Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung ...1
2. Der Markt und seine Verlaufsform ...2
2.1. Wissenschaftlicher Entwurf eines Modells ...3
2.2. Wirtschaftsgeschichtlicher Kontext des Marketings ...3
3. Ansatzpunkte der Kommunikationspolitik ...4
3.1. Profiling und Informationsbeschaffung ...4
3.2. Behavioral Targeting ...5
4. Persuasion im erkenntnistheoretischen Diskurs ...5
4.1. Das psychophysische Problem und die Naturalisierung des Geistes ...6
4.2. Sprache als Kommunikationsmedium und Interaktionsraum ...7
4.3. Definitorische Schwierigkeiten der Begriffsbestimmung von Persuasion ...7
5. Persuasion in der Massenkommunikation ...8
5.1. Empirische Persuasionsforschung ...9
5.2. Persuasion im Kontext kognitiver Dissonanz ...10
6. Prozessmodelle der Informationsverarbeitung ...11
6.1. Das Elaboration-Likelihood-Modell ...12
6.2. Das Heuristisch-Systematische-Modell ...12
6.3. Die Laienepistemologie und das Unimodel ...13
7. Praxisreflexion ...13
8. Fazit ...15
Literaturverzeichnis ...III
1. Einleitung
„Informationen als der Rohstoff des 21. Jahrhunderts versprechen Erkenntnis- und Marktanteilgewinne“ (Degeling, o.J., S.1). Das Unternehmen Facebook Inc., zu dem auch das soziale Netzwerk Facebook, der Messenger-Dienst WhatsApp und die Video & Fotosharing-App Instagram gehören, baut sein Geschäftsmodell hauptsächlich auf Bannerwerbung auf und verzeichnete 2015 einen Werbeumsatz von 17,08 Mrd. USD, der 96,5% der Erlöse ausmachte. Mit einer Umsatzrendite von 20,57% (vgl. Börse, 2016) erzielt Facebook eine drei Mal so hohe Rendite wie der Durchschnitt des deutschen Mittelstandes 20121 [1] (vgl. KfW-Mittelstandspanel, 2003–2013, S.12).
Der Fotograf Oliviero Toscani bezeichnet Werbung als ein lächelndes Aas, und der Autor Herbert Werner nennt sie sogar ein Millionengrab. Schon Henry Ford spöttelte, dass die Hälfte seiner Werbeausgaben herausgeworfenes Geld sei; er wisse nur nicht, welche Hälfte (vgl. Renker, 2009, S. 25). Wieso nutzen dennoch so viele Anbieter Facebook als Werbefläche? Und wie kann es möglich sein, dass ein Unternehmen allein durch Werbeeinnahmen zu einem Global Player heranwachsen konnte, der nach dem Börsengang 2012, im NASDAQ neben Apple und Google, als Top Holding in den Portfolien der leistungsstärksten Exchange-Traded Funds gelistet wird? (vgl. NASDAQ, 2016).
Die Antwort darauf sind personalisierte Daten, die in Rohform als Big Data gehandelt werden. 2015 verzeichnete Facebook knapp 1,6 Milliarden Nutzer weltweit, davon sind[2] Millionen Werbekonten (vgl. Hutter, 2016; vgl. Allfacebook, o.J.). Im gleichen Jahr lag die Anzahl der weltweiten Internetnutzer bei 3.2 Milliarden2, wodurch Facebook mit 50% die Hälfte aller Internetnutzer weltweit frequentieren konnte (vgl. CIA, 2016). Der Mehrwert, den Facebook für werbende Unternehmen bietet, liegt, neben der hohen Erreichbarkeit an potentiellen Konsumenten, in der Auslese sogenannter Cookies, die
Nutzerverläufe speichern. Statistisch gestützte Datenanalysen, die fachterminologisch als Data Mining bezeichnet werden und im metaphorischen Sinne das Schürfen nach neuen Erkenntnissen in den Datenbergen meinen, erstellen auf Algorithmen basierende Profile, die unter der Bezeichnung Behavioral Targeting personalisierte Werbeformen ermöglichen. Auch wenn diese Möglichkeiten nach wie vor viele Konsumenten in Staunen sowie Produzenten in Entzücken versetzen, gehört kontextsensitive Werbung schon lange zum Standardrepertoire unternehmerischer Marketingaktivitäten. Behavioral Targeting ist ein guter Ansatz, doch schöpft er bei weitem nicht das Potential aus,das die Informationen bergen.
Im Hinblick auf die hohe Wettbewerbsdichte und das multioptionale Konsumentenverhalten steht die Markenkommunikation vor neuen Herausforderungen. Unter einem neuen Blickwinkel kommunikationspolitischer Einflussnahme auf konsumentenspezifische Entscheidungsprozesse rückt ein altes Konstrukt der Philosophie in den Mittelpunkt dieser Arbeit. Dafür werden aktivierende und kognitive Determinanten des Menschen sowie dessen Umwelteinflüsse betrachtet, die in psychologischen Prozessmodellen beschrieben werden. Diese Modelle wurden aus empirischen Erkenntnissen der Persuasions- und Medienwirkforschung entwickelt. Im Kontext wirtschaftsgeschichtlicher Entwicklung sowie kommunikativer, philosophischer und informationstechnischer Aspekte werden Forschungsergebnisse vorgestellt und in ein praktisches Beispiel überführt.
Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es einen umfassenden Überblick über die recht komplexe Thematik der Persuasion zu geben die mithilfe der Methoden des Profiling als Werbestrategie zum Persuasion Profiling abgeleitetet werden kann. Diese Deskription kann als Anregung zu weiteren Forschungsarbeiten gesehen werden, in denen ermittelt wird, wie effizient diese Strategie ist und ob sie zur Senkung von Werbekosten beitragen kann.
2. Der Markt und seine Verlaufsform
Die Mikroökonomie bezeichnet einen Markt als das Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage, durch das sich aufgrund von Beziehungen zwischen Tauschobjekt und Tauschmittel Preise bilden. Der Ökonom Adam Smith konstatierte, dass es in der Natur des Menschen liege zu handeln. Bereits Philosophen haben sich mit Formen und Problemen von Tauschbeziehungen auseinander gesetzt, womit die Grundidee des Marketings weit in die Menschheitsgeschichte zurück reicht (vgl. Meffert, 2000, S. X – XI).
Zur konstitutiven Begriffsbestimmung des Marketings soll eine grammatikalische Bezugnahme dienen. Das englische Wort ‚to market’ bedeutet auf Deutsch ‚absetzten’. Durch das Suffix ‚–ing’ wird das Verb ‚market’ zu ‚Marketing’ substantiviert und bildet das Gerundium, das den Verlauf eines Ereignisses oder einer Handlung ausdrückt. Marketing beschreibt also einen stetigen Prozess des Absatzes und wird daher auch im Deutschen als Absatzwirtschaft bezeichnet. Der Verleger und Gründer des ‚Marketing Journals’ Wolfgang K.A. Disch sagt über Marketing, dass es ein fortwährender betrieblicher Entscheidungsprozess sei, der einer Ziel-, Markt- und Zukunftsorientierung folgt, um dem Management ein rasches und risikoarmes Handeln im Markt zu erlauben (Disch, 1972, S. 125).
2.1. Wissenschaftlicher Entwurf eines Modells
Der Wirtschaftswissenschaftler Heribert Meffert definiert den Grundgedanken von Marketing als eine ganzheitliche Ausrichtung eines Unternehmens an den Bedürfnissen und Erwartungen des Marktes unter Berücksichtigung der Interessen seiner Teilhaber (vgl. Meffert, 2000, S. X – XI). 1960 entwickelte der Marketingprofessor Jerome McCarthy das Modell der 4P’s (Product, Price, Place, Promotion), das eine Erweiterung des Marketing-Mix von Neil H. Borden (1950) darstellt. McCarthy bezeichnet vier Instrumente des Marketings, die, neben mikro- und makroökonomischen Determinanten, als Träger von Teilen der Unternehmensführung gelten und in leicht Branchenkontext modifizierter Form (6P’s, 7P’s) bis heute als grundlegendes Modell Anwendung findet (vgl. Disch, 2013, S.1). Dazu bemerkt der Wirtschaftswissenschaftler Philip Kotler: „ McCarthy’s classification is especially useful from a pedagogic point of view. Nevertheless, the feeling remains, that some other classification, still to be born, will develop better conceptual distinctions among the large variety of marketing decicions variables.“ (Baker, 2001, S. 51, zitiert nach Kotler).
2.2. Wirtschaftsgeschichtlicher Kontext des Marketings
Der Industrialisierung entwuchs eine massenhafte Güterproduktion, wodurch sich in den 1960’er – 1970’ern ein Wandel von Verkäufer- zu Käufermärkten vollzog. Händler waren gezwungen ihre Märkte zu segmentieren und begannen das Marketing als damals neues Unternehmenskonzept einzusetzen, um ihr Angebot zielgruppenspezifischer zu bewerben. 1980 herrschte schon ein reger Verdrängungswettbewerb, wodurch indirekte Marketingformen nicht mehr die gewünschten Effekte erzielten. Mit der Absicht, Streuverluste zu minimieren, durchliefen viele Anbieter einen Kurswechsel, der durch eine persönliche Ansprache des Konsumenten (Direct Marketing) eine höhere Zielgruppensicherheit erhoffen ließ. Kotler ging sogar noch einen Schritt weiter und forderte ein Customized Marketing: eine maßgeschneiderte Absatzwirtschaft, um eine den individuellen Kundenwünschen entsprechende Leistung hervorzubringen. Hierfür bedurfte es eines kommunikationspolitischen Richtungswechsels, weg von der bislang linearen Kommunikation und hin zu einer zirkulären, mit dem Kunden interagierenden Kommunikation (vgl. Meffert, 1991, S. 32; Esch, o.J.; Markgrad, o.J.).
3. Ansatzpunkte der Kommunikationspolitik
Als das für diese Arbeit relevante Instrumentarium gilt die Kommunikationspolitik, da sie die Schnittstelle zwischen unternehmerischer Initiative und verkäuferischer Umsetzung bildet. „Sie befasst sich mit der kommunikativen Umsetzung der Nutzenversprechen von Produkten und Dienstleistungen, und hat Einfluss auf die Erarbeitung eines markenadäquaten Images.“ (Schönhuber, 2013, S. 21 zitiert nach Walsh et al., 2009, 440 ff.). Ihr Hauptziel ist die Positionierung eines Angebots, das sich durch seine Attraktivität von der Konkurrenz abhebt. Mögliche Formen werden nachfolgend genannt.
Abov-the-Line Kommunikation beschreibt indirekte Formen der Werbung, deren Zielgruppenansprache gestreut wird und sich der Massenmedien bedient. Zu den planbaren Trägern zählen Printanzeigen, TV-, Rundfunkt-, Außen- sowie Kinowerbung.
Below-the-Line Kommunikation bezeichnet unkonventionelle Kommunikationswege, die Zielgruppen konzentriert und persönlich ansprechen. Werbemaßnahmen werden so gestaltet, dass diese vom Kunden nicht direkt als solche wahrgenommen werden können. Einig davon sind Direct Marketing, Sales Promotion, Public Relations und Sponsoring (vgl. Esch, o.J.).
Um eine persönliche Ansprache des Konsumenten zu gestalten, müssen im Vorfeld Informationen über ihn gesammelt werden
3.1. Profiling und Informationsbeschaffung
Robert M. Goldwyn bezeichnet Profiling als das Verfassen eines biografischen Essays, in dem alle nennenswerten Charaktereigenschaften eines Subjektes vorgestellt werden (vgl. Goldwyn, 2004). Weiterhin bezeichnet Profiling die Erstellung des Gesamtbildes einer Persönlichkeit zum Zwecke der Identifikation, Überwachung und zur Verhaltensvorhersage.
Für das Marketing von Interesse sind Konsumentenprofile. Im Jahr 2000 wurde das deutsche Unternehmen Payback gegründet, das seither ein Bonussystem bewirbt und über Kundenkarten deren Konsumverhalten auswertet. Mit 27,5 Mio. Kunden im Jahr 2014 gelang es dem Unternehmen, das Kaufverhalten eines Drittels der deutschen Bevölkerung zu erfassen (vgl. Payback, 2015). Aufgrund des hohen Digitalisierungsgrades der deutschen Gesellschaft (77,6%), gemessen an den Internetnutzern (vgl. Boberach, S. 8), ist es recht einfach, an die notwendigen Informationen über bspw. Soziale Kontakte, persönliche Vorlieben, politische Einstellungen, die geografische und finanzielle Lage sowie Konsumverhalten zu gelangen. Mithilfe statistischer Verfahren werden diese auf empirische Zusammenhänge zwischen Planungsobjekten wie bspw. Produktgruppen, die häufig miteinander gekauft werden, überprüft und anhand logischer Operatoren rekursiv zu individuellen Profilen zusammengetragen (vgl. Lackes, o.J.).
3.2. Behavioral Targeting
Auf den Profilen aufbauend können Unternehmen ihre Zielgruppe persönlich anvisieren und ihre Angebote an den Vorlieben ausgerichtet bewerben. Auch die Reaktion auf das Produkt wird versucht zu erfassen, um die Werbeanzeige ggf. besser anzupassen. Eine wichtige Zielgröße spielt dabei dieConversion Rate, worüber die Anzahl der Verkäufe oder Klicks auf die Werbebanner erfasst wird. Weiterhin errechnen statistische Analysen Scores, welche die monetäre Lage der Konsumenten bewerten, sodass bspw. Ein Konsument mit geringer Liquidität, jedoch mit guter Zahlungsmoral, ein potentiell begehrtes Produkt mit einem Finanzierungsmodell zusammen beworben sieht.
Philip Kotler sagte einst: „Marketing ist die Schlitzohrigkeit, Leuten Dinge anzudrehen, die sie nicht brauchen, aber mit Geld zu bezahlen, das sie nicht haben, um Leuten zu imponieren, die sie nicht mögen.“ (Renker, 2009, S. 26, zitiert nach Kotler ). Mit dieser etwas satirischen Bemerkung spielte er vermutlich auch auf den persuasiven Charakter von Marketing, insbesondere der Kommunikation, an, deren Wirkweise im folgenden Kapitel unter Bezugnahme philosophischer und empirischer Erkenntnisse beleuchtet werden soll.
4 . Persuasion im erkenntnistheoretischen Diskurs
Ein Sehender erlebt die Welt scheinbar von einem Standpunkt aus, dem Stationis Punctum, der hinter den Augen liegt und der Mittelpunkt des visuellen Erlebnisraumes ist. Dieses strukturelle Merkmal des durch den Sehsinn erzeugten Bildes der Welt bzw. die Tatsache, dass es um ein Zentrum herum aufgebaut ist, vermittelt den Eindruck, als gäbe es einen kleinen Homunkulus, der hinter den Augen sitzt und durch sie wie durch zwei Fenster in die Welt hinausblickt. Natürlich ist dieser Homunkulus eine Fiktion; trotzdem ist es schwer, sich von der durch das Raumerleben erzeugten Illusion zu befreien, dass das Selbst eine räumliche Lokalisierung besitzt als Mittelpunkt der visuellen Welt. Was als den strukturellen Aufbau des menschlichen Gesichtsfeldes und des visuellen Modells der Wirklichkeit gilt, trifft in umfassenderem Sinn auch auf den phänomenalen Raum als Ganzen zu. Das gesamte Bewusstsein des Menschen ist um einen Mittelpunkt herum aufgebaut, weil es ein zentriertes Bewusstsein ist. Dieser nicht hintergehbare Mittelpunkt des inneren Erlebnisraums ist das phänomenale Selbst, das Subjekt psychischer Zustände (vgl. Metzinger, 1999, S. 9).
[...]
[1] Durchschnittliche Umsatzrendite des deutschen Mittelstands in 2012 lag bei 6%.
[2] entspricht 42% der Weltbevölkerung