Freundschaft nimmt im Leben des Erasmus von Rotterdam hohen Rang ein. Für Erasmus, der nie eine Ehe einging und dessen Verhältnis zu seinen Verwandten durch den Makel unehelicher Geburt auf immer belastet blieb, bildeten Freundschaften den wichtigsten sozialen Kontakt. Dieser biographische Einfluß spiegelt sich in seinem Werk wieder. Erasmus’ wissenschaftliche Schriften setzen sich an verschiedenen Stellen mit dem Topos der Freundschaft auseinander. Eine geschlossene systematische Abhandlung fehlt jedoch. Von der Auffassung ausgehend, die Regeln zum Umgang unter Freunden seien bereits von den klassischen Autoren – insbesondere mit Ciceros Laelius de amicitia – vorgegeben, hielt Erasmus es für unnötig ein theoretisches Werk über die Freundschaft zu verfassen.
Um dennoch Erkenntnisse über die Freundschaft bei Erasmus zu gewinnen, hat es sich die vorliegende Arbeit zur Aufgabe gemacht, Vorstellungen von Freundschaft anhand seiner Korrespondenz herauszuarbeiten. Aus den heute noch erhaltenen rund 3000 Briefen von und an Erasmus wurden dazu drei für die Fragestellung besonders aussagekräftige Briefe als Quellengrundlage herangezogen, nämlich die Briefe Erasmus’ an Thomas Grey5 vom August 1497, an Johann Werter vom Oktober 1518 und an Ulrich von Hutten vom 23. Juli 1519. Da es nicht Ziel der Untersuchung ist, eine einzelne Freundschaftsbeziehung aufzuarbeiten – wie dies etwa SCHULTE HERBRÜGGEN8 hinsichtlich Morus tut – sondern allemeingültige Aussagen über die Freundschaftskonzeption bei Erasmus formuliert werden sollen, eignen sich Briefe als Quellenbasis besonders, da sie an verschiedene Empfänger gerichtet und zeitlich gestreut sind. Über die genannten Briefe hinaus werden vereinzelt andere Stellen der erasmusschen Korrespondenz als Beleg angeführt. Die Analyse der Freundschafts-Konzeption des Erasmus vollzieht sich in zwei Schritten. Zunächst soll der Frage nachgegangen werden, durch welche Faktoren Freundschaft begründet wird. Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um eine funktionierende Bindung hervorzubringen? Was ist nötig, um einer Freundschaft Bestand zu verleihen? Der zweite Teil der Analyse untersteht der Leitfrage nach dem Ertrag der Freundschaft.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Hauptteil
- Voraussetzungen und Grundlagen der Freundschaft
- Das Streben nach virtus
- Das Studium der bonae litterae
- Der Ertrag der Freundschaft
- Freude (Emotion) und Nutzen (officia, admonitio)
- Schluß
- Quellen- und Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Konzeption von Freundschaft in den Briefen des Erasmus von Rotterdam. Sie analysiert die Voraussetzungen und den Ertrag der Freundschaft anhand von ausgewählten Briefen, die als Quellenbasis dienen.
- Die Bedeutung der Freundschaft im Leben des Erasmus
- Die Rolle der Virtus in der Freundschaft
- Die Bedeutung des Studiums der bonae litterae für die Freundschaft
- Der Ertrag der Freundschaft in Form von Freude und Nutzen
- Die verschiedenen Arten der Freundschaft bei Erasmus
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung präsentiert die Bedeutung der Freundschaft im Leben des Erasmus von Rotterdam und die Forschungslücke, die diese Arbeit schließen soll. Der Hauptteil setzt sich mit den Voraussetzungen und dem Ertrag der Freundschaft auseinander. Zunächst werden die Faktoren untersucht, die eine dauerhafte Freundschaft begründen, wie z.B. das Streben nach Virtus und das Studium der bonae litterae. Im Anschluss wird der Ertrag der Freundschaft in Form von Freude und Nutzen (officia, admonitio) analysiert.
Schlüsselwörter
Erasmus von Rotterdam, Freundschaft, Virtus, Bonae Litterae, Briefkorrespondenz, Renaissance, Humanismus, Emotion, Officia, Admonitio.
- Arbeit zitieren
- Tobias Gottwald (Autor:in), 2004, Zur Konzeption von Freundschaft in den Briefen des Erasmus von Rotterdam, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/34485