Digitale Transformation der Unternehmenskultur

Welchen Einfluss hat die Digitalisierung auf die Unternehmenskultur?


Masterarbeit, 2016

135 Seiten, Note: 1.0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I Abbildungsverzeichnis

II Tabellenverzeichnis

III Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung
1.1. Ausgangssituation und Problemstellung
1.1.1. Einführung
1.1.2. Forschungsfrage und Zielsetzung
1.2. Aufbau der Arbeit

2. Theoretische Grundlagen und Stand der Forschung
2.1. Unternehmenskultur
2.1.1. Begriffsbestimmung Kultur
2.1.2. Kulturdimensionen nach Geert Hofstede (2001)
2.1.3. Begriffsbestimmung Unternehmenskultur
2.1.4. Das Drei-Ebenen-Modell der Unternehmenskultur nach Schein (2010)
2.1.5. Veränderung der Unternehmenskultur
2.1.6. Entscheidende Einflussfaktoren auf die Unternehmenskultur
2.1.7. Entstehung von Unternehmenskultur und ihrer Funktionen
2.2. Digitale Transformation
2.2.1. Begriffsbestimmung Digitalisierung
2.2.2. Begriffsbestimmung digitale Transformation
2.2.3. Ziel und Vorteile der digitalen Transformation
2.2.4. Einflussfaktoren und Treiber der digitalen Transformation
2.2.5. Warum verlangt die digitale Transformation eine Kultur?
2.2.6. Herausforderungen für Unternehmen
2.2.7. Unternehmenskultur als Herausforderung für die digitale Transformation

3. Digitalisierungsgrad im Branchenvergleich
3.1. Studie „Branchenatlas – digitale Transformation“
3.2. Studie „Digital Transformation Award (DTA)“
3.3. Studie „HR-Report 2015/2016 Schwerpunkt Unternehmenskultur“
3.4. Studienzusammenfassung und -vergleich

4. Durchführung von Unternehmenskulturanalysen
4.1. Unternehmenskulturanalyse im Branchenvergleich
4.2. Unternehmenskulturanalyse Google
4.3. Unternehmenskulturanalyse Daimler AG
4.4. Gründe für das Scheitern einer Unternehmenskulturtransformation
4.5. Digitale Unternehmenskultur

5. Zusammenfassung und Fazit

6. Literaturverzeichnis

7. Anhang
7.1. Digitale Unternehmenskultur
7.2. Erfolgsdimensionen

8. Eidesstattliche Erklärung

Abstrakt

Globalisierung und Digitalisierung wandeln Gesellschaft und Wirtschaft in einem Tempo, das seinesgleichen sucht. Diese Transformation ist Risiko und Chance zugleich. Jedoch erfordert der damit verbundene Veränderungsdruck in Unternehmen an vielen Stellen neue Strukturen und Führungsmodelle, die mitunter auch einen Kulturwandel führen. Darüber hinaus bedarf es neuer Kompetenzen, um in den schnelllebigen Märkten von heute mehr Agilität zu gewährleisten. Dadurch ist es Unternehmen möglich, mit den Wettbewerbern mitzuhalten. Das setzt voraus, dass sich die Unternehmen als Ganzes und sich in ihren jeder einzelne Mitarbeiter gleichermaßen entwickeln kann.

Im Rahmen dieser Masterarbeit wurden, nach einer theoretischen Einführung im Bereich digitale Transformation und Unternehmenskultur, drei relevante Studien betrachtet, die sich mit der digitalen Transformation in unterschiedlichen Branchen beschäftigt. Weiterhin wurde eine Branchen- sowie Unternehmenskulturanalyse durchgeführt, die genutzt wurde, um den Einfluss der Digitalisierung auf die Unternehmenskultur und die für die digitale Transformation der Unternehmenskultur relevanten Faktoren zu ermitteln. Anschließend wurde aufgezeigt, wie eine digitale Unternehmenskultur aussehen und welche Anforderungen und Bedingungen sie erfüllen muss.

Ziel der Arbeit war es, mittels der quantitativen-, methoden- und leitfadengestützten Analyse festzustellen, welchen Einfluss die Digitalisierung auf Unternehmen und deren Unternehmenskultur ausübt. Hierzu wurde für den systematischen Umgang mit den digitalen Veränderungen ein Leitfaden entwickelt. Dieser hat das Ziel, die Organisationen in dem notwendigen Veränderungsprozess durch analytische Betrachtungen und Lösungsimpulse zu unterstützen. Zudem stellt der Leitfaden ein Vorgehensmodell zur Steigerung des digitalen Reifegrades in den Unternehmen vor.

(KEYWORDS: Kultur, Digitalisierung, digitale Transformation, Unternehmenskultur)

1. Einleitung

Diese Master-Thesis bildet den Abschluss meines Studiums des Sales Engineering and Product Management (SEPM) an der Ruhr-Universität in Bochum. Mit dieser möchte ich meine technischen und wirtschaftlichen Kenntnisse und Philosophien, die ich während des Studiums entwickelt und durch praktische Erfahrungen vertieft habe, darlegen. Meine Philosophie basiert auf der Überzeugung, dass Unternehmen, die eine klare Vision und davon abgeleitete Werte und Strategien entwickeln, langfristig erfolgreich sind. Des Weiteren, dass ein Unternehmen dauerhafte Existenzsicherung und kontinuierliches Wachstum erreichen kann, wenn es zukunftsorientiert ausgerichtet ist, Trends erkennt und diese nutzt sowie auf Innovationen setzt. Dazu gehört notwendigerweise auch die Trennung von Altem und Bewährtem.

1.1. Ausgangssituation und Problemstellung

1.1.1. Einführung

„Wir müssen die Verschmelzung der Welt des Internets mit der Welt der industriellen Produktion möglichst schnell bewältigen, weil sonst diejenigen, die führend im digitalen Bereich sind, uns die Produktion wegnehmen werden“ (Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem Davoser Weltwirtschaftsforum 2015).

Die digitale Transformation verändert den Alltag, lässt neue Märkte entstehen, modifiziert Standards sowie Normen und sorgt für eine Revolution in Wirtschaft und Gesellschaft. Mehr als in allen vorherigen Transformationsprozessen gilt insbesondere bei der Digitalisierung, welches auch aus dem Zitat hervorgeht: „Die Schnellen besiegen die Langsamen.“ (BMWi 2016, o.S.).

Die traditionellen Geschäftsmodelle werden infrage gestellt und es entstehen vermehrt neue Geschäftsmodelle. Zudem entwickeln sich neue Märkte mit dem Resultat, dass aus den früheren Gewinnern plötzlich Verlierer werden, und Newcomer eine Gefahr für die etablierten Branchen und Unternehmen darstellen. Diejenigen, die frühzeitig neuen Märkte erschließen und baldig eigene Standards setzen, werden letzten Endes erfolgreich sein. (vgl. BMWi 2016, o.S.)

Der digitale Wandel hat sich in den letzten Jahren rasant entwickelt. Eine wesentliche Ursache dafür ist die stark steigende Vernetzung von Geräten, Maschinen und Menschen über das Internet. Im Jahre 2015 waren circa 20 Milliarden Geräte und Maschinen über das Internet vernetzt. Schätzungen des BMWi (2016 , o.S.) zufolge wird sich diese Zahl bis 2030 auf eine halbe Billion erhöhen.

Der digitale Wandel betrifft Industrie, Unternehmen und Branchen. Es steuert die gesamte Wertschöpfungskette: angefangen bei der Kundenakquise über die Produktion und den Vertrieb bis hin zu internen Prozessen, wie Personal- und Wissensmanagement (vgl. BMWi 2015, S. 5).

Damit wird die Digitalisierung in Zukunft den gesamten Alltag in der Gesellschaft und in den Unternehmen grundlegend verändern. Aus diesem Grund ist die Auseinandersetzung mit diesem Thema von höchster Relevanz. Aber was bedeutet es für ein Unternehmen, eigentlich ‚digital‘ zu sein? Eine Folge ist zweifelsohne die zunehmende Form der digitalen Arbeit. Vor diesem Hintergrund ist noch nicht bekannt, welche Trends und Einflussfaktoren diesem neuen digitalen Arbeitsformen zugrunde liegen. Weiterhin sind die Einflüsse der Digitalisierung auf die Unternehmen, die Unternehmenskultur und insbesondere auf das arbeitende Individuum unerforscht. Daher stehen einerseits die Einflussfaktoren bzw. Treiber, aber auch die Auswirkungen der Digitalisierung im Fokus der aktuellen Wirtschaft, Politik sowie Forschung und weisen gleichzeitig eine enorme Praxisrelevanz auf. Die Digitalisierung hat enorme Auswirkungen für die Unternehmen, da die mit ihr eingehende Transformationsdynamik neue Herausforderungen bedeutet und das bisherige organisatorische Selbstverständnis der Unternehmenskultur infrage stellt. (vgl. ITSM Group 2015)

In welchem Maß die Digitalisierung Einfluss auf die Unternehmenskultur ausübt und sich die Organisationen zukünftig neu aufstellen und ausrichten müssen, hängt von der unternehmensindividuellen Transformationsgeschwindigkeit und dem bestehenden digitalen Reifegrad ab. Für den systematischen Umgang mit diesen Veränderungen wird ein Leitfaden benötigt, welcher Unternehmen in diesem Transformationsprozess unterstützt und begleitet.

1.1.2. Forschungsfrage und Zielsetzung

Vor dem Hintergrund, der in Kapitel 1.1.1 eingeführt wurde, soll im Rahmen dieser Masterarbeit folgende Forschungsfrage beantwortet werden:

Welchen Einfluss hat die Digitalisierung auf die Unternehmenskultur?

Ziel der Arbeit ist es, mittels der quantitativen, methoden- und leitfadengestützten Analyse festzustellen, welchen Einfluss die Digitalisierung auf Unternehmen und deren Unternehmenskultur ausübt. Hierzu soll für den systematischen Umgang mit den digitalen Veränderungen ein Leitfaden entwickelt werden. Er zielt darauf ab, die Unternehmen in dem notwendigen digitalen Transformationsprozess durch analytische Betrachtungen und Lösungsimpulse zu unterstützen. Entsprechend lauten die untergeordneten Forschungsfragen:

1. Wie lassen sich die Unternehmenskultur sowie digitale Transformation definieren?
2. Was sind die Einflussfaktoren sowie Ziele der digitalen Transformation?
3. Vor welchen Herausforderungen stehen Unternehmen durch die digitale Transformation?
4. Welchen Einfluss hat die Digitalisierung auf die unterschiedlichen Branchen?
5. Wie sieht die Unternehmenskultur von Unternehmen unterschiedlicher Branchen aus?
6. Wie entsteht die Unternehmenskultur?
7. Was müssen Unternehmen in Bezug auf die Unternehmenskultur tun, um in Zukunft in der digitalen Welt weiterhin erfolgreich zu bleiben?

Daraus abgeleitet erfolgt die Darstellung eines strategischen Handlungsmodells für eine transformationsgerechte Ausrichtung.

1.2. Aufbau der Arbeit

Die vorliegende Masterarbeit umfasst insgesamt acht Kapitel und jeweils ein Verzeichnis mit den verwendeten Abbildungen, Tabellen und Abkürzungen. Die einzelnen Kapitel werden im Folgenden näher erläutert.

Das erste Kapitel, welches auch dieses Unterkapitel umfasst, erläutert die Forschungsfrage und das Ziel dieser Arbeit, wobei zunächst auf die Ausgangssituation sowie die Problemstellung eingegangen wird.

Im zweiten Kapitel werden die theoretischen Grundlagen sowie der Stand der Forschung zum Thema Unternehmenskultur und digitale Transformation vermittelt. Dabei werden relevante Begriffe definiert, die Treiber und Einflussfaktoren ermittelt und die aus der digitalen Transformation resultierenden Herausforderungen beschrieben. Weiterhin wird erläutert, wie eine Unternehmenskultur entsteht.

Im dritten Kapitel wird der digitale Reifegrad von verschiedenen Branchen anhand von Studien ermittelt und aufgezeigt. Anhand dessen wird ein Branchenvergleich vorgenommen, um die unterschiedlichen digitalen Reifegrade zu begründen. Mittels eines Studienvergleiches werden die für die digitale Transformation der Unternehmenskultur relevanten Faktoren ermittelt.

Im vierten Kapitel wird eine Unternehmenskulturanalyse für verschiedene Unternehmen unterschiedlicher Branchen durchgeführt, um dadurch die für das neue Zeitalter der Digitalisierung notwendige Unternehmenskultur zu ermitteln. Weiterhin wird aufgezeigt, was die Gründe für das Scheitern einer Unternehmenskulturtransformation sind.

Im fünften Kapitel werden die Ergebnisse zusammengefasst, ein Fazit gezogen sowie Handlungsempfehlungen ausgesprochen.

Das sechste, siebte und achte Kapitel beinhalten lediglich die in dieser Arbeit verwendeten Quellen, Anhänge, die der Visualisierung dienen, und die eidesstattliche Erklärung.

2. Theoretische Grundlagen und Stand der Forschung

„Der Schlüssel zum Wandel liegt darin, all seine Energie zu fokussieren, nicht darauf das Alte zu bekämpfen, sondern darauf Neues zu erschaffen.“ (Sokrates o.J.)

Wie Sokrates bereits sagte, ist für einen Wandel bzw. für eine Revolution die Schaffung und Zulassung von Neuem – von neuen Innovationen, neuen Ideen und neuen Formen menschlichen Handelns – notwendig. Hierzu bedarf es der Bereitschaft und des Mutes, dieses an sich heranzulassen und den Willen, diese in sein Umfeld und seiner Gemeinschaft zu integrieren. Gleiches gilt auch für die Digitalisierung. Hat ein Unternehmen das Bedürfnis und den Willen, die Digitalisierung erfolgreich in ihr Unternehmen und Unternehmenskultur zu integrieren, so müssen Unternehmen bereit sein, Werte, Einstellungen und Normen zu verändern und die Entwicklung in Ihrem Unternehmen in psychischer und physischer Art zuzulassen.

Kapitel zweite hat die Aufgabe, die theoretischen Grundlagen für die Untersuchung wiederzugeben. Der Stand der Forschung enthält die relevanten Definitionen und gibt eine ergebnisorientierte Darstellung bisheriger Forschungsaktivitäten unter Berücksichtigung der zu untersuchenden Fragestellung. Die Darstellung der wesentlichen Forschungsergebnisse bildet den Ausgangspunkt für die theoretische Untersuchung. In diesem Kapitel wird die Literatur zur Unternehmenskultur und digitalen Transformation zusammenfassend dargestellt und analysiert.

2.1. Unternehmenskultur

2.1.1. Begriffsbestimmung Kultur

„Eine neue Kultur zu schaffen bedeutet nicht nur, individuell ›originelle‹ Entdeckungen zu machen, es bedeutet auch und besonders, bereits entdeckte Wahrheiten kritisch zu verbreiten, sie sozusagen zu ›vergesellschaften‹ und sie dadurch Basis vitaler Handlungen, Element der Koordination und der intellektuellen und moralischen Ordnung werden zu lassen.“ ( Antonio Gramsci , o.J.)

Bevor auf den Begriff der Unternehmenskultur eingegangen wird, muss zunächst der Begriff der Kultur erörtert werden. Die aktuelle Forschung zu diesem Thema liefert ergänzende, widersprechende oder teilweise identische Definitionen des Begriffs (vgl. Halder 2010, o.S.). Jeder Forscher und Autor ist um eine konkrete Definition bemüht. Als Ausgangspunkt für die Bestimmung kultureller Unterschiede und im Hinblick auf die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Menschen aus unterschiedlichen Kulturen, ist eine anwendungs- und handlungsbezogene Definition notwendig (vgl. Genkova et al. 2013, S. 41). Aber auch an dieser Stelle unterscheiden sich die Definitionen voneinander:

Trompenaars und Hampden-Turner (1997, S. 6) definieren Kultur als „the way in which a group of people solves problems and reconciles dilemmas“. Damit nehmen sie eine anwendungsbezogene Perspektive ein, beschränken jedoch die Funktion von Kulturen auf die Lösung von Problemen.

Hofstede (2001, S. 9) wiederum charakterisiert Kultur als „the collective programming of the mind“. Diese Sichtweise, Kultur sei die kollektive Programmierung der Gedanken, der Gefühle und des Handelns der Menschen, erscheint mechanistisch (vgl. Genkova et al. 2013, S. 41). Dabei wird außer Acht gelassen, dass eine Kultur von Menschen geschaffen und konstruiert wird.

Thomas (1993, o.S.) hingegen konstruiert eine anwendungsbezogene und differenzierte Definition von Kultur: „Kultur ist ein universelles, für eine Gesellschaft, Organisation und Gruppe aber sehr typisches Orientierungssystem. Dieses Orientierungssystem wird aus spezifischen Symbolen gebildet und in der jeweiligen Gesellschaft tradiert. Es beeinflußt das Wahrnehmen, Denken, Werten und Handeln aller ihrer Mitglieder und definiert somit deren Zugehörigkeit zur Gesellschaft. Kultur als Orientierungssystem strukturiert ein für die sich der Gesellschaft zugehörig fühlenden Individuen spezifisches Handlungsfeld und schafft damit die Voraussetzungen zur Entwicklung eigenständiger Formen der Umweltbewältigung“ (Thomas 1993, o.S.; zitiert nach Genkova et al. 2013, S. 41). Der Kernpunkt dieser Definition, dass alle Menschen zu allen Zeiten und in allen Gegenden eine Kultur entwickeln, bildet in anderen Definitionen den einzigen und zentralen Bestandteil. Dieser Wortlaut sagt noch nichts darüber aus, was der Mensch konkret erschaffen hat. Thomas (1993, o.S.) beantwortet diese Frage mit dem zentralen Begriff „Orientierungssystem“: „Dadurch, dass Kultur als Orientierungssystem gefasst wird, erklärt sich dessen Entstehung, Aufrechterhaltung und Weitergabe. Denn aus der psychologischen Forschung ist bekannt, dass es sich bei dem Bedürfnis nach Orientierung um ein zentrales menschliches Bedürfnis handelt, weshalb auch nachvollziehbar ist, warum Kultur nicht nur auf nationaler Ebene entwickelt wird, sondern in allen Formen des menschlichen Zusammenlebens. Teil der Orientierungsfunktion von Kulturen ist es demnach auch, den Mitgliedern Sinnstiftungs- und Bewertungsmaßstäbe zur Verfügung zu stellen, mit deren Hilfe die komplexen Umweltanforderungen bewältigt werden. Diese Bewertungsmaßstäbe werden im Laufe der menschlichen Sozialisation erworben und wirken daher auch meist automatisch, also ohne eine bewusste kognitive Steuerung.“ (Thomas 1993, o.S.; zitiert nach Genkova et al. 2013, S. 41)

1. Zusammenfassung/Fazit: Es kann niemals von einer Definition für den Begriff der Kultur gesprochen werden, da es in der Wissenschaft eine Vielzahl von Definitionen gibt. Die Annäherungen zu dem Begriff beschreiben, worum es grundlegend geht.

Die Kultur ist ein Orientierungssystem. Sie beeinflusst das Wahrnehmen, Denken, Werten und Handeln aller Menschen und definiert deren Zugehörigkeit zur Gesellschaft. Sie entwickelt sich auf nationaler Ebene sowie in allen Formen des menschlichen Zusammenlebens. Dabei wird sie aus Symbolen, Werten, Einstellungen und Überzeugungen gebildet.

Die angeführten theoretischen Annäherungen an den Begriff Kultur bilden die Grundlage für die Entwicklung von Kulturdimensionen, die als zentrale Modelle zur Bestimmung kultureller Unterschiede bekannt wurden und im Folgenden vorgestellt werden.

2.1.2. Kulturdimensionen nach Geert Hofstede (2001)

Hofstede (2001, S. 41 ) führte in den 1960er und 1970er Jahren in mehr als 70 Ländern Fragebogenerhebungen durch. Teilnehmende waren 116 000 Mitarbeiter und Führungskräfte eines multinational agierenden IT-Unternehmen (IBM). Mithilfe von Korrelations- und Faktorenanalysen extrahierte Hofstede vier grundlegende Kulturdimensionen, die er in den 1980er Jahren nach Studien in China um eine fünfte Dimension erweiterte (vgl. Weinert und Euler 2004, o.S.). Die fünf Dimensionen werden im Folgenden dargestellt. Zudem werden die Auswirkungen kultureller Verschiedenheiten in den einzelnen Dimensionen beschrieben, weil die Ausprägung einer Kultur Einfluss auf die Art des Verhaltens, Denkens und Wahrnehmung in einem Unternehmen hat. Der Einfluss der Kultur wird dabei durch Wertvorstellungen, Haltungen und Erwartungen unterstützt, die durch die Unternehmensgründer, Führungskräfte sowie Mitarbeiter mitgebracht werden. Ferner wird ein Unternehmen durch die von der Kulturbeeinflussten Normen, Werte und Erwartungen der externen Anteilseigner, Kunden, Gewerkschaften und der breiten Öffentlichkeit geprägt (vgl. Schugk 2004, S. 109).

1. Kulturdimension: Individualismus vs. Kollektivismus

Die duale Dimension ‚Individualismus vs. Kollektivismus‘ beschreibt die Beziehung zwischen dem Individuum und seiner Gesamtgesellschaft. Die Dimension des Individualismus beschreibt das Ausmaß, in dem Individuen unabhängig von Gruppen in einer Gesellschaft agieren (vgl. Hofstede 1993, S. 307–308; LeMont Schmidt 2001, S. 17). Individualistisch ausgeprägte Gesellschaften präferieren entspannte und offene Beziehungen zwischen den Individuen. Jeder ist für sich selbst sowie für den eigenen, engen Familienkreis verantwortlich. Das eigene Wohlgefühl ist dabei von einer gewissen Unabhängigkeit determiniert. Das Gemeinwohl spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Vielmehr ist diese Dimension geprägt von Individualität und Entscheidungsmacht. (vgl. LeMont Schmidt 2001, S. 17)

Kollektivismus, der in der großen Mehrzahl der weltweit existierten Kulturen vorherrscht (vgl. Hofstede 2001, S. 289), ist in Gesellschaften aufzufinden, in denen die Menschen in stark zusammenhaltende Gruppen integriert sind, die ihnen das ganze Leben lang Schutz gewähren (vgl. Losche und Püttker 2009, 28ff.). Kollektivistisch geprägte Kulturen widmen sich dem Wohlbefinden von Gruppen bzw. der gesamten Gesellschaft. Die eigenen Interessen und Bedürfnisse hat der einzelne der Gemeinschaft unterzuordnen. Daraus folgt im Gegenzug die Forderung nach hoher Loyalität, die Menschen sorgen für einander, betonen ihre Gruppenzugehörigkeit und alle Entscheidungen werden gemeinsam getroffen. (vgl. LeMont Schmidt 2001, S. 17; Hofstede 1993, S. 307–308)

Innerhalb der Unternehmen und der Unternehmenskultur ist folgendes festzustellen: Für individualistisch geprägte Unternehmen ist die Aufgaben- bzw. Pflichterfüllung wesentlicher als die Pflege von zwischenmenschlichen Beziehungen. Auch die Verbundenheit, die Mitarbeiter gegenüber ihrem Unternehmen empfindet, ist von nachrangiger Bedeutung. Von wesentlicher Bedeutung ist hingegen, dass das beschäftigte Unternehmen erfolgreich und modern ausgerichtet ist. Die Arbeit wird so organisiert, dass die Eigeninteressen des Arbeitnehmers und die Unternehmensinteressen in Einklang miteinander gebracht werden. (vgl. Küsters 1998, S. 377) In den kollektivistisch geprägten Unternehmen ist die Bedeutung der zwischenmenschlichen Beziehungen genauso groß wie die der Aufgabenerfüllung. „Mitunter übersteigt die den zwischenmenschlichen Beziehungen eingeräumte Bedeutung sogar jene der Aufgabenerfüllung“ (Küsters 1998, S. 377). Werden neue Mitarbeiter eingestellt, so wird nicht das qualifizierteste Individuum eingestellt, sondern die Person, die zur „In-Gruppe der Angestellten gehört und die ihre persönlichen Interessen hinter den Interessen des Kollektivisten zurückstellen kann“ (Hofstede 2001, S. 235).

Die Ausprägung einer Kultur hat auch Auswirkungen auf das Unternehmensverhalten. So besagt Ruggie (2004, o.S.), dass den US-amerikanischen Unternehmen internationale Institutionen, wie die Vereinten Nationen „zutiefst suspekt“ sind, wohingegen die europäischen Unternehmen eine „Zusammenarbeit gewohnt sind“. Seiner Auffassung nach reflektieren die amerikanischen und europäischen Unternehmen „immer noch die vorherrschende politische Kultur ihres Heimatlandes.“ (Ruggie 2004, o.S.; zitiert nach Heuser und Pinzler 1899)

2. Kulturdimension: Machtdistanz

‚Machtdistanz‘ beschreibt das Verlangen nach hierarchischen Strukturen und Statusdifferenzierung (vgl. to study in.de 2016, o.S.). Machtdistanz ist „der Grad, bis zu dem die weniger mächtigen Mitglieder von Institutionen und Organisationen in einem Land die ungleiche Verteilung der Macht erwarten und akzeptieren" (vgl. Hofstede 1993, S. 307–308). Die Dimension Machtdistanz drückt aus, wie in einer Gesellschaft mit Machtunterschieden umgegangen wird bzw. in welchem Ausmaß die schwächeren Mitglieder in Unternehmen und Organisationen eine ungleiche Verteilung von Macht hinnehmen und akzeptieren (vgl. Hofstede 2001, S. 79, 1993, S. 307–308). Die Machtdistanz ist das Resultat einer Ungleichheit zwischen einzelnen Menschen hinsichtlich Macht, Einfluss, Status, Prestige und Reichtum. Damit charakterisiert die Dimension der Machtdistanz die Art des Umgangs einer Gesellschaft mit Ungleichheit und Autorität (vgl. Hofstede 2001, S. 79, 1993, S. 307-308).

Eine geringe Ausprägung der Dimensionen der Machtdistanz in einer Kultur zeichnet sich durch Offenheit und Toleranz aus. Hierarchische Strukturen sind bedeutungslos und in der jeweiligen Gesellschaft auch nicht vorzufinden. In einer Kultur mit starker Ausprägung der Machtdistanz hingegen gilt eine unterschiedliche Machtverteilung und Entlohnung als normales Charakteristikum der jeweiligen Gesellschaft. (vgl. Monthienvichienchai et al. 2002, S. 290)

Laut Hofstede (2001, S. 79) zeichnen sich Unternehmen mit hohen Machtdistanzwerten durch die hierarchischen Beziehungen zwischen dem Vorgesetzten und der Mitarbeiter aus. Laut ihm kommt dies vor allem durch die nicht Partizipation der Mitarbeiter an der Entscheidungsfindung sowie dem autoritären Führungsstil der Führungskräfte zum Ausdruck. Eine geringe Ausprägung der Machtdistanz hingegen zeichnet sich durch eine geringere Bedeutung hierarchischer Beziehungen mit einer hohen Partizipation an der Entscheidungsfindung sowie einen kooperativen Führungsstil aus (vgl. Küsters 1998, S. 377; Schugk 2004, S. 111–114).

3. Kulturdimension: Unsicherheitsvermeidung

Die Dimension der ‚Unsicherheitsvermeidung‘ definiert Hofstede (2001, S. 161) durch den „Grad, bis zu dem sich die Angehörigen einer Kultur durch ungewisse oder unbekannte Situationen bedroht fühlen.“

Grundsätzlich versucht der Mensch, die für die Gegenwart und Zukunft bestehende Ungewissheit mit Hilfe von formalen und informalen Regeln und Richtlinien, Techniken sowie Sicherheits- und Schutzvorkehrungen zu bewältigen. (vgl. Hofstede 2001, S.161)

Die Dimension der Unsicherheitsvermeidung ist Ausdruck für die Toleranz bzw. Akzeptanz von allgemein bestehender Unsicherheit und bringt zum Ausdruck, inwieweit Regelungen und Sicherheitsvorkehrungen erwünscht sind (vgl. Küsters 1998, 278f.). Bei einer hohen Ausprägung werden Regelungen und Verhaltensvorgaben als notwendig angesehen, um dadurch Unsicherheit nach Möglichkeit zu vermeiden (vgl. LeMont Schmidt 2001, S. 18). Eine niedrige Ausprägung ist ein Zeichen für Akzeptanz von mehr Unsicherheit und eine beherrschte Vorgehensweise in ‚ungeordneten‘ Situationen (vgl. LeMont Schmidt 2001, S. 18).

Wenn Gesellschaften in Bezug auf Ungewisses und Unbekanntes tolerant sind, dann bestehen wenige formale Regeln und Richtlinien, abweichende Vorstellungen und Verhaltensweisen werden nicht vorschnell abgelehnt. Regeln wirken einerseits kontraproduktiv, können aber andererseits auch Halt geben. Der Spruch ‚Befehl ist Befehl‘, der deutschen Ursprungs ist, bringt die Relevanz des Einhaltens von Befehlen unabhängig von der Person oder Situation zum Ausdruck und kennzeichnet ein hohes Bedürfnis nach Vermeidung von Unsicherheiten (vgl. Hofstede 2001, S. 174).

Die Dimension der Unsicherheitsvermeidung hat auch wesentliche Konsequenzen auf die Unternehmenskultur. Unternehmen mit einer starken Tendenz zur Risikovermeidung stehen Innovationen mit einer gewissen Skepsis gegenüber. Dies zeigt sich vor allem an den Verhaltensweisen in Japan. Dort werden neue Technologien erst aufgegriffen, nachdem sie von Pionierunternehmen in Form von marktreifen Produkten eingeführt wurden und eine gewisse Akzeptanz auf dem Markt erhalten haben. Die japanischen Bemühungen konzentrieren sich dann auf die Imitation und marktorientierte Verbesserung der bereits existenten Produkte. „Vertreter von Kulturen, die durch ein hohes Unsicherheitsgefühl gekennzeichnet sind, fühlen sich überdurchschnittlich abhängig von den sie umgebenden Systemen. Die angeführten Verhaltensweisen sind letztlich Ausdruck hoher Intoleranz gegenüber einer im Leben grundsätzlich zum Tragen kommenden Ambiguität“ (Hofstede 2001, 146ff.).

Bei einer niedrigeren Tendenz zur Unsicherheitsvermeidung sind im Unternehmensbereich flexible Organisationen sowie ein lockerer, kreativer Stil des einzelnen zu beobachten. (vgl. LeMont Schmidt 2001, S. 18; Schugk 2004, S. 127–130).

4. Kulturdimension: Maskulinität vs. Femininität

Die duale Dimension ‚Maskulinität vs. Femininität‘ lässt sich nach Hofstede (2001, S. 297) wie folgt definieren: „Maskulinität steht für eine Gesellschaft, in der die gesellschaftlichen Geschlechterrollen klar festgelegt sind: Männer sollen durchsetzungsfähig sein, hart und sich auf materiellen Erfolg konzentrieren. Frauen hingegen sollen bescheidener sein, sensibel und sich auf Lebensqualität konzentrieren. Femininität steht für eine Gesellschaft, in der sich die gesellschaftlichen Geschlechterrollen überschneiden: sowohl Männer wie Frauen sollen sich bescheiden geben, sensibel und um Lebensqualität bemüht.“

Maskulin geprägte Gesellschaften zeichnen sich durch die Betonung von Erfolgsstreben, Leistung, Anerkennung sowie eine relativ strikte Trennung der Geschlechterrollen aus. Feminin geprägte Gesellschaften hingegen sind durch ein Streben nach Fürsorge und Lebensqualität, Mitgefühl, Toleranz und sozialer Ausrichtung charakterisiert. Somit sind maskulin geprägte Gesellschaften in erster Linie bestimmt von „harten“ Werten wie Geld, Erfolg, Selbstbehauptung und Wettbewerb, in weiblich ausgerichteten Gesellschaften hingegen besteht eine Betonung „weicher“ Werte wie Beziehungen, Fürsorge, Lebensqualität und Dienstleistung. (vgl. LeMont Schmidt 2001, S. 17)

Die Dimension Maskulinität beeinflusst Unternehmen, insbesondere deren Führungsstil. In maskulin geprägten Kulturen herrscht ein bestimmender, anordnender und ‚aggressiver‘ Führungsstil. In feminin geprägten Kulturen bzw. Unternehmen agieren Führungskräfte im Hintergrund sowie konsens- und kooperationsorientiert. (vgl. Hofstede 2001, S. 313; Schugk 2004, S. 123–127)

5. Kulturdimension: Langfristige Orientierung vs. Kurzfristige Orientierung

„Langfristige Orientierung steht für die Förderung von Werten wie Ausdauer und Sparsamkeit, die in der Zukunft das Erreichen einer Belohnung erwarten lassen. Der entgegengesetzter Pol, die kurzfristige Ausrichtung hingegen steht für die Förderung von Werten, die mit der Vergangenheit und Gegenwart verbunden sind, insbesondere der Respekt für Tradition, Gesichtswahrung und Erfüllung sozialer Verpflichtungen“ (Hofstede 2001, S. 359).

Mit einer eher ‚langfristigen Orientierung‘ sind Wertvorstellungen wie Fleiß und Durchhaltevermögen verbunden. Langfristig orientiert geprägte Kulturen zeichnen sich durch Sparsamkeit und Ausdauer sowie Ausrichtung auf die Zukunft aus (vgl. Küsters 1998, S. 380). Diese Dimension kann mit der sog. „konfuzianischen Dynamik“ in Verbindung gebracht werden. Mit dieser Dynamik ist ein Handeln mit Sparsamkeit, Beharrlichkeit, Standesordnung und Schamgefühl verbunden. Gute zwischenmenschliche Beziehungen werden dabei als Basis einer funktionierenden Gesellschaft angesehen (vgl. Martin und Nakayama 2013, S. 25). Die Bezeichnung „konfuzianische Dynamik“ selbst resultiert daraus, dass alle diese Werte eng mit der Lehre des Konfuzius verbunden sind. Mit einer ‚kurzfristigen Orientierung‘ sind Wertvorstellungen wie Erfüllung sozialer Verpflichtungen und Schutz vor Gesichtsverlust verbunden. Die Dimension der kurzfristigen Orientierung ist damit vergangenheits- und gegenwartsbezogen (vgl. Küsters 1998, S. 380).

Die Bedeutung des Unterschieds zwischen einer zukunftsorientierten Kultur einerseits und vergangenheits- und gegenwartsbezogenen Kulturen andererseits beschreibt Maletzke (1996, S. 138 ) folgendermaßen: „Wer vorwiegend in die Zukunft hineindenkt, der plant, spart, disponiert, organisiert, investiert; was vergangen ist, ist vergangen. Wer dagegen eher in der Vergangenheit lebt, bringt wenig Verständnis für ein (sic.) solche Zukunftsorientierung auf. Einem frommen arabischen Muslim mag es geradezu als frevelhaft erscheinen, die Zukunft vorwegzunehmen, denn nur Allah kennt die Zukunft.“

In langfristig orientierten Unternehmen wird nicht der schnelle, kurzfristige Erfolg angestrebt. Vielmehr werden ausreichend Zeit und Ressourcen als notwendige Voraussetzung für langfristigen Erfolg angesehen. Weiterhin kommt in dieser Ausrichtung auch im Angestelltenverhältnis zum Ausdruck. So kommt der Loyalität von Managern zum eigenen Unternehmen eine hohe Bedeutung zu. Manager wechseln daher seltener den Arbeitgeber. In durch Kurzfrist-Orientierung gekennzeichneten Kulturen hingegen herrscht eine Orientierung an den jeweils aktuellen Ergebnissen in Form von Umsatz und Absatz vor. Diese Ergebnisse sind die Grundlage für die Bewertung der erbrachten Managementleistung. (vgl. Hofstede 2001, S. 361; Schugk 2004, S. 130–133)

2. Zusammenfassung/Fazit: Zur Bestimmung kultureller Verschiedenheiten sind Hofstedes (2001) Ansatz und die damit verbundenen fünf Kulturdimensionen ein hilfreiches Instrument, um die bestehenden Unterschiede in einer Gruppe, Gesellschaft oder einem Unternehmen zu verstehen und zu analysieren. Die Ausprägung der Kultur (-dimension) beeinflusst das Verhalten, das Denken und die Wahrnehmung. Der Einfluss der Kultur wird dabei durch Normen, Werte, Haltungen und Erwartungen unterstützt.

Anhand der von Hofstede identifizierten Dimensionen kann die Unternehmenskultur analysiert und differenziert werden. Dadurch wird ersichtlich, welchen Einfluss die Unternehmenskultur auf die gesamte betriebliche Organisation hat und damit auch, welchen Einfluss sie auf das gesamte Unternehmen ausübt.

2.1.3. Begriffsbestimmung Unternehmenskultur

„Ein Unternehmen, das sich entwickelt, braucht alle fünfzehn bis zwanzig Jahre so etwas wie eine kleine Kulturrevolution“ ( Alfred Herrhausen (1930-89, o.S.), dt. Bankier, Vorstandsspr. Dt. Bank )

Allgemein wird unter einer Unternehmenskultur ein Prozess des gemeinsamen Denkens, Fühlens und Handelns sowie der sie vermittelnden Normen, Werte und Symbole innerhalb eines Unternehmens verstanden. Diese Grundgesamtheit gemeinsamer Werte, Normen und Einstellungen prägen die Entscheidungen, die Handlungen und das Verhalten aller Organisationsmitglieder. (vgl. Gabler 2016, o.S.)

Ähnlich wie andere Begriffe wird auch der Unternehmenskulturbegriff unterschiedlich konzeptualisiert. Dabei durchzieht die Literatur zur Unternehmenskultur eine Unterscheidung, die demjenigen, der mit der Thematik noch nicht vertraut ist, nicht ohne weiteres verständlich wird. Aus diesem Grund ist es notwendig, alle Definitionen zu synchronisieren und Aspekte zu ermitteln, bei denen die Autoren im Konsens zu einander stehen. Um einen Überblick über die Vielfalt an Definitionen zu erhalten, werden im Folgenden Definitionen von verschiedenen Autoren ohne Erläuterung in chronologischer Reihenfolge angeführt, um anschließend Gemeinsamkeiten eine simultane Definition herzuleiten.

“We define organizational culture as the pattern of shared values and beliefs that help members of an organization understand why things happen and thus teach them the behavioural norms in the organization.” (Deshpande und Webster, S. 7)

Unternehmenskultur ist „das Endprodukt einer Entwicklung [...]. Sie bewirkt in Unternehmen eine informale Integration vergangenheitsgeprägter Traditionen und Gegenwart des Systems und schafft damit die Grundlage für zukünftige Innovationen: Erfahrungen, die eine Unternehmen in der Vergangenheit mit gelungenen und mißlungenen Problemlösungen gesammelt hat (kognitive Dimension der Kultur), werden in ungeschriebenen Gesetzen in die Gegenwart übertragen; hinzu treten Werte und Einstellungen, die das Verhalten der Systemmitglieder prägen (affektive Dimension der Kultur).“ (Lay 1992, S. 89)

Unternehmenskultur ist „ein Muster gemeinsamer Grundprämissen, das die Gruppe bei der Bewältigung ihrer Probleme externer Anpassung und interner Integration erlernt hat, das sich bewährt hat und somit als bindend gilt; und das daher an neue Mitglieder als rational und emotional korrekter Ansatz für den Umgang mit diesen Problemen weitergegeben wird.“ (Schein 2010b, S. 25)

“Organizational culture, defined as the observable norms and values that characterize an organization, influences which aspects of its operations and its members become salient and how members perceive and interact with one another, approach decisions and solve problems.” (Chatman et al. 1998, S. 751)

Unternehmenskultur ist ein „sinnstiftendes und für das Funktionieren wichtiges Element. Bestimmend für eine Unternehmenskultur sind seine Symbole, Sprache, Ideologie, Glaubenssätze, Rituale und Mythen.“ (Pullig 2008, S. 9)

Unternehmenskultur sind „die von einer Gruppe gemeinsam gehaltenen grundlegenden Überzeugungen, die für die Gruppe insgesamt typisch sind. Sie beeinflussen Wahrnehmung, Denken, Handeln und Fühlen der Gruppenmitglieder und könnten sich auch in deren Handlungen und Artefakten manifestieren. Die Überzeugungen werden nicht mehr bewusst gehalten, sie sind aus der Erfahrung der Gruppe entstanden und haben sich durch die Erfahrung der Gruppe weiterentwickelt, d. h. sie sind gelernt und werden an neue Gruppenmitglieder weitergegeben.“ (Sackmann 2002, S. 25)

Durch diese Zitate wird grob skizziert, dass in der Forschung Konsens darüber besteht, dass die Kultur im Unternehmen durch einen Lern- und Entwicklungsprozesse vermittelt wird. Dies erfolgt durch die tertiäre Sozialisation (die dritte Sozialisationsphase, in der berufliche und organisationale Einflüsse wirksam werden), in Form von instrumenteller Konditionierung (das Erlernen einer bestimmten Verhaltensweise mit dem Ziel, eine bestimmte Konsequenz zu erreichen). Die Unternehmenskultur ist ein Muster aus gemeinsamen Werten und Überzeugungen, die den Mitgliedern eines Unternehmens dabei helfen, Probleme zu bewältigen sowie zu begreifen, warum die im Dinge im Unternehmen geschehen. Dadurch erlernen sie die Verhaltensnormen des Unternehmens. Bestimmend für eine Unternehmenskultur sind ihre Werte, Normen, Einstellungen, Überzeugungen, Symbole, Sprache, Ideologie, Glaubenssätze, Rituale und Mythen (Vergleichbar mit Hofstedes Kulturzwiebel, auf welche im Rahmen dieser Arbeit nicht näher eingegangen wird). (vgl. Bear et al. 2016, o.S.; SWV mbH 2000, o.S.).

Im Folgenden wird auf die wesentlichen Begriffe ‚Werte‘, ‚Überzeugungen‘, ‚Verhaltensnormen‘, ‚Einstellungen‘ und ‚Problemlösen‘ eingegangen, da diese einen wesentlichen Einfluss auf die Unternehmenskultur einnehmen.

1. Werte

Werte stellen im Allgemeinen Überzeugungen von Personen oder Gruppen zu etwas dar, die als wünschenswert erachtet werden (vgl. Weinert und Euler 2004, S. 169). Nach Sackmann 2002 , o.S.) nehmen diese einen Einfluss auf die Wahrnehmung, die Erwartungen und das Handeln im Unternehmen. Dabei können sie entweder bewusst oder unbewusst auftreten. (Sackmann 2002, o.S.; zitiert nach Halder 2010, o.S.)

Des Weiteren lassen sich Werte nach Grundwerten und instrumentellen Werten klassifizieren (vgl. Prott 2004, o.S.; zitiert nach Halder 2010, o.S.). Grundwerte, wie Freiheit, Gerechtigkeit und Nächstenliebe stellen dabei die wichtigsten Werte dar. In Abbildung 1 werden die in Unternehmen vorherrschenden Werte mit Beispielen dargestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Werteprofil (In Anlehnung an SCS 2014, o.S.)

1. Verhaltensnormen

Während Werte die akzeptierten Idealvorstellungen eines Unternehmens repräsentieren, geben Normen dem Unternehmen an, welche Wertvorstellungen zu befolgen sind. Bei Nichteinhaltung folgen Sanktionen. (vgl. Schein 2010b, o.S.; zitiert nach Halder 2010, o.S.)

2. Überzeugungen

Überzeugungen sind kognitive Elemente, die aus Tatsachen, Vorurteilen, Rationalisierungen von Handlungen oder grundlegenden Annahmen bestehen. „Ein Überzeugungssystem in Unternehmenskulturen ist die Gesamtheit der Annahmen eines Individuums bezogen auf seine physische und soziale Umwelt und sein Selbstbild.“ Überzeugungen lassen sich Kategorisieren in Typus A bis E. Typus A kennzeichnet dabei stabile Überzeugungen. Sie dienen als Fundament, durch die andere Überzeugungen in der Unternehmenskultur abgeleitet werden. Typus B bis E kennzeichnen unterschiedliche Ausprägungen instabiler Überzeugungen (vgl. Krech et al. 2006, o.S.; zitiert nach Halder 2010, o.S.)

3. Einstellungen

Einstellungen sind eine Form von Hypothesen der Individuen im Unternehmen und bestimmen das Verhalten (vgl. Wiswede 2007, o.S.). Einstellungen sind nach Fishbein und Ajzen 1975 , o.S.) „Dispositionen“, die durch das Lernen erworben wurden und ein bestimmtes Objekt in konsistenter Weise positiv oder negativ beurteilen (Fishbein und Ajzen 1975, o.S.; zitiert nach Wiswede 2007, S. 79). Dabei wird die Annahme getroffen, dass sich Verhalten und Einstellungen von den vorherrschenden Werten ableiten, da diese einen „objektbezogenen Charakter“ besitzen (vgl. Wiswede 2007, S. 139). Somit können Einstellung zum Unternehmen auf eine basale Wertvorstellung zurückgeführt werden. Einstellungen bestehen nach Weinert und Euler 2004 , S. 176) aus folgenden drei Komponenten:

1. Kognitive Komponente (vgl. Weinert und Euler 2004, S. 176):
2. Affektive Komponente (vgl. Weinert und Euler 2004, S. 176):
3. Verhaltenskomponente (vgl. Weinert und Euler 2004, S. 176).

Zu den untersuchten Einstellungskonzepten in Unternehmen zählen „Arbeitszufriedenheit, Involvierung und Commitment.“ Einstellungen beeinflussen das Arbeitsverhalten im Unternehmen erheblich. Wissenschaftler konnten bereits belegen, dass vorangegangenes Verhalten Einfluss auf die Einstellungen hat. „Nach der Theorie der Selbstwahrnehmung schließen Personen aus früherem Verhalten auf ihre Einstellungen. Danach werden Einstellungen nach bereits aufgetretenem Verhalten dazu verwendet, um dem Verhalten einen Sinn zu vermitteln“ (Weinert und Euler 2004, S. 176).

4. Problemlösen

Problemlösungsstrategien beschreiben den vorsätzlichen und überlegten Einsatz von Mitteln zur Zielerreichung (vgl. Wellmann 1988; zitiert nach Oerter et al. 2002, S. 471). Dabei stellt die Informationsverarbeitung das Fundament des Problemlösungsprozesses dar. Die Kultur definiert die festgelegten Schritte zur Erreichung der Ziele und veranschaulicht, wie die Informationen bei auftretenden Problemen genutzt werden und welche Strategie zur Lösung herangezogen wird. Das Problemlösen stellt das wesentlichste Element für den Lernprozess dar. (vgl. Krapp und Weidenmann 2006, S. 623)

3. Zusammenfassung/Fazit: Unter der Unternehmenskultur wird ein Lernprozess verstanden. Dieser Lernprozess erfolgt durch die tertiäre Sozialisation, in Form von instrumenteller Konditionierung. Eine Unternehmenskultur ist ein Prozess des gemeinsamen Denkens, Fühlens und Handelns sowie der sie vermittelnden Normen, Werte, Problemlösungen, Symbole, Einstellungen und Überzeugungen innerhalb eines Unternehmens. Diese Grundgesamtheit gemeinsamer Werte, Normen und Einstellungen prägen die Entscheidungen, die Handlungen und das Verhalten aller Unternehmensmitglieder.

Die Unternehmenskultur nimmt damit einen Einfluss auf jeder Ebene des Managements, insbesondere bei der Entscheidungsfindung, des Führungsstils, den Beziehungen und der Zusammenarbeit.

Im Fokus dieser Arbeit steht die funktionale Perspektive auf die Unternehmenskultur, also anders ausgedrückt: Was tut eine Unternehmenskultur für eine Organisation? Für die konkrete Definition des Begriffs (Was wird unter einer Unternehmenskultur verstanden?), der Bestandteile der Unternehmenskultur (Was umfasst eine Unternehmenskultur?) und seiner Funktion (Was leistet eine Unternehmenskultur?) wird das Unternehmenskulturkonzept von Edgar H. Schein (2004, o.S.), der in der Forschung zu diesem Thema eine breite Rezeption erfahren hat, herangezogen.

2.1.4. Das Drei-Ebenen-Modell der Unternehmenskultur nach Schein (2010)

Nach Schein (2010, o.S.) entwickelt sich durch die Unternehmenskultur das gesamte kollektive Denken und Verhalten eines Unternehmens. Nach seiner Auffassung wird der Kultur nicht ausreichend Beachtung geschenkt und sie oftmals unterschätzt. „Es ist es ein fahrlässiges Unterfangen, sich bei Kultur nur auf die oberflächlich geteilten Ähnlichkeiten zu beschränken und die dahinterstehenden Annahmen außer Acht zu lassen.“ (Schein 2010a, 2010b; zitiert nach Homma et al. 2014, S. 4–8)

Das Drei-Ebenen-Modell bzw. Eisbergmodell (Abbildung 2) vermittelt die eigentliche Komplexität der Unternehmenskultur. Das Eisbergmodell wurde erstmalig von Sigmund Freud (Psychologie) bekannt gemacht und von vielen anderen Disziplinen wie Edward T. Hall und auch Edgar H. Schein in Bezug auf die Unternehmenskultur aufgegriffen und weiterentwickelt. Mit dem Drei-Ebenen-Modell (in Anlehnung an das Eisbergmodell von Edward T. Hall) ermöglicht Schein (2004, S. 17) die Erkenntnis von tatsächlich gelebtem Verhalten und propagierten Überzeugungen. Der Teil des Eisbergs, welcher über der Wasseroberfläche ist, beschreibt die sichtbaren Elemente der Organisationskultur (vgl. Zelesniack und Grolman 2016, https://organisationsberatung.net/unternehmenskultur-kulturwandel-in-unternehmen-organisationen/). Der wesentlich größere Teil des Eisbergs, der Unterwasser liegt, verdeutlicht die verborgenen Strukturen der Unternehmenskultur (siehe Abbildung 2).

Zu den sichtbaren Grundannahmen über die Unternehmenskultur zählen z.B.

- Ansichten im Hinblick auf Wahrheit
- das Verständnis von richtig oder falsch
- Raum und Zeit
- der Mensch mit seinen Stärken und Schwächen sowie sein generelles Verhalten. (vgl. Zelesniack und Grolman 2016, https://organisationsberatung.net/unternehmenskultur-kulturwandel-in-unternehmen-organisationen/)

Sichtbare Elemente der Unternehmenskultur können grundlegende Werte sein, wie:

- Leitbild, Vision, Mission
- Strategische Zielsetzungen
- Räumlichkeiten
- Auftreten und Außenwirkung der Mitarbeiter
- Ggf. gesprochene und geschriebene Worte. (vgl. Zelesniack und Grolman 2016, https://organisationsberatung.net/unternehmenskultur-kulturwandel-in-unternehmen-organisationen/)

Zu den nicht sichtbaren Elementen zählen z.B.:

- verdeckte Regeln
- Beziehungen
- Status, Image
- Einstellungen und Denkhaltungen (Gedanken und Gefühle)
- Werte, Normen
- Grundbedürfnisse der Menschen (z.B. das Grundbedürfnis nach Sicherheit). (vgl. Zelesniack und Grolman 2016, https://organisationsberatung.net/unternehmenskultur-kulturwandel-in-unternehmen-organisationen/)

Schein (2004, S. 17 ) hat in seiner Abhandlung drei Kulturelemente definiert, die in der Praxis in direkter Interaktion miteinander stehen. Für ihn ist die Essenz der Unternehmenskultur die Ebene der Grundannahmen. So definiert er die Unternehmenskultur als: „A pattern of shared basic assumption that was learned by a group as it solved problems of external adaption and internal integration, that has worked well enough to be considered valid and, therefore, to be taught to new members as the correct way to perceive, think, and feel in relation to those problems”

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Drei-Ebenen-Modell (Modifizierte Darstellung, in Anlehnung an Schein 2004, S. 17)

1. Artefakte

Artefakte umfassen alle wahrnehmbaren Elemente in einer Kultur, wie Verhaltensweisen und Objekte, das entspricht allem was gehört, gesehen und gespürt werden kann. Sie lassen sich einteilen in materielle (Artefakte im engeren Sinne) und immaterielle Komponenten (Artefakte im weiteren Sinne). Zu den materiellen Artefakten gehören u.a. die Architektur der Gebäude, die Einrichtung der Büroräume, Kleidung der Mitglieder, die Produkte des Unternehmens, formale Regeln und Organisationscharts. Zu den immateriellen Artefakten zählen u.a. die Technologie, die Umgangsformen, die firmeneigene Sprache, die Corporate Identity, die wahrnehmende Atmosphäre in einem Unternehmen, die Mythen, die Stories und die Rituale. (vgl. Fichtner und Freiling 2008, S. 80–83; Marré 1997, S. 18)

Bereits auf der Ebene der materiellen Artefakte werden Differenzen sichtbar, die sich bei unterschiedlichen Unternehmen erkennen lassen. Auf der einen Seite gibt es die modernen Unternehmen, die Großraumbüros haben, deren Türen immer offenstehen, den Mitarbeiter nicht vorgeschrieben wird, was sie sich zu kleiden haben, die offene Beziehungen pflegen und die gegen hierarchische Strukturen sind. Andererseits gibt es Unternehmen, bei denen es weit förmlicher zugeht. Die Türen sind oftmals geschlossen, es gibt Einzelbüros, die den Status desjenigen repräsentieren, die Mitarbeiter sind streng und akkurat gekleidet, es bestehen ausschließlich formelle Beziehungen und die Gespräche finden mit gedämpfter Stimme statt (ist meist bei Banken und Versicherungsgesellschaften erkennbar). (vgl. Fichtner und Freiling 2008, S. 80–83; Marré 1997, S. 18)

Die beiden beschriebenen Arten von Unternehmen haben jeweils ihre eigene Weise, sich zu präsentieren, dies bedeutet nicht, dass sie auch unterschiedliche Kulturen haben. Die Präsentationsform ist meist auch auf das Business zurückzuführen. Unternehmen, die viel mit Kunden und Lieferanten interagieren, haben sich entsprechend zu kleiden und präferieren in der Interaktion und bei Transaktionen eher geschlossene Büroräume. Um feststellen zu können, ob die Unternehmen unterschiedliche Kulturen haben, müssen die beiden anderen Ebenen zusätzlich betrachtet werden, da sich alleine aus den Artefakten keine Gründe über die Verhaltensweise von Mitarbeitern, sowie organisatorischen Aufbau von Unternehmen ableiten lassen. (vgl. Fichtner und Freiling 2008, S. 80–83; Marré 1997, S. 18)

Damit zeigt sich, dass diese Ebenen der Unternehmenskultur zwar leicht zu beobachten, aber schwer zu entschlüsseln und interpretieren sind. Dies liegt daran, dass die Artefakte in Beziehungen zu den beiden unteren Ebenen stehen, diese unteren Ebenen jedoch nicht leicht beobachtbar sind (vgl. Stafflage 2005, S. 24). „Wenn die Ideologien, Rituale und Mythen einer Organisation erhoben werden, so wird damit nicht unmittelbar das Sinnsystem entdeckt. Sondern: die Symbole, Mythen usw. sind selbst interpretationsbedürftig, sie offenbaren ihren Sinn nicht unmittelbar“ (Ebers 1985, S. 124). Nach Sackmann (2002, S. 27 ) kann der bildhafte Vergleich zu einem „kulturellen Eisberg“ gezogen werden, bei dem der sichtbare Teil den Artefakten und der überwiegende unsichtbare Teil den Grundannahmen und Wertehaltungen entspricht. Schein (2010, o.S.) nennt das Beispiel der Pyramiden. Pyramiden sind sowohl von Ägyptern als auch von den Mayas gebaut worden, die Bedeutung dieser war jedoch für beide Kulturen unterschiedlich. Für die Ägypter waren es nur Gräber, für die Mayas Tempel und Gräber. So ist es auch bei den Artefakten der Unternehmenskultur schwer, ihre Bedeutung zu bestimmen, wenn keine Erfahrungen und Kenntnisse über die Kultur vorliegen. (vgl. Schein 2010; zitiert nach Fichtner und Freiling 2008, S. 80–81)

2. Werte und Normen

Die zweite Ebene stellt die artikulierten Werte und Normen[1] einer Unternehmenskultur dar. Diese sind niedergeschriebene oder artikulierte Wertesysteme oder Philosophien. Es handelt sich um „officially-expressed strategies/philosophies“ (Fichtner und Freiling 2008, S. 80–81). Dass es sich um artikulierte Werte handelt, ist relevant zu erwähnen, da es hier um die Aussagen der Mitglieder im Unternehmen handelt, die ausgesprochen oder aufgeschrieben werden. Ähnlich wie bei ‚espoused theories‘ von Argyris und Schön (1978 , o.S.) muss das aber nicht mit dem übereinstimmen, wie die Menschen tatsächlich handeln. Wenn die Mitarbeiter sich zum Beispiel ein Verhalten für die Zukunft vorgenommen haben, es aber noch nicht internationalisiert wurde, laufen Handlung und ausgesprochene Werte auseinander. In diesem Falle unterscheiden sich dann auch die Grundannahmen und die artikulierten Werte, weil es nur Ansprüche für die Zukunft sind, diese aber noch nicht ins Bewusstsein der Mitarbeiter übergegangen sind. (vgl. Osterloh 1988, S. 173)

Es ist demnach möglich, dass eine Übereinstimmung herrscht, dies muss jedoch nicht sein. Wertehaltungen können in „espoused values“ und „shared values“ eingeteilt werden. Angenommene Werte (espoused values) oder Lösungsstrategien der Führungsebene steuern das Verhalten der Beschäftigten, werden aber nicht immer automatisch zu internalisierten Werten (shared values), die eine dauerhafte Werteänderung hervorrufen. (vgl. Marré 1997, S. 18) „Jene Werte und Meinungen, die bei den Gruppenmitgliedern erfolgreich angenommen werden (,shared values or beliefs’), werden über den Prozess der kognitiven Transformation in Verhaltensstandards (,shared assumptions’) umgewandelt, insofern sie wirksame Lösungen darstellen“ (Lang, 2008, S. 17).

Beispielhafte Werte sind Einstellungen zu Innovationen, zu Technik, zu Lieferanten, zu Kunden. So beobachtet Schein (2004, S. 54) z.B. bei dem Unternehmen Ciba-Geigy die Abneigung gegenüber Diskussionen unter ranggleichen Mitarbeitern und dem Wunsch, Informationen direkt von Chef zu erhalten.

Diese Werte, die auch von den Mitarbeitern gelebt werden, begründen die Verhaltensweise sowie Entscheidungen der Mitglieder, Gruppen und Unternehmen. Ansehnlich und akkurat gekleidete Mitarbeiter drücken eine stark kundenorientierte Kultur aus. Großraumbüros hingegen, repräsentieren den hohen Fokus von Teamarbeit in Unternehmen. Alle Werte, die in den Unternehmen gelebt werden, haben sich im Laufe der Zeit bei dem jeweiligen Firmengründer als nützlich erwiesen. Sie werden als Problemlösungen deklariert und daher weitergeführt. Im Gegensatz zu den Artefakten sind sie nicht mehr Teil der natürlichen Realität, sondern begründen die Richtigkeit oder Falschheit bzw. den Sinn eines Verhaltens. (vgl. Gontard 2002, S. 27)

Die Werte beeinflussen das Verhältnis zwischen Mitarbeitern und Führungskräften, Entscheidungsstrategien, Gruppen, der Organisationsebene und die Belohnungssysteme (vgl. Weinert und Euler 2004, S. 170). Es zeigt sich, dass unterschiedliche Unternehmen dennoch gleichen Werte vertreten können, die Artefakte repräsentieren lediglich die Hülle und das Auftreten des Unternehmens, während die Werte tiefer wurzeln. Es ist deutlich geworden, dass Unternehmen, die Werte wie Kundenorientierung, Produktqualität und Teamarbeit propagieren, trotzdem ein widersprüchliches Verhalten in ihrem tatsächlichen Handeln zeigen können. Damit offenbart sich, dass das Verhalten von einer tieferen Ebene als der der artikulierten Werte gesteuert wird. (vgl. Schein 2004, 54ff.)

3. Grundannahmen

Auf der tiefsten Ebene der Unternehmenskultur befindet sich die Grundprämisse. Sie bildet die „Substanz der Unternehmenskultur“ (Ulich 1990, S. 88, zitiert nach Papageorgiou 2015, S. 149) und ist unsichtbar. Diese ist den Mitgliedern des Unternehmens meist nicht bewusst (vgl. Prott 2004, S. 27; zitiert nach Halder 2010, o.S.). Grundannahmen unterscheiden sich innerhalb einer Gruppe wenig: „Basic assumptions in the way I want to define that concept, are so taken for granted that one finds little variation within a social unit“ (Schein 2004, S. 31).

Schein (2004, S. 31) besteht auch auf der Bezeichnung ‘basic assumptions’ im Gegensatz zu ‘basic values’, wie von einigen anderen Autoren verwendet, da er ausdrücken will, dass die Grundannahme nicht verhandelbar ist. Demnach besitzt eine Gruppe eine Kultur, „wenn sie über kollektive Grundannahmen verfügt“ (Marré 1997, S. 18).

Bei Sackmann (2002, S. 396) wird diese Ebene als Kulturkern bezeichnet. Die Grundannahme definiert das Bild, das eine Organisation von sich selber und ihrer Umgebung hat. Sie werden von den Mitgliedern des Unternehmens vertreten. Als gelernte Reaktion auf Probleme des Unternehmens haben sich die Grundannahmen wiederholt für die Lösung von Problemen bewährt. „When a solution to a problem works repeatedly, it comes to be taken for granted. What was once a hypothesis, supported by only a hunch or a value, comes gradually to be treated as a reality” (Schein 2004, S. 18).

Um die grundlegenden Annahmen zu begreifen, ist es erforderlich, sich dem Kern des Unternehmens zu widmen und hinter die Fassade zu schauen, um dadurch herauszufinden, mit welchen Werten, Annahmen und Überzeugungen in dem Unternehmen die Gründer und Führungskräfte in der Vergangenheit erfolgreich waren. Diese Erfolgsfaktoren werden an die Mitarbeiter vermittelt und diese nehmen sie mit Selbstverständnis und ohne Diskussion hin, da sie bereits unbewusst fest verankert und schwer zu lösen sind. (vgl. Schein und Hölscher 2010, o.S.)

Wenn Unternehmen aufgrund der Annahmen, die durch die Unternehmensgründer getroffen wurden, weiterhin Produkte und Dienstleistungen entwickeln, die sich am Markt integrieren lassen, werden diese zu unausgesprochenen Annahmen über den Erfolg eines Unternehmens. „Die gemeinsam erlernten Werte, Überzeugungen und Annahmen, die für selbstverständlich gehalten werden, wenn das Unternehmen weiterhin erfolgreich ist, sind die Essenz der Unternehmenskultur. Man darf nicht vergessen, dass sie das Ergebnis eines gemeinsamen Lernprozesses sind“ Schein und Hölscher 2010; Schein 2010b, o.S.).

Da die Artefakte an der Oberfläche schwer zu entschlüsseln sind, ist es zum Verständnis der Kultur notwendig, die Grundannahmen zu begreifen. Von ihnen ausgehend können die Artefakte und Werte interpretiert werden. Die Grundannahmen bieten „den Schlüssel zum Verständnis und zur Erklärung organisatorischer Phänomene“ (Ebers 1985, S. 112). Sie sind den Mitgliedern der Organisation meist nicht bewusst. Probleme, denen das Unternehmen begegnet und an denen sich die Grundannahmen bilden, sind erstens Fragen des Überlebens in der externen Umgebung und zweitens der internen Integration (vgl. Schein 2010b, o.S.).

4. Zusammenfassung/Fazit: Durch das Ebenen- bzw. Eisbergmodel von Schein (2010) wurde gezeigt, dass die Unternehmenskultur ein komplexes mehrstufiges Gerüst ist, das auf mehreren Ebenen analysiert werden muss, um es vollständig zu erfassen und zu verstehen. Durch das Modell wird vor allem die Stabilität einer Kultur zum Ausdruck gebracht. Durch die Veränderung der sichtbaren Elemente auf der obersten Ebene der Artefakte lassen sich die grundlegenden Annahmen der Mitglieder nicht beeinflussen. Unternehmen müssen sich über den Grad der Übereinstimmung der tatsächlich gelebten und der artikulierten Werte der Mitarbeiter bewusstwerden.

Die Unternehmenskultur lässt sich nach Schein (2010) durch die zweite Ebene der Werte und Normen verändern. Werden dort explizit Handlungen betrieben, wie das Einführen von Verhaltensnormen und die Festlegung von Symbolen, so kann die Unternehmenskultur entscheidend verändert werden.

2.1.5. Veränderung der Unternehmenskultur

Eine erfolgreiche Transformation der Kultur ist möglich, wenn es gelingt, den Wahrnehmungshorizont auf die nicht bislang unsichtbaren Bereiche „unter der Wasseroberfläche“ zu erweitern (vgl. Zelesniack und Grolman 2016, https://organisationsberatung.net/unternehmenskultur-kulturwandel-in-unternehmen-organisationen/).

Im Rahmen eines Transformationsprozesses ist das Eisberg-Modell bzw. das Drei-Ebenen-Modell (siehe Kapitel 2.1.4) ein hilfreiches Instrument, um Mitarbeitern die Faktoren ‚unter der Oberfläche‘ bewusst zu machen und so gemeinsam herauszufinden, welche kulturellen Merkmale prägend für das Unternehmen sind und wie diese verändert werden müssen, um die gemeinsam gelebte Unternehmenskultur weiter zu entwickeln.

Nach dem Drei-Ebenen-Modell von Schein (2004, o.S.) ist für eine erfolgreiche Transformation der Kultur die zweite Ebene der Werte und Normen der entscheidende Ansatzpunkt, um eine Veränderung der Unternehmenskultur zu bewirken. Möchte sich ein Unternehmen kulturell verändern, so sollte dies durch die Einführung neuer Verhaltensnormen bewirkt werden. Weiterhin geht aus dem Modell hervor, dass für einen Kulturwandel bewusste und aussagekräftige Symbole und Zeichen eingesetzt werden sollten, um der Kultur dadurch einen sichtbaren und greifbaren Charakter zu geben. Die Mitarbeiter des Unternehmens sind dadurch in der Lage, die Kultur des Unternehmens zu begreifen und zu verinnerlichen. Weiterhin haben Symbole und sichtbare Sanktionen zusätzlich eine mahnende Wirkung bei der Nichtbeachtung bestimmter Wertvorstellungen und Interpretationsmuster. (vgl. Zelesniack und Grolman 2016, https://organisationsberatung.net/unternehmenskultur-kulturwandel-in-unternehmen-organisationen/)

1. Handlungsempfehlung: Möchten sich Unternehmen kulturell weiterentwickeln und verändern, so müssen diese ihre grundlegenden Werte (z.B. Leitbilder, Visionen, Zielsetzung) und Normen überdenken. Dabei sollten neue Verhaltensnormen eingeführt und aussagekräftige Symbole (äußerliches Auftreten, Räumlichkeiten, paraverbale/nonverbale Kommunikation) eingesetzt werden, um dadurch der Kultur einen sichtbaren und greifbaren Charakter zu geben.

Allerdings ist es ratsam, einen angestrebten Kulturwandel bei den Beteiligten mit positiven Konnotationen zu ‚verankern‘. Daher ist es im Rahmen eines Transformationsprozesses wichtig, die Grundbedürfnisse der Betroffenen stets im Fokus zu behalten und erst dann neue Werte zu etablieren und zu verankern.

2.1.6. Entscheidende Einflussfaktoren auf die Unternehmenskultur

Die Bedeutung der Unternehmenskultur für die Attraktivität und Leistungsstärke eines Unternehmens wird heutzutage nicht mehr in Frage gestellt. In den 80er Jahren wurde erstmals der Zusammenhang zwischen der Unternehmenskultur und dem wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens systematischen untersucht. Daraufhin sind unzählige Studien zu den spezifischen Merkmalen von Unternehmenskulturen und deren Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit erschienen. (vgl. Homma et al. 2014, S. 1–3)

Die Unternehmenskultur wird von dem gesamten Umfeld beeinflusst, dazu zählen neben den wirtschaftlichen auch die sozialen und politischen Faktoren. Der demografische Wandel, insbesondere der wachsende Anteil der älteren arbeitenden Bevölkerung sowie die ins Berufsleben tretende Generation Y[2], stellen die Unternehmen vor neue Herausforderungen in Bezug auf die Berufserwartungen, Arbeitsplatzgestaltung und Gesundheitsvorsorge. Die Generation Y ist, im Gegensatz zu früheren Generationen, weniger bereit, persönlichen Ziele zugunsten des unternehmerischen Erfolgs zu vernachlässigen oder zu opfern. Persönliche Ziele stehen dabei vor der Leistungserbringung. (vgl. Homma et al. 2014, S. 1–3)

Unternehmen stehen vor großen Herausforderungen, wenn sie die unterschiedlichen Berufserwartungen harmonisieren wollen. Auch die gesellschaftliche und politische Debatte um die Stellung der Frauen in Unternehmen hat große Aufmerksamkeit erreicht. Die Gleichstellung der Frauen, auch in Führungspositionen, soll mit Unterstützung politischer Maßnahmen vorangebracht werden. Die wirtschaftliche Situation wird immer komplexer und der Rhythmus sowie Geschwindigkeit der Transformation im sozialen, privaten und kulturellen Bereich nehmen deutlich zu. Aus diesem Grund stehen diese Faktoren im Fokus der öffentlichen Diskussion. (vgl. Homma et al. 2014, S. 1–3)

Soziologen verweisen darauf, dass mit der sozialen Beschleunigung häufig auch „dysfunktionale Entwicklungen einhergehen“ (Homma et al. 2014, S. 1–3). Die Unternehmenskulturen bleiben von dieser Entwicklung nicht unberührt. Unzweifelhaft ist der Leistungsdruck und damit verbundene psychische Belastung in den Branchen und Unternehmen gestiegen – mit messbaren und häufig negativen Folgen für Gesundheit und Motivation der Beschäftigten. Diese Entwicklung bleibt nicht ohne Konsequenzen für die Gestaltung und Veränderung der Unternehmenskulturen. (vgl. Homma et al. 2014, S. 1–3).

Diese Einflussfaktoren haben Auswirkungen für die Unternehmen. Um ihnen entgegenwirken zu können, werden neue Prozesse eingeführt, Regelungen umgesetzt und neue Strategien entwickelt. Im Rahmen dieser Prozesse werden alte Verhaltensnormen und Gewohnheiten durch neue abgelöst. Aus diesem Grund haben die genannten Faktoren auch einen Einfluss auf die Entwicklung von Unternehmenskulturen. (vgl. Homma et al. 2014, S. 1–3)

Unternehmen stehen mit ihren Kulturen in einem dynamischen Spannungsverhältnis zwischen den Erwartungen, die von ihrem an sie herangetragen werden, und der Notwendigkeit, sich intern so zu organisieren, dass sie effektiv und den eigenen Ansprüchen genügend funktionieren können. (vgl. Homma et al. 2014, S. 1–3)

5. Zusammenfassung/Fazit: Die Unternehmenskultur wird von dem gesamten Umfeld beeinflusst, dazu zählen neben den wirtschaftlichen auch die sozialen, politischen, demografischen Faktoren. Unternehmen müssen die Umfeld-Einflüsse und -Entwicklungen berücksichtigen und ihre Unternehmenskultur danach gestalten oder verändern, da dieses sonst zu internen sowie externen Spannungen und Differenzen führt und den wirtschaftlichen Erfolg beeinträchtigt.

2.1.7. Entstehung von Unternehmenskultur und ihrer Funktionen

Die zentrale Frage, mit der sich dieses Kapitel auseinandersetzt, ist: Wie entsteht eine Unternehmenskultur, die aus Artefakten, Normen, Werten und Annahmen besteht?

Nach Homma et al. (2014, S. 8 ) kann die Unternehmenskultur insbesondere die Ebene der Normen und Werte als Ergebnis eines „Trial & Error“-Prozesses verstanden werden.

Unternehmen sehen sich mit zwei grundlegenden Aufgaben konfrontiert: Für Unternehmen ist zum einen existenziell auf externe Anforderungen angemessen zu reagieren (z. B. sich auf neue Wettbewerber und Trends einstellen) und zum anderen den internen Gruppenzusammenhalt sicherzustellen. Ist das Unternehmen nicht in der Lage, diesen Anforderungen gerecht zu werden, funktioniert sie nach Homma et al. (2014, S. 8 ) „sub-optimal“ oder scheitert auf lange Sicht.

Um den Herausforderungen Stand zu halten, entwickeln Unternehmen im Laufe der Zeit Ansätze. Dabei werden Hypothesen aufgestellt, wie Themen bearbeitet werden sollen beziehungsweise welche Regeln für den internen Zusammenhalt relevant sind. Anschließend müssen die Mitarbeiter davon überzeugt werden. Erweist sich eine Hypothese wiederholt als ‚belastbar‘, wird die Hypothese zu einer ‚Standardlösung‘. (vgl. Homma et al. 2014, S. 8–9)

Schein (2004, o.S.) geht davon aus, dass sich aus diesem Prozess der „sozialen Validierung“ – die Gruppe erkennt Lösungen als zielführend an – im Laufe der Zeit Normen und Werte sowie grundlegende Annahmen entstehen. Dies verdeutlicht, dass die Entstehung einer Kultur immer einen (langfristigen) Lernprozess beinhaltet. (vgl. Homma et al. 2014, S. 8)

Um angemessen funktionieren zu können, bedarf es einer gewissen Stabilität der Kernelemente der Unternehmenskultur. Da die Unternehmenskulturen einen ‚Entwicklungsprozess‘ darstellen, der bewusst oder unbewusst erfolgen kann, bedeutet das, dass sie veränderbar sind. Die Ausgestaltung der Kultur hängt immer von den Mitarbeitern eines Unternehmens ab. Dabei kommt der Gründergeneration sowie Führungskräften eine besonders einflussreiche Rolle zu. Gerade in der Frühphase eines Unternehmens bestehen wenige ‚getestete‘ Normen, Werte und Annahmen. Aus diesem Grund sollten Mitglieder des Unternehmens, insbesondere Führungskräfte, mit entsprechender Überzeugungskraft, andere Mitglieder des Unternehmens von der Tauglichkeit und Nutzen bestimmter Werte zu überzeugen. (vgl. Homma et al. 2014, S. 8–10)

6. Zusammenfassung/Fazit: Eine (Unternehmens-) Kultur entsteht durch die Überzeugung, die soziale Interaktion und die soziale Validierung erfolgreicher Konzepte und Ideen.

Nachdem aufgezeigt und erklärt wurde, wie Unternehmenskultur definiert werden kann, welche Analyseebenen der Kultur existieren, wie sie verändert werden kann, welche Einflüsse auf sie einwirken und wie der Entwicklungsprozess einer Unternehmenskultur abläuft, bleibt zu klären, wieso Unternehmenskultur eine wichtige Bedeutung für das Funktionieren von Organisationen und Unternehmen hat.

Aus den Recherche- und Analyseergebnissen im Grundlagenkapitel kann bereits ein Ansatz darüber formuliert werden: Eine Unternehmenskultur unterstützt eine Organisation und ein Unternehmen dabei, die Aufgabe der externen Anpassung und der internen Integration zu bewältigen. Diese abstrakte Antwort lässt sich weiter konkretisieren, indem die unterschiedlichen Funktionen der Unternehmenskultur voneinander abgegrenzt werden. (vgl. Homma et al. 2014, S. 11). In der Literatur werden folgende Funktionen vorgeschlagen:

Tabelle 1: Funktionen der Unternehmenskultur (Eigene Darstellung, in Anlehnung an Homma et al. 2014, S. 11)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Stabilisierungsfunktion und Abgrenzungsfunktion fokussieren sich stärker auf die Aufgabe der externen Anpassung. Die Identifikations-, Orientierungs- Steuerungs- und Stabilitätsfunktion hingegen auf die Integration innerhalb der Organisation. (vgl. Homma et al. 2014, S. 10–12)

Ziel der Unternehmenskultur ist es, die Zielsetzungen des Unternehmens zu unterstützen und dabei mit ausreichend Flexibilität sicherzustellen, dass das Unternehmen auf relevante Veränderungen frühzeitig reagieren kann. Funktional ist eine Unternehmenskultur dann, wenn sie mit den Werten und Zielvorstellungen der Beschäftigten übereinstimmt. Demnach kann eine Unternehmenskultur dann als effektiv bezeichnet werden, wenn sie das Unternehmen bei der Bewältigung ihrer Kernaufgaben unterstützt. Dies führt dazu, dass die Bewertung einer bestimmten Unternehmenskultur und seiner Aufgaben erfolgen kann. Demnach muss die Ausprägung der Kultur den jeweiligen internen und externen Anforderungen entsprechen. (vgl. Homma et al. 2014, S. 10–12)

An dieser Stelle muss angemerkt werden, dass eine starke Kultur, im Sinne einer besonders deutlichen Ausprägung bestimmter Werte und Annahmen, nicht mit einer effektiven Kultur gleichzusetzen ist. Wenn diese starke Kultur nicht in der Lage ist, die Organisation bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu unterstützen, wird die Stärke zum Wettbewerbsnachteil. IBM kann hierbei als Beispiel genannt werden. (vgl. Homma et al. 2014, S. 10–12)

Das in den 80er Jahren aktive Unternehmen hatte über Jahre zu einseitig auf die Entwicklung und Vermarktung des sogenannten „Main Frame Computers“ gesetzt und den Trend der Entwicklung auf dem Computermarkt, insbesondere das Aufkommen des Personal Computers (PC), ‚verschlafen‘. Hier gab es nicht genügend Sensibilität im Unternehmen, die die Marktsignale aufnehmen und intern einen Strategiewechsel bewirken konnte. Gleicheres gilt auch für Nokia, die auf den Smartphone-Trend zu spät reagiert haben. (vgl. Homma et al. 2014, S. 10–12).

Welche schwerwiegenden Auswirkungen die mangelnde Anpassungsfähigkeit einer ‚starken‘ Unternehmenskultur haben kann, wird am Beispiel von Wal-Mart verdeutlicht. Dessen Unternehmenskultur umfasste Motivationssitzungen der Mitarbeiter, Group-Sing, eine ausgeprägte Kundenorientierung, sprich alle Kennzeichen einer typisch US-amerikanischen Einkaufs- und Verkaufsmentalität. Letztendlich scheiterte Wal-Mart in Deutschland und zog sich vom Markt zurück, weil die praktizierten Wal-Mart-Werte und -Verhaltensweisen nicht den Erwartungen der deutschen Kundschaft entsprachen. (vgl. Homma et al. 2014, S. 10–12)

Eine Unternehmenskultur muss zwar ‚stark‘ sein, um auch einen Impuls nach außen geben zu können, sie sollte aber auch flexibel sein, um sich auf veränderte Anforderungen anpassen zu können. „Die Kernsubstanz einer Unternehmenskultur strahlt auf alle Unternehmensbereiche aus“. Sobald die Zusammenhänge zwischen einer konkreten Unternehmenskultur und ihren praktischen Auswirkungen in unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern verdeutlicht werden, zeigt sich, welchen existenziellen Beitrag die Unternehmenskultur zum Erfolg (oder Misserfolg) eines Unternehmens beiträgt. (vgl. Homma et al. 2014, S. 10–12)

7. Zusammenfassung/Fazit: Die Unternehmenskultur unterstützt Unternehmen bei der Zielsetzung und stellt mit ausreichend Flexibilität sicher, dass Unternehmen auf relevante Veränderungen frühzeitig reagieren kann. Eine Unternehmenskultur kann dann als funktional und effektiv bezeichnet werden, wenn sie das Unternehmen und die Mitarbeiter bei der Bewältigung ihrer Kernaufgaben unterstützt. Mitarbeiter betrachten eine positive Unternehmenskultur in der Regel als eine Bereicherung, sobald die Funktionen zur Reduzierung von Komplexität für die Mitarbeitenden im Unternehmen ausübt. Wenn diese Unternehmenskultur nicht in der Lage ist, das Unternehmen bei der Erfüllung der Aufgaben zu unterstützen, führt dies zu einem Wettbewerbsnachteil und die Kultur erweist sich dabei als eine Schwäche.

2. Handlungsempfehlung: Unternehmen sollten sicherstellen, dass ihre Unternehmenskultur Anpassungsfähigkeit ist und auf Veränderungen flexibel reagieren kann. Zeigen sich in dieser Hinsicht Schwächen, so führt dies zu erheblichen Wettbewerbsnachteilen und folglich zu wirtschaftlichen Verlusten.

2.2. Digitale Transformation

2.2.1. Begriffsbestimmung Digitalisierung

Die Aktualität der Thematik bedingt das Vorhandensein einer Vielzahl von Definitionen für den Begriff der Digitalisierung. Eine allgemein gültige Definition für den Begriff der Digitalisierung festzulegen, erweist sich als schwierig. In der Literatur wurden unzählige Definitionen für den Begriff der Digitalisierung erarbeitet (vgl. Becker et al. 2013, S. 14). Je nachdem in welchem Zusammenhang von Digitalisierung gesprochen wird, wird der Begriff von jedem Autor anders definiert.

Allgemein betrachtet bezeichnet der Begriff der Digitalisierung zum einen den Transfer von Informationen von einer analogen in eine digitale Speicherung und zum anderen den Prozess, der durch die digitale Transformation in Form von Anwendungssysteme und Technologien hervorgerufenen wird (vgl. Bib. Institut GmbH 2016, o.S.; Hess 2013, o.S.).

Prof. Dr. Komus (2014, o.S.) beschreibt die Digitalisierung als „kontinuierliche Überarbeitung und Neuausrichtung der Produkte nach den Spielregeln eines immer schnelleren und globaleren Marktes. Die Früchte der Digitalisierung in Form digitalisierter Produkte und Geschäftsmodelle können nur dann geerntet werden, wenn die Voraussetzungen geschaffen wurden. Diese umfassen neben einer digitalen Unternehmenskultur mit agilen Methoden, digitalen Fähigkeiten und Werten als grundlegendstes Element digitaler Prozesse, Informationen und Dokumente“ (DII & d.velop AG 2014, S. 1–4). Die Ursache-Wirkung-Beziehung der beschriebenen Korrelation ist in Tabelle 2 dargestellt.

Tabelle 2: Ursache-Wirkung-Beziehung (Eigene Darstellung, in Anlehnung an DII & d.velop AG 2014, S. 4)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Digitalisierung lässt sich weiterhin auch auf der Ebene eines Individuums, einer Organisation oder einer Gesellschaft betrachten. Auf individueller Ebene betrachtet führt die verstärkte Nutzung von Anwendungssystemen zu einer Umwandlung von Arbeits- und Handlungsweisen. In der Vergangenheit war lediglich der berufliche Kontext davon betroffen, gegenwärtig ist auch der private Kontext in Form von ‚social Networking‘, die parallel zur Pflege privater Kontakte genutzt wird, tangiert. (vgl. Infas Holding AG 2015, S. 16)

Unternehmen, insbesondere Organisationen, investieren vermehrt in die Nutzung von Informationstechnologien. Bislang lag der Fokus auf der Effizienzsteigerung im administrativen Bereich, der Trend geht dahin, dass die Technologie für die Vernetzung von Unternehmen untereinander und mit Kunden und Lieferanten genutzt wird. Damit hat das Informationsmanagement in Unternehmen zunehmende Bedeutung erlangt. Auch auf gesellschaftlicher Ebene führt die Digitalisierung zur strukturellen Umwandlung, etwa im Bildungs- oder Rechtssystem, beim Ausbau der Infrastruktur oder der Einführung neuer Formen der Partizipation von Bürgern. Aus ökonomischer Sicht besonders virulent sind Produktivitätsfortschritte durch Digitalisierung sowie die steigende volkswirtschaftliche Bedeutung der IT-Industrien. (vgl. Hess 2013, o.S.; Venkatraman 1994, o.S.; Infas Holding AG 2015, S. 16)

Bei der Applikation der oben genannten Definition auf Unternehmensebene wird deutlich, dass diese Definition keinen konkreten Bezug auf den Unternehmenskontext hat. Die Digitalisierung konzentriert im Kontext des Unternehmens auf die vorhandenen und zukünftigen Geschäftsmodelle und Strategien. All das basiert auf dem Einsatz und der Nutzung moderner Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT). Folglich verlagern sich die Geschäftstätigkeiten von Unternehmen stetig von der realen in den virtuellen Umkreis. Dies führt zu einer starken Vernetzung zwischen Lieferanten, Unternehmen und Kunden. (vgl. Reker 2013, S. 7–9; JHC GmbH 2015, o.S.).

8. Zusammenfassung/Fazit: Zusammenfassend betrachtet kann die Digitalisierung auf Unternehmensebene als die Veränderung von Geschäftsmodellen durch die Verbesserung von Geschäftsprozessen, aufgrund der Nutzung von digitalen Technologien bzw. Informations- und Kommunikationstechniken, definiert werden. Dabei wird das Verhalten durch die Vernetzung verändert.

2.2.2. Begriffsbestimmung digitale Transformation

Genau wie bei dem Begriff der Digitalisierung, gibt es auch für den Begriff der digitalen Transformation eine Vielzahl an Definitionen. Im Folgenden wird eine Reihe von Definitionen aus der Literatur herangezogen und schließlich eine für diese Arbeit allgemeine Definition formuliert.

Westerman et al. (2011 , S. 5) definiert die digitale Transformation als „the use of technology to radically improve performance or reach of enterprises.”

Eine weitere bekannte Definition kommt von Kaplan et al. (2004 , S. 689): „Digital transformation can be understood as the changes that digital technology causes or influences in all aspects of human life.”

Eine weitere interessante Definition kommt von Lankshear und Knobel (2008 , o.S. ) . Sie definieren die digitale Transformation „as the third and ultimate level of digital literacy that is achieved when the digital usages which have been developed enable innovation and creativity and stimulate significant change within the professional or knowledge domain.”

RBS Consultants (2015 , S. 4-5) definieren die digitale Transformation als die durchgängige Vernetzung aller Wirtschaftsbereiche und die Anpassung der Akteure an die neuen Gegebenheiten der digitalen Wirtschaft verstanden. „Entscheidungen in vernetzten Systemen umfassen Datenaustausch und -analyse, Berechnung und Bewertung von Optionen sowie Initiierung von Handlungen und Einleitung von Konsequenzen“. Diese neuen Faktoren werden etablierte Geschäftsmodelle und Wertschöpfungsprozesse entscheidend modifizieren. Die Wertschöpfungsprozesse verschieben sich von einer starren Wertschöpfungskette zu einem dynamischen Wertschöpfungsnetzwerken. Dabei findet die Wertschöpfung nicht mehr sequenziell und zeitversetzt statt, sondern in einem Netzwerk ständig kommunizierender und flexibel aufeinander reagierender Einheiten (Abbildung 3).

[...]


[1] Teilweise wird diese Ebene in der Sekundärliteratur auch als Ebene von „Werten und Normen“ bezeichnet, was jedoch unterschlägt, dass die Werte und Normen auch nur Äußerungen sein können, die keine Übereinstimmung mit den Grundannahmen aufweisen; Schein 2004: 28ff

[2] Als „Generation Y“ wird die Alterskohorte bezeichnet, die um die Jahrtausendwende im Teenageralter war und jetzt auf den Arbeitsmarkt drängt. Ein wesentliches Merkmal dieser Generation ist die starke Betonung der Selbstverwirklichung in allen Lebensbereichen und eben nicht der Karriere um jeden Preis.

Ende der Leseprobe aus 135 Seiten

Details

Titel
Digitale Transformation der Unternehmenskultur
Untertitel
Welchen Einfluss hat die Digitalisierung auf die Unternehmenskultur?
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum
Note
1.0
Autor
Jahr
2016
Seiten
135
Katalognummer
V343471
ISBN (eBook)
9783668336780
ISBN (Buch)
9783668336797
Dateigröße
3773 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Digitalisierung, Digitale Transformation, Unternehmenskultur, Kultur
Arbeit zitieren
Nermine Osmani (Autor:in), 2016, Digitale Transformation der Unternehmenskultur, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/343471

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Titel: Digitale Transformation der Unternehmenskultur



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