Gedichtanalyse von William Shakespeares Sonett 60


Seminararbeit, 2016

17 Seiten, Note: 2.0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

EINLEITUNG

1.ÜBERBLICK: SPRECHSITUATION UND ALLGEMEINE ARGUMENTATIONSSTRUKTUR

2. METRISCH-RHYTHMISCHE ANALYSE

3. WORTFELDER UND SEMANTISCHE ISOTOPIEN

4. DIE RHETORISCHE DIMENSION: SCHEMATA UND BILDLICHKEIT

5. SYNTAKTISCHE GESTALTUNG UND GESAMTSTRUKTUR

6. ZUSAMMENFASSUNG

7. LITERATURVERZEICHNIS

ANHANG
A. TEXT
В. METRISCH-RHYTHMISCHE ANALYSE
C. WORTFELDANALYSE

Einleitung

ln der nun folgenden Arbeit wird eine Analyse von Sonett 60 versucht, welches zu den "Fair Youth" Sonetten von William Shakespeare zählt. Die Seminararbeit umfasst in erster Linie eine strukturell ausgerichtete Analyse des Sonetts, welche versucht die einzelnen poetisch-formalen Ebenen des Textes in das Zentrum zu rücken. Näher beleuchtet und analysiert wird unter anderem die Sprechsituation, die metrisch-rhythmische Dimension, eine Wortfeldanalyse, die rhetorischen Mittel sowie ein Überblick über die Syntax und die argumentative Feinstruktur des Sonetts. Grundsätzlich lässt sich zum Sonett im Vorhinein sagen, dass es sich bei diesem Gedicht sehr viel um die Sprache von einzelnen Bildern dreht und damit einem uns sehr bekannten Gedanken Sprache verliehen wird: Beinahe alles wird durch den Lauf der Zeit vergänglich.

1. Überblick: Sprechsituation und allgemeine Argumentationsstruktur

Beim ersten Hinsehen sofort zu erkennen ist, dass es sich bei diesem 14-zeiligen Gedicht um ein Englisches Sonett handelt. Die Struktur des Sonett 60 hält sich sehr genau an die Vorgaben des Shakespeare-Sonetts und gliedert sich grob in drei Quartette und einem abschließenden Couplet. Auch die Argumentationsstruktur des Gedichts ist relativ einfach zu erkennen. In Bezug auf diese fasst Vendler zusammen: "Each quatrain introduces a new and important modification in concept and tone, while the couplet—here a "reversing" couplet contradicting the bodyofthe sonnet—adds yet a fourth dimension." (The Art of Shakespeare's Sonnets: 1997: 284) Zu Deutsch bedeutet das Zitat, dass sowohl jedes Quartett sowie auch das abschließende Couplet dem Leser oder Hörer des Gedichts neuen Inhalt eröffnet und nicht bloß nur dieselbe Idee wiederholt wird. Genauer gesagt werden in jedem Quartett neue Metaphern mit dem Motiv, dass alles Leben vergänglich ist, eingeführt. Der abschließende Paarreim tritt hier bei diesem Sonett als eine Art Lösung auf: Nur die Poesie überdauert die Zeit und den Tod und kann somit die ewige Schönheit loben.

Als Sprecher tritt in diesem Sonett ein expliziter Sprecher auf, der sich im ganzen Text aber eher im Hintergrund hält. Er tritt im ganzen Text nur zweimal gut sichtbar als solcher auf, nämlich einmal zu Beginn in Zeile zwei ("So do our minutes hasten to their end") und einmal am Ende in Zeile 13 ("And yet to times in hope my verse shall stand"). Erst in Zeile 14 ("Praising thy worth, despite his cruel hand") lässt sich dann sehr gut erkennen, dass der implizite Autor den Adressaten des ganzen Sonetts direkt anspricht. Es dürfte sich hierbei um einen Dichter handeln der seine Geliebte oder seinen Geliebten anspricht. Über Ort und Zeit der im Gedicht stattfindenden Handlung lässt uns der Autor im Dunkeln und gibt keine weiteren Informationen darüber. Das Geschlecht des Adressaten ist rein aus dem Sonett heraus nicht ersichtlich. Greenblatt (2012: 1170) vermutet aber, dass es sich beim Adressaten um einen jungen Mann handeln könnte, der mit dem Sprecher in einer Liebesbeziehung steht und ihn deshalb durch Poesie unsterblich machen möchte.

Bezüglich der Struktur des Textes ist Sonett 60 teleologisch aufgebaut, denn die Absicht des Sprechers ist eindeutig jene, dem Adressaten die Wirkung von Zeit beizubringen um in weiterer Folge die Wichtigkeit der Poesie zu unterstreichen, womit versucht wird den Angesprochenen unsterblich zu machen.

2. Metrisch-rhythmische Analyse

Sonett 60, wie auch die meisten anderen Sonette des Zyklus, hält sich ohne Ausnahme an die Vorgaben der englischen Sonderentwicklung des Sonetts. Den drei Quartetten, die in einem wechselnden Kreuzreim (abab cdcd efef) verfasst sind, steht wie oben erwähnt ein Couplet gegenüber. Dieser abschließende Reim des Gedichts ist als Paarreim (gg) verfasst, was wiederum zur für den Hörer oder Leser eher unerwarteten inhaltlichen Wendung, dass nämlich nur durch Poesie die Schönheit die Zeit überdauern kann, passt.

Als Versmaß wählte der Autor im Text fünfhebige Jamben, die metrisch gesehen Zehnsilbler mit stets männlichem Ausgang darstellen. Das interplay Model wird uns aber einige Abweichungen vom regelmäßigen Metrum offenbaren. Acht regelmäßigen Zeilen stehen nämlich gleich sechs Zeilen mit teils großen Abweichungen gegenüber, die vor allem in der ersten Hälfte des Gedichtes auftreten. Bei meiner ersten Analyse, dem skandieren, fiel mir sofort in Zeile 1 und 2 eine bemerkenswerte Abweichung auf, die sofort in's Auge sticht und das metrische Grundgitter vollkommen durchbricht. So beginnen die ersten zwei Zeilen des Sonetts nicht mit fünfhebigen Jamben, wie das Versmaß normalerweise vermuten lässt. Stattdessen ersetzte der Autor die fünfhebigen Jamben durchwegs mit Trochäen. Dies entspricht genau dem metrischen Gegenteil vom Jambus (DAdum anstelle von daDUM). Gleich danach, nämlich in Zeile 3, findet sich abermals eine interessante Abweichung. Hier wird nur der erste Versfuß der Zeile verändert. Ein Jambus wird hier mit einem Spondeus ersetzt, was metrisch gesehen zwei gleich lang betonten Silben entspricht.

Each changing place with that which goes before

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Nach dieser Vielzahl von Abweichungen schon im ersten Quartett folgt ein Zeile 4 eine vom Metrum her regelmäßige Zeile. Die nächste Unregelmäßigkeit in Zeile 5 lässt aber nicht lange auf sich warten. In der ersten Zeile des zweiten Quarttets wird nicht wie im vorhergegangenen Beispiel der erste Versfuß modifiziert, sondern erst der dritte, mittlere Versfuß. Wieder kommt hier anstatt einem Jambus ein Trochäus zum Einsatz, was dann wie folgt aussieht.

Nativity, once in the main of light

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Neben den vorhergegangenen Zeilen, in denen sich die Abweichungen sehr gut erkennen lassen, finden sich auch in den nächsten zwei Zeilen welche, die bei weitem aber nicht so leicht zu erkennen sind wie beispielsweise in Zeile 1 oder 2 und etwas komplexer sind. In Zeile 6 ersetzt der Autor die ersten drei Versfüße mit Trochäen, während die letzten zwei Versfüße regelmäßig bleiben. In Zeile 7 werden der erste und der zweite Versfuß durch Trochäen ersetzt, während sich im dritten Versfuß eine unterdrückte Hebung zeigt und erst im letzten Versfuß wieder in das Metrum eines Jambus gewechselt wird.

Crooked eclipses 'gainst his glory fight

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

In den restlichen folgenden Zeilen herrscht nun wieder das regelmäßige Grundmetrum von fünfhebigen Jamben, hier am Beispiel von Zeile 13, vor.

And yet to times in hope my verse shall stand

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bei Sonett 60 kommt der metrisch-rhythmischen Überstrukturiertheit im allgemeinen eine besondere Bedeutung zu. Das Metrum lässt sich direkt und nahezu ununterbrochen auf die semantische Ebene, der Ebene der Bedeutung, übertragen und hat außerdem großen Einfluss darauf wie sich die Dynamik innerhalb des Sonetts ändert. Dies spiegelt sich besonders am Beispiel der ununterbrochen auf die Küste prallenden Wellen oder in den zu Ende eilenden Minuten des Lebens im ersten Quartett wieder, die mithilfe der Trochäen verlautlicht werden. Die schnell vergehende Zeit gipfelt dann mithilfe des Spondeus in Zeile 3. Weiters lässt sich das Metrum auch im zweiten Quartett gut mit dem Inhalt kombinieren. Beschrieben wird darin nämlich der Tagesverlauf der Sonne. Vom Aufgang, also der Geburt, über dem Sonnenhöchststand, der Krönung bis hin zum Untergang, der Verfinsterung. Stellvertretend steht dieses Motiv des Tagesverlaufs für den Lebenszyklus eines Menschen. Die Abweichung in der Mitte von Zeile 5 betont diesen Moment der Geburt. Der Rest des Gedichtes ist im eigentlichen Versmaß, den fünfhebigen Jamben, verfasst. Mit der Ebene der Bedeutung interagiert das in der zweiten Hälfte des Sonetts vorherrschende regelmäßige Versmaß so, dass gesagt werden kann, dass dieses die Zeit und den ständig präsenten Tod wiederspiegeln. Im abschließenden Couplet dann stützt das regelmäßige Versmaß die Bedeutung insofern, dass der Autor sich und seine Dichtung selbst als Lösung gegen die Zeit und den Tod ansieht, deswegen standhaft und konstant von sich selbst ausgehend ist.

Da neben dem metrischen Schema bekannterweise auch ein Prosarhythmus vorhanden ist, war ein oftmaliges Lesen bei der Analyse unumgänglich. Im Rahmen des interplay Models kann man beobachten, inwieweit das metrische Grundgitter und die tatsächliche Akzentverteilung des Prosarhythmus übereinstimmen beziehungsweise dieses durchbrochen wird. So ein durchbrechen des metrischen Grundschemas dient in erster Linie der Emphase- beziehungsweise Kontrastbildung. Bei Sonett 60 gibt es zahlreiche Abweichungen auf der zweiten Ebene, die auf den ersten Blick nicht sofort auffallen. Gut erkennbar sind dabei aber vor allem die Abweichungen der Akzentverteilung vom metrischen Schema in Zeile 9 und 10, die im folgenden kurz erläutert werden.

In Zeile 9 ergibt sich nach setzen der Akzente für den ersten Versfuß eine Akzentumkehr, im englischen inversion genannt. So ergibt sich für diese Zeile:

Time doth transfix the flourish sét on youth

Für die Zeile 10 zeigt sich, dass nach dem Einträgen der Akzente der tatsächlichen Realisierung eine unterdrückte Hebung beim Wort "parallels" im dritten Versfuß entsteht. Dies schaut dann wie folgt aus:

And délves the párallels in beáuty's brów

Weiters ergeben sich nach eintragen der Betonungen des Prosarhythmus einige Akzentpralle, die hauptsächlich der Emphasebildung dienen. Ein gutes Beispiel dafür wäre die Zeile 1 oder das Couplet. Hier tritt beispielsweise ein Akzentprall bei der wichtigen sinngebenden Einheit "pebbled shore". Beim Couplet findet sich neben einem einfachen Hebungsprall in Zeile 14 "thy worth" auch ein doppelter Hebungsprall. Dieser befindet sich in Zeile 13 ("hope myverse").

3. Wortfelder und semantische Isotopien

Diesem Kapitel der Seminararbeit liegt eine schematische Analyse der Wortfelder beziehungsweise der semantischen Isotopien des Sonetts, welche im Anhang ersichtlich ist, zugrunde. Aus dieser Analyse wird klar ersichtlich, dass der Text des Sonetts nicht nur formal in Quartette beziehungsweise dem Couplet gegliedert ist, sondern auch auf semantischer Ebene eine Überstrukturiertheit aufweist. Dank der Analyse kann man erkennen, dass das Gedicht in seinen einzelnen Abschnitten nur durch wenige wechselnde Sinn- und Bedeutungsfelder gekennzeichnet ist. In meiner Analyse, die natürlich von Studierendem zu Studierendem anders ausfallen kann und Spielraum für eigene Interpretationen bietet, findet sich eine relativ überschaubare Anzahl von vier verschiedenen Wortfeldern.

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Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Gedichtanalyse von William Shakespeares Sonett 60
Hochschule
Karl-Franzens-Universität Graz
Note
2.0
Autor
Jahr
2016
Seiten
17
Katalognummer
V342129
ISBN (eBook)
9783668335066
ISBN (Buch)
9783668335073
Dateigröße
586 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
gedichtanalyse, william, shakespeares, sonett
Arbeit zitieren
Daniel Senekowitsch (Autor:in), 2016, Gedichtanalyse von William Shakespeares Sonett 60, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/342129

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