Generation Online. Eine vergleichende Untersuchung der Rezeption von Print- und App-Artikeln am Beispiel der Wochenzeitung »DIE ZEIT«.


Bachelorarbeit, 2016

80 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhalt

Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Ausgangssituation und theoretischer Rahmen
2.1 Rezeptionsforschung
2.2 Die Generation Online und die Digital Natives
2.3 Forschungsstand
2.4 Forschungshypothesen

3. Empirischer Teil
3.1 Produktanalyse
3.1.1 Die Wochenzeitung „DIE ZEIT“ und das Ressort „Wissen“
3.1.2 Ausgewählter Artikel „ Wozu ein Handy?“
3.1.3 Ausgewählter Artikel „ Die perfekte Erinnerung
3.1.4 Vergleich der beiden Darstellungsweisen und mögliche Problem-Elemente
3.2 Methodenauswahl
3.2.1 Methode: Lautes Denken
3.2.2 Methode: Blickaufzeichnung/Eye-Tracking
3.2.3 Methode: Leitfadeninterview
3.2.4 Methode: Fragebogen
3.2.5 Durchführung

4. Forschungsergebnisse
4.1 Aspekt: Orientierung und Gestaltung
4.2 Aspekt: Leseerlebnis
4.3 Aspekt: Situation und Präferenz (Print vs. App/Digital)

5. Zusammenfassung und Diskussion

6. Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

Anhang

Probandenmatrix

Setting

Leitfaden

Fragebogen

Visualisierungen zur Interpretation von Blickdaten

Weitere Verbalisierungen der Probanden zu den einzelnen Aspekten

Abbildungsverzeichnis

Titelbild: Scan Path aller Probanden - „Wozu ein Handy?“ - Printversion

Abbildung 1: Screenshot Startbildschirms „Wozu ein Handy?“ - App-Darstellung

Abbildung 2: Areas of Interest - „Die perfekte Erinnerung“ - Printversion

Abbildung 3: Areas of Interest der beiden Artikel - App-Version

Abbildung 4: Areas of Interest der beiden Artikel - App-Version

Abbildung 5: Areas of Interest - Artikel „Wozu ein Handy?“ - Printversion

Abbildung 6: Orientierungselemente in allen vier Darstellungsformen

Abbildung 7 : Screenshot Scan Path-Video - „Die perfekte Erinnerung“ - Printversion

Abbildung 8 : Screenshot Scan Path-Video - „Die perfekte Erinnerung“ - App-Version

Abbildung 9 : Sequence Chart - Bildelemente - „Die perfekte Erinnerung“ - Printversion

Abbildung 10: Sequence Chart - Bildelemente - „Die perfekte Erinnerung“ - App-Version

Abbildung 11 : Screenshot Scan Path-Video - „Wozu ein Handy?“ - Printversion

Abbildung 12 : Screenshot Scan Path-Video - „Wozu ein Handy?“ - App-Version

Abbildung 13 : Sequence Chart Bildelemente - „Wozu ein Handy?“ - Printversion

Abbildung 14 : Sequence Chart Bildelemente - „Wozu ein Handy?“ - App-Version

Abbildung 15: Heatmap Gesamtbetrachtung - „Die perfekte Erinnerung“ - App-Version

Abbildung 16 : Heatmap Gesamtbetrachtung - „Die perfekte Erinnerung“ – Printversion

Abbildung 17 : Heatmap Gesamtbetrachtung - „Wozu ein Handy?“ - Printversion

Abbildung 18: Heatmap Gesamtbetrachtung - „Wozu ein Handy?“ - App-Version

Abbildung 19: Binningchart Gesamtbetrachtung - „Wozu ein Handy“ - Printversion

Abbildung 20: Binningchart Gesamtbetrachtung - „Die perfekte Erinnerung“ - Printversion

Abbildung 21: Binningchart Gesamtbetrachtung - „Wozu ein Handy“ - App-Version

Abbildung 22: Binningchart Gesamtbetrachtung - „Die perfekte Erinnerung“ - App-Version

Abbildung 23: Sequence Chart Uhrzeiten Pixelcluster - Printversion

1. Einleitung

„Nichts ist so alt wie die Zeitung von gestern“ – so lautet ein bekanntes deutsches Sprichwort. Doch möglicherweise wird diesen Satz schon in ein paar Jahrzehnten niemand mehr richtig verstehen. Denn was ist eine Zeitung von gestern, wenn man bereits in der heutigen Zeit Informationen im Minuten- oder sogar Sekundentakt bekommen kann? Vom „Zeitungssterben“ ist in Deutschland spätestens seit der Einstellung der Frankfurter Rundschau und der deutschen Financial Times im Dezember 2012 die Rede.

Dennoch handelt es sich ein Stück weit immer um Spekulationen, wenn vom Zeitungssterben gesprochen wird. Fakt ist allerdings, dass man von einem „einschneidende[n] Strukturwandel“[1] durch das Internet sprechen kann. Medien durchdringen heute nahezu unser ganzes Leben. „Vom Arbeitsplatz bis in den Freizeitbereich“ beschäftigt sich jeder von uns „im Durchschnitt zehn Stunden am Tag mit Medien, seien es Bücher, Zeitungen, Hörfunk, Fernsehen, Tonträger oder das Internet.“[2] Wenngleich sich die gedruckte Zeitung in ihrer Erscheinung über die Jahrzehnte stark gewandelt hat tritt sie immer mehr in Konkurrenz mit den neuesten technischen Möglichkeiten wie beispielsweise der digitalen Nutzung auf mobilen Endgeräten wie dem Smartphone oder Tablet. Es liegt nahe, dass wenn sich die Mediennutzungsgewohnheiten verändern und sich neue Technologien entwickeln, auch traditionelle Medien wie die Zeitung, welche eines der ältesten Massenmedien darstellt, neu erfinden müssen. So kam es, dass die Blätter online gingen und es in der Zwischenzeit Normalität darstellt auch parallel digital zu existieren.

Vor allem das Internet spielt im Bezug auf die Mediennutzung bei der sogenannten Generation Online, jener Generation, welche nach 1980 geboren und somit mit der Digitalisierung aufgewachsen ist, eine sehr bedeutende Rolle. Es handelt sich bei den sogenannten Digital Natives (deutsch: Digitale Eingeborene) um die erste Generation von Menschen, welche direkt im Kindesalter mit dem Internet in Berührung trat . „They all have access to networked digital technologies. And they all have the skills to use those technologies“[3] heißt es nach Marc Prensky, dem Begründer des Begriffs. Aber nutzen Digital Natives Medien heute tatsächlich anders als ihre Vorgänger-Generationen? Sind sie wirklich so onlineaffin wie man es ihnen zuschreibt? Und wenn ja, kommen sie mit Printprodukten überhaupt noch zurecht? Was empfinden sie bei der Nutzung? Welche Unterschiede in ihrem Leseverhalten lassen sich bei der Nutzung ein und desselben Produkts ausmachen, wenn es ihnen auf unterschiedliche Arten präsentiert wird? Genau dies soll in dieser Arbeit untersucht werden. Wie rezipiert die Generation Online Medien und insbesondere Printmedien und wie ergeht es ihr dabei? Betrachtet werden soll dabei nicht nur die Zeitung in ihrer ursprünglichsten Form; gedruckt auf Papier, sondern auch ihre moderne Variante – digital zur Verfügung gestellt via Web-App. Untersuchungsgegenstand stellt dabei nicht irgendeine Zeitung dar, sondern eine der erfolgreichsten[4] in Deutschland: Die Wochenzeitung „DIE ZEIT“.

2. Ausgangssituation und theoretischer Rahmen

2.1 Rezeptionsforschung

Die Rezeptionsforschung befasst sich seit vielen Jahren mit der Aneignung von Medienangeboten. Diese Aneignung kann als Interaktion zwischen dem Medium selbst und dem Rezipienten (Leser, Hörer, Zuschauer, ...) verstanden werden. Es soll dabei nicht etwa darum gehen, was die Medien mit den Menschen machen, sondern umgekehrt um die Frage, was Menschen mit den Medien machen. Wie eignen sich Menschen Medieninhalte an und warum machen sie dies? Die Rezeptionsforschung sucht somit nach Gründen und Motiven und lässt sich damit innerhalb der qualitativen Forschung verorten. Bei der qualitativen Rezeptionsforschung stehen in die Tiefe gehende Einsichten, statt repräsentativen, generalisierbaren Daten im Vordergrund. Repräsentativität wird in der qualitativen Forschung durch eine Typisierung abgelöst; man sucht nach typischen Deutungs- und Handlungsmustern.[5]

2.2 Die Generation Online und die Digital Natives

Der Ausdruck Generation Online wird in der vorliegenden Arbeit synonym für Generation Y verwendet. Die Bezeichnung versucht eine Charakterisierung jener Bevölkerungsgruppe vorzunehmen, welche als erste Generation schon ab dem Kindesalter mit dem Internet und der Digitalisierung in Berührung gekommen ist und für die Leben und digitale Welt (im weitesten Sinne) wechselwirkend Einfluss aufeinander nehmen. Die Bezeichnung Digital Native prägte 2001 der Lehrer und Publizist Marc Prensky.[6] Der Ausdruck Generation Y wurde bereits im Jahr 1993 erstmals verwendet.[7] Dabei steht das Y für das englische Fragewort Why, was die Charaktereigenschaft des Hinterfragens der Generation hervorheben soll. Was neben dieser zugeschriebenen Charaktereigenschaft jedoch viel stärker im Bezug auf die Nachfolger-Generation der Generation X betont wird, ist ihre Technik- und Medienaffinität, weshalb sie in dieser Arbeit mit dem Ausdruck Generation Online beschrieben werden soll, wie sie auch im Laufe der Jahre umgangssprachlich immer wieder genannt wurde.

Kann man nun dieser ersten Generation von Digital Natives ein abweichendes Kommunikationsverhalten von ihren Vorgänger-Generationen nachsagen? Und das allein aufgrund der Tatsache, dass sie in diese bestimmte Zeit „hineingeboren“ wurden? Die aktuellen Zahlen zur Mediennutzung in Deutschland aus der ARD-ZDF-Onlinestudie machen die Ausprägung beziehungsweise das Vorhandensein der Onlineaffinität sehr deutlich: Die durchschnittliche Internetnutzungsdauer beträgt hierzulande bei den 14- bis 29-Jährigen 233 Minuten pro Tag. Damit liegt die Nutzung dieser Gruppe von Jugendlichen und jungen Erwachsenen sehr weit über der durchschnittlichen Nutzung der Gesamtbevölkerung (alle Befragten ab 14 Jahren), die lediglich 111 Minuten pro Tag beträgt. Auch stellt das Internet damit für die 14-bis 29-Jährigen das meistgenutzte Medium an sich dar. Dahinter liegen der Hörfunk mit einer Nutzung von 142 Minuten und das Fernsehen mit 128 Minuten pro Tag. Die tägliche Zeitungsnutzung fällt in dieser Altersgruppe dagegen sehr gering aus. Gerade einmal zehn Minuten pro Tag liest ein 14-bis 29-Jähriger heute im Durchschnitt Zeitung.[8] Was jedoch die Informationsbeschaffung angeht, spielt die Zeitung noch eine sehr wichtige Rolle und wird von den 14- bis 29- Jährigen nach Internet (90,2%) und Fernsehen (72,6%) mit 57,2% am dritthäufigsten als Medium zur Beschaffung von Informationen genannt.[9]

Die Zahlen zeigen, dass die Generation Online also tatsächlich viel Zeit online verbringt. Laut Martha Sarah Stevens entstehe durch das neue Mediennutzungsverhalten eine „Kultur der Sofortness“[10], welche von Ungeduld geprägt sei. Der Alltag wird beschleunigt, was dazu führt, „dass Aufmerksamkeit und soziale Anerkennung eine zukünftige Währung darstellen.“[11] Somit leben wir in einem Zeitalter von „Überfluss, Überinformation und Überlastung“[12], was zusammen mit der Schnelligkeit des Alltags dazu führe, dass Medien und Medieninhalte um die Aufmerksamkeit von Digital Natives konkurrieren müssten. Des Weiteren hätten sich laut Joachim Blum und Hans-Jürgen Bucher auch die Sehgewohnheiten im Laufe des digitalen Zeitalters verändert. Und zwar „so grundlegend [...], dass Texte ohne optische Anreize kaum noch den Weg zum Leser finden“[13], was die Bedeutsamkeit von Textdesign in den Vordergrund rückt.

2.3 Forschungsstand

„Anstelle der Frage, was die Medien mit den Menschen machen, steht nun die Frage, was die Menschen mit den Medien machen, im Zentrum des Forschungsinteresses“[14] – so heißt es im Bezug auf die Rezeptionsforschung.

Was macht also die Generation Online mit einem Printmedium, das offensichtlich im Gegensatz zum Internet nur selten und in geringem Ausmaß genutzt wird? Wie erleben Digital Natives das Lesen zweier Artikel auf unterschiedlichen Ausgabemedien? Was empfinden sie? Worüber denken sie nach? Wie stark sind sie involviert? Welche Unterschiede in der Darstellung stellen sie bewusst und unbewusst fest und was bewirken diese? Rezeptionsforschung und Blickauszeichnungsstudien zum Thema Print und Online/Digital gibt es bereits seit den 1990er Jahren[15]. Eine der ersten Blickaufzeichnungsstudien zur Zeitungsrezeption stellt Norbert Küppers Untersuchung Research into Newspaper Reading Behaviour aus dem Jahr 1990 dar. Dabei wurde beobachtet, dass hervorgehobenen Elementen auf einer Zeitungsseite, wie Fotos und Überschriften, mehr Beachtung geschenkt werden als dem Text.[16] Das Stanford-Poynter-Project befasste sich im Jahr 2000 mit der Untersuchung von Online-Stimuli. Die Ergebnisse der Studie zeigten, dass Überschriften und Teaser die Haupteinstiegselemente bei Onlineangeboten darstellen, während der Einstieg bei Zeitungen hauptsächlich über Bilder und Grafiken erfolgt. Dies konnte durch die 2004 durchgeführte Poynter-Studie Eyetrack III bestätigt werden.[17] Die laut Hans-Jürgen Bucher und Peter Schuhmacher bislang „am breitesten angelegte Eyetracking-Studie zu Print- und Onlinemedien“[18] ist die Poynter-Studie Eyetracking and the News (2007), innerhalb deren Vergleiche zwischen Print und Online, sowie zwischen zwei unterschiedlichen Formaten (Broadsheet und Tabloid) angestellt wurden. Mit der Studie konnten nicht nur vorherige Ergebnisse zur Leseintensität widerlegt, sondern auch Einteilungen zu Leser-Typen vorgenommen werden. Es wurde beispielsweise zwischen „Scanner“ und „methodischem Leser“ unterschieden.[19] Auch in den Trierer Rezeptionsstudien von Bucher et al. ergaben sich Lesertypen und es wurden Unterschiede von Print, Online und E-Paper untersucht. Die Ergebnisse: Verschiedene Zeitungsformate sprechen Leser unterschiedlich an. Sowohl Kompaktformat als auch Broadsheetvarianten sind in der Lage, die Aufmerksamkeit der Leser in hohem Maße zu binden. Kompaktformate eignen sich eher für eine übersichtsorientierte Leseweise und das Großformat fördert die intensive Lektüre stärker.

Während sich die oben genannten Untersuchungen nicht speziell an altersspezifische Zielgruppen richteten, fand Sebastian Feuß mit seinen Untersuchungen zur Medienrezeption unter anderem heraus, dass „jüngere Leser an kurzen, schnellen Informationsblöcken interessiert [sind]“ und dass „diese neuen Leser [...] gelernt [haben], selektiv wahrzunehmen.“[20]

Die beschriebenen Rezeptionsstudien haben somit bereits herausgestellt, dass es verschiedene Leser-Typen gibt und aufgezeigt, welche Elemente für die jeweiligen Ausgabemedien und -formate auf welche Art und Weise eine Rolle spielen. Bei den Zielgruppen der Studien handelte es sich jedoch meist nicht um eine bestimmte, beispielsweise altersspezifische Zielgruppe, weshalb die vorliegende Arbeit darauf abzielt, sich genau mit einer altersspezifischen Gruppe, den Digital Natives, zu befassen. Des Weiteren handelt es sich bei Nachrichten- oder Informations-Apps (wie sie in der vorliegenden Arbeit als Pendant zu ihrer ursprünglichen, gedruckten Form untersucht werden) um ein Medium, welches sich gerade erst entwickelt, sodass selbst bei der Erforschung ähnlicher Stimuli andere Ergebnisse denkbar wären. Die „Analyse der Übergangssituation, das Sichtbarmachen der einzelnen Veränderungsschritte“[21] ist also von Bedeutung, wobei der Blick „gleichermaßen auf das neue und das alte Medium, also die gedruckte Zeitung und die Online-Zeitung gerichtet sein [muss]“[22], wie es in der vorliegenden Arbeit ebenfalls der Fall sein soll.

2.4 Forschungshypothesen

Auf Basis der vorangehend beschriebenen Ausgangsituation wurden die untenstehenden Thesen aufgestellt, welche innerhalb dieser Arbeit behandelt werden sollen.

- Hypothese 1: Junge Erwachsene[23] (19-28 Jahre) verbringen einen Großteil ihrer Zeit online und konsumieren Medienformate auch zunehmend im Internet oder in digitaler Form. Sie würden von sich aus eher zu Onlineprodukten greifen.
- Hypothese 2: Bei expliziter Betrachtung beziehungsweise der Nutzung eines Printangebots gefällt den jungen Erwachsenen die Aufmachung (das Textdesign) des gedruckten Medienangebots (hier die für die Studie ausgewählten zwei Artikel) im direkten Vergleich gut und möglicherweise sogar besser, verglichen mit der digitalen App-Variante.
- Hypothese 3: Das Leseerlebnis (Haptik, Lesen auf Papier) einer gedruckten Zeitung wird als positiv eingeschätzt, wenngleich von selbst nicht dazu gegriffen werden würde.
- Hypothese 4: Entgegen der Ergebnisse von Nutzerstudien aus den Neunzigerjahren[24] empfindet die Generation Online das Lesen von Texten auf Bildschirmen nicht als unangenehm oder ermüdend. Die Rezeption auf Bildschirmen jeder Größe (PC, Laptop, Tablet, Smartphone) stellt eher etwas Alltägliches dar und ist nur schwer wegzudenken.

Dass die Vermutungen der ersten und vierten Hypothese naheliegen, zeigen bereits die Zahlen der aktuellen Studien zur Mediennutzung in Deutschland, wie unter Abschnitt 2.2 dargelegt. Es gilt nun zu überprüfen, ob sich dies auch innerhalb der für die Untersuchung gewählten Stichprobe bestätigen lässt.

Die Vermutung aus Hypothese 2 lässt sich zum einen dadurch bestärken, dass es sich beim Angebot der ZEIT um eine Wochenzeitung handelt, welche laut Elisabeth Noelle-Neumann, Winfried Schulz und Jürgen Wilke von der Aufmachung her eher mit einer Zeitschrift gleichzusetzen ist:

„Eine Reihe von Presseorganen sieht im äußeren Erscheinungsbild den Zeitungen ähnlich, doch sind diese nach ihren publizistischen Merkmalen genau genommen den Zeitschriften zuzurechnen. Sie dienen weniger der aktuellen Berichterstattung als der Hintergrundinformation und der tagesübergreifenden Meinungsbildung.“[25]

Während der Rückgang der Reichweiten von Zeitungen „insbesondere darauf zurückzuführen [sei], dass immer weniger Jugendliche und junge Erwachsene zur Tageszeitung greifen“[26], erfreuen sich Zeitschriften im Gegensatz dazu einer stabilen Reichweite; die Nutzung nehme sogar leicht zu: „91,5 Prozent der über 14-Jährigen in Deutschland lesen Magazine, das sind mehr als 60 Millionen Leser“ sagt Christian Goedecke, Vorstand der Publikumszeitschriften der Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse und betont, dass die „stabilen Reichweiten gerade in den onlineaffinen jungen Zielgruppen zeigen, dass Zeitschriften nicht durch das Internet ersetzt werden“[27].

Die Vermutung aus Hypothese 3 kann durch die Ergebnisse einer nicht repräsentativen Online-Umfrage aus dem Jahr 2012 bestärkt werden. Die Teilnehmer, bei welchen es sich ebenfalls um junge Erwachsene handelte, lobten beispielsweise den Lesekomfort von gedruckten Zeitungen und Zeitschriften mit dem Adjektiv „augenfreundlich“, beschrieben Zeitunglesen als „anderes Lesegefühl“ und empfanden es als „angenehmer auf Papier zu lesen“. Auch „das Gefühl, Papier in der Hand zu halten“ beschrieben einige insgesamt als positiv.[28]

3. Empirischer Teil

3.1 Produktanalyse

Im folgenden Kapitel wird das für die Studie verwendete Medienangebot zunächst kurz dargestellt und mögliche Problem-Elemente bei der Rezeption der daraus ausgewählten Artikel, sowie die Formatunterschiede herausgearbeitet und als mögliche Vor- und Nachteile bei der Rezeption definiert.

3.1.1 Die Wochenzeitung „DIE ZEIT“ und das Ressort „Wissen“

Bestandsaufnahme: Die Wochenzeitung „DIE ZEIT“

Eckdaten[29]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

„DIE ZEIT“ ist eine deutsche überregionale Wochenzeitung, welche jeden Donnerstag erscheint und sich an ein gebildetes, einkommens- und meinungsstarkes Publikum[30] wendet. Sie erreicht jede Woche mehr als zwei Millionen Leser und wird als „Deutschlands führende meinungsbildende Wochenzeitung“[31] beschrieben. Die „ZEIT“ erscheint im sogenannten „nordischen Format“ (400 x 570 mm) und die Berichterstattung erfolgt über elf verschiedene Ressorts (Politik, Dossier, Geschichte, Wirtschaft, Wissen, Feuilleton, Glauben & Zweifeln, Reisen, Chancen, Zeit der Leser und Zeitmagazin). Die Berichterstattung kann insgesamt als sehr detailliert und umfangreich beschrieben werden, womit eine eher (zeit)intensive Lektüre einhergeht. Die meisten Leser (rund 84%) lesen DIE ZEIT wohl deshalb am Wochenende in „entspannter Atmosphäre“[32] und im Schnitt drei Stunden lang.[33]

Das Ressort „Wissen“, in welchem die beiden für die Studie ausgewählten Artikel erschienen sind, wird mit den Schlagworten „unterhaltsam“ und „lehrreich“ beschrieben und bietet den Lesern „Woche für Woche Aktuelles aus der Forschung“[34]. Der Wissens-Teil der gedruckten Ausgabe umfasst in der Regel circa sechs Einzelseiten und besteht aus mindestens drei größeren und mehreren kleineren Artikeln oder Beiträgen. Das Thema, welches sich auf der ersten Seite des Ressorts befindet, wird oftmals auf der zweiten Seite mit einem weiteren Hintergrundbericht fortgeführt oder ergänzt. Auf der vorletzten Wissens-Seite befindet sich eine weitere Unterkategorie; die Rubrik „Wissen kompakt“. Auf der letzten Wissens-Seite erstreckt sich außerdem in der Regel eine Informationsgrafik zu einem aktuellen Thema[35].

ZEIT Online

Das Web-Angebot der ZEIT zählt mit einer Reichweite von 9,2 Millionen Unique Usern pro Monat[36] (September 2015) und knapp 50 Millionen Visits (Juni 2015) hinter beispielsweise der Süddeutschen Zeitung, Spiegel Online und Bild.de zu den zehn größten und meistgenutzten Online-Nachrichtenportalen in Deutschland[37]. Neben der Website Zeit.de gibt es außerdem den sogenannten Premiumbereich, in welchem das gesamte Printangebot gegen Bezahlung in mehreren Versionen online gestellt wird. Abonnenten der Printausgabe bekommen gegen einen geringen Aufpreis ein Kombi-Abo. Der Premiumbereich umfasst die ZEIT-App, welche 2011 gestartet wurde und 2015 den letzten Relaunch[38] erhalten hat, eine Version speziell für E-Reader, die Audio-Version und die PDF des Originallayouts der gedruckten Zeitung.

3.1.2 Ausgewählter Artikel „ Wozu ein Handy?“

Der Artikel „Wozu ein Handy?“ von Fritz Habekuss und Stefan Schmitt ist am 1. Oktober 2015 im Ressort „Wissen“ erschienen (Ausgabe No.40/2015).[39]

Der Artikel stellt dem Leser die Bedeutsamkeit von Smartphones für Flüchtlinge dar. Er erstreckt sich über eine gesamte Zeitungsseite und besteht, wenn man eine grobe Einteilung vornimmt, aus drei Spalten. Diese wiederum können in einzelne Elemente aufgegliedert werden. Hauptelement stellt der sich in der Seitenmitte befindende Haupttext dar, welcher wiederum in drei Spalten gegliedert ist und von einem großen Bildelement, das ein Smartphone darstellt, gerahmt ist. Das Medienangebot erfüllt mehrere journalistische Funktionen. Die Schwerpunkte liegen dabei auf dem „Informieren“ (Textelemente) und „Illustrieren“ (Bildelemente). Bei einer linearen Rezeption ergibt sich folgende Themensequenz: Zunächst wird eine Situation in einer Flüchtlings-Wohngemeinschaft beschrieben, dann ein Fallbeispiel gegeben und anhand dessen die Relevanz und Bedeutsamkeit von Smartphones für bereits geflüchtete Menschen, sowie Menschen die sich momentan auf der Flucht befinden, erklärt. Anhand von Zitaten werden die geschilderten Sachverhalte belegt und verdeutlicht. Mittels Zahlen und Prognosen findet in den letzten Abschnitten nochmals eine Einordnung in den Gesamtkontext der Thematik statt. Die Bildelemente können insofern als Illustrationen bezeichnet werden, als dass die meisten nicht direkt Bezug zum Text nehmen und umgekehrt. Lediglich in der Mitte des Textes findet der Leser zwei Verweise „(Bild rechts oben)“ auf Abbildungen außerhalb des eigentlichen Textes. Das recht große Einstiegsbild kommt mit keinerlei Verknüpfung zum Text aus. Was die Lesedauer angeht, kann angenommen werden, dass ein durchschnittlicher Leser[40] knapp fünf Minuten zum Lesen des gesamten Artikels (reiner Textanteil) benötigt. Die gesamte Betrachtungsdauer hängt natürlich ebenfalls von der Intensität der Betrachtung der Bildelemente ab. Somit wird von einer Gesamtbetrachtungsdauer von im Schnitt unter zehn Minuten ausgegangen. Der Artikel umfasst insgesamt 1202 Wörter.

Unterschiede in den Darstellungsweisen (Print- vs. App-Version):[41]

Grundsätzlich werden die Artikel aus der gedruckten Version größtenteils für die App-Version übernommen und laut der Herausgeber dafür optimiert.[42] Nahezu alle einzelnen Elemente finden sich in ähnlicher Form auch in der App-Version[43] wieder. Es unterscheiden sich allerdings Format und Größenverhältnisse. Große Bilder oder Visualisierungen werden innerhalb der App oft kleiner dargestellt, was deren Wirkung und die vom Leser zugeschriebene Relevanz beeinflussen könnte. So ist es auch im Falle des Artikels „Wozu ein Handy?“. Hier wird nicht wie bei der gedruckten Version der gesamte Haupttext von einem Smartphone-Bildschirm gerahmt, sondern lediglich die Haupt- und Unterüberschrift. Somit ist nicht direkt auf den ersten Blick zu erkennen, um was es bei der Berichterstattung konkret geht. Die gedruckte Version ermöglicht ein Erfassen des Themas schon auf den ersten Blick. Die App-Version hingegen erfordert ein Scrollen durch den Text, damit ein aussagekräftiger Eindruck entsteht. Somit kann man annehmen, dass die Eye-Catcher Funktion der besonderen Aufmachung des Artikels in der gedruckten Version stärker greifen kann. Was wiederum bei der Rezeption der App auf dem Tablet stärker in den Vordergrund gerückt wird, sind die kleineren Smartphone-Visualisierungen, welche sich in der gedruckten Version über die letzte der drei Spalten erstrecken. Sie werden dadurch in der gedruckten Version möglicherweise vom Leser eher als nebensächlich eingestuft. In der App werden sie tatsächlich innerhalb des Fließtextes angezeigt, sodass man sie nur schwer überlesen oder hintenanstellen kann. Der Leser wird prinzipiell dazu aufgefordert, sich die Visualisierungen zu exakt diesem Zeitpunkt anzusehen, im Gegensatz zur gedruckten Version, in der es dem Leser frei gestellt ist, ob und wann er sich diese ansieht. Unterschiede zeigen sich außerdem in den folgenden Punkten: Die Marke „Neu in Deutschland“ tritt bei der App-Version mehr in den Fokus, da sie deutlich größer dargestellt und mittig platziert ist. Durch die Platzierung der kleinen Smartphone Visualisierungen im Fließtext, entstehen thematische Diskrepanzen zum Inhalt an jeweiliger Stelle. Beispielsweise wird beim ersten Smartphone-Bild der Name „Nadeem“ erwähnt, der bis dato im Text noch nicht gefallen ist. Auffällig ist außerdem, dass die Pull-Quotes in der App-Version vermutlich keine so starke Textgliederungsfunktion haben, da sie nicht auf den ersten Blick sichtbar sind. Sie erscheinen dem Leser damit wohl eher als schlichte Hintergrundinformation. Wenn der Leser den Artikel allerdings nur durchscrollt/scannt, ist es denkbar, dass sie in diesem Falle nochmals zum Einstieg in den Text einladen. Möglicherweise stechen die Pull-Quotes in der gedruckten Version aufgrund des Größenunterschieds mehr ins Auge als bei der App, da hier allgemein eine größere Schriftgröße gewählt wurde. Des Weiteren gibt es bei beiden Versionen zwei direkte Bezüge zu Abbildungen. Allerdings ist dieser Hinweis in der App-Darstellung eher verwirrend. Denn mit der Beschreibung „rechts oben“ ist die erste Smartphone-Abbildung gemeint, die ganz zu Beginn, mittig im Text zu sehen war. Der Leser muss erst einmal scrollen, um zu verstehen, welches Bild eigentlich gemeint ist. Außerdem muss er sich auch den Wiedereinstieg (die entsprechende Textstelle, an welcher er die Rezeption unterbrochen hat) selbst suchen, was ihm möglicherweise Schwierigkeiten bereiten kann.

Beim zweiten Pull-Quote fällt auf, dass dieser ebenso wie in der gedruckten Version recht weit hinten im Text platziert ist. Die Aussage, die in der Print-Version möglicherweise gleich relativ zu Beginn gelesen wird, fügt sich in der App an einer Stelle in den Text, an welcher sie mehr oder weniger nichtssagend für den Leser ist, da in den vorhergegangenen Passagen bereits sehr deutlich wurde, „dass die meisten Flüchtlinge heute Smartphones besitzen“[44]. Ob das Zitat an dieser Stelle also überhaupt irgendeinen Zweck für den Leser erfüllt, ist fraglich. Insgesamt kann die Vermutung aufgestellt werden, dass der Text in der App-Variante aufgrund des Scrollens stärker linear gelesen wird und stattdessen in der gedruckten Version, zunächst die gesamte Seite vom Leser betrachtet wird. Somit besteht die Wahrscheinlichkeit, dass die Eye-Catcher wie beispielsweise die Bilder und Pull-Quotes der gedruckten Version gleich zu Beginn die Aufmerksamkeit des Lesers gewinnen können.

3.1.3 Ausgewählter Artikel „ Die perfekte Erinnerung “

Der Artikel „Die perfekte Erinnerung“ von Eva Wolfangel ist am 21. Januar 2016 erschienen (Ausgabe No.4/2016, Ressort „Wissen“).

Man kann ihn als Cluster[45] aus verschiedenen Modulen verstehen, wobei die einzelnen Module unterschiedliche kommunikative Handlungen verfolgen. Das erste Modul beinhaltet die Bildelemente, welche den Text rahmen. Das zweite Modul beinhaltet den Haupttext. Worauf der Blick bei der Betrachtung als Erstes fällt, ist das erste Modul, welches aus mehreren kleineren Abbildungen (Fotos und quadratische Farbelemente, welche im Folgenden als Pixel bezeichnet werden) besteht. Im Optimalfall wird der Leser durch dieses Pixelcluster geleitet beziehungsweise daran entlanggeführt, da innerhalb der Pixel-Fotos Uhrzeiten abgebildet sich, welche die Betrachtungsreihenfolge vorgeben. Wie bereits beim Artikel „Wozu ein Handy?“, können die Bildelemente hinsichtlich des Layouts als Rahmung des Haupttextes empfunden werden. Die Lese- beziehungsweise Betrachtungsrichtung des Abbildungsclusters erfolgt, wenn man die Uhrzeiten beachtet, von links oben (Abbildung von Forscher Cathal Gurrin) nach rechts unten. Insgesamt besteht das Pixelcluster aus drei größeren und 23 kleineren Fotografien. Anhand der Größe der einzelnen Bilder lässt sich ableiten, dass der Inhalt eine untergeordnete Rolle spielt, da der Leser nicht allzu viel auf den Bildern erkennen kann und sich die Abbildungen teilweise sehr ähneln. Es geht vielmehr darum, dem Leser einen Eindruck von der Funktionsweise der im Text erwähnten Kamera und des Gedächtnis-Prototypen zu vermitteln. Dies geschieht unter anderem schemenhaft: Die kleinen bunten Pixel sollen höchstwahrscheinlich stellvertretend für die riesige Datenmenge stehen, welche der Gedächtnis-Prototyp täglich produziert. Dieser Einstieg in das Medienangebot soll den Betrachter vermutlich so neugierig auf das Thema machen, dass er, nachdem er sich das erste Modul (Pixelcluster) angeeignet hat, über die Überschrift in den Haupttext einsteigt. Durch die Unterüberschrift wird deutlich aus welcher Perspektive hier berichtet wird: Es berichtet die Autorin Eva Wolfangel, was im ersten Modul nicht der Fall war. Somit lässt sich die journalistische Darstellungsform des zweiten Moduls (Haupttext) als eine Reportage-Form bezeichnen; es handelt sich um einen „tatsachenbetonte[n], aber persönlich eingefärbte[n] Erlebnisbericht“[46]. Es finden innerhalb des Textes die für die Reportage typischen Wechsel statt: Es werden konkrete Einzelheiten oder Ereignisse und Allgemeines wie Zustände und Prozesse dargestellt. Auch innerhalb dieses Artikels gibt es im Text nur wenige direkte Bezüge zu den Bildern/dem Pixelcluster. Lediglich wenn beispielsweise „die Kamera vor Gurrins Brust“[47] erwähnt wird, liegt es nahe, nochmals einen Blick auf das Einstiegsbild zu werfen. Jedoch ist anzumerken, dass der Text nicht zwingend weiterer Veranschaulichung bedarf, wenn man sich, wie es der Text vorsieht, bereits zu Beginn durch das Pixelcluster gearbeitet hat. Die Fortsetzung auf der nächsten Seite umfasst beinahe exakt die obere Hälfte der nächsten Zeitungsseite. Ganz am Ende des Haupttextes befindet sich ein kleiner Info-Kasten mit Hinweisen über den Hintergrund und die Ausgangslage, sowie die Dauer der Reportage. Insgesamt umfasst der Artikel 2117 Wörter womit sich für einen durchschnittlichen Leser[48] eine Lesedauer von knapp neun Minuten (reiner Textanteil) ergibt.

Unterschiede in den Darstellungsweisen (Print- vs. App-Version):

Im Gegensatz zur Print-Version erfolgt der Einstieg in den Text bei der App-Version ganz klassisch über die Überschrift. Sie ist rechts neben der Fotografie von Forscher Cathal Gurrin platziert. Erst der zweite Blick des Lesers richtet sich dann auf die Bildunterschrift mit der Endung „...“. Wenngleich in der App deutlich weniger Bilder der Illustration dienen, kann man auch hier vom Pixelcluster sprechen. Jedoch bietet es lediglich einen schönen visuellen Einstieg in den Text und stellt nicht wie in der Print-Version ein eigenständiges Modul dar, in welchem der Leser zunächst vor der Textlektüre, verweilen kann. Relativ am Anfang des Textes erscheinen links neben dem Haupttext die Informationen zum Hintergrund und der Ausgangssituation der Reportage. Der Leser erhält diese Information somit viel früher als in der Printversion, in welcher der Kasten am Ende weniger wichtig erscheint. Während die Bilder in der linken Spalte der Zeitungsseite nur schwache Bezüge zum Text aufweisen, wird in der Tablet-Version ein stärkerer Bezug hergestellt, indem das Zitat von Thad Starner direkt neben seinem Bild platziert ist. Man hat das Gefühl, dass der Forscher direkt zum Leser spricht, da sich der Leser bei der Aussage „Ich könnte dich jetzt auch filmen“[49] selbst angesprochen fühlen könnte, da ihn der Forscher beziehungsweise seine Kamera direkt im Visier hat. Insgesamt lässt sich sagen, dass all jene Bilder, welche sich in der Zeitung in der linken Spalte befinden, auf dem Tablet größer und weiter in der Nähe des Textes platziert sind, was die Bezüge stärker und direkter erscheinen lässt. Es ist vorstellbar, dass die Bilder dadurch vom Leser intensiver betrachtet werden. Ein weiterer wichtiger Punkt und Unterschied ist, dass der Lesefluss bei der Rezeption auf dem Tablet nicht unterbrochen wird; es könnte somit auch hier von einer stärker linearen Nutzung ausgegangen werden. Außerdem fallen die Abbildungen am Ende des Artikels weg; In der Tablet-Version ist allgemein nur eine kleiner Teil der Bildelemente aus der Printversion zu sehen und es findet im Unterschied zur Printversion keine Rahmung des Textes statt. Das Medienangebot kommt mit viel weniger Visualisierung aus, der Fokus liegt stärker auf dem Text. Eine kürzere Verweildauer auf dem Pixelcluster und eine höhere Leseintensität wären eine denkbare, naheliegende Folge.

3.1.4 Vergleich der beiden Darstellungsweisen und mögliche Problem-Elemente

Zunächst lässt sich sagen, dass die ausgewählten Artikel generell für die gedruckte Version der Zeitung konzipiert sind und lediglich in einer angepassten Version digital zur Verfügung gestellt werden. Somit kann davon ausgegangen werden, dass in erster Linie die Anforderungen des Zeitungsdesigns bei der Umsetzung im Vordergrund standen. Blum und Bucher beschreiben diese Anforderungen in der heutigen Zeit folgendermaßen:

Das Diktat der Zeitökonomie und der Zwang zu einem hohen Lebenstempo, gepaart mit der Vielfalt der Angebote, erzeugt bei den Printmedien einen Druck zur Kürze zu Übersichtlichkeit, zur schnellen Orientierung [...]. Selektives Lesen ist unter diesen Bedingungen keine Abart, sondern der Normalfall. Textdesign nimmt den überfliegenden Leser ernst. [...] Textdesign ist deshalb interaktive Zeitungsgestaltung: Dem Leser werden Angebote gemacht, um mit seinem Blatt in den Dialog zu treten. Er kann mühelos überblicken, was ihm geboten wird, und den Grad seiner Einlassung selbst bestimmen.[50]

Bei den vorliegenden Artikeln kann man durchaus von solchen Angeboten sprechen, wie die Einzelanalysen gezeigt haben. Es lassen sich allerdings auch problemlos Unterschiede herausstellen, anhand welcher die App-Version die von Blum und Bucher festgelegten Kriterien nicht erfüllen können. Diese sind die folgenden grundlegenden Unterschiede in der Darstellungsweise: Im Gegensatz zu einer Zeitungsseite mit dem Format (400 mm x 570 mm) kann in der App-Variante keine solche Übersichtlichkeit auf den ersten Blick gewährleistet werden. Auf dem Startbildschirm des Tablets ist meist lediglich Platz für Überschrift, Teaser und eine Abbildung, welche wie im Falle des Artikels „Wozu ein Handy?“ auch nur angeschnitten wird und nicht in Gänze auf dem Bildschirm abgebildet werden kann:

Abbildung 1: Screenshot des Startbildschirms des Artikels „Wozu ein Handy?“ in der App-Darstellung.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigendarstellung

Des Weiteren geht damit einher, dass es keine Hierarchisierung zwischen den einzelnen Artikeln gibt, wie es bei der Zeitungsseite der Fall ist. In der App erscheint jeder Artikel zunächst gleich groß, da die Länge nicht auf den ersten Blick, sondern erst durch Scrollen erfassbar ist. Damit wird die Bedeutsamkeit von Teasern und Überschriften als Einstiegselemente deutlich, was ein starkes Kriterium bei der Rezeption von Online-Inhalten darstellt. Dies zeigte bereits das Stanford-Poynter-Project aus dem Jahr 2000.[51]

Im Folgenden werden die weiteren Unterschiede der beiden Darstellungsweisen aufgelistet und in Vor- und Nachteile der beiden Versionen eingeteilt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Interessant ist nun, welches „Leseerlebnis“ den Probanden eher zusagt und worin sie tatsächlich Unterschiede, sowie Vor- und Nachteile festmachen. Es stellt sich die Frage, bei welcher Darstellungsform möglicherweise mehr gelesen, beziehungsweise mehr gescannt wird und wie die Betrachtungsdauer der einzelnen Elemente (das Text-Bild-Verhältnis) ausfällt. Um diesen Fragen nachgehen zu können, soll der Blick der Probanden aufgezeichnet werden, sowie mittels Befragung Aussagen über das Leseerlebnis generiert werden. Dazu dient eine Methoden-Kombination, welche im folgenden Kapitel dargelegt wird.

[...]


[1] Giovanni Di Lorenzo: Das Blatt wendet sich. In: Zeit Online, http://www.zeit.de/2012/48/01-Medien-Zeitung-Selbstdemontage, Datum des Zugriffs: 20.04.2016.

[2] Wolfgang Appel, Birgit Michel-Dittgen: Digital Natives. Was Personaler über die Generation Y wissen sollten, Wiesbaden 2013, S. 180.

[3] Zitiert nach Martha Sarah Stevens: Strategisches Design der Zukunft. Erfolgsfaktoren der Kommunikation von Konsumgüterherstellern mit Digital Natives, Wiesbaden 2015, S. 10.

[4] Volker Scharninghausen: Qualitätsranking deutscher Zeitungen: „Die Zeit“, „Süddeutsche Zeitung“ und „Frankfurter Allgemeine“ an der Spitze. In: Presseportal, http://www.presseportal.de/pm/71254/2087936, Datum des Zugriffs: 26.05.2016.

Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger: Die größten Zeitungen der Republik. In: Focus Online, http://www.focus.de/finanzen/geldanlage/top-60_aid_100734.html, Datum des Zugriffs: 26.05.2016.

[5] Vgl. Elizabeth Prommer/Lothar Mikos in: Qualitative Rezeptionsforschung- Ein Handbuch. Konstanz 2005.

[6] Vgl. Stevens (2014). S. 10.

[7] Anders Parment: Die Generation Y. Mitarbeiter der Zukunft motivieren, integrieren, führen. Wiesbaden 2013, S. 3.

[8] Vgl. Heike Vom Orde: Grunddaten Jugend und Medien 2015. Aktuelle Ergebnisse zur Mediennutzung von Jugendlichen in Deutschland. S. 6. In: BR Online, http://www.br-online.de/jugend/izi/deutsch/Grundddaten_Jugend_Medien_2015.pdf , Datum des Zugriffs: 28.01.2016.

[9] Vgl. Ebd. S. 10.

[10] Stevens (2014). S. 52.

[11] Ebd.

[12] Stevens (2014). S.55.

[13] Hans-Jürgen Bucher, Joachim Blum: Die Zeitung: Ein Multimedium. Textdesign – ein Gestaltungskonzept für Text, Bild und Grafik, Konstanz 1998, S. 21.

[14] Hans-Jürgen Bucher, Peter Schuhmacher: Interaktionale Rezeptionsforschung. Theorie und Methode der Blickaufzeichnung in der Medienforschung, Wiesbaden 2012, S. 22.

[15] Vgl. Ebd. S. 122.

[16] Vgl. Ebd. S. 123.

[17] Vgl. Ebd. S. 125.

[18] Ebd. S. 125.

[19] Vgl. Bucher/Schuhmacher (2012). S. 125.

[20] Sebastian Feuß: Auf den ersten Blick. Wie Medieninhalte wahrgenommen und rezipiert werden, Wiesbaden 2013, S. 21.

[21] Hans-Jürgen Bucher, Ulrich Püschel: Die Zeitung zwischen Print und Digitalisierung. Wiesbaden 2001, S.11.

[22] Hans-Jürgen Bucher, Ulrich Püschel: Die Zeitung zwischen Print und Digitalisierung. Wiesbaden 2001, S.11.

[23] Die Bezeichnung „Junge Erwachsene“ orientiert sich an den Definitionen von Gudrun Quenzel und Klaus Hurrlemann. Vgl. Gudrun Quenzel, Klaus Hurrlemann: Lebensphase Jugend. 2012. S. 45.

[24] Zum Beispiel „How users read the web“ von Jakob Nielsen aus dem Jahr 1997.

[25] Elisabeth Noelle-Neumann, Winfried Schulz, Jürgen Wilke (Hrsg.): Das Fischer Lexikon Publizistik Massenkommunikation, Frankfurt am Main 2002, S.441 f.

[26] Noelle-Neumann et al. (2002). S. 14-17.

[27] Verband Deutscher Zeitschriftenverleger: Reichweiten der Zeitschriften steigen leicht. In: VDZ – Verband Deutscher Zeitschriftenverleger, http://www.vdz.de/presse-singlenews/news/die-reichweiten-der-zeitschriften-steigen-leicht/, Datum des Zugriffs: 26.01.2016.

[28] Daniel Höly: Lesekomfort, Haptik und Flexibilität: Print hat viele Vorteile. In: Juiced, https://juiced.de/10644/lesekomfort-haptik-und-flexibilitaet-print-hat-viele-vorteile/, Datum des Zugriffs 02.02.2016.

[29] Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck und Dieter von Holtzbrinck Medien GmbH: Unternehmen. In: Die Zeit Verlagsgruppe, http://www.zeit-verlagsgruppe.de/unternehmen/, Datum des Zugriffs: 29.05.2016.

[30] Vgl. IQ Media, der Vermarkter für Leitmedien: Die Zeit – Leserschaft. In: IQ Media [http://www.iqm.de/print/marken/die-zeit/media/leserschaft-2/], Datum des Zugriffs: 09.01.16.

[31] Die Zeit Verlagsgruppe: Marken und Produkte: Die Zeit. In: Zeit online [http://www.zeit-verlagsgruppe.de/marken-und-produkte/], Datum des Zugriffs: 09.01.16.

[32] IQ Media, der Vermarkter für Leitmedien: Die Zeit Mediadaten 2016. In: IQ Media [http://www.iqm.de/fileadmin/user_upload/Medien/Zeitungen/Die_ZEIT/Downloads/DZ_Preisliste_2016.pdf], Datum des Zugriffs: 09.01.16.

[33] Vgl. Ebd.

[34] IQ Media, der Vermarkter für Leitmedien: Die Zeit Mediadaten 2016. In: IQ Media [http://www.iqm.de/fileadmin/user_upload/Medien/Zeitungen/Die_ZEIT/Downloads/DZ_Preisliste_2016.pdf], Datum des Zugriffs: 09.01.16.

[35] Zur Aufmachung des Ressorts vergleiche Gesamtausgaben der ZEIT auf der Daten-CD im Anhang.

[36] Vgl. Valerie Nebe: Zeit-Online-Relaunch mit responsivem Design neuen mobilen Erzählformen. In: Zeit Online, http://www.zeit-verlagsgruppe.de/presse/2015/09/zeit-online-relaunch-mit-responsivem-design-und-neuen-mobilen-erzaehlformen/, Datum des Zugriffs: 01.05.16.

[37] Vgl. Jens Schröder: IVW-News-Top-50: Bild größter Verlierer, Mopo 24 startet mit 2,7 Mio. Visits. In: Meedia, http://meedia.de/2015/07/08/ivw-news-top-50-bild-groesster-verlierer-mopo-24-startet-mit-27-mio-visits/, Datum des Zugriffs: 26.05.2016.

[38] Vgl. Valerie Nebe: Zeit-Online-Relaunch mit responsivem Design neuen mobilen Erzählformen. In: Zeit Online, http://www.zeit-verlagsgruppe.de/presse/2015/09/zeit-online-relaunch-mit-responsivem-design-und-neuen-mobilen-erzaehlformen/, Datum des Zugriffs: 01.05.16.

[39] Zur besseren Nachvollziehbarkeit dieses Abschnitts befindet sich im Anhang der gedruckte Zeitungsartikel.

[40] Vgl. Jochen Musch, Peter Rösler: Schnell Lesen: Was ist die Grenze der menschlichen Lesegeschwindigkeit. In: Dresler, Martin (Hrsg.): Kognitive Leistungen. Intelligenz und mentale Fähigkeiten im Spiegel der Neurowissenschaften. Heidelberg 2011, S. 89-106, S. 90.

[41] Hierzu vgl. gedruckte Version im Anhang und Screenshots der App-Version (Daten-CD).

[42] Vgl. Ebba Schröder: ZEIT IPad-App jetzt mit neuen Funktionen. In: Zeit Online, http://www.zeit-verlagsgruppe.de/presse/2013/02/pressemitteilung-3-test/, Datum des Zugriffs: 26.05.2016.

[43] Anmerkung: Die ZEIT-App wird innerhalb der gesamten Untersuchung über ein Tablet der Marke Apple und im Querformat genutzt.

[44] Vgl. Artikel „Wozu ein Handy?“ im Anhang und Screenshots der App-Version auf der Daten-CD.

[45] Vgl. Bucher/Blum (1998), Glossar Textdesign, S. 92.

[46] Noelle-Neumann et al. (2002). S.139.

[47] Vgl. Artikel „Die perfekte Erinnerung“ im Anhang.

[48] Vgl. Jochen Musch, Peter Rösler: Schnell Lesen: Was ist die Grenze der menschlichen Lesegeschwindigkeit. In: Dresler, Martin (Hrsg.): Kognitive Leistungen. Intelligenz und mentale Fähigkeiten im Spiegel der Neurowissenschaften. Heidelberg 2011, S. 89-106, S. 90.

[49] Vgl. Artikel „Die perfekte Erinnerung“ im Anhang.

[50] Bucher/Blum (1998). S. 21.

[51] Vgl. Bucher/Schuhmacher (2012). S. 124.

Ende der Leseprobe aus 80 Seiten

Details

Titel
Generation Online. Eine vergleichende Untersuchung der Rezeption von Print- und App-Artikeln am Beispiel der Wochenzeitung »DIE ZEIT«.
Hochschule
Karlsruher Institut für Technologie (KIT)  (Institut für Germanistik: Literatur, Sprache, Medien)
Note
1,7
Autor
Jahr
2016
Seiten
80
Katalognummer
V344826
ISBN (eBook)
9783668349506
ISBN (Buch)
9783668349513
Dateigröße
2455 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Rezeptionsforschung, Eye-Tracking, Print, Online, Medien, Jugendliche, Generation Y, Lautes Denken, Mediennutzung, App, Zeitung, Die Zeit, Generation Online, Print vs. Online, Methoden-Kombination, qualitative Forschung, Blickaufzeichnung, Leitfadeninterviews, Neue Medien, Tablet, Tablet vs. Zeitung, Mediennutzungsverhalten, Multimodal, Multimodalität, Text-Bild-Beziehung, Analyse, Produktanalyse, Datenauswertung, Rezeptionsstudie
Arbeit zitieren
Imara Österreicher (Autor:in), 2016, Generation Online. Eine vergleichende Untersuchung der Rezeption von Print- und App-Artikeln am Beispiel der Wochenzeitung »DIE ZEIT«., München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/344826

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