Die Lebenssituation von Arbeitslosen ist wiederkehrender Gegenstand politischer und medialer Diskurse. Ein Auslöser für diese Debatten dürfte sein, dass die Zahl derjenigen, die in ihren Lebensläufen auf kontinuierliche Beschäftigung zurückblicken können, immer mehr zurückgeht. In der Forschungsliteratur begegnete mir im Verlauf meiner Recherchen fortlaufend eine vermeintlich hohe Korrelation zwischen Arbeitslosigkeit und psychischer Krankheit – Phänomene, die in keinem objektiven Zusammenhang stehen.
Die Tatsache, dass psychische Störungen tatsächlich existieren, ist heutzutage weitestgehend anerkannt. Jedoch ist es Fakt, dass früher pathologisierte Verhaltensweisen wie zum Beispiel Homosexualität heute in keinem Klassifikationssystem sowie in weiten Teilen der Gesellschaft nicht mehr als krankhaft gelten und dies auch für die im ICD-10 noch verankerte Transsexualität zu erwarten ist. Während Wandel und Entgrenzung der Diagnosesysteme in den 1970er Jahren noch als ,,Entpathologisierung psychischer Störungen'' (Lutz 2016, S. 749 nach Hitzler 2011) begrüßt wurden, wird heute mehr und mehr kritisch unter dem Schlagwort der Hyperflation und Individualisierung betrachtet. Im Folgenden werden daher die Auswirkungen der Konstruktion von Andersartigkeit sowie deren Dynamik betrachtet.
Diese Arbeit soll einen Beitrag zur Analyse der Gefahren durch die Pathologisierung von konfliktreichen gesellschaftlichen Gegebenheiten und die Therapeutisierung der Sozialen Arbeit leisten. Dazu wird die Frage betrachtet, ob und in wessen Interesse Professionalisierungs- und Spezialisierungsbestrebungen der Mitarbeiter*innen gefordert sind und welche Folgen die Individualisierung gesellschaftlicher Konflikte mit sich bringt. Aufgezeigt wird dies am Beispiel der Erwerbslosigkeit. Der Fokus wird dabei auf dem Arbeitsfeld der Sozialpädagogik sowie auf den betroffenen Personen und den Risiken, denen sie durch ihre Lebenssituation ausgesetzt sind, liegen.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Begriffserklärungen und Grundlagen zur Erwerbslosigkeit
- 2.1 Definitionen
- 2.2 Stand der Arbeitslosenforschung
- 2.3 Bedeutung von Arbeit
- 3. Klassifikation psychischer Krankheiten
- 3.1 Entwicklung vom ICD
- 3.2 Entwicklung vom DSM
- 4. Ursache- und Wirkungszusammenhänge
- 4.1 Selektionshypothese
- 4.2 Kausalitätshypothese
- 4.3 Dualität von Selektions- und Kausalitätshypothese
- 5. Erwerbslosigkeit als sozialpädagogisches Problem
- 5.1 Armut
- 5.2 Soziale Ausgrenzung
- 5.3 Identitätskrise
- 5.4 Schutzfaktoren
- 6. Stigmatisierung
- 7. Therapeutisierung der Sozialen Arbeit
- 7.1 Chancen der Therapeutisierung
- 7.2 Risiken der Therapeutisierung
- 8. Konsequenzen für die Soziale Arbeit
- 9. Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit setzt sich mit der Pathologisierung von Erwerbslosigkeit und der daraus resultierenden Therapeutisierung der Sozialen Arbeit auseinander. Sie untersucht die Konstruktion von Andersartigkeit und die Folgen der Individualisierung gesellschaftlicher Konflikte am Beispiel der Erwerbslosigkeit. Der Fokus liegt dabei auf dem Arbeitsfeld der Sozialpädagogik und den Risiken, denen betroffene Personen durch ihre Lebenssituation ausgesetzt sind.
- Analyse der Gefahren durch die Pathologisierung von Erwerbslosigkeit
- Untersuchung der Therapeutisierung der Sozialen Arbeit
- Bedeutung von Arbeit für das Individuum und die psychischen Folgen des Verlusts der Erwerbstätigkeit
- Bedeutung der Stigmatisierung durch die Pathologisierung von Arbeitslosigkeit
- Chancen und Risiken der Therapeutisierung der Sozialen Arbeit
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel behandelt die Einleitung und führt in die Thematik der Arbeit ein. Es wird die Bedeutung von Arbeit und die Folgen von Arbeitslosigkeit für die psychische Gesundheit beleuchtet. Kapitel 2 befasst sich mit der Definition und den Grundlagen zur Erwerbslosigkeit. Hier werden relevante Begriffe geklärt und der aktuelle Forschungsstand zu Arbeitslosigkeit und psychischer Gesundheit dargestellt. Kapitel 3 präsentiert die geltenden Diagnoseklassifikationssysteme, um einen Überblick über Krankheits- und Gesundheitsdefinitionen zu erhalten. Kapitel 4 erörtert die Selektions- und Kausalitätshypothese, um die Gründe für potenzielle Zusammenhänge zwischen Arbeitslosigkeit und psychischer Erkrankung zu beleuchten. Kapitel 5 untersucht die individuelle Bedeutung von Arbeit und die Folgen des Verlusts der Erwerbstätigkeit im Hinblick auf die psychische Gesundheit und die Risiken, die mit Armut, sozialer Ausgrenzung und Identitätskrise verbunden sind. Kapitel 6 behandelt die Stigmatisierung von Arbeitslosen durch die Pathologisierung von Arbeitslosigkeit. Kapitel 7 befasst sich mit der Therapeutisierung der Sozialen Arbeit, wobei sowohl positive als auch negative Effekte dieser Entwicklung betrachtet werden. Kapitel 8 zeigt die Konsequenzen der bisherigen Erkenntnisse für die Soziale Arbeit auf. Das letzte Kapitel enthält das Fazit, welches die Ergebnisse der Arbeit zusammenfasst und die Gefahr der Therapeutisierung der Sozialen Arbeit am Beispiel der Pathologisierung von Arbeitslosigkeit reflektiert.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit dem Zusammenhang von Erwerbslosigkeit, psychischer Gesundheit, Pathologisierung, Therapeutisierung und Sozialer Arbeit. Weitere wichtige Begriffe sind Selektionshypothese, Kausalitätshypothese, Stigmatisierung, Individualisierung, Diagnoseklassifikationssysteme, Armut, soziale Ausgrenzung und Identitätskrise.
- Arbeit zitieren
- Lisa Schwenty (Autor:in), 2016, Therapeutisierung der Sozialen Arbeit. Kritik und Gefahren am Beispiel der Pathologisierung von Erwerbslosigkeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/345365