Telefoninterviews in der empirischen Sozialforschung. Interviewdauer in Abhängigkeit möglicher Determinanten


Hausarbeit (Hauptseminar), 2008

13 Seiten, Note: 1,7

Selina Thal (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1.1. Die Dauer des Telefoninterviews
1.1.1. Einleitung
1.1.2. Theorie und Hypothesen
1.1.3. Deskription der Interviewdauer in Abhängigkeit möglicher Determinanten
1.1.4. Überprüfung der Hypothesen / Ergebnisse der multiplen Regression
1.1.5. Fazit
1.1.6. Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Verteilung der Interviewdauer nach Anzahl der Interviews

Abb. 2: Durchschnittliche Interviewdauer nach Anzahl der vollständigen Interviews

Abb. 3: Durchschnittliche Interviewdauer bei Verständnisproblemen

Abb. 4: Durchschnittliche Interviewdauer bei Ausschweifungen

Abb. 5: Durchschnittliche Interviewdauer nach (Fach)Hochschulabschluss, Abitur, EOS

Abb. 6: Durchschnittliche Interviewdauer nach Altersgruppen

Abb. 7: Durchschnittliche Interviewdauer nach Geschlechterkonstellationen

Tabellenverzeichnis

Tab. 1: Vergleich des kürzesten und des längsten Interviews

Tab. 2: Ergebnisse der multiplen linearen Regression

1.1.1. Einleitung

Die vorliegende Arbeit hat es sich zur Aufgabe gemacht, im Sinne der Methodenforschung, die Interviewdauer der im Rahmen der Lehrveranstaltung „Empirische Sozialforschung I + II“ durchgeführten Telefonumfrage zur sozialen Sicherheit näher zu untersuchen. Neben der rein deskriptiven Beschreibung, wie es in jedem Methodenbericht üblich ist, sind auch die Determinanten der Interviewdauer von Interesse.

Zwar liegen „Telephoninterviews mit einer Dauer von einer Stunde, bisweilen sogar 1½ Stunden, (…) durchaus im Bereich des Möglichen“, jedoch können effizient durchgeführte Interviews zu einer erhöhten Datenqualität sowie zu einer größeren Fallzahl beitragen (Diekmann 2006: 431). Einerseits könnten aus den gefundenen Determinanten normative Vorschläge zur Verbesserung der Durchführung des Interviews erwachsen, andererseits handelt es sich bei der Suche nach Einflüssen auf die Interviewdauer um ein relativ unerforschtes Gebiet. Daher kann diese Arbeit ebenfalls als ein Versuch der Erweiterung der Methodenforschung angesehen werden.

Es ist zu konstatieren, dass es sich bei der etablierten computergestützten telefonischen Befragung um eine ganz besondere Art der Kommunikation handelt: So muss „der Interviewer nicht nur mit dem Befragten (…), sondern auch mit dem Computer“ interagieren (Lukanow 2006: 72). In diesem Zusammenhang sollen speziell die Einflüsse des Befragten- und Interviewergeschlechts auf die Interviewdauer getestet werden. Allgemein lässt sich sagen, dass die Methodenforschung bisher fast ausschließlich die Effekte zwischen Befragten- und Interviewergeschlecht im Kontext von möglichen Antwortverzerrungen und der etwaigen Aufnahme des Interviews betrachtet hat (Schnell/Hill/ Esser 1995, zitiert nach Buchwald 2006: 58; Diekmann 2006: 382ff.; Koll 2006: 26f.). Eventuell hängt aber die Interviewdauer auch davon ab, um welche konkrete Geschlechterkonstellation es sich zwischen den Interviewpartnern handelt.

Im Folgenden gilt es zu zeigen, wie es sich sowohl damit als auch mit anderen möglichen Determinanten in der deutschlandweiten Telefonumfrage vom Sommersemester 2007 verhält. Der Zweck der Arbeit besteht jedoch keineswegs darin, eine Vollständigkeit der Determinanten der Interviewdauer abzubilden, vielmehr sollen erste Erkenntnisse bezüglich der Fragestellung gewonnen werden. Alle Berechnungen stützen sich dabei auf den Datensatz für methodische Analysen ESF07/08_used.

In einem ersten Schritt wird auf den theoretischen Hintergrund der möglichen Determinanten der Interviewdauer und der daraus abzuleitenden Hypothesen eingegangen. Da es wegen des innovativen Ansatzes nicht immer möglich war fundierte Theorien zu finden, werden diese gegebenenfalls durch schon gewonnene empirische Erkenntnisse ersetzt. In einem zweiten Schritt erfolgen zunächst die deskriptive Darstellung der Interviewdauer in Abhängigkeit ihrer möglichen Determinanten und danach die Überprüfung der Hypothesen durch die multiple Regression. Abschließend wird zu den Ergebnissen Stellung genommen, nach Erklärungsansätzen gesucht und einige mögliche Vorschläge unterbreitet.

1.1.2. Theorie und Hypothesen

Um einen ersten Eindruck davon zu gewinnen, welche Faktoren für den theoretischen Hintergrund relevant sein könnten, werden die beiden Extremfälle der Interviewdauer zu Rate gezogen.

Tab. 1: Vergleich des kürzesten und längsten Interviews

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Beim Vergleich der Fälle ist vor allem der Altersunterschied von 23 Jahren der beiden Befragten auffällig. Zusätzlich gab der Interviewer des längsten Interviews an, die befragte Person wäre nahezu durchgängig ausgeschweift. Im Gegensatz dazu wurden beim kürzesten Interview keine Ausschweifungen notiert. Das längste Interview führte ein männlicher Interviewer mit einem männlichen Befragten, wohingegen im Falle des kürzesten Interviews zwei Frauen miteinander kommunizierten.

(1) Anzahl der vollständigen Interviews

Zwar konnte der Einfluss der Interviewererfahrung bisher nur schwer analytisch nachgewiesen werden, jedoch konnte eine „Untersuchung von Bailar (…) einen Zusammenhang zwischen der Interviewererfahrung und der Angabe zum Einkommen feststellen. Dort zeigte sich, dass die Interviewer ohne viel Erfahrung Angst davor hatten, die Frage nach dem Einkommen könne den Interviewablauf gefährden“ (Bailar/Bailey/ Stevens 1977, zitiert nach Buchwald 2006: 75). Mehr Erfahrung erhöht demnach die Selbstsicherheit des Interviewers, was wiederum zu einem „reibungsloseren“ Interviewablauf führen kann. Daraus leitet sich die Hypothese ab: Je mehr vollständige Interviews ein(e) Interviewer(in) absolviert hat, desto kürzer ist die Interviewdauer.

(2) Verständnisprobleme

Die logische Schlussfolgerung, dass mit einem erhöhten Grad an Verständnisproblemen auch die Interviewdauer steigt, erscheint wohl jedem plausibel. So geht mit möglichen Verständnisproblemen auch ein erhöhter Redeaufwand seitens des Interviewers zum Ausräumen der Probleme einher. Zudem werden Fragen in diesem Kontext häufig wiederholt und die vorhandenen Probleme gegebenenfalls durch den Befragten erklärt. Das bestätigt auch ein Forschungsbericht aus dem Zentrum für Sozialforschung Halle: „[es können] in der Wahrnehmung der Interviewpartner unsinnige oder unverständliche Fragen (…) einen höheren Aufwand bei der Antwortgabe bewirken und (…) eine verlängernde Wirkung auf das Interview ausüben.“ (Buchwald 2006: 37). Dementsprechend lautet die Hypothese: Treten Verständnisprobleme während der Befragung auf, so verlängert sich die Dauer des Interviews.

(3) Ausschweifungen

Ausschweifungen liegen immer dann vor, wenn der Befragte die streng formale Kommunikationsstruktur in einem Telefoninterview durchbricht und zum Beispiel über die geforderte Antwort hinaus Informationen an den Interviewer weitergibt. Genau wie bei Verständnisproblemen, handelt es sich demnach bei Ausschweifungen und ihre anzunehmende Wirkung auf die Interviewdauer um einen logisch nachvollziehbaren Sachverhalt: Wenn der Befragte ausschweift, dann dauert das Interview länger.

(4) Schulabschluss des Befragten

Hinsichtlich der Interviewereffekte existiert die Theorie der sozialen Distanz zwischen Interviewer und Befragtem. Die Hypothese, die sich aus der Theorie ableiten lässt, besagt: „the greater the differences in social group identification between respondent and interviewer, the greater the likelihood of bias” (Landis/Sullivan/ Sheley 1973, zitiert nach Johnson/ Moore 1993: 1). Die soziale Distanz lässt sich neben der subjektiven Schichteinstufung unter anderem durch den Bildungsunterschied zwischen Interviewern und Befragten messen. Da es sich bei den InterviewerInnen bezüglich ihres Bildungsabschlusses um eine relativ homogene Gruppe handelt (Studenten mit einer allgemeinen Hochschulreife), wird ausschließlich der Schulabschluss der Befragten betrachtet. Weiterhin impliziert die Theorie der sozialen Distanz, dass die Kommunikation zwischen Interviewer und Befragten weniger gehemmt sei, wenn sich beide Interaktionspartner bezüglich ihres sozialen Status annähernd gleich fühlten (Freeman/ Butler 1976, zitiert nach Johnson/ Moore 1993: 2). Es wird daher angenommen, dass eine gehemmte Kommunikation, bei großer sozialer Distanz beziehungsweise großem Bildungsunterschied zwischen Interviewer und Befragten, zu einer verlängerten Interviewdauer führt. Daraus resultiert die Hypothese: Bei Personen mit niedrigeren Bildungsabschlüssen dauert das Interview länger als mit Befragten mit höheren Bildungsabschlüssen.

(5) Das Alter des Befragten

"Communication is generally less inhibited between interviewers and respondents who perceive themselves to be alike" (Freeman/ Butler 1976, zitiert nach Johnson/ Moore 1993: 2). Das Gleichheitsgefühl wurde in diesem Zusammenhang zwar nicht eindeutig definiert, aber es kann angenommen werden, dass dieses auch mit gleichem Alter produziert werden könnte. Das bedeutet, dass Gleichaltrige möglicherweise besser miteinander kommunizieren könnten als Interviewpartner mit einem großen Altersunterschied. Erneut handelt es sich bei den InterviewerInnen bezüglich ihres Alters um eine relativ homogene Gruppe (Studenten im Alter von ca. 20-25 Jahren), die es erlaubt, sich auf die Variation des Befragtenalters zu beschränken. Außerdem können durch altersbedingte Krankheiten das Verständnis und das Erinnerungsvermögen stark eingeschränkt sein, was wiederum auch einen möglichen Einfluss auf die Länge des Interviews darstellt. Es wird folglich von dieser Hypothese ausgegangen: Je älter der Befragte, desto länger dauert das Interview.

(6) Geschlechterkonstellationen zwischen Interviewern und Befragten

„Im Vergleich zu Männern kommunizieren und improvisieren Frauen besser, sie verfügen über eine höhere Sozialkompetenz und reagieren flexibler auf Veränderungen.“ (Sandberg 2006: 1). Möglicherweise beeinflussen solche Vorteile, die weiblicher Kommunikation zugeschrieben werden, die Länge des Interviews. Die Hypothese wird zudem unterstützt durch die Ergebnisse von Nealon (1983), der feststellte, dass männliche Interviewer länger für die Interviews brauchten als ihre Kolleginnen (Nealon 1983, zitiert nach Buchwald 2006: 75). Auch Benney et al. konstatieren, dass „men and women in each other´s presence talk more conventionally, act more formally, than groups of one sex” und dass diese Verhaltensmuster Einfluss auf Umfang und Inhalt des Interviews haben (Benney et al. 2003: 35). Deshalb wird angenommen, dass die weiblichen Interviewer mit weiblichen Befragten eine kürzere Interviewdauer aufweisen als männliche Interviewer mit männlichen Befragten.

1.1.3. Deskription der Interviewdauer in Abhängigkeit möglicher Determinanten

Bei der Umfrage zur sozialen Sicherheit betrug die durchschnittliche Interviewdauer für ein vollständig geführtes Interview 22:30 Minuten. Nicht in die Berechnung mit einbezogen wurden fünf von den 324 Fällen, bei denen die unrealistische Interviewdauer von unter 13 Minuten auftrat. Des Weiteren wurden ab der 37. Minute fünf weitere Fälle ausgeschlossen, da es sich bei diesen um Ausreißer handelt. Anhand der Grafik (Abb.1) wird deutlich, dass sich die Interviewdauer in Abhängigkeit mit der Anzahl der durchgeführten Interviews leicht linksschief verteilt, was einerseits auf die zehn Ausfälle und andererseits auf die a priori determinierte Mindestdauer eines vollständigen Interviews zurückzuführen ist. Zudem ist die Wahrscheinlichkeit unter der durchschnittlichen Interviewdauer zu liegen höher gewesen als über ihr zu liegen, was auf die ausgeprägte Filterführung des Fragebogens zurückgeführt werden könnte. Im Bereich von 20 - 23 Minuten wurden mit einer Anzahl von 77 der insgesamt 314 Befragungen die meisten vollständigen Interviews geführt.

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Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Telefoninterviews in der empirischen Sozialforschung. Interviewdauer in Abhängigkeit möglicher Determinanten
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Institut für Sozialwissenschaften)
Veranstaltung
Empirische Sozialforschung I + II
Note
1,7
Autor
Jahr
2008
Seiten
13
Katalognummer
V344349
ISBN (eBook)
9783668341524
ISBN (Buch)
9783668341531
Dateigröße
698 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Empirische Sozialforschung, Telefoninterview, Dauer Telefoninterview, Interviewdauer, Hausarbeit Empirische Sozialforschung, Hausarbeit Telefoninterview, CATI, Hausarbeit CATI, Telefonumfrage, Hausarbeit Telefonumfrage, Interview, Interviewererfahrung, Interviewereffekte, Verteilung Interviewdauer, durchschnittliche Interviewdauer, vollständiges Interview, vollständig Interview, Regression, Regressionsmodell, Regression Interviewdauer, Regressionsmodell Interviewdauer, Verständnisprobleme Interview, Kenneth Bailey, Mark Benney, Andreas Diekmann, Christina Buchwald, Moritz Fedkenheuer, Timothy Johnson, Jack Nealon, Inger-Marie Sandberg, effects of male telephone interviewers, effects of female telephone interviewers, gender interactions between interviewer and survey respondents, Methodenbericht, ESF, age interview, sex interview, multiple Regression, Population, Gesamtpopulation
Arbeit zitieren
Selina Thal (Autor:in), 2008, Telefoninterviews in der empirischen Sozialforschung. Interviewdauer in Abhängigkeit möglicher Determinanten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/344349

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