Nur „ein vorübergehender Meteor. Der zog nur augenblicklich über den Horizont der deutschen Literatur hin und verschwand plötzlich, ohne im Leben eine Spur zurückzulassen.“ Diese vernichtende Kritik über Jakob Michael Reinhold Lenz schreibt Johann Wolfgang Goethe 1816 in seiner Schrift Dichtung und Wahrheit nieder, obwohl sein ehemaliger Freund aus Straßburger Zeiten zu diesem Zeitpunkt bereits seit mehr als einem Jahrzehnt tot ist. Der Streit in Weimar zwischen Lenz und ihm scheint eine tiefe Wunde hinterlassen zu haben, und „[e]ine große Wahrheit muß Lenz Goethe gesagt haben, wie sonst könnte Goethe so getroffen sein.“
Goethes Urteil beeinflußt die Rezeption von Lenz` Werken über viele Jahrzehnte, und „[d]amit war Lenz bis ins 20. Jahrhundert als Dichter erledigt.
Erst seit wenigen Jahrzehnten erkennt die Literaturforschung die Bedeutung seiner Werke an und beschäftigt sich mit seinem Lebenswerk, welches sich über Dramen, Lyrik, Prosa, Briefen bis hin zu zahlreichen theoretischen Schriften erstreckt. Heutzutage gilt er als einer der entscheidenden Begründer des sozialen Dramas und als einer der wichtigsten Vertreter des Sturm und Drang.
Da Jakob Michael Reinhold Lenz erfolgreichste Schaffensphase in die Epoche des Sturm und Drang fällt, soll in der folgenden Analyse kurz auf diese Literaturepoche eingegangen werden.
Dabei wird der Versuch einer knappen Zusammenfassung der Epoche des Sturm und Drang unternommen, wobei hier eine ausführliche Betrachtung dieser Epoche den Rahmen der Arbeit sprengen würde. Deshalb soll nur ein kurzer Abriß dieser Zeit gegeben werden, um die für die Hauptanalyse relevanten Punkte herauszuarbeiten. Die historische oder epochale Einordnung von Lenz` Werken ist von Bedeutung, damit die gesellschaftskritischen Tendenzen in seinen Dramen auch vor dem passenden sozialen und historischen Hintergrund gedeutet und betrachtet werden können. Diese Tatsache gilt sowohl für die Erziehungsthematik in dem Drama „Der Hofmeister oder die Vorteile der Privaterziehung“ als auch für die Interpretation des Soldatenstandes bzw. der Ständegesellschaft insgesamt in dem Drama „Die Soldaten“.
Vor dem Hintergrund der Epoche des Sturm und Drang werden in der folgenden Arbeit Lenz dramentheoretische Schriften und die beiden Dramen "Der Hofmeister oder Vorteile der Privaterziehung" und "Die Soldaten" näher betrachtet.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Sturm und Drang
- Die Uneinigkeit bei der Bestimmung des Epochenbegriffs des Sturm und Drang
- Ideale des Sturm und Drang
- Das Drama als bevorzugte Gattung des Sturm und Drang
- Dramentheoretische Schriften
- Die Anmerkungen übers Theater
- Formulierung neuer dramentheoretischer Vorstellungen
- Die Polemik gegen Aristoteles
- Die Kritik am französischen Theater in den „Anmerkungen übers Theater“ und „Für Wagnern“
- Dramentheorie als Gesellschaftskritik
- Die Umsetzung dramentheoretischer Vorstellungen in den Dramen Der Hofmeister/Die Soldaten
- Die Anmerkungen übers Theater
- Der Hofmeister oder Vorteile der Privaterziehung
- Die Erziehungsthematik und der kritische Blick auf die Hofmeisterexistenz
- Privaterziehung oder öffentliche Schule
- Die Sonderrolle des Dorfschulmeisters Wenzeslaus
- Der Hofmeister Läufer als Negativbeispiel
- Literatur als schlechte Erziehung für das weibliche Geschlecht
- Der Zufall als bestimmendes Prinzip im „Hofmeister“ und das versöhnende Ende des Dramas
- Die Erziehungsthematik und der kritische Blick auf die Hofmeisterexistenz
- Die Soldaten
- „Eine Hure wird immer eine Hure.\" Über die Schädlichkeit der Komödie
- Die Soldaten als autonome Kaste innerhalb der Gesellschaft
- Maries sozialer Abstieg und die Zerstörung der bürgerlichen Existenz
- Eine Pflanzenschule von Soldatenweibern. Gesellschaftsutopie oder Lösungsvorschlag
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Hausarbeit analysiert die gesellschaftskritischen Tendenzen in den Dramen „Der Hofmeister oder die Vorteile der Privaterziehung“ und „Die Soldaten“ von Jakob Michael Reinhold Lenz. Die Arbeit befasst sich mit der historischen Einordnung der Dramen in die Epoche des Sturm und Drang und untersucht Lenz' dramentheoretische Vorstellungen, insbesondere im Kontext seiner „Anmerkungen übers Theater“. Die Analyse beleuchtet die Erziehungsthematik in „Der Hofmeister“, die Rolle des Soldatenstandes und die Kritik an der Ständegesellschaft in „Die Soldaten“ sowie die soziale und moralische Dekadenz der Figuren.
- Die Bedeutung des Sturm und Drang für Lenz' Werk
- Lenz' Kritik an der gesellschaftlichen Ordnung
- Die Rolle der Erziehung in Lenz' Dramen
- Die soziale Dekadenz und Moralverderbnis in „Die Soldaten“
- Lenz' Beitrag zur Entwicklung des sozialen Dramas
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt Lenz' Leben und Werk im Kontext seiner Zeit vor und beleuchtet die Rezeption seiner Dramen. Sie legt den Fokus auf die gesellschaftskritischen Tendenzen in Lenz' Werken und die historische Einordnung in die Epoche des Sturm und Drang. Anschließend wird die Problematik der Epochenbestimmung im Allgemeinen erläutert, wobei die zeitliche Eingrenzung der Hauptschaffensphase und die Beziehung zur Aufklärung und zur Klassik behandelt werden. Die Ideale des Sturm und Drang werden kurz angeführt, um einen Zusammenhang zwischen ihnen und Lenz' Werken herzustellen. Schließlich wird auf die bevorzugte literarische Gattung des Sturm und Drang, das Drama, eingegangen.
Das dritte Kapitel analysiert Lenz' dramentheoretische Schriften, insbesondere die „Anmerkungen übers Theater“. Hier werden Lenz' Absicht der Formulierung neuer dramentheoretischer Vorstellungen, die Polemik gegen Aristoteles und die Kritik am französischen Theater beleuchtet.
Das vierte Kapitel behandelt das Drama „Der Hofmeister oder die Vorteile der Privaterziehung“, wobei die Erziehungsthematik und der kritische Blick auf die Hofmeisterexistenz im Vordergrund stehen. Es werden die verschiedenen Aspekte der Privaterziehung, die Rolle des Dorfschulmeisters Wenzeslaus, die Negativfigur des Hofmeisters Läufer und die Kritik an der Literatur als Erziehung für das weibliche Geschlecht analysiert.
Das fünfte Kapitel befasst sich mit dem Drama „Die Soldaten“. Hier werden die Themen der Schädlichkeit der Komödie, die Soldaten als autonome Kaste innerhalb der Gesellschaft, Maries sozialer Abstieg und die Zerstörung der bürgerlichen Existenz sowie die Gesellschaftsutopie oder Lösungsvorschlag der „Pflanzenschule von Soldatenweibern“ behandelt.
Schlüsselwörter
Jakob Michael Reinhold Lenz, Sturm und Drang, Gesellschaftskritik, Drama, „Der Hofmeister“, „Die Soldaten“, Erziehung, Ständegesellschaft, Soziales Drama, Anmerkungen übers Theater, Kritik am französischen Theater, Dekadenz, Moralverderbnis.
- Quote paper
- Daniel Krohne (Author), 2004, Gesellschaftskritische Tendenzen in J.M.R. Lenz Dramen "Der Hofmeister" und "Die Soldaten", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/34342