Das Motiv des Todes gehört zu den am häufigsten thematisierten Motiven in der Literatur aller Jahrhunderte. Die thematische Aufarbeitung des Todesmotivs ist auf vielfältige Weise verwirklicht worden. Tod als Schicksal, Vollendung, Erlösung, Protest, Verzweiflungstat, als Unfall- oder Zufallstod, Sühne, Heldentat. Es gibt allegorische Personifizierungen des Todes, Thematisierung des Todes in surrealer Darstellung. Wenn vom Tod die Rede ist, symbolisieren meist extreme Bilder dieses Faktum. Da ist die Rede vom großen Nichts und vom Tor zum Leben, vom Tod als dem Richter und Erlöser, vom undurchsichtigen Dunkel. Das Phänomen des Todes ist noch keinem Menschen jemals wirklich zu Bewußtsein gekommen, es kann einfach nicht in Erscheinung treten als ein Wissen in der Bedeutung einer phänomenologischen Theorie. Die Wahrheit des Todes können wir nicht direkt erkennen. Wir schauen das Wahre nur im Abglanz - wie Goethe sagte -: „im Beispiel, im Symbol, in einzelnen und verwandten Erscheinungen.“ Dieses Faktum ist ein blinder Fleck in unserem Bewußtsein. P. L. Landsberg definierte den Tod deshalb auch als „anwesende Abwesenheit.“ Wir unterdrücken schließlich diese Fragen, die sich nicht mit konkretem Wissen beantworten lassen. Auch beruhigt man sich aus reiner Furcht vor dem Tod mit den Wunschträumen von einem Leben nach dem Tod oder einer höheren Lebenserwartung, die einfach nicht realistisch sind. „Leben“ ist geradezu das natürlichste Ziel, der Tod entschwindet dem direkten Bewußtsein. Es ist also das Rätsel zu lösen, über ein Faktum zu schreiben, das sich dem direkten Erleben entzieht. So bleiben der Kunst statt der expliziten Erfahrungen nur der Entwurf der Wortwelt der Bildwelt und der Verweis auf die Sinnbilder. Todesdarstellung in explizito richtet sich in seinen spezifisch ästhetischen Ansprüchen auf das paradoxe Bewußtsein. Es soll etwas bewußt gemacht werden, was nicht bewußt ist, es soll etwas darstellbar gemacht werden, was nicht erfahrbar ist. Soweit es um die Beschreibung des Todes selbst geht und nicht um die Beschreibung des Sterbens, ist der Tod nur negativ, als Verneinung des Lebens „erfahrbar“.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Dichter-Auffassungen vom Tod im Mittelalter
- Dichter-Auffassungen vom Tod im 20. Jahrhundert
- Tod als Beziehungsverlust
- Tod als radikaler Verfall
- Ästhetisierung des Todes
- Schlussbemerkungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Darstellung des Todes in der Literatur. Im Fokus steht die Frage, wie Dichter unterschiedlicher Epochen dem Motiv des Todes begegnet sind und welche ästhetischen Strategien sie entwickelten, um dieses komplexe Phänomen zu verarbeiten.
- Der Tod als tabuisiertes Thema in der modernen Gesellschaft
- Die verschiedenen Facetten des Todes in der Literatur: Schicksal, Verfall, Erlösung, Ästhetisierung
- Die Rolle des Todes im Kontext von Lebenserfahrung und Lebensentwurf
- Die Bedeutung von sprachlichen und bildhaften Mitteln in der Todesdarstellung
- Die Konfrontation mit dem Tod als Quelle für Kritik und Reflexion des Lebens
Zusammenfassung der Kapitel
- Die Einleitung führt in das Thema Todesdarstellung in der Literatur ein und beleuchtet die Vielschichtigkeit des Motivs. Sie verdeutlicht die Komplexität des Phänomens Tod und stellt die Frage, wie sich dieses Thema in der Literatur erschließen lässt.
- Im Kapitel „Dichter-Auffassungen vom Tod im Mittelalter“ werden verschiedene mittelalterliche Ansätze zur Darstellung des Todes beleuchtet.
- Das Kapitel „Dichter-Auffassungen vom Tod im 20. Jahrhundert“ beschäftigt sich mit der besonderen Herausforderung, dem Tod in der modernen Welt gerecht zu werden. Es untersucht verschiedene Strategien der Todesdarstellung im 20. Jahrhundert und analysiert die Auseinandersetzung mit dem Tod als Beziehungsverlust, radikaler Verfall und ästhetisches Element.
Schlüsselwörter
Todesdarstellung, Literatur, Mittelalter, 20. Jahrhundert, Tabuisierung, Beziehungsverlust, Verfall, Ästhetisierung, Lebensentwurf, Lebenserfahrung, Sprachliche Mittel, Bildhafte Mittel, Kritik, Reflexion.
- Arbeit zitieren
- Christoph Steven (Autor:in), 1997, Darstellungen des Todes in der Literatur, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/34566