kann und digitale Verschlüsselungstech-nologien. Außer dem natürlich auch die Mobilkommunikation, also die stets viel versprechend gepriesenen Mobiltelefone und sonstige portable technische Organisations- und Kommunikationsgeräte. Entscheidend bei der IuK-Technologie ist die Datenübertragung und Datenverarbeitung, die durch Hochleistungsnetzwerke räumliche und zeitliche Distanzen enorm verringert, und zwar auf ein Niveau, dass vor zwanzig bis dreißig Jahren noch als undenkbar erschien, so auch Bernhardt und Ruhmann: „Netze entkoppeln Arbeit vom Ort ihrer Ausführung – Teleworking oder virtuelle Firmen sind die entsprechenden Begriffe“[14] (dazu später mehr). Nicht zu Unrecht beschreiben die Autoren Roßnagel, Wedde, Hammer und Pordesch die IuK-Technologie als bestimmenden Faktor des Alltäglichen: „Datennetze werden ausgebaut und immer dichter. Informations- und Kommunikationstechnik bestimmt zunehmend unser Leben.“[15] Dabei ist es von Bedeutung, dass die IuK-Technologie nicht nur in die Sphäre des industriellen Sektors eindringt, sondern durchaus alle Arbeits- bzw. Berufsfelder erfasst, also auch im Dienstleistungssektor Veränderungen bewirkt. Ein einfaches Beispiel ist der Bankensektor, der in den achtziger Jahren durch das BTX-System unterstützt wurde, mit dem Aufkommen des World-Wide- Web und dem daraus resultierenden Online-Banking jedoch – vor allem in den letzten Jahren – zunehmend strukturellen Veränderungen unterworfen ist. Die folgende Abbildung soll dies anhand der Entwicklung der Online-Banking Nutzung in der Bundesrepublik aufzeigen. Der Trend zum Wandel in der Berufswelt und ihrer einzelnen Branchen ist auszumachen und wurde bereits beschrieben; verstärkt wird er zusätzlich durch neue IuK-Technologie.

Abbildung 2: Entwicklung des Online-Banking

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: http://www.bdb.de/index.asp?channel=901010 27.12.03

2.3 Wandel der Arbeit

Das es seit den letzten dreißig Jahren, beginnend mit der 68´er Generation, einen kontinuierlichen Wertewandel in allen gesellschaftlichen Teilbereichen gab, lässt sich schwerlich ignorieren, ja vielmehr noch: „Der Bedeutungsverlust traditioneller Wertorientierungen, verursacht durch die gesellschaftlichen Strukturveränderungen, wird sich in Zukunft fortsetzten.“[16] Alte Vorstellungen und Werte wurden nach und nach aus traditionellen Bindungen herausgelöst und die Wahlmöglichkeiten für das Individuum nehmen in dieser Zeitspanne zu. So steigt beispielsweise die Anzahl der Frauen an den Erwerbspersonen stetig (wenngleich sie immer noch – zumindest in Deutschland – stärker unterrepräsentiert sind als beispielsweise in nordeuropäischen Ländern). Weiterhin ins das Dogma „Kinder kurz nach Eheschließung“ ebenfalls überholt. In der Arbeitswelt hingegen bedeuten die Veränderungen vollkommene Abkehr vom System des „Taylorismus“.[17] In erster Linie bedeutet der Wandel in der Berufswelt den bereits erwähnten Zuwachs an Dienstleistungsberufen. Doch stellt dies nicht die einzige Metamorphose dar. Hinzu kommt, dass der Mensch wieder ins Zentrum der Arbeitswelt rückt, bzw. dessen Fähigkeiten, neue Situationen zu verarbeiten und sowohl flexibel zu reagieren, als auch mit verstärkter Eigeninitiative zu agieren, so auch Steinbicker im Bezug auf die Theoretiker Castell und Drucker: „Im Mittelpunkt stehen nicht mehr das einmal erworbene technische Können und die Fertigkeiten des einzelnen, sondern die durch systematisch erworbene, formale Bildung gewonnene Fähigkeit, zu lernen und sich neue Kenntnisse und Fertigkeiten aneignen zu können.“[18] In erster Linie heißt dies, dass die Trennung von Hand- und Kopfarbeit mehr und mehr zurückgenommen wird und parallel mit einer höheren Eigenverantwortung der Arbeitnehmerin bzw. des Arbeitnehmers einhergeht. Flexiblere Arbeitszeiten nehmen zu. Teamarbeit gewinnt stetig an Bedeutung. Gleichzeitig ist ein Anwachsen von Integrationsmustern, die auf das Individuum ausgerichtet sind, zu beobachten. Durch die höhere Ergebnisverantwortlichkeit und Abstimmungsnotwendigkeit zwischen einzelnen Arbeitsgruppen nimmt die Forderung nach Kreativität einzelner Mitarbeiter zu. Es bilden sich permanente Interaktions- und Abstimmungsprozesse zwischen einzelnen Teams aus. Alte Kontrollinstanzen hingegen werden zunehmend ineffizient und geraten unter Dezentralisierungsdruck. Die Verfasser Stockinger und Stifter fügen unter ihrem positiven Endruck des Individualisierungsprozesses hinzu, dass die Unternehmen durchaus davon profitieren: „Letztendlich lernen Organisationen, die sich zur Optimierung ihrer Steuerungsfunktion intuitivem, spontanem und zufälligen Wirken bewusst aussetzen, mit Komplexität umzugehen und sie zu „managen“. Dadurch erweben sie gegenüber anderen Organisationen, die weiterhin nur auf Sicherheit und Kontrolle bauen, entscheidende Entwicklungsvorteile.“[19] Wenn Kontrolle jedoch abnimmt, erfordert dies allerdings auch eine neue Art von Arbeitsmoral seitens der Beschäftigten, den so genannten „Zwang zum Selbstzwang“[20]. Zu der Veränderung der Unternehmensstrukturen zählt auch die Auslagerung und Umgestaltung der Produktionsvorgänge: „Die informationstechnische Überwindung der räumlichen Trennung von Arbeitsplätzen reorganisiert die betriebliche Welt von Grund auf.“[21] Dies beinhaltet sowohl die Aufteilung der Produktionsschritte auf geographischer Ebene wie auch die Entwicklung des „virtuellen“ Unternehmens, was sich beinahe voll und ganz mit dem World Wide Web auflöst, hierzu vermerkt Bühl: „Die Produktion emanzipiert sich von räumlichen Begrenzungen, für die Bereitstellung von Dienstleistungen werden Zeit und Ort zunehmend irrelevant, virtuelle Transaktionen im Netz strukturieren das Wirtschaftsgeschehen.“[22] Hinzukommen auch die Veränderungen in den Strukturen der Unternehmensberatung. Einerseits bestehen traditionelle Beratungsmuster, die lediglich die „harten Fakten“ der Unternehmen auswerten wobei das Management den primären Adressaten der Verbesserungsvorschläge darstellt, weiterhin. Andererseits kommen neue Beratungsformen hinzu, die nach dem Motto „Hilfe zur Selbsthilfe“ arbeiten. Dabei stellen die Mitarbeiter, ihre Organisationslogik, die Teamfähigkeiten und die Fähigkeit zu dynamischen Konfliktlösungsstrategien entscheidende Bezugpunkte dar. Auch Telearbeit ist ein weiterer (wirtschaftlicher) Wandlungsfaktor, auf den große Hoffnung gelegt wird. Die durch die IuK-Technologie forcierte Überwindung von räumlichen Instanzen führt zur Möglichkeit, per PC Daten zu verarbeiten und diese entweder über einen direkten Anschluss an ein Firmennetzwerk zu senden oder den die Verarbeitete Information per E-Mail weiterzureichen, denn „Mit moderner Datenübertragung entfällt der Kontakt zum Boten, der die Arbeit bringt.“[23]

[...]


[1] Narr, Wolf-Dieter/Schubert, Alexander: Weltökonomie. Die Misere der Politik, Frankfurt am Main 1994, S.12

[2] Ebd., S.16

[3] Zürn, Michael: Regieren jenseits des Nationalstaats, Frankfurt am Main 1998, S.9

[4] Ebd., S.14

[5] Fortschrittsbericht zum Aktionsprogramm der Bundesregierung. Innovation und Arbeitsplätze in der Informationsgesellschaft des 21. Jahrhunderts, Bundestagsdrucksache 14/8456 vom 7.3.2002, S.39

[6] Alternativ zum Begriff der „Informationsgesellschaft“ fallen in der Literatur auch Bezeichnungen wie „virtuelle Gesellschaft“, „Freizeitgesellschaft“, „Wissensgesellschaft“.

[7] Steinbicker, Jochen: Zur Theorie der Informationsgesellschaft, Opladen 2002, S.17

[8] Otto, Peter/Sonntag, Phillip: Wege in die Informationsgesellschaft, München 1985, S.7

[9] Stockinger, Gottfried/ Stifter, Martin: Wege in die Informationsgesellschaft, Frankfurt am Main, 1999, S.95

[10] Steinbicker, Jochen: Zur Theorie der Informationsgesellschaft, Opladen 2002, S.115

[11] Ebd., S.79f

[12] Otto, Peter/Sonntag, Phillip: Wege in die Informationsgesellschaft, München 1985, S.13

[13] Steinbicker, Jochen: Zur Theorie der Informationsgesellschaft, Opladen 2002, S. 14

[14] Bernhardt, Ute/ Ruhmann, Ingo: Revolution von oben – Der Weg in die Informationsgesellschaft, in: Tauss, Jörg/Kollbeck, Johannes/Mönikes, Jan (Hrsg.): Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft, Baden Baden, 1996, S.120

[15] Roßnagel, Alexander/Wedde, Peter/Hammer, Volker/Pordesch, Ulrich: Die Verletzlichkeit der Informationsgesellschaft, Opladen,2 Aufl. 1990, in: Ebd.: Vorwort, S.9

[16] Roßnagel, Alexander/Wedde, Peter/Hammer, Volker/Pordesch, Ulrich: Die Verletzlichkeit der Informationsgesellschaft, Opladen, 2 Aufl. 1990, S.25

[17] Taylorismus bezeichnet Arbeitsteilung auf ihrem Höhepunkt. Arbeitnehmer führen acht bis zehn Stunden täglich nur einige wenige Handgriffe aus. Taylor (1856-1915) selbst gelang es mit dem „Pensum System“, die Leistung eines Arbeiters beinahe um das vierfache zu steigern, indem er alle Arbeitsabläufe und Bewegungen sowohl in ihrer zeitlichen Dauer, als auch in der technischen Ausführung vorgab.

[18] Steinbicker, Jochen: Zur Theorie der Informationsgesellschaft, Opladen 2002, S.117

[19] Stockinger, Gottfried/ Stifter, Martin: Wege in die Informationsgesellschaft, Frankfurt am Main, 1999, S.105

[20] Heidenreich Martin: Die subjektive Modernisierung der Arbeitsgesellschaft, In: soziale Welt Nr. 47, 1996,S.28

[21] Bühl, Achim: Die virtuelle Gesellschaft des 21. Jahrhunderts, Wiesbaden, 2.Aufl, 2000, S.218

[22] Ebd., S.14

[23] Otto, Peter/Sonntag, Phillip: Wege in die Informationsgesellschaft, München 1985, S.32

Ende der Leseprobe aus 37 Seiten

Details

Titel
Die Informationsgesellschaft im Globalisierungsprozess. Strukturelle Eigenschaften, politische Gestaltung und Risiken
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg  (Politische Wissenschaft)
Veranstaltung
Staat und Wirtschaft im Zeichen der Globalisierung
Note
1,3
Autor
Jahr
2004
Seiten
37
Katalognummer
V34165
ISBN (eBook)
9783638344685
Dateigröße
869 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Informationsgesellschaft, Globalisierungsprozess, Strukturelle, Eigenschaften, Gestaltung, Risiken, Staat, Wirtschaft, Zeichen, Globalisierung
Arbeit zitieren
Aleksander Szumilas (Autor:in), 2004, Die Informationsgesellschaft im Globalisierungsprozess. Strukturelle Eigenschaften, politische Gestaltung und Risiken, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/34165

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