Parzival - Die Ritterlehre des Gurnemanz


Hausarbeit, 2003

16 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Das Rittertum
2.1. Die Ursprünge
2.2. Das Ritterleben

3. Die Vorgeschichte der Gurnemanz-Episode
3.1. Bei Wolfram
3.2. Unterschiede zu Chrétien de Troyes

4. Die Ritterlehre des Gurnemanz
4.1. Auslegung am Text
4.2. Das ritterliche Tugendsystem

5. Schluss

6. Literaturangaben

1. Einleitung

Die vorliegende Hausarbeit wurde im Rahmen des Proseminars Einführung in die germanistische Mediävistik: Parzival erstellt. Ihr Schwerpunkt liegt bei der Ritterlehre des Gurnemanz, Vers 162, 6 - Vers 179, 12 im III. Buch des Parzival von Wolfram von Eschenbach. Doch auch der Percevalroman von Chrétien de Troyes, der Wolfram als Hauptvorlage diente[1], soll nicht unbeachtet bleiben.

Zuerst möchte ich auf das Rittertum und das Ritterleben im Allgemeinen eingehen, um einen kleinen Einblick in die damalige Zeit zu gewähren. Leider kann die Forschung in diesem Bereich meist nur auf höfische Dichtung zurückgreifen, weshalb die gewonnenen Erkenntnisse keineswegs eindeutig sind oder genau den Tatsachen entsprechen.[2]

Danach werde ich mich der Vorgeschichte der Gurnemanz-Episode zuwenden, um diese chronologisch einzuordnen, Parzivals bisherige Entwicklung zu schildern und die Ausgangssituation für die Ritterlehre des Gurnemanz zu klären. Dabei zeige ich Unterschiede zu Chrétiens Roman auf.

Darauf folgt die Analyse des Parzival-Textes von Wolfram, der Ritterlehre des Gurnemanz. Dem wird ein theoretischer Exkurs in das ritterliche Tugendsystem des Mittelalters folgen, der einige Begrifflichkeiten erklären soll.

Zum Schluss werde ich noch einige Aspekte und vielleicht offen gebliebene Fragen aufwerfen, die mir interessant erscheinen, mit deren ausführlicher Betrachtung ich aber den Rahmen dieser Hausarbeit gesprengt hätte.

2. Das Rittertum

2.1. Die Ursprünge

Das Rittertum ist eine europäische Erscheinung mit regionalen Unterschieden und entstand aus dem Kriegstum und der Feudalgesellschaft, das heißt der Begriff Ritter kann keineswegs nur dem des Reiters gleichgesetzt werden.

Ende des 12. Jahrhunderts entwickelten die Kriegsleute, die miles, allmählich ein Zusammengehörigkeitsgefühl, woraus die Ritterschaft als Gesellschaftsklasse mit eigenem Lebensstil entstand. Aus Kriegern wurden Ritter - immer noch miles genannt - die nun auf einer höheren Entwicklungsstufe standen, da sie nicht mehr nur militärische Ziele verfolgten, sondern auch christlich motiviert waren (miles christianus), sich zum Beispiel für die Armen und Schutzbedürftigen einsetzten.

Die Abstammung des Rittertums von der Feudalgesellschaft lässt sich unter Anderem an folgendem Aspekt des Rittertums erkennen: der Ritter wurde nicht nur miles, sondern auch vasallus genannt, denn er war Diener seines Herrn wie davor der Vasall Diener seines Lehnsherrn war. Der Unterschied zum Dienst des Vasalls besteht darin, dass der Ritter nun nicht mehr nur seinem Herrn, sondern zusätzlich auch noch den Frauen und der Kirche verpflichtet war.[3]

2.2. Das Ritterleben

Ab Mitte des 12. Jahrhunderts konnte nur noch derjenige Ritter werden, dessen Vater Ritter war[4]. Jedoch wurde man keinesfalls wie in den Adel auch in die Ritterschaft geboren - man musste dort erst aufgenommen werden, was Würdigkeit voraussetze: somit war die Erziehung des zukünftigen Ritters unumgänglich. Die Ausbildung begann mit dem Edeldienst. Am Hofe eines Edelmannes lernte der junge Knabe Zucht, das heißt unter Anderem gesittetes Verhalten in Rede und Haltung, damit er sich später einmal zum Beispiel zu Tische bei feinen Gesellschaften zu benehmen wusste – sehr wichtig für das gesellschaftliche Leben des Ritters.

Nach dem Edeldienst kam der Knappendienst, es gab Unterweisungen in Reiten, Turnen, Kämpfen, Werfen, Waffengebrauch, Jagd, Tanz, Lieddichtung und Gesang, damit der Junge später einmal alle Pflichten des Ritters erfüllen konnte.

Ab dem 21. Lebensjahr war es dem Jungen dann möglich zum Ritter geweiht zu werden. Dies geschah in der kirchlichen Zeremonie der Schwertleite per Ritterschlag, beziehungsweise Verleihung und Umgürtung des Rittergürtels und des Schwertes. Das Schwert wurde in der Kirche gesegnet und als Symbol der Verantwortung für Gerechtigkeit überreicht.[5]

Mit Schwert, Lanze, Helm, Panzer und Schild ausgerüstet zog er nun hinaus, um seine Ehre zu gewinnen, zu verteidigen und zu vermehren. Dazu musste er als Diener der Frauen, seines Herrn und der Kirche seine gesellschaftlichen, militärischen und kirchlichen Pflichten erfüllen.

Gesellschaftliche Pflichten waren unter anderem das Verehren der Frauen und das Handeln nach gewissen Grundsätzen. Der Ritter musste vornehm, großzügig und edelmütig sein und er musste natürlich wissen, wie er sich am Hofe zu benehmen hatte. Gerade der Adel war dazu da, weniger militärisch, als eher gesellschaftlich zu repräsentieren und gewisse herrschaftliche Funktionen zu erfüllen.

Eine der militärische Pflichten war der Waffendienst im Kampf. Der Ritter musste im Kampf zusammen mit seinen Gefährten das Land befrieden, wenn es sein musste Blut und Leben dafür lassen. Da die Eroberung von Burgen aber immer weniger von der kämpferischen Komponente abhing, sondern die Burgen vielmehr durch Aushungerung als durch Eroberung fielen, konnte der Ritter sich mehr und mehr um die Ritterkultur mit Turnieren und Hoffesten kümmern.

Die kirchlichen Pflichten bestanden aus karitativem Dienst, der Ritter musste die Armen, Alten und Schwachen schützen, des Weiteren aus der Verehrung und Verteidigung Gottes in oberster Instanz und der Bekämpfung jeglichen Unglaubens, was in den Kreuzzügen gipfelte.[6]

„Im gesamten Rittertum ging es letztlich um die Zivilisierung des Kampfes durch Frauenkult (Kampf für die Ehre einer Dame) und Ethik (Schutz der Schwachen, Witwen und Waisen).[7] – dass die Wirklichkeit damals etwas anders aussah, sei hier nur kurz erwähnt.[8] Vielleicht verlor deshalb das Rittertum schon im 13. und 14. Jahrhundert verlor an Bedeutung, war nur noch Modeerscheinung und wurde hauptsächlich aus ästhetischen Gründen betrieben. Im 16. Jahrhundert ging der ritterliche Lebensstil dann vollends unter – er war in Anbetracht der damaligen Situation in Europa einfach nicht mehr angemessen.[9]

3. Die Vorgeschichte der Gurnemanz-Episode

3.1. Bei Wolfram

Parzival verbringt seine Kindheit abgeschieden vom höfischen Leben, er hat keine Vorstellung vom Rittertum. Herzeloyde verbirgt Parzival absichtlich im Wald, um ihn „vor den Gefährdungen der Welt zu schützen“ (Vers 117, 14/15), die seinen Vater Gachmuret das Leben kosteten. Doch Parzival verspürt trotzdem eine tiefe „unbestimmte Sehnsucht“[10] in seinem Herzen (Vers 118, 26-28), die schon hier andeutet, dass er zu etwas berufen scheint.

Seine erste Begegnung mit Rittern ist zufällig. Da er noch nie etwas von Rittern gehört hat, hält er sie für Gott (Vers 120, 28), denn sie sind „strahlender noch als der helle Tag“ (Vers 119, 19) – so wie ihm seine Mutter Gott beschrieben hat. Er stellt ihnen viele Fragen (Vers 123, 3-Vers 124, 3) und die vier Ritter klären ihn auf, sagen ihm was ein Ritter ist (Vers 123, 3), wer die Ritterwürde verleiht (Vers 123, 6) und welche Rüstung nötig ist (Vers 124, 1-3). Sie vermuten schon Parzivals ritterliche Herkunft (Vers 123, 11).

Parzival ist nun fest entschlossen Ritter zu werden, er möchte sofort zu Artus reiten, der die Ritterwürde verleiht (Vers 126, 9-14). Er verlangt von seiner Mutter Herzeloyde ein Pferd. Diese hat Angst um ihren Sohn, möchte verhindern, dass er jemals Ritter wird und gibt ihm deshalb nur einen alten Gaul und ein Narrenkleid (Vers 126, 19-29). Sie denkt, er würde sich damit blamieren und wieder zu ihr zurückkehren. Des Weiteren nennt sie ihm seinen Stand und seinen Hauptfeind Lähelin (Vers 128, 3-10) und gibt ihm noch ein paar Ratschläge mit auf den Weg. Sie rät ihm zum Beispiel, dass er Ring und Kuss von edlen Frauen erringen und beim Küssen und Umarmen nicht zögern soll (Vers 127, 26-30). Da er diesen wie auch alle anderen Ratschläge wörtlich nimmt und strikt befolgt, überfällt er Jeschute in seiner Unwissenheit.

[...]


[1] Vgl. Reichert, Hermann: Wolfram von Eschenbach Parzival für Anfänger. Eine Vorlesung. Wien 2002. S. 71.

[2] Vgl. Fleckenstein, Josef: Vom Rittertum im Mittelalter. Perspektiven und Probleme. Goldbach bei Aschaffenburg 1997. (Bibliotheca Eruditorum. Internationale Bibliothek der Wissenschaften, Band 19, hgg. von Domenico Maffei und Horst Fuhrmann). S. 105.

[3] Vgl. Fleckenstein (1997). S. 105-108.

[4] Vgl. Otto, Eberhard: Von der Abschließung des Ritterstandes (1940). In: Borst, Arno (Hg): Das Rittertum im Mittelalter, 2. unveränderte Ausgabe, Wege der Forschung, Band 349. Darmstadt 1989. Seite 106 und 112.

[5] Vgl. Painter, Sidney: Die Ideen des Rittertums (1935). In: Borst, Arno (Hg): Das Rittertum im Mittelalter, 2. unveränderte Ausgabe, Wege der Forschung, Band 349. Darmstadt 1989. Seite 36.

[6] Vgl. Fleckenstein (1997). S. 108-114.

[7] Schwanitz, Dietrich: Bildung. Alles was man wissen muss. Frankfurt am Main 1999. S. 118.

[8] Vgl. Kuhn, Hugo: Soziale Realität und dichterische Fiktion am Beispiel der höfischen Ritterdichtung Deutschlands (1952). In: Borst, Arno (Hg): Das Rittertum im Mittelalter, 2. unveränderte Ausgabe, Wege der Forschung, Band 349. Darmstadt 1989. Seite 181-187.

[9] Vgl. Ganshof, Francois Louis: Was ist das Rittertum? (1947). In: Borst, Arno (Hg): Das Rittertum im Mittelalter, 2. unveränderte Ausgabe, Wege der Forschung, Band 349. Darmstadt 1989. Seite 140.

[10] Reichert, Hermann: Wolfram von Eschenbach Parzival für Anfänger. Eine Vorlesung. Wien 2002. S. 72.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Parzival - Die Ritterlehre des Gurnemanz
Hochschule
Universität Karlsruhe (TH)
Note
1,7
Autor
Jahr
2003
Seiten
16
Katalognummer
V34403
ISBN (eBook)
9783638346290
Dateigröße
545 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Parzival, Ritterlehre, Gurnemanz
Arbeit zitieren
B.A. Yvonne Hoock (Autor:in), 2003, Parzival - Die Ritterlehre des Gurnemanz, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/34403

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