Leseprobe
Inhalt
Einleitung
1. Die normative und die motivierende Dimension von Gründen
2. Drei Theorien praktischer Gründe
3. Williams` internalistische Konzeption.
3.1. Williams` Auffassung in: „Interne und externe Gründe“
3.1.1. Die Untersuchung interner Gründe
3.1.2. Die Untersuchung externer Gründe
3.2. Schlussbetrachtung.
4. Bittners Konzeption
4.1. Bittners Auffassung in „Gründe und Motive“.
4.2. Schlussbetrachtung
Fazit und offene Fragen.
Einleitung
Fragen, die unser Menschsein betreffen, gehen mit der Frage einher, wie wir leben sollen. In diesem Zusammenhang wird auch in der Geschichte der praktischen Philosophie versucht, die von Sokrates gestellte Frage „Was soll man tun?“ zu beantworten. Besonders Moralphilosophen sehen es als ihr Anliegen an, diese Frage zu interpretieren und eine Antwort zu finden. Man könnte die Frage, laut gängigen Interpretationen, als Frage interpretieren, zu welcher Handlung eine Person Grund hat.1 Diese Lesart impliziert, dass Gründe mit normativen Forderungen ungeachtet einer persönlichen Komponente einhergehen. Einen Grund zu einer Handlung haben hieße, eine Handlung auszuführen, die ausgeführt werden soll. In diesem Punkt gehen die Meinungen vieler Philosophen auseinander. Hinsichtlich dessen werden in der praktischen und in der Moralphilosophie Konzeptionen praktischer Gründe entworfen, welche versuchen, Fragen zu klären, wie: Welche Eigenschaften haben Gründe? Wie stehen sie in Verbindung zu rationalem Handeln und zu normativen oder moralischen Forderungen und Handlungen? Inwiefern spielen Motive bei Handlungen aus Gründen eine Rolle? Fest steht, dass eine Theorie praktischer Gründe, verstanden als Handlungsgründe, für eine Theorie rationalen Handelns und für eine Moraltheorie von Belang ist.2
Hinsichtlich der Eigenschaften sind sich die meisten Philosophen darüber einig, dass praktischer Gründe normativ und motivierend sein müssen. Im Laufe der Zeit entwickelten sich drei Hauptströmungen, welche den beiden Eigenschaften ein unterschiedlich hohes Gehalt zukommen lassen. In der vorliegenden Arbeit soll vorerst auf die angenommenen Eigenschaften praktischer Gründe eingegangen sowie die drei Hauptströmungen von Konzeptionen praktischer Gründe kurz dargestellt werden. Im Anschluss daran werde ich die Frage stellen, ob Rüdiger Bittner der internalistischen Auffassung Bernard Williams` seine Ansicht glaubhaft entgegensetzen kann und welche Fragen für mich offen bleiben.
1. Die normative und die motivierende Dimension von Gründen
Man nimmt an, dass Handlungsgründen eine normative und eine motivierende Dimension zu Grunde liegen. Was damit gemeint ist, kann an einem Beispiel erklärt werden: Mein Haustier, nehmen wir an mein Hund, hat großen Hunger und ich fülle daraufhin seinen Napf mit Futter. Hierbei kann die Angabe des Grundes die Handlung rechtfertigen. Ich kann sagen, dass mein Hund dringend Futter brauchte und ich die Handlung deshalb ausführte. Die rechtfertigende Rolle des Grundes geht darauf zurück, dass normative Gründe vorschreibend sind. Hierbei wird, ähnlich wie in der Einleitung, angenommen, dass Aussagen über Gründe mit Aussagen darüber, was man tun soll, zusammenhängen. Die Tatsache, dass mein Hund Hunger hat, ist also ein (biologisch oder moralisch) vorschreibendes Ereignis dafür, dass ich ihm Futter geben soll. Hinsichtlich dessen lassen sich also Handlungen mit Hinweis auf normative Forderungen rechtfertigen.
Mit Gründen soll zudem erklärt werden, wie eine Handlung zustande kam. Dies soll die Motivation der handelnden Person leisten. Erklären kann ein Grund die Handlung, wenn dieser die Person motiviert. Dass mein Hund großen Hunger hatte, veranlasste mich dazu, ihn zu füttern. Ich handelte also aus diesem Grund heraus, er motivierte mich zu dieser Handlung.3 Hierbei kommen persönliche Eigenschaften, Wünsche oder Antriebe ins Spiel, eben eine Motivation zur Handlung, welche diese zustande bringt.
Die große Frage lautet nun, ob normative Forderungen nur aufgrund der persönlichen Motivation erkannt werden können, oder ob sie auch ohne eine Motivation als Ausgangsbasis einen Grund darstellen können, aus welchem eine Person handelt, und die Person sogar neu motivieren können. Wie erwähnt sind die Vertreter der drei Haupttheorien, der humeschen, der kantischen und der aristotelischen, jeweils anderer Meinung darüber, warum etwas für jemanden einen Grund zum Handeln darstellt. Von der Weise, welcher der beiden Dimensionen mehr Gehalt zugemessen wird, hängt auch die Zugänglichkeit von Gründen ab.
2. Drei Theorien praktischer Gründe
Philosophen, die in der Tradition David Humes stehen, nehmen an, dass das, was einen Grund für eine Person darstellt, abhängig von ihrem motivationalen Haushalt ist. Demnach habe eine Person nur Grund zu einer Handlung, wenn die Handlung einen ihrer Wünsche befriedigt oder dazu beitragen kann. Die menschliche Vernunft wird hierbei als geleitet von den Affekten und Motiven einer Person betrachtet, wie auch David Hume schon explizierte.4 Aristotelische und Kantische Konzeptionen unterscheiden sich davon, indem sie diese Relativität von Gründen als nicht zutreffend erachten.
Ob jemand Grund zu einer Handlung hat, hänge nach den Vertretern dieser Theorien nicht davon ab, welche Wünsche die Person hat. Nach aristotelischen Konzeptionen kann der Wert einer Handlung durch praktische, vernünftige Überlegungen erkannt werden, unabhängig von den Interessen einer Person. Allerdings sind Menschen, die den Wert einer Handlung nicht erkennen können, nicht notwendigerweise irrational. Dies ist in Kantischen Theorien der Fall.5
Normative, insbesondere moralische Forderungen können durch die praktische Vernunft erkannt werden und sogar motivieren. Nach Gründen handeln ist hier eng mit dem kategorischen Imperativ verknüpft und bedeutet auch, nach allgemeinen Gesetzen zu handeln.6 Die Antwort darauf, was einen Grund darstellen kann, ist demnach abhängig davon, welchen Begriff von Rationalität die Vertreter haben.
Die Vernunft, mit welcher wir einen Grund zum Handeln für uns erkennen können, was diesen also für uns zugänglich macht, ist bei den Vertretern der beiden letzten Theorien nicht von den persönlichen Motiven einer Person geprägt. Bernard Williams bezeichnet Vertreter der letzten beiden Theorien daher als Externalisten, wohingegen erstere dem Internalismus zuzuordnen sind. An diese Begriffsbezeichnung möchte ich mich in den weiteren Ausführungen halten. Im Folgenden werde ich anhand seiner Ausführungen in „Interne und Externe Gründe“ Bernard Williams` Auffassung darstellen, sie auf Ihre Plausibilität prüfen und anschließend auf Rüdiger Bittners Antwortaufsatz eingehen.
3. Williams` internalistische Konzeption
Bernard Williams untersucht in seinem Aufsatz „Interne und externe Gründe“ Aussagen über Handlungsgründe und gelangt zu dem Schluss, dass diese immer intern zu interpretieren seien. Interne Gründe seien demnach wahre Handlungsgründe, wohingegen externe Gründe nicht als solche fungieren können. Demnach seien Handlungen nur zu erklären, wenn diesen die interne Motivation vorausgehe.
3.1. Williams` Auffassung in: „Interne und externe Gründe“
Williams unterscheidet zunächst Aussagen wie „A hat einen Grund zu ϕ-en“ von Aussagen wie „Es gibt für A einen Grund zu ϕ-en“.7 Die Sätze ließen sich laut Williams unterschiedlich interpretieren. Nach der ersten Aussage verfüge A über ein Motiv, welches durch die Handlung ϕ erfüllt wird, oder welchem ϕ-en zur Erfüllung dienlich ist. Sätze, die in der zweiten Aussageform getätigt werden, verlangen dieses Motiv hingegen nicht. Williams fordert, dass Aussagen über Gründe stets intern, wie in der ersten Aussage, interpretiert werden müssen. Demnach müssen laut ihm Gründe auf Motive zurückzuführen sein. „A hat einen Grund zu ϕ- en dann, nur dann, wenn A einen Wunsch hat, dessen Erfüllung sein ϕ-en nützt.“8
3.1.1. Die Untersuchung interner Gründe
Williams formuliert den Satz zunächst um. A muss einen Wunsch haben, „(…) bezüglich dessen Erfüllung A glaubt, dass sein ϕ-en ihr nützt.“9 Dieses Modell bezeichnet Williams als sub-Humesches Modell. Zudem muss ein Zusammenhang zwischen dem Begründungssatz und der subjektiv motivationalen Verfassung einer Person, im Folgenden V genannt, bestehen. Letztere muss zur Handlung motivieren und von ihr gehe der Glaube, den gewissen Grund zu besitzen, aus. Zu V zählen für ihn u.a. Wünsche, Bewertungen, Gefühlsreaktionen und Loyalitäten. Damit der Satz „A hat einen Grund zu ϕ-en“ wahr sein kann, knüpft Williams mehrere Bedingungen an ihn. Fehlt ein Element in V, sei nach ihm der Satz der internen Handlungsbegründung falsch. Diese Behauptung generiert er an einem Beispiel: A möchte Gin-Tonic trinken und glaubt, dass er diesen Wunsch befriedigen kann, wenn er aus der Flasche trinkt, von welcher er nicht weiß, dass sich darin eigentlich Benzin befindet. A hat laut Williams keinen Grund zu dieser Handlung, obwohl diese Handlung mit Hilfe des Grundes erklärt werden kann, denn A handelt hierbei nicht rational.10 Daraufhin ist für Williams klar, dass V dem Handelnden A keinen Grund zu ϕ-en geben kann, wenn die Existenz seines Wunsches auf falschem Glauben beruht, oder As Glaube an die Relevanz von ϕ-en zur Erfüllung von W, dem Wunsch, falsch ist.11 A glaubt hierbei nur, er habe einen Grund, da sein Wunsch oder sein Glaube sich nicht auf die reale Existenz beziehen. Demnach kann A fälschlicherweise einen internen Begründungssatz über sich selbst glauben, kann aber auch von einem wahren Begründungssatz über sich selbst keine Kenntnis haben. Unbekannte Tatsachen im Handlungskontext und das Unterbewusstsein von A können hierfür Auslöser sein.12 Durch Überlegungen, die durch V gesteuert werden, kann A laut Williams die eigenen Wünsche entdecken, Handlungen überdenken und sich darüber klar werden, auf welche Weise er Elemente in V am effektivsten erfüllen kann. Dies kann dazu führen, dass neue Erwägungen einbezogen werden, neue interne Gründe entdeckt werden und neue Handlungen entstehen können. Zudem könne dieser Vorgang auch Elemente in V entfernen. V ist somit nicht statisch festgelegt, sondern wandelbar.13
Zusammenfassend lässt sich anmerken, dass Williams Handlungsgründe mit rationalem Handeln verbindet. Hierbei müssen sich die Elemente in V, wie Wünsche und Glaube, auf reale Außenbedingungen beziehen können. Rationale Überlegungen werden von Motiven gesteuert und können diese sowie die Wahl der Gründe beeinflussen. Ausgehend von Motiven kann der Handelnde seine Gründe bestimmen, Gegenstände und Forderungen erkennen, die mit der Handlung einhergehen oder auf welche die Handlung abzielt. Allerdings braucht dieses Vorgehen laut Williams die richtige Kenntnis über die Dinge, die in die Überlegungen einbezogen werden.
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1 Vgl. Endres, Kirsten B.: Praktische Gründe - Ein Vergleich dreier pragmatischer Theorien. Frankfurt a. M.: Ontos Verlag 2003, S. 13
Online zu finden unter: https://books.google.de/books?id=WtEqeVP3A48C&pg=PA206&lpg=PA206&dq=humeaner+kantianer+vergleic h&source=bl&ots=YAj64p0vmT&sig=g6rQSU3YIX5yPFjbCgfPsmtX8xA&hl=de&sa=X&ved=0CC0Q6AEwAWoVCh MInLW4hvjGyAIVQo1yCh3BKAr3#v=onepage&q=humeaner%20kantianer%20vergleich&f=false (Stand: 01.10. 2015)
2 Vgl. ebd. S. 14
3 Vgl. Endres, Kirsten B.: Praktische Gründe - Ein Vergleich dreier pragmatischer Theorien. S. 21
4 Vgl. Endres, Kirsten B.: Praktische Gründe - Ein Vergleich dreier pragmatischer Theorien. S. 22
5 Vgl. ebd. S. 24-25
6 Vgl. ebd. S. 26
7 Williams, Bernard: Interne und externe Gründe. In: Gosepath, Stefan (Hrsg.): Motive, Gründe, Zwecke. Theorien praktischer Rationalität. Frankfurt a.M.: Fischer 1999, S. 105
8 Ebd. S. 106
9 Ebd.
10 Vgl. Williams, Bernard: Interne und externe Gründe. S. 107
11 Vgl. ebd.
12 Vgl. ebd. S. 108
13 Vgl. ebd. S. 109