Die Verbindung von projektartigem und individualisiertem Lernen. Unterrichtssequenz für die Berufsschule


Masterarbeit, 2015

106 Seiten

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

TABELLENVERZEICHNIS

1 EINFÜHRUNG UND BEGRÜNDUNG DES THEMAS

1.1 Fragestellung

2 PROJEKTMETHODE
2.1 Klärung der Begrifflichsten
2.2 Definition
2.3 Genese
2.3.1 John Dewey
2.3.2 William H. Kilpatrick
2.4 Methodische Merkmale
2.4.1 Situationsbezug
2.4.2 Orientierung an den Interessen der Beteiligten
2.4.3 Gesellschaftliche Praxisrelevanz
2.4.4 Zielgerichtete Projektplanung
2.4.5 Selbstorganisation und Selbstverantwortung
2.4.6 Einbeziehen vieler Sinne
2.4.7 Soziales Lernen
2.4.8 Produktorientierung
2.4.9 Interdisziplinarität
2.4.10 Grenzen des Projektunterrichts
2.5 Grundmuster der Projektmethode nach Frey
2.5.1 Projektinitiative
2.5.2 Auseinandersetzung mit der Projektinitiative in einem vereinbarten Rahmen (Projektskizze)
2.5.3 Entwicklung der Projektinitiative zum Betätigungsgebiet (Projektplan)
2.5.4 Aktivitäten im Betätigungsgebiet/ Projektdurchführung
2.5.5 Abschluss des Projekts
2.5.6 Fixpunkte
2.5.7 Metainteraktion/ Zwischengespräch
2.6 Legitimation des projektartigen Lernens
2.7 Konsequenzen für die eigene Unterrichtsplanung
2.8 Umsetzbarkeit, Probleme und Fazit

3 INDIVIDUALISIERTES LERNEN
3.1 Bedeutung und Definition
3.2 Methodische Merkmale
3.3 Aspekte individualisierten Lernens in der Schule
3.4 Legitimation des individualisierten Lernens
3.5 Konsequenzen für die eigene Unterrichtsplanung
3.6 Umsetzbarkeit und Fazit

4 VERBINDUNG VON PROJEKTARTIGEM UND INDIVIDUALISIERTEM LERNEN
4.1 Konsequenzen für die Unterrichtsplanung
4.2 Weiteres Vorgehen

5 DIDAKTISCHE PLANUNG DER UNTERRICHTSEINHEIT
5.1 Bedingungsanalyse
5.1.1 Curriculare Bedingungen
5.1.2 Institutionelle Bedingungen
5.1.3 Soziokulturelle Bedingungen
5.2 Begründungszusammenhang
5.2.1 Gegenwartsbedeutung
5.2.2 Zukunftsbedeutung
5.2.3 Exemplarische Bedeutung
5.3 Thematische Strukturierung/ pädagogische Sachanalyse
5.3.1 Perspektiven des Themas
5.3.2 Immanent- methodische Struktur.
5.3.3 Einzelmomente
5.3.4 Zusammenhang der Einzelmomente
5.3.5 Schichtung der Thematik
5.3.6 Zusammenhänge der Thematik.
5.3.7 Notwendige begriffliche, kategoriale Voraussetzungen
5.4 Teillernziele
5.5 Zugänglichkeit und Darstellbarkeit
5.6 Lehr-Lernprozessstruktur
5.7 BewertungundAuswertung

6 PRAKTISCHE DURCHFÜHRBARKEIT

7 ZUSAMMENFASSENDE SCHLUSSBETRACHTUNG

LITERATURVERZEICHNIS

ANHANG 1: MERKMALE DER PROJEKTMETHODE NACH GUDJONS

ANHANG 2: AUSZÜGE AUS DEM LEHRPLAN ZUM/ ZUR MEDIZINISCHEN FACHANGESTELLTEN DES BERUFSKOLLEGS IN NORDRHEIN- WESTFALEN
A.2.1 Stundentafel
A.2.2 Auszüge aus den Beschreibungen der Unterrichtsfächer

ANHANG 3: BEISPIELHAFTES KOMPETENZRAD

ANHANG 4: PERSPEKTIVENSCHEMA ZUR UNTERRICHTSPLANUNG NACH WOLFGANG KLAFKI

ANHANG 5: STRUKTURGITTER NACH GREB

ANHANG 6: INHALTSANALYSE DES THEMAS BLUT AUS LERNFELD 5

ANHANG 7: TABELLARISCHE ÜBERSICHT DES ALTERS DER MFA AUSZUBILDENDEN 2013

ANHANG 8: BEWERTUNGSBOGEN DER PROJEKTERGEBNISSE

ANHANG 9: BEWERTUNGSBOGEN FÜR DAS PROJEKTERGEBNIS UND DAS PROJEKTARTIGE LERNEN

ANHANG 10: FEEDBACKBOGEN ZUR UNTERRICHTSEINHEIT

ANHANG 11: ABLAUFPLAN DER UNTERRICHTSEINHEIT

ANHANG 12: ARBEITSAUFTRAG ZUM INDIVIDUALISIERTEN LERNEN

ANHANG 13: BEISPIELHAFTE AUFGABE

ANHANG 14: BEISPIELHAFTES HANDOUT

ANHANG 15: ARBEITSAUFTRAG ZUM PROJEKTARTIGEN LERNEN

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Wesentliche Aspekte individualisierten Lernens

Abbildung 2: Verbindung von projektartigem und individualisiertem Lernen

Abbildung 3: Visualisierung der Zusammenhänge der Momente (Erstellt von der Autorin)

Abbildung 4: Auszüge aus den Beschreibungen der Unterrichtsfächer zum/ zur MPA

Abbildung 5: Beispielhaftes Kompetenzrad

Abbildung 6: Perspektivenschema nach Wolfgang Klafki

Abbildung 7: Das Basisstrukturgitter Pflege in der Hochschuldidaktik

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Begriffliche, kategoriale Voraussetzungen

Tabelle 2: Merkmale der Projektmethode nach Gudjons (Erstellt durch die Autorin)

Tabelle 3: Beispielhafte Stundenübersicht des dualen Ausbildungsberufes zum/zur MFA.

Tabelle 4: Alter der Auszubildenden mit neu abgeschlossenem Ausbildungsvertrag 2013

Tabelle 5: Leistungsmessung und Leistungsbeurteilung im Projekt XXIII

Tabelle 6: Ablaufplan der Unterrichtseinheit XXV

1 Einführung und Begründung des Themas

Individualisiertes Lernen stellt zurzeit ein aktuelles Thema dar. Schüler- und Lern- gruppen1 sind während der letzten Jahrzehnte in sämtlichen Schulformen heterogener geworden. Eine der Hauptursachen dafür sind die gesellschaftlichen Entwicklungen. „Infolge von Globalisierung, internationaler Migration, Pluralisierung familiärer Le­bensformen und gesellschaftlicher Individualisierungstendenzen werden traditionelle Lebenszusammenhänge weitgehend aufgelöst und durch sehr vielfältige Lebenswei­sen ersetzt“ (Wesemann 2014, S. 10). Angesichts der vielschichtigen Strukturen in der Gesellschaft und im Klassenraum, ist die Berufspädagogik herausgefordert, Un­terrichtsmethoden verstärkt zu individualisieren. Lehrende sind dazu angehalten, ihr Lernangebot an die unterschiedlichen Lernausgangslagen, Erwartungen und Interes­sen der einzelnen Schüler anzupassen (vgl. Wesemann 2014, S. 10). Individualisierte Unterrichtsformen erscheinen notwendig, „um der wachsenden Heterogenität inner­halb der beruflichen Bildung begegnen zu können und um Vielfalt als Herausforde­rung und Chance zu nutzen und zu fördern“ (Dubios 2009, S. 6).

Mit dem Projektbegriff wird immer wieder die Forderung nach Handlungsorientie­rung verbunden. Die an einem Projekt beteiligten Schüler sollen sich selbstständig mit der Lösung eines Problems oder der Bearbeitung eines - selbst definierten - Auf­trags unter Beteiligung möglichst vieler Sinne auseinandersetzen (vgl. Rathenow 2008). Dies soll sie bestmöglich auf die Praxis und den Berufsalltag vorbereiten, da besonders in der Wirtschaft zunehmend Selbstständigkeit von Mitarbeitern gefordert wird. Die zunehmende Komplexität der Aufgabenstellungen können häufig nicht mehr von einzelnen Mitarbeitern bewältigt, sondern müssen in verschiedener Abtei­lungen innerhalb einer Projektgruppe erarbeitet werden. Dabei umfasst die Arbeit in Projektgruppen Aufgaben, die bereits in einem schulischen Projekt trainiert werden können. In der Schule erlangen die Schüler Handlungskompetenz und Schlüsselqua­lifikationen. Zusätzlich geht es bei Projekten um den Erwerb von demokratischen Denk- und Handlungsweisen. Diese Tatsache ist angesichts der gegenwärtigen Dis­kussion um Effizienzsteigerung und Kompetenzerwerb vielversprechend. In Form

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird durchgehend die männliche Form verwendet. Damit sind immer auch Frauen und Mädchen gemeint, also Lehrerinnen, Schülerinnen etc.

von Mitplanung und Mitgestaltung eigener Lernerfolge, durch die Entwicklung von Selbständigkeit und die Übernahme von sozialer Verantwortung, durch praktische Teamfähigkeit aus Konsenskompetenz sowie durch die Aneignung von Orientie- rungs- und Prozesswissen soll die Projektmethode mit Impulsen und Handlungsori­entierungen zur demokratischen Schulgestaltung mit Erfolg versprechenden Zu­kunftsaussichten beitragen (vgl. Rengstorf/ Schumacher 2013, S. 26). In dem groß angelegten Programm „Demokratie lernen und leben“ der Bund- Länder- Kommissi­on der Kultusministerkonferenz (KMK) wird betont, „dass eine Schule in einer de­mokratischen Gesellschaft neben inneren demokratischen Strukturen auch offenere Unterrichtsformen wie z.B. Projektarbeit entwickeln sollte, die selbständiges, hand­lungsorientiertes und demokratiepädagogisches Lernen ermöglichen“ (Rengstorf/ Schumacher 2013, S. 26). Durch die Selbstwirksamkeitsüberzeugung bei den Schü­lern soll damit eine Basis für demokratisches Handeln gelegt werden (vgl. Rengstorf/ Schumacher 2013, S. 26). Selbstwirksamkeitsüberzeugung meint dabei die subjekti­ve Überzeugung, neue oder schwierige Anforderungssituationen aufgrund eigener Kompetenzen bewältigen zu können bzw. „Selbstbewusst glauben, Kontrolle (über einen bestimmten Zustands-, Prozess- oder Zielbereich) zu haben, um fähig zu sein, so zu agieren, dass bestimmte Effekte oder Reaktionen bei anderen Personen entste­hen bzw. verhindert werden“ (Spektrum 2000). Auch wird zunehmend gefordert, dass die Schule zur individuellen Entfaltung und gesellschaftlichen Entwicklung der Schüler beitragen soll. Sie hat zudem die Aufgabe, eine produktive Fantasie fördern und das Übernehmen konkreter Verantwortung einüben. Dies scheint mit der Pro­jektmethode machbar, da man mit ihr lernt, in einem größeren Rahmen selbstständig zu handeln (vgl. Frey 2012, S. 50). Projekte verstehen sich in der betrieblichen Be­rufsausbildung als Einstimmung auf die modernen Leistungsanforderungen und Ar­beitsbedingungen des Betriebes. Das Lernen in Projekten wird dazu als eine adäquate Lernform angesehen (vgl. Wiemann 2002, S. 153). Diese zunächst widersprüchlich erscheinenden Tendenzen der Individualisierung einerseits und der Erwerb von Schlüsselqualifikationen wie Teamfähigkeit in Gruppen andererseits sind auch Ge­genstand dieser Arbeit.

Bisher hat sich gezeigt, dass die Erfahrungen mit individualisierter Didaktik gerade in der beruflichen Bildung sehr gering sind. Ein Grund hierfür ist, dass viele Lehren­de nicht wissen, wie sie mit der markanten Heterogenität der Auszubildenden umge­hen und wie sie didaktisch vorgehen sollen, um für ein alle zufriedenstellendes Ler­nen zu ermöglichen. Trotz oder gerade wegen dieses Defizits setzt sich diese Arbeit damit auseinander, ob und inwieweit mit Hilfe der Projektmethode individualisiertes Lernen an Beruflichen Schulen möglich ist und ob sich eine Verbindung herstellen lässt. Wie sich das Konzept des individualisierten Lernens und der Projektmethode in die berufliche Bildung integrieren lässt, wird in dieser Arbeit beispielhaft dargestellt.

Die Projektmethode wird häufig als Königsweg des kooperativen Lernens bezeich­net. Sie ermöglicht in hohem Maße sowohl individuell organisiertes als auch ge­meinschaftliches Lernen. Als Sozialform des Unterrichts fordert die Projektmethode die Teamarbeit der Schüler, als Unterrichtsprinzip fordert sie das kooperative Ler­nen. In dieser Methode wird das Lernprinzip der Gruppenarbeit mit dem handelnden und exemplarischen Lernen verbunden.

Im Titel dieser Arbeit wurde bewusst der Begriff des projektartigen Lernens gewählt, da der Begriff der Projektmethode in einschlägiger Literatur häufig synonym zum Projektunterricht oder zur Projektarbeit genutzt wird. Der Begriff des projektartigen Lernens soll also alle Synonyme, die die Projektmethode betreffen, umfassen, um die Leserschaft nicht im Vorwege, aufgrund des Begriffs der Projektmethode, zu selek­tieren. Streng genommen ist projektartiges Lernen ein Teil der Projektmethode. Pro­jektartiges Lernen trifft dann zu, wenn nicht alle Faktoren der Projektmethode im eigentlichen Vorhaben berücksichtigt werden können oder sollen. Im Rahmen der in dieser Arbeit ausgearbeiteten Unterrichtseinheit können nicht alle Komponenten der Projektmethode berücksichtigt werden, wodurch der offenere Begriff des projektarti­gen Lernens sinnvoll erscheint.

1.1 Fragestellung

Während der Auseinandersetzung mit der Thematik hat sich folgende Fragestellung ergeben: „Welche Konsequenzen ergeben sich aus der Verbindung von individuali­siertem und projektartigem Lernen für die Unterrichtsplanung?“

Aus dieser doch recht grob gefassten Frage, lassen sich kleinere und präzisere Unter­fragen entwickeln: „Wie lassen sich projektartiges und individualisiertes Lernen in der konkreten Unterrichtssituation verbinden?“ und „In welcher Weise lassen sich einzelne Elemente des individualisierten und projektartigen Lernens miteinander verbinden?“ Mit der Ausarbeitung der Lehr- Lerneinheit und dem theoretischen Hin­tergrund sollen diese Fragen beantwortet werden.

2 Projektmethode

2.1 Klärung der Begrifflichkeiten

Im Folgenden werden die unterschiedlichen Begrifflichkeiten der Projektmethode genauer zu definiert. Im Kontext der Projektmethode tauchen viele Begriffe, wie Projektlernen, Projektarbeit, Projektunterricht oder einfach Projekt auf. Diese Viel­falt an Umschreibungen findet sich in der Literatur vieler Autoren wie Beispielswei­se Karl Frey (Frey 2012, S. 14), William H. Kilpatrick (Dewey/ Kilpatrick 1935, S. 131) und Herbert Gudjons (Gudjons 2001) wieder. Alle Begriffe werden bei unter­schiedlichen Autoren bunt durcheinander und häufig synonym verwendet. Bei­spielsweise nutzt Gudjons innerhalb eines Kapitels die Begriffe Projektmethode, Projektunterricht und Projektarbeit (vgl. Gudjons 2001, S. 80 ff.). Allen Begriffen gleich ist der Wortbestandteil „Projekt“. Das Wort Projekt stammt vom lateinischen Wort proicere ab und bedeutet so viel wie vorauswerfen, entwerfen, planen oder sich vornehmen. In Verbindung mit Schule kennzeichnet der Begriff die Entwicklung von Unterricht durch die beteiligten Lehrer und Schüler. Neben dem eben definierten Begriff des Projektes ist der zweite Wortbestandteil der Begriff der Methode, dessen Ursprung im Altgriechischen liegt und den Weg der Untersuchung, den Weg, das anzugehen, was man sich vornimmt oder vorgenommen hat, beschreibt (vgl. Frey 2012, S. 14). Der Begriff ist nicht mit dem amerikanischen Begriff „project method“ zu übersetzen, da der Begriffsumfang des amerikanischen Wortes „method“ deutlich weiter ist, als das deutsche Wort „Methode“ und darüber hinaus eine weitere inhaltli­che Bedeutung hat (vgl. Hahne/ Schäfer 2011, S. 3). Allen Projektdefinitionen ist ihr deskriptiver Charakter gemeinsam. Anhand von formellen Kriterien entwerfen sie ein Raster, mit dem Projektunterricht oder vielmehr die Projektmethode zur Deckung zu bringen sein muss. Ein diesem Raster nicht voll entsprechender Unterricht ist, wie bereits in der Einleitung erwähnt, als projektorientierter Unterricht oder projektarti­ges Lernen zu bezeichnen. Der Projektunterricht stellt die konsequenteste Umsetzung der Projektmethode dar (vgl. Voß/ Ziegenspeck 1999, S. 42).

Im Folgenden erscheint es sinnvoll, sich vorrangig auf den Begriff der Projektme­thode nach Frey zu stützen, da sich diese Arbeit zum Großteil auf die Literatur von Frey bezieht. Der Begriff „Projektmethode“ zielt auf die Verwendung in sowohl schulischem als auch außerschulischem Kontext ab und kann als eine methodische Unterrichtsform angesehen werden. Frey beschreibt zudem, dass die Konzeption über den institutionell organisierten Unterricht hinausgeht und die Projektmethode auch in der außerschulischen Jugendarbeit, Erwachsenenbildung und beruflichen Weiterbildung Anwendung findet (Frey 2012, S. 14). Im Unterschied zum Projektun­terricht, sowie Gudjons ihn definiert, kann in der Projektmethode jeder beliebige Inhalt thematisiert werden. Zusätzlich muss die Projektinitiative keine problembehaf­tete Ausgangslage für alle Schüler darstellen (vgl. Gudjons 2001, S. 73 f.). Es stellt im Schulalltag eine Schwierigkeit dar, eine Projektinitiative zu finden, die als prob­lemhafte Ausgangslage für alle Schüler gilt. Minimalkonsens einer Projektinitiative ist, eine Ausgangslage zu schaffen, die den Großteil der Schüler interessiert und aus dem Arbeits- oder Lebensfeld aller Projektteilnehmer stammt.

2.2 Definition

Nach Klafki bildet das Projekt eine Großform des Unterrichts, das in verschiedenen Sozialformen konkretisiert werden kann (vgl. Klafki 1985, S. 72). Projekte finden ihre Bezugspunkte bei einem „Problem“ aus der sozialen Wirklichkeit und haben eine Bedeutung für die Lebenspraxis der Schüler. Die Projektmethode gilt als eine Unterform des handlungsorientierten und selbstgesteuerten Lernens. Sie dient als Mittel, um intrinsische Motivation zu fördern, selbstständiges Denken zu entwickeln, erworbenes Wissen anzuwenden, Selbstbewusstsein zu erzeugen und soziale Ver­antwortung einzuüben (vgl. Knoll 2011, S. 11). Die Projektmethode ist wohl die Un­terrichtsmethode, die am stärksten auf Schülerselbsttätigkeit und Eigenverantwor­tung ausgerichtet ist. Bei der Projektmethode bearbeitet eine Gruppe eine Aufgabe oder ein Problem selbstständig. Dabei reicht das Projekt von der Planung über die Durchführung bis hin zur Präsentation der Ergebnisse. Bei der Projektmethode sollen die Schüler ihre eigenen Interessen und Vorstellungen verfolgen und Themen und Probleme der natürlichen und gesellschaftlichen Umwelt frei und selbstbestimmend bearbeiten (vgl. Knoll 2011, S. 11). Der Projektmethode ist die Aufhebung der Tren­nung von Kopf- und Handarbeit immanent. In Projekten werden Lernziele nicht line­ar aufeinander aufbauend geordnet, sondern konzentrisch um thematische Einheiten, die auf zentrale Lernziele bezogen sind. Die Schüler werden inhaltlich fächerüber­greifend gefordert, bewegen sich auf der Gruppenebene und übernehmen auch Ein­zelaufgaben. Sie lernen Entwicklungsbereitschaft mitzubringen und die Fähigkeit, sich mit Gruppenmitgliedern auseinander zusetzen, sowie mit eigenen Unsicherhei- ten umzugehen. Zusätzlich ist ein grundlegendes Maß an Selbstorganisationsfähig­keit gefordert.

Trotz bestimmter Merkmale, die eine Projektmethode ausmachen, ist eine konkrete, einheitliche Definition für die Projektmethode in der einschlägigen Literatur nicht zu finden. Frey schreibt dazu: „Ein vollständiges, lebendiges Bild kann durch [...] Merkmale nicht erreicht werden. Die Projektmethode ist eine offene Lernform [...] (und) nimmt auf die lokale Situation und die Teilnehmerinteressen Rücksicht. Die Projektmethode lässt sich folglich auch nicht durch eine präzise Definition beschrei­ben“ (Frey 2012, S. 16). Nahezu allen erziehungswissenschaftlichen Definitionen ist gemeinsam, dass sie den Projektgedanken von Dewey und Kilpatrick - den „Vätern“ des Projektgedankens - um seine politisch- philosophische Dimension verkürzen (vgl. Suin de Boutemard 1981, S. 353 f.).

2.3 Genese

Einen Erfinder der Projektmethode nennt die Literatur nicht. Die Projektidee stammt jedoch ursprünglich aus dem 16. Jahrhundert, wo Architekturstudenten in Italien vor die Aufgabe gestellt wurden, in Projekten Gebäude zu erstellen, um sich mit den An­forderungen des Berufes vertraut zu machen und Theorie und Praxis stärker verzah­nen. Von Italien aus gelangte die Projektidee nach Frankreich (vgl. Knoll 2011, S. 21), (vgl. Frey 2012, S. 31). Im Zuge der Professionalisierung und Verschulung der handwerklichen Berufe breitete sich diese Arbeitsweise bis nach Nordamerika aus (vgl. Beyer 2011, S. 4). Von den Kunstakademien verbreitete sich die Idee des Ler­nens am Projekt auf die technischen Hochschulen, die Anfang des 19. Jahrhunderts in Europa und den USA entstanden. Die Projektmethode muss in der internationalen Reformpädagogik als Reflex auf die aus der industriellen Revolution aufgenommene industrielle und soziale Arbeitsteilung verstanden werden. Die Arbeitsteilung er­reichte um die Jahrhundertwende ein bis dahin unbekanntes Ausmaß an Tempo und Umfang. Die Humboldtsche Trennung von allgemeiner und beruflicher, von Bildung und Ausbildung bot keine ausreichende pädagogische Problemlösung der Integration (vgl. Suin de Boutemard 1981, S. 353 f.). Das Ziel der Projektmethode war es also, die Distanz zwischen Schule und Leben, Wissenschaft und Beruf, Theorie und Praxis zu verringern. Die Schüler sollten die Möglichkeit haben, die im Lehrgang oder Un­terricht erworbenen Prinzipien und Kenntnisse eigenständig und schöpferisch auf den konkreten Fall anzuwenden (vgl. Frey 2012, S. 31). Im 19. Jahrhundert wurde der Projektgedanke vom amerikanischen Reformpädagogen Calvin M. Woodward auf­gegriffen und von der Hochschule auf die Schule übertragen (vgl. Frey 2012, S. 36 f.). Die Grundlage für die politische und wissenschaftliche Konzeption der Projekt­methode schuf der Philosophie- und Pädagogikprofessor John Dewey, der sich um die Aufhebung der idealisierten Trennung von Individuum und Gesellschaft, Leben und Arbeit, Politik und Wirtschaft, Idee und Realität, Denken und Handeln bemühte. Dewey und auch George Herbert Mead suchten nach einer Basis, auf die sich alle ethnischen, kulturellen, religiösen und sozialen Gruppen einlassen konnten und fan­den sie in dem Theorem vom „wertvollen Leben“. Leben kann danach erst wertvoll sein, wenn es selbstständig geplant ist und für den einzelnen die Teilnahme am ge­sellschaftlichen Leben gewährleistet. Diese Integration sollte in der gesellschaftli­chen Institution „Schule“ stattfinden (vgl. Suin de Boutemard 1975, S. 246 f). Eben­falls geprägt wurde die Projektmethode durch den Amerikaner William H. Kil­patrick. Als weitere Grundlage für die Projektmethode findet sich die Reformpäda­gogik von 1895 bis 1933 in Deutschland. Vor allem die letzten Jahre dieser Zeit wa­ren für die Entfaltung des Projektgedankens fruchtbar. Im Folgenden werden zwei bekannte Vertreter - Dewey und Kilpatrick - und deren Idee des Projektgedanken vorgestellt. Beide haben die Projektmethode geprägt.

2.3.1 John Dewey

Laut John Dewey (1859- 1952) ist die Problemorientierung eine wesentliche Grund­lage für die Entwicklung der Persönlichkeit der Lernenden. Dazu gehöre auch das Lernen an realen Gegebenheiten. Grundlagen seien dabei das planvolle Handeln und die Erfahrungen die der Schüler selbst mache. Dies seien für ihn Voraussetzungen für einen Erkenntnisgewinn (vgl. Klein 2008, S. 13). Jeder handle für sich und sei experimentierend auf sich gestellt. Die ideale Ausgangsbasis für Bildung biete Unter­richt aus der Lebenspraxis beziehungsweise Aufgaben mit Lebensnähe mit einem möglichst geringen Anteil an künstlich hergestellten Anteilen. Laut Dewey schaffe derjenige Wirklichkeit, der Projekte durchführe und sich lernend mit Situationen oder Problemen befasse (vgl. Frey 2012, S. 36). Dewey verstand Wissen und Er­kenntnis nicht als Ergebnis empirischer Sinneswahrnehmung, sondern als Resultat aktiven Handelns und praktischen Umgangs mit Dingen (vgl. Knoll 2011, S. 149). Er wählte Probleme und Beschäftigungen so aus, dass die Schüler nicht in der Lage waren, sie aufgrund ihrer Vorerfahrungen zu bearbeiten. Vielmehr müssten sie sich auf die Erfahrungen früherer Generationen berufen und auf Fachwissen zurückgrei­fen, das sie in Lehrgängen oder Übungen erworben hätten (vgl. Knoll 2011, S. 150). Dewey hatte klare Vorstellungen von der Bearbeitung einer Aufgabe. Für ihn be­stand der vollständige Denkakt, der zur Lösung eines Problems führt, aus mehreren Schritten, der von der Präzisierung des Problems, über den Entwurf von Lösungsan­sätzen zur Simulation, also dem Ausprobieren der Lösung führt. Er vertrat die Auf­fassung, dass Sinn und Wert erst durch die Beschäftigung mit Problemen, wie sie alltäglich vorkämen, entstünden. Allerdings müsse die Problemlösung dem eben be­nannten Muster, das Naturwissenschaftler anwenden, folgen. Diese Schritte be­schreibt Dewey in seinem Werk „Essays and how we think“ (vgl. Dewey 1989, S. 200 ff.). Die Arbeit an der Aufgabe solle demnach zielgerichtet und planvoll sein. Nach diesem Verständnis hat Dewey an seiner Universitätsschule in Chicago Unter­richt durchgeführt (vgl. Frey 2012, S. 37).

2.3.2 William H. Kilpatrick

Bei William H. Kilpatrick (1871- 1965), einem Schüler Deweys, steht die Schüler­orientierung eines Projektes im Mittelpunkt. Bereits als Junglehrer wollte Kilpatrick den herkömmlichen, also lehrerdominierten Unterricht überwinden und eine Metho­de finden, durch die Drill, Zucht und Zwang beseitigt und Demokratie, Selbsttätig­keit und Selbstverantwortung gefördert würden (vgl. Knoll 2011, S. 88). Für ihn sei ein Projekt ein „aus ganzem Herzen gewolltes, von einer Absicht erfülltes Handeln, das in einer sozialen Umgebung stattfindet“ (Dewey/ Kilpatrick, 1935, S. 162). Wei­ter beschreibt er das Projekt als „herzhaftes planvolles Tun“ (Dewey/ Kilpatrick 1935, S. 162). Das herzhafte Tun stelle dabei die Bedingung dar, unter der Lernen am besten und wirksamsten stattfinde. Dies geschehe auf drei Ebenen: dem direkten Lernen, dem weiterführenden Ideen und den nebenbeigelernten Kenntnissen und Fähigkeiten (vgl. Knoll 2011, S. 102). Nach Kilpatricks Meinung werde nur das ge­lernt, was einen Bezug zum eigenen Leben habe. Die Erziehung zu demokratischem Handeln ist ein wichtiges Ziel für ihn. Dabei würde von den Teilnehmern eines Pro­jektes die Bereitschaft Verantwortung zu übernehmen, aufeinander Rücksicht zu nehmen und ein hohes Maß an Selbstständigkeit gefordert (vgl. Klein 2008, S. 13). Kilpatrick weist auf die charakterbildenden Leistungen - und nicht die bloße Wis­sensvermittlung - eines Projektes hin, bei dem reale Aufgaben des Projektes in ein demokratisches Leben einführen. Er argumentiert, dass besonders sozial problemhal­tige und subjektiv stark empfundene Situationen nicht durch Wissen aus einzelnen Fachbereichen zu bewältigen seien, sondern durch fächerübergreifende Kooperatio­nen lösbar würden (vgl. Frey 2012 S. 37). Durch die realen Lebenssituationen seien die Lernenden verpflichtet, sich mit der lokalen Gemeinde und Instanzen außerhalb des Lernortes Schule zu beschäftigen. Dadurch, so Kilpatrick, werde die Schulge­meinde zur offenen Lebensgemeinde (vgl. Frey 2012 S. 37). Seine Idealvorstellung ist, „dass eine Klasse in Abwesenheit des Lehrers arbeiten (kann)“ (Knoll 2011, S. 88). Der Schüler sei im Grunde für sein Tun und Lernen allein verantwortlich. „Nur wenn er seine eigenen Interessen und Bedürfnisse einbringen und selbst - frei, auto­nom, zwanglos - über Ziele, Inhalte, Methoden und Ergebnisse des Unterrichts ent­scheiden darf, wird seine Entwicklung effektiv vorangetrieben.“ (Knoll 2011, S. 102). Kilpatrick ist sich jedoch auch bewusst, dass der Lehrer bei Grenzüberschrei­tungen der Schüler - Freiheit und Autonomie können nicht unbeschränkt sein - nicht nur ermutigen, bestärken und anregen, sondern auch initiieren, selektieren und diri­gieren muss. Damit macht Kilpatrick, im Sinne der Umsetzbarkeit, Abstriche von seinem Ideal (vgl. Knoll 2011, S. 102).

2.4 Methodische Merkmale

Sowohl Frey als auch Gudjons, als Verfechter des handlungsorientierten Unterrichts, sind sich einig, dass es sich bei der Projektmethode bzw. dem Projektunterricht um eine offene Lernform handelt (vgl. Gudjons 1986, S. 58), (vgl. Frey 2012, S. 16). In dieser Arbeit werden jeweils Aspekte des Grundmusters zur Projektmethode von Frey und Aspekte der methodischen Merkmale zum Projektunterricht von Gudjons genutzt, um eine Unterrichtssequenz zum projektartigen Lernen zu entwickeln. Im Rahmen dieser Arbeit erfolgt die Charakterisierung der Projektmethode in enger An­lehnung an Gudjons verschiedene Schritte und Merkmale des Projektunterrichts (A.1) (vgl. Gudjons 2001, S. 81 ff.), da diese eine umfassende und praktische Annä­herung des in dieser Arbeit behandelten projektartigen Lernens liefern.

Aus diesem Grunde werden im Anschluss zunächst die methodischen Merkmale zum Projektunterricht von Gudjons näher erläutert. An geeigneten Stellen wird auf Karl Frey verwiesen, der in einigen Bereichen andere Grundeinstellungen zum Projekt besitzt und andere Schwerpunkte legt.

2.4.1 Situationsbezug

Nicht nur Frey sondern auch Gudjons schreiben, dass die Fragestellung einen Bezug zum wirklichen Leben der Projektteilnehmer haben muss. Das Projekt soll sich mit Fragen, Aufgaben, Themen und Problemen aus der konkret wahrgenommenen Wirk­lichkeit beschäftigen. Sie sind der Meinung, dass sich Projekte meist kaum auf eine Fachwissenschaft oder ein Fach beschränken lassen (vgl. Frey 2012, S. 13), (vgl. Gudjons 2001, S. 81). Nur durch die Aufhebung der Isolation des schulischen Ler­nens kann das Projekt seinem pädagogischen Anspruch, die Schüler zur Bewältigung zukünftiger Lebenssituationen zu befähigen, gerecht werden. Der Unterschied im Situationsbezug liegt darin, dass nach Gudjons, die Teilnehmer nicht komplett frei bei der Wahl des Projektthemas sind. Die Projektleitung muss im Vorwege prüfen, ob der Situationsbezug für den Erwerb von neuen Erfahrungen geeignet ist und ob er eine neue Herausforderung stellt, die Teilnehmer also mit einem Problem konfron­tiert (vgl. Gudjons 2001, S. 81). Laut Frey kann zunächst jeder Ausgangspunkt zu einem Projekt werden, er muss also nicht, wie bei Gudjons, problemorientiert sein. Zusätzlich kann jedes Thema, Problem oder bemerkenswertes Ereignis eines Teil­nehmers, zum Projekt werden (vgl. Frey 2012, S. 64).

2.4.2 Orientierung an den Interessen der Beteiligten

In der Projektpraxis ist es nicht wichtig, von wem die Projektinitiative kommt. Es ist jedoch von Bedeutung, dass sie auf die Bedürfnisse und Interessen der Beteiligten trifft, da sonst keine Eigeninitiative entstehen kann (vgl. Frey 2012, S. 65). Es sind demnach Themen zu wählen, die von Schülern als interessant angesehen werden und im Idealfall ihrer Alltagswelt entnommen wurden. Vom Grad des Interesses der Schüler hängt zwangsweise auch die Motivation der Beteiligten am Projekt ab. Die Themenwahl eines Projektes hat also eine hohe Bedeutung. Gudjons schreibt darüber hinaus, dass sich das Projektthema an den Interessen aller Beteiligten, sowohl Schü­lern als auch Lehrern, orientieren sollte. Demnach können auch Lehrkräfte Projekt­themen äußern. Zusätzlich erwähnt er, dass nicht alle Beteiligten von Beginn an ein starkes Interesse am Projektthema haben müssen und sich dieses teilweise auch erst durch eigene Handlungserfahrungen wie Ausprobieren und Neugierde entstehen kann. Gleichzeitig können sich die Interessen während des Projektprozesses verän­dern (vgl. Gudjons 2001, S. 82).

2.4.3 Gesellschaftliche Praxisrelevanz

Um nicht in einer völligen Beliebigkeit zu enden, muss das Projekt eine gesellschaft­liche Relevanz besitzen. Im Idealfall steht am Ende eines Projektes ein Produkt, das einen gesellschaftlichen Nutzen besitzt. Dadurch gewinnt ein Projekt einen „Ernst­charakter“ und hebt sich von der bloßen Stoffvermittlung innerhalb des Fachunter­richts ab (vgl. Gudjons 2001, S. 83f.). Das subjektive Bedürfnis, das Lernende for­mulieren, ist in starkem Maße durch die gesellschaftlichen Bedingungen, unter denen sie leben, beeinflusst.

2.4.4 Zielgerichtete Projektplanung

Bei aller Offenheit eines Projektes, bleibt die Arbeit innerhalb des Projektes zielge­richtet. Aus diesem Grund ist es notwendig, dass Lehrer und Schüler gemeinsam einen Plan zur Lösung des Problems beziehungsweise zum Erreichen des Ziels ent­wickeln. Indem sich Schüler und Lehrer auf einen Projektplan einigen müssen, sind sie dazu angehalten demokratisch abzustimmen. Diese Bedingung ist eine gute Vor­bereitung - gerade für jüngere Schüler - auf ein Leben in einer demokratischen Ge­sellschaft. Trotz des Plans muss mit Abweichungen gerechnet werden. Nicht alles ist planbar und eventuell treten Organisationspannen auf oder Interessen ändern sich (vgl. Gudjons 2001).

2.4.5 Selbstorganisation und Selbstverantwortung

Im Mittelpunkt des Projektes steht vor allem die Mitbestimmung der Schüler. Sie entscheiden darüber, wer wann was wie tut (vgl. Frey 2012, S. 57). Die Beteiligten verleihen dem Projekt ihre eigene Note, indem sie deutlich machen, was sie tun möchten und eigenständig feststellen, was zu tun ist. Der Lehrende hat die Aufgabe, bei Strukturierungs- und Planungsprozessen Hilfe zu leisten. Er fungiert als Hinter­grundlehrer. Die Schüler finden selbstständig Lösungswege und Lösungsstrategien. Sie verwerfen Ansätze, entwickeln neue Strategien, organisieren sich in einem be­grenzten zeitlichen Rahmen selbst und setzen sich Arbeitsziele oder vereinbaren ei­nen Arbeitsrahmen (vgl. Frey 2012, S. 16).

2.4.6 Einbeziehen vieler Sinne

Im Sinne von Kopf- Herz- Hand, spricht die Projektmethode kognitive, motorische und affektive Bereiche an. Dabei orientiert sie sich besonders an den persönlichen Fähigkeiten des Schülers und versucht, die persönlichen Bedürfnisse des Schülers zu berücksichtigen (vgl. Frey 2012, S. 50 f.). Der Projektmethode liegt die Intention zugrunde, Theorie und Praxis miteinander zu verbinden, um so ein ganzheitliches Erleben zu ermöglichen.

2.4.7 Soziales Lernen

Die Beteiligten informieren sich gegenseitig nach gewissen Zeitspannen über ihren Arbeitsstand und helfen sich in verschiedenen Situationen aus. Die Projektmethode fördert Rücksichtnahme und gemeinsames Schaffen (vgl. Frey 2012, S. 16, 50). In Projekten soll die Kooperationsfähigkeit durch Gruppenarbeit gefördert werden. Da­bei können komplexe Aufgaben am besten arbeitsteilig gelöst werden. Ein Projekt erleichtert durch kurz- und mittelfristige Motivation die Erreichung gemeinsamer Ziele. Durch intensive Kommunikationsphasen werden Kompetenzen wie Human-, Sozial- und kommunikative Kompetenzen gestärkt. Die Projektmethode lebt vom Austausch der Argumente, wobei Bedürfnisse direkt geäußert werden. Die Methode trägt dazu bei, Diskrepanzen offen zu legen und sie aufzuarbeiten (vgl. Frey 2012, S. 77). Durch die unterschiedlichen Aufgabenbereiche der Gruppen innerhalb eines Projektes ergeben sich viele soziale Lernmöglichkeiten. In einem Projekt lernen die Schüler voneinander und miteinander (vgl. Gudjons 2001).

2.4.8 Produktorientierung

Die Projektmethode soll nicht nur Lernprozesse auslösen, die eine Veränderung der Lernenden bewirken, sondern soll sich in konkreten Handlungsergebnissen äußern. Dabei ist ein dingliches Handlungsergebnis nicht zwingend notwendig (vgl. Frey 2012, S.57). Vielmehr soll der Erkenntnisprozess unterstützt werden. Dabei haben die in einer Handlung erworbenen Erfahrungen, Eindrücke und Erkenntnisse eine hohe Bedeutung. Wichtig ist, dass die Ergebnisse des Projekts öffentlich gemacht werden. Gudjons sieht den Vorteil in einem Produkt, da dieses die Chance bietet, erarbeitete Problemlösungen an der Wirklichkeit zu überprüfen. Die Teilnehmer des Projekts können sich dabei die Frage stellen, ob sie ihr Ziel erreicht haben und die zu Anfang gestellte Aufgabe gelöst werden konnte (vgl. Gudjons 2001). Beide Autoren sind sich jedoch einig, dass letztendlich nicht das Produkt entscheidend ist, sondern die Qualität des Prozesses, die zum Produkt geführt hat.

2.4.9 Interdisziplinarität

Die Interdisziplinarität von Projekten erwächst zunächst zwangsläufig aus dem Situa­tionsbezug: Probleme des schulischen und besonders des alltäglichen Lebens lassen sich nur äußerst selten auf bestimmte Fächer und Wissenschaften einschränken, son­dern überschreiten die Grenzen fachspezifischer Betrachtungs- und Aktionsweisen. Die verschiedenen Fachdisziplinen können genutzt werden, ein Projekt und dessen komplexe Aufgabe zu verstehen und von verschiedenen Perspektiven zu beleuchten (vgl. Gudjons 2001). Die Interdisziplinarität bietet vielen Lehrern die Chance, sich an einem Projekt zu beteiligen.

2.4.10 Grenzen des Projektunterrichts

Den Inhalt von Fächern, die durch einen systematischen Aufbau - Mathematik und Fremdsprachen - gekennzeichnet sind, in einem Projekt aufzuarbeiten, ist schwierig. Hier sind eher Übungen und Fertigkeitstraining notwendig. Nicht alle Inhalte, die in der Schule vermittelt werden sollen, eignen sich für die Projektmethode. Für Gudjons endet die Projektmethode dort, wo andere Unterrichtsmethoden erfolgsversprechen­der sind. Es ist nicht sinnvoll alle Unterrichtsziele mit der Projektmethode erreichen zu wollen. Die Projektmethode kann und soll den herkömmlichen Unterricht nicht ersetzen, kann ihn aber erweitern (vgl. Gudjons 2001).

Eine zusätzliche Grenze kann die einseitige Spezialisierung der Schüler sein. Es ist nicht sinnvoll, wenn der Schreinersohn die Holzarbeiten übernimmt oder eine begab­te Zeichnerin, die Projektskizzen. So kann die Bildungswirkung des Projektes schnell verpuffen (vgl. Frey 2012, S. 58).

Diese Merkmale nach Frey und Gudjons liefern eine Vielzahl verschiedener Eigen­schaften, die jedoch keine verbindlichen Kriterien darstellen. So müssten nicht im­mer alle Merkmale erfüllt sein, damit man von Projekten sprechen kann, das Zutref­fen möglichst vieler Kriterien reiche hierfür bereits aus.

2.5 Grundmuster der Projektmethode nach Frey

Karl Frey hat den Begriff der „Projektmethode“ von Dewey und Kilpatrick über­nommen, ihn jedoch neu konzipiert. Nach Frey meint der Begriff Projektmethode den Weg, den Lehrende und Lernende gehen, wenn sie sich bilden wollen. Für ihn beschreibt der Begriff Projektmethode ein allgemeines Verhältnis, das in Form einer lernenden Betätigung bildend wirkt (vgl. Frey 2012, S. 14). Das Projekt, das eine Projektgruppe durchfuhrt, ist ein konkretes Lernuntemehmen, das eine Gruppe aus­handelt, plant, anpackt, durchhält oder auch abbricht. Werden nur zwei oder drei Komponenten der Projektmethode angewandt, handelt es sich um projektartiges Ler­nen (vgl. Frey 2012, S. 15). Ausgangslage eines Projektes, oder besser gesagt der Projektinitiative, kann zunächst alles sein, es muss also kein Problem darstellen. Da­bei nimmt die Projektmethode jedoch auf die Ausgangslage der Projektteilnehmer Rücksicht. Wie bereits erwähnt, ist es nicht erforderlich, dass ein Unterricht nach der Projektmethode alle Merkmale enthält, jedoch handelt es sich dann nicht mehr um die Reinform. Ein Projekt soll nicht Alltagshandeln sein. Erst wenn man sich von der Routine löse, so Frey, entstehe Bildung. Diese brauche Distanz zur gegebenen Situa­tion. Aus der Distanz zur Situation entstehe Bildung, beziehungsweise sei die Dis­tanz Voraussetzung von Bildung. Die Projektmethode ist ein Weg, bei dem die Ler­nenden ihre Lernsituation selbst mitgestalten und für ihre Bildung in Verantwortung eintreten (vgl. Frey 2012, S.24 f.).

Die Projektmethode wird von Frey innerhalb des Grundmusters in sieben Kompo­nenten unterteilt (vgl. Frey 2012, S. 64 ff.). Diese werden in folgendem Abschnitt näher erläutert.

2.5.1 Projektinitiative

Ein Projekt beginnt immer mit einer Idee, Anregung oder einem Problem eines Pro­jektteilnehmers. „Entscheidend für die Projektmethode ist die Offenheit der Aus­gangssituation.“ (Frey 2012, S. 64). Es ist nicht entscheidend von welchem Teilneh­mer die Initiative kommt, sondern dass sie auf die Bedürfnisse und Interessen mög­lichst vieler Beteiligter trifft. Es steht eine Vielzahl von Möglichkeiten (Brainstor­ming, Ideenwettbewerb, Denkmodelle aus Kleingruppen) zur Verfügung, um aus einer engen Ausgangslage, die der Lehrplan vorschreibt, eine offene Ausgangssitua­tion herzustellen. Eine weitere Möglichkeit zur Findung eines Projektthemas ist die Erstellung einer Wahlliste. Die Projektteilnehmer können sich dann aus vielen ver­schiedenen Betätigungsgebieten ein oder mehrere Projektthemen auswählen, wobei am Ende das Betätigungsgebiet mit den meisten Stimmen zum Projekt gemacht wird. Auf diese Weise ist es dem Projektleiter möglich, die Themenauswahl zu steuern und selbst Themen zu wählen, in denen er sich qualifiziert fühlt. Dabei ist es jedoch wichtig, die Betätigungsgebiete weitestgehend offen zu halten, um die Beteiligten nicht zu sehr einzuschränken.

2.5.2 Auseinandersetzung mit der Projektinitiative in einem vereinbarten Rahmen (Projektskizze)

Nach Findung einer Projektinitiative müssen sich die Teilnehmer darüber austau­schen, ob die Initiative aufgegriffen und ob es zum einem Projekt werden soll. Haben sich die Beteiligten für die Initiative entschieden, wird das Vorhaben als Projektskiz­ze schriftlich fixiert. Alle weiteren Schritte bauen auf dieser Skizze auf. Sie bildet das sichtbare Ergebnis der Auseinandersetzung mit der Projektinitiative. Es ist von Bedeutung, dass die Initiative von allen Beteiligten übernommen wird. In der Skizze werden Vereinbarungen über Verfahrensregeln, Zeitlimits, vernünftiges Argumentie­ren und den Umgang miteinander festgehalten. Für die Erstellung der Projektskizze sollte ebenso ein Zeitlimit festgelegt werden, wie für den gesamten Ablauf des Pro­jektes. Eine vorher bestimmte, zeitliche Grenze zwingt die Teilnehmer zur Konzent­ration. Für eine vernünftige Kommunikation und Argumentation miteinander kann es hilfreich sein, bei konfliktreichen Gruppenprozessen, Regeln aufzustellen, die ge­meinsam erarbeitet werden und an die sich alle Beteiligten zu halten haben. In der Phase der Auseinandersetzung haben die Teilnehmer die Gelegenheit, ihre Interessen zu äußern und sich mit den anderen abzustimmen.

2.5.3 Entwicklung der Projektinitiative zum Betätigungsgebiet (Projekt­plan)

Die Projektteilnehmer entwickeln aus der Initiative- den Vorüberlegungen- ihr eige­nes Projekt. Sie machen ihre Fantasien realisierbar und es entsteht ein Betätigungs­plan darüber, wer im weiteren Verlauf des Projektes welche Art von Tätigkeit inten­siv für eine längere Zeit ausführen wird. Die Teilnehmer äußern Wünsche für be­stimmte Tätigkeiten. Dazu gehört auch, dass sie Gefühle äußern, also Reaktionen zeigen. Es kann eine Gruppe eingerichtet werden, die besondere Vorbereitungen für den weiteren Verlauf des Projektes trifft. Dazu kann zum Beispiel die Klärung der Finanzlage und der rechtlichen Schwierigkeiten zählen. Das Ergebnis dieser Phase ist der Projektplan, in dem der Weg zum Produkt und die Umgebung und Rollen be­schrieben wird.

2.5.4 Aktivitäten im Betätigungsgebiet/ Projektdurchführung

Die Projektdurchführung bildet das Kernstück der Projektmethode. Ohne diese Komponente ist das Projekt nicht denkbar. In dieser Phase wird der zuvor festgelegte Plan umgesetzt. Die Beteiligten übernehmen ihre Aktivitäten im Betätigungsgebiet selbstständig. Die Aktivitäten können in vielfältigen Sozialformen - Einzel-, Partner-, Gruppenarbeit- realisiert werden. Dabei bildet die selbstständige Arbeit in Gruppen eine Schlüsselqualifikation für Projekte. Die verstärkte Aktivität im Betätigungsge­biet nimmt in der Regel zeitlich den Hauptteil des Projektes ein. Die Beteiligten ver­suchen in dieser Phase, das in der Projektskizze Geplante, in die Tat umzusetzen. Es ist von Vorteil, die zuvor getroffenen Vereinbarungen -an der Tafel, Flipchard Whi­teboard- für alle sichtbar zu präsentieren. Alle Beteiligten wissen, wer was zu tun hat. Somit können sie weitgehend selbstständig und unabhängig vom Projektleiter arbeiten. Es ist ebenfalls zu bedenken, dass der konkrete Ablauf eines Projektes nicht nur von der inneren Struktur der Gruppe, sondern auch von äußeren Bedingungen wie Raum, Zeit und Geld abhängt. Alle Beteiligten müssen sich bewusst darüber werden, dass es weder idealtypische Projekte noch ideale Rahmenbedingungen gibt.

2.5.5 Abschluss des Projekts

Frey unterteilt in drei Arten von Projektabschluss. Es gilt die gängige Vorstellung, dass am Ende eines Projektes ein Produkt zu stehen hat. Frey differenziert den Ab­schluss eines Projektes jedoch in den bewussten Abschluss, die Rückkoppelung zur Projektinitiative und das Auslaufenlassen. Bei der ersten Möglichkeit - dem bewuss­ten Abschluss - wird ein greifbares Produkt der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die zweite Variante - der Rückkoppelung zur Projektinitiative - dient den Teilneh­mern dazu, die anfangs festgelegten Ziele mit den erreichten Ergebnissen zu verglei­chen und zu analysieren. Bei diesem Abschluss können alle Beteiligten das gesamte Projekt reflektieren. Das Auslaufenlassen stellt die dritte Möglichkeit des Projektab­schlusses dar. Ein offenes Ende entlässt die Teilnehmer - ohne Bruch - in den Alltag. Laut Frey verstärkt diese Variante die Merkmale, sich selbst zu organisieren, Initiati­ven zu ergreifen und zu kooperieren. Die erlernten Fähigkeiten und Einsichten kön­nen fließend in den Alltag übernommen werden. Es ist jedoch nicht ratsam die Vari­ante des Auslaufenlassens anzuwenden, ein Projekt mangels Zeit oder mangelnder Ergebnisse vorzeitig zu beenden. Jedes Projekt sollte einen begründeten Abschluss finden, um Frustration und Resignation bei sowohl Lehrenden als auch Lernenden auszuschließen.

2.5.6 Fixpunkte

Fixpunkte dienen als organisatorische Schaltstellen des Projektes und können regel­mäßig festgelegt, stattfinden. An diesem Punkt unterbrechen die Teilnehmer kurzfris­tig ihre Arbeit. Fixpunkte dienen zur gegenseitigen Information über die letzten Tä­tigkeiten, zur Planung folgender Schritte, Mitteilung von Zwischenergebnissen, Do­kumentation der Ergebnisse der letzten Phase und um sich eine Auszeit nehmen zu können. Fixpunkte sind wichtig, um das Projekt am Laufen zu halten und sind ange­bracht, wenn Teilnehmer in Hektik oder Produktionszwang geraten oder wenn Teil­nehmer das Gefühl haben, sie würden sich in eigenen Aktivitäten verlieren.

2.5.7 Metainteraktion/ Zwischengespräch

In der Metainteraktion setzten sich die Teilnehmer über das Normalgeschehen im Projekt auseinander. Die Beteiligten halten inne, um über das Abgelaufene oder das Passierende zu sprechen. Das Zwischengespräch hat die zentrale Rolle aus einfachem Tun pädagogisches Tun zu machen. Viele Aktivitäten sind nicht von sich aus bildend und sind reine Routine oder blindes Nachmachen. Es soll eine Distanz zum Thema und den Tätigkeiten eingenommen werden. Im Gegensatz zu Fixpunkten- die sich auf die organisatorischen Aspekte der Arbeit beziehen- hat die Metainteraktion eine pädagogische Sinngebung.

2.6 Legitimation des projektartigen Lernens

Da in der beruflichen Bildung nur selten von der Reinform der Projektmethode ge­sprochen werden kann, wird im Folgenden der Begriff des projektartigen Lernens verwendet. Schon seit mehreren Jahrzenten hat das projektartige Lernen Konjunktur und die Kritik am handlungsarmen, in Fächer aufgespaltenen Unterricht wächst. Ler­nen heißt auch gegenwärtig meist noch Reproduzieren dessen, was der Lehrer vor­gibt. Zusätzlich wird kritisiert, dass sich Schule und das wirkliche Leben zunehmend voneinander entfernen (vgl. Gudjons 2003, S. 125). Projektartiges Lernen ist seit jeher mit sehr hohen Erwartungen befrachtet (vgl. Malmberg 2012, S. 58). „Die wichtigste Einstellung, die gelernt werden kann, ist das Bedürfnis nach weiterem Lernen.“ - Lebenslangem Lernen (Dewey/ Handlin/ Correll 1963, S. 60). Im Zent­rum der Schule, die eine demokratische Miniaturgemeinde sein soll, hat nicht das Lernen bestimmter Gegenstände, sondern das Lernen des Lernens selbst zu stehen (vgl. Suin de Boutemard 1975, S. 255). Dewey wendet sich damit gegen eine zu spe­zielle berufliche Ausbildung, die bedingt durch den raschen technischen Wandel oh­nehin schnell veraltet sein muss.

Die Grundlage des Lernens ist die persönliche Erfahrung (vgl. Dewey/ Handlin/ Cor­rell 1963, S. 96). Für die Erziehung ergibt sich daraus die Notwendigkeit zur Wis­senschaftsorientierung: „..., dass die wissenschaftliche Methode das einzige zur Ver­fügung stehende Mittel ist, mit dessen Hilfe wir die Bedeutung unserer alltäglichen Erfahrungen in unserer Umwelt erfassen können“ (Dewey/ Handlin/ Correll 1963, S. 97).

Durch projektartiges Lernen erlangen die Beteiligten eine Vielzahl an Kompetenzen oder bauen diese weiter aus. Die Zusammenarbeit, Rücksichtnahme und das gemein­same Schaffen bei der kollektiven Realisierung fördern die gegenseitige Anerken­nung, Achtung der Schüler untereinander, also die Sozialkompetenz (vgl. Frey 2012, S. 50). Die Schüler müssen bei Spannungen und Konflikten eigene Wege zur Lösung finden und in der Gruppe sachbezogen diskutieren. Der Erwerb kommunikativer Kompetenz fördert eine gleichberechtigte Kommunikation aller Beteiligten und steht im Gegensatz zur herkömmlichen Situation, dem dominanten Sprechverhalten des Lehrers. Zusätzlich führt die Formulierung von Gefühlen und fachlichen Aussagen in der Gruppe zur ausgeweiteten Sprachbeherrschung bei (vgl. Frey 2012, S. 16). Die­ser Punkt ist gerade in Hinblick auf leistungs- und schichtspezifische Chancenun­gleichheit besonders hervorzuheben. Hier zeigt sich die besondere Bedeutung pro­jektartigen Lernens in Bezug auf die soziale Integration. Die relativ große Freiheit der Schüler erlaubt ihnen, unabhängig, originell und von der Norm abweichend zu denken und hilft ihnen ihre kreative Kompetenz weiter zu entwickeln. Die Offenheit der Lernsituation zwingt den Schüler zur Selbsttätigkeit, zur selbstständigen Infor­mationsbeschaffung, zur Methodik des Lernens. Die Kompetenz zum Selbstunter­richt hilft den Schülern bei der im projektartigen Lernen vorherrschenden Form des Lernens - dem entdeckenden Lernen -, neues Wissen zu erwerben und bisherige Kenntnisse produktiv einzusetzen. Das selbstgewählte Projektthema und die Identifi­kation mit ihm, sowie die Selbsttätigkeit und die evtl. Aussicht auf ein vorzeigbares Produkt fördern die Bereitschaft der Schüler zum Lernen. Durch die gegenüber dem herkömmlichen Unterricht wesentlich stärkere, sachbezogene Motivation, unterstützt durch praktisches Handeln, werden bei projektartigem Lernen größere Lernerfolge erzielt. Durch intensive Diskussion der später in den Gruppen übernommenen Fak­ten, werden diese fest im Gedächtnis der Schüler verankert. Gegenüber dem her­kömmlichen Unterricht kann mit einem größeren Wissenszuwachs und Lernerfolg gerechnet werden, da die Schüler bei projektartigem Lernen eine größere Bereit­schaft entwickeln, auch außerhalb der Unterrichtszeit aus eigenem Antrieb weiterzu­arbeiten. Die umfassende Einheit aller Tätigkeiten, die des Kopfes, der Sinnesorgane und der Hand werden auf praktische Handlungen bezogen. Das Selbsthandeln bei der praktischen Ausführung weckt die Neugier, sich mit der zugrundeliegenden Theorie zu beschäftigen. Umgekehrt entsteht aus der Kenntnis der Theorie das Bedürfnis nach praktischer Umsetzung. Der starke Realitätsbezug führt zu praktischer Anwen­dung und damit auch zu der Einsicht der Wichtigkeit der Beschäftigung mit fachli­chen Inhalten. Durch die Vergrößerung der Handlungsmöglichkeiten im Projektun­terricht kann der Schüler sich - seinen Neigungen und Fähigkeiten entsprechend be­tätigen und so die Kompetenz zu flexiblem beruflichem Handeln erwerben.

2.7 Konsequenzen für die eigene Unterrichtsplanung

Karl Frey entwickelte sein Modell der Projektmethode für Allgemeinbildende Schu­len. Im Gegensatz dazu stellt die berufliche Bildungjedoch eine Besonderheit dar, da die Berufsbildung an mehreren Lernorten stattfindet. Traditionell wird der Begriff Projektunterricht im Zusammenhang mit der Schule verwendet (vgl. Hahne/ Schäfer 2011, S. 3). Im Unterschied zur Allgemeinbildung will die Berufsbildung für die geplante Ausübung von Facharbeit qualifizieren. Bei einem Projekt in der berufli­chen Bildung stellt sich die Frage nach „dem Gebrauchswert der Projektergebnisse, dem Ausbildungswert der erlernten Fähigkeiten und dem Entwicklungswert für die Persönlichkeit“ (Hahne, Klaus/ Schäfer, Ulrich 2011, S. 12). Diese Faktoren dienen zur Entscheidungsfindung bei der Auswahl von Projekten. Projektartiges Lernen dient in der Berufsbildung häufig zur Ergänzung des Lehrgangs oder der überbetrieb­lichen Ausbildung (ÜBA). Aber auch in der Berufsschule ist die Anwendung pro­jektartigen Lernens möglich; es unterliegt dabei jedoch den spezifischen Bedingun­gen dieses Lernorts. Im Folgenden sollen Merkmale erläutert werden, die die hier geplante Anwendung projektartigen Lernens in der Berufsschule kennzeichnen. An­hand der Merkmale wird im Verlaufe dieser Arbeit eine Unterrichteinheit entwickelt.

Die Ablaufstruktur der Unterrichtseinheit orientiert sich an den Phasen der Projekt­methode nach Frey und den methodischen Merkmalen von Gudjons; allerdings gibt es im Detail einige Abweichungen. Bei Projekten in der Berufsschule ist es in der Regel so, dass der Lehrer den Auszubildenden zunächst eine Auswahl an Projekten vorstellt oder ein bestimmtes Projekt vorgibt. Die Ausgestaltung der Inhalte wird jedoch den Auszubildenden überlassen. Im Gegensatz zum Projektverständnis von Frey, sind die Lernenden daher in der Projektinitiative deutlich eingeschränkt. In der beruflichen Bildung bietet sich an, berufliche Fähigkeiten und Fertigkeiten, die in fach- und lernsystematischen Lehrgangsformen erworben wurden, in Projekten zu vertiefen und zu erweitern (vgl. Hahne/ Schäfer 2011, S. 12). Demnach eignen sich Themen, die bereits Inhalt von Lehrgängen und ÜBA waren. Aus einem Kanon von Themen wird dann abgestimmt, welches Projekt realisiert werden soll. Im Gegensatz zur Allgemeinbildung, die die Auszubildenden bereits durchlaufen haben, können in der beruflichen Bildung Projekte gewählt werden, die eng mit dem Ausbildungsberuf zusammenhängen und einen konkreten Nutzen für die weitere Ausbildung darstellen. Es können „reale Aufträge oder Abläufe“, die zum täglichen Arbeitsfeld der Auszu­bildenden gehören, als Projektthema dienen. Der angestrebte Beruf bildet das didak­tische Zentrum unterrichtlichen Handelns. In Lehrgängen oder ÜBA werden meist Übungsstücke oder Produkte angefertigt, die regelhaft in immer gleicher Weise pro­duziert werden. In einem Projekt werden jedoch Produkte erzeugt, die zumeist an­spruchsvoll und selten sind (vgl. Wiemann 2002, S. 156). Die Planung der hier vor­gelegten Unterrichtseinheit mit dem Thema „Blut spenden - Leben retten“ sieht ein Produkt vor, das sowohl von einem hohen gesellschaftlichen Nutzen als auch von Nachhaltigkeit geprägt ist. Die Auszubildenden erstellen in Kleingruppen Werbe­kampagnen zum Thema „Blut spenden“ und sollen so für die Thematik sensibilisie­ren. Es ist ihnen dabei freigestellt, ob sie beispielweise auf den Bedarf von Blutkon­serven aufmerksam machen oder über das Vorgehen einer Blutspende aufklären. Ebenfalls ist ihnen die Form, also das Medium der Werbekampagne überlassen. Es kann sich dabei um einen Radiospot, ein Plakat oder einen kurzen Film handeln.

Wichtig ist, dass das Produkt der Öffentlichkeit präsentiert wird. Je nach Produkt kann z.B. ein Flyer in Arztpraxen verteilt, ein Plakat in Schaukästen aufgehängt oder ein Radiospot im örtlichen Sender ausgestrahlt werden. Zu Beginn des Projektes ist es notwendig, dass die Auszubildenden „auf den Geschmack“ kommen. Sie sollen die Relevanz des Themas kennenlernen und begreifen. Dies kann in Form von Mate­rialien wie Filmen, Bildern oder Zeitungsartikeln erfolgen. Nähere Ausführungen erfolgen in den konkreten didaktischen Überlegungen zum Unterricht unter 5. Didak­tische Planung der Unterrichtseinheit.

Es ist wichtig, dass die Produkte, die innerhalb des Projektes entstehen, für die Ler­nenden einen nachvollziehbaren Gebrauchswert haben. Die Schüler haben mit der Berufswahl bereits ein Interesse an einer Thematik bekannt. Dieses Interesse betrifft all das, was mit ihrem Ausbildungsberuf zusammenhängt. Im konkreten Fall kann die Werbekampagne auch in den Ausbildungsbetrieb implementiert werden und so­mit auf das Thema aufmerksam gemacht werden. Zudem müssen die Anforderungen der Fertigung für den Großteil der Lerngruppe eine sinnstiftende Aufgabe darstellen, „die sie in eigener Planungs- und Durchführungsverantwortung ausführen können“ (Hahne/ Schäfer 2011, S. 13).

Hat sich die Lerngruppe auf ein Thema geeinigt, ist es notwendig, in der Auseinan­dersetzung mit der offen gewählten Projektaufgabe, Ziele zu präzisieren.

In der nächsten Stufe wird der Projektplan entworfen. Besonders wichtig ist die Fest­legung eines Zeitplans. Da die schulische Ausbildung meist nur wenige Tage in der Woche stattfindet, ist es notwendig, einen gut strukturierten Zeitplan zu entwerfen. Aufgrund des engen zeitlichen Rahmens, der für das Projekt zur Verfügung steht, ist ein Projekt, das über mehrere Monate geht, undenkbar. In dem hier entwickelten Pro­jekt wird von einem Umfang von 3 Wochen im Teilzeitunterricht ausgegangen. Ne­ben dem Zeitplan wird auch ein Ablaufplan entworfen, der den Teilnehmern eine inhaltliche Orientierung bietet. Die Projektmitglieder wissen so, welche Arbeits­schritte als nächste anstehen und können auch überprüfen, welche bereits erledigt wurden. Die inhaltliche Strukturierung bietet den Beteiligten eine Art Leitfaden, der abzuarbeiten ist. Es sollte auch daran gedacht werden, sogenannte „Fixpunkte“ ein­zuplanen. Diese Fixpunkte stellen Phasen dar, bei denen die gesamte Klasse zusam­menkommt, um mögliche Fragen zu klären und sich gegenseitig über den Stand der Arbeit zu informieren. Diese Phase ist wichtig, um die Auszubildenden in den Aus­tausch zu bringen.

Der Lehrer muss sich die Frage stellen, ob der Klassenraum den Projektteilnehmern genug Entfaltungsmöglichkeiten bietet oder ob weitere Räume reserviert werden müssen. In der Berufsschule stehen zusätzlich Fachräume zur Verfügung, in denen anders gearbeitet werden kann, als in Allgemeinbildenden Schulen. Im konkret ge­planten Unterricht werden die Auszubildenden in Fachräumen arbeiten, in denen eine große Vielfalt an Medien gegeben ist. Somit haben sie eine Auswahl an Möglichkei­ten zur Erarbeitung der Projektaufgabe. Halten sich nicht alle Schüler in einem Raum auf, ist darauf zu achten, dass alle Schüler möglichst diszipliniert an ihren Aufgaben arbeiten.

Aus der Großgruppe sollten Kleingruppen gebildet werden, die gezielt an Teilaufga­ben arbeiten. „Erst wenn bei der Herstellung komplexer Produkte die Arbeit an dem Endprodukt auf mindestens zwei oder mehrere Auszubildende (bzw. Kleingruppen) aufgeteilt wird, die sich abstimmen müssen, um das Fertigungsziel zu erreichen, kann man von (Projektmethode) im Sinne eines offenen Gruppenfertigungsprozesses sprechen“ (Hahne/ Schäfer 2011, S. 13). Ab diesem Zeitpunkt erarbeiten und planen die Auszubildenden das Projekt weitestgehend selbstständig. Diese Selbstorganisati­on bereitet sie, wie bereits in der Einleitung beschrieben, auf das Berufsleben vor.

Im weiteren Verlauf arbeitet die Projektgruppe in Kleingruppen an ihren Aufgaben. Zu bestimmten, festgelegten Zeiten trifft sich die Großgruppe, um sich über ihren Arbeitsstand auszutauschen. Die Schüler planen und handeln während der gesamten Projektphase überwiegend eigenständig.

Am Ende des Projekts steht ein greifbares Produkt, an dem alle Projektteilnehmer mitgewirkt haben. Dieses kann, wie bereits erwähnt, von einem Plakat, einem Flyer über einen Film bis hin zu einem Radiospot reichen. In der konkret geplanten Unter­richtseinheit werden mehrere Produkte ein großes Ergebnis - eine Werbekampagne - bilden. Das fertige Produkt macht die Arbeit der Gruppe für alle sichtbar. Das entwi­ckelte Produkt wird dann der Öffentlichkeit präsentiert. Im konkreten Fall werden Teile der Werbekampagne in den Ausbildungsbetrieben der Auszubildenden veröf­fentlicht. Auch ist beispielsweise ein Werbespot im regionalen Radiosender denkbar.

Die Präsentation des Produktes soll ein Gefühl von Stolz und Zusammenhalt in den Schülern hervorzurufen.

Projektartiges Lernen, das auf die Bedürfnisse seiner Schüler Rücksicht nimmt, knüpft an ihre beruflichen Erfahrungen an und kann ihnen über berufsbezogene In­halte allgemeine Bildung verschaffen. Berufliche Kenntnisse werden nicht nur in ihrer theoretischen Form aufgenommen, sondern in praktische Tätigkeiten umge­setzt.

Im konkret geplanten Unterricht werden Themen aus den Bereichen Patientenbetreu­ung, Kommunikation, Gesundheits- und Krankheitslehre sowie Wirtschafts- und Sozialprozesse und medizinische Assistenz verzahnt. Somit findet ein fachübergrei­fender und lernfeldorientierter Unterricht statt. Eine beispielhafte Stunden- und Fä­cherübersicht für die Ausbildung zum/ zur Medizinischen Fachangestellten findet sich im Anhang 2.1. Im Anhang 2.2 befinden sich Auszüge aus den Beschreibungen der Fächerinhalte. Dieser Anhang wurde eingefügt, um zu zeigen, dass sich die dort genannten Inhalte im fachübergreifenden Projekt wiederfinden.

In der vorgestellten Unterrichtssequenz ist keine Einführung in die Projektarbeit nö­tig, da die Auszubildenden bereits Vorerfahrungen durch projektorientiertes Arbeiten in anderen Lernfeldern sammeln konnten.

Ob und in wie weit ein Projekt benotet werden soll, hängt sowohl von Schülern als auch von Lehrenden ab. Es besteht dabei jedoch einerseits die Schwierigkeit, ein Projekt und dessen Ergebnisse zu bewerten, da es eine Unterrichtsmethode darstellt, bei der alle Teilnehmer miteinander arbeiten und es somit eine Herausforderung ist, die Arbeit eines Einzelnen zu bewerten. Zusätzlich kann die Gefahr bestehen, dass die Auszubildenden die Benotung fokussieren und somit der eigentlich Lerngegen­stand in den Hintergrund rückt. Andererseits kann die Aussicht auf eine gute Note motivierend wirken. In wie weit und in welcher Form die Projektverlauf und die Pro­jektergebnisse im geplanten Unterricht benotet werden, ist unter 5.7 Bewertung und Auswertung beschrieben.

[...]

Ende der Leseprobe aus 106 Seiten

Details

Titel
Die Verbindung von projektartigem und individualisiertem Lernen. Unterrichtssequenz für die Berufsschule
Hochschule
Universität Hamburg
Jahr
2015
Seiten
106
Katalognummer
V343797
ISBN (eBook)
9783668340121
ISBN (Buch)
9783668340138
Dateigröße
1468 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
verbindung, lernen, unterrichtssequenz, berufsschule
Arbeit zitieren
Anonym, 2015, Die Verbindung von projektartigem und individualisiertem Lernen. Unterrichtssequenz für die Berufsschule, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/343797

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