Friedrich II und Voltaire. Eine Freundschaft?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2016

33 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt:

I. Einführung:
1. Fragestellung
2. Quellensituation
3. Über die Freundschaft
4. Stationen einer Beziehung

II. Hauptteil:
1. Vor Potsdam
1.1. Kontaktaufnahme
1.2. Der Anti-Machiavell
1.3. Die vier Begegnungen
2. Potsdam
2.1. Die ersten Wochen
2.2. Die zwei Affären
2.3. Frankfurt
3. Nach Potsdam
3.1. Trost
3.2. Der Fall Morival

III. Zusammenfassung

IV. Die Forschung

V. Literaturverzeichnis
1. Quellen
2. Sekundärliteratur

I. Einführung:

1. Fragestellung

Noch bevor Friedrich II. (1712-1786) seinem Vater Friedrich Wilhelm I. von Preußen 1740 28jährig als Thronerbe nachfolgt, nimmt er vier Jahre zuvor per Brief Kontakt auf mit einem französischen Philosophen und Schriftsteller namens François-Marie Arouet, dem Jüngeren, genannt Voltaire (1694-1778). Dieser, zum damaligen Zeitpunkt mit 42 Jahren in seiner Lebensmitte stehend, war durch seine zahlreichen Werke in Europa bekannt geworden und in seiner Heimat durch diese zum Enfant terrible avanciert. 42 Jahre überdauert diese ungewöhnliche Korrespondenz zwischen dem preußischen Fürstensohn und späterem Regenten und dem französischen Bürger1 des auslaufenden Ancien Regime, über 600 Briefe umfasst sie2. Neben dieser großen Zahl an schriftlichem Kontakt der beiden Persönlichkeiten gibt es auch fünf tatsächliche Begegnungen, von denen eine, die längste, knapp drei Jahre dauert, nämlich von 1750-1753.

Herauszufinden gilt es in dieser Arbeit, ob deren intensive Brieffreundschaft und Treffen in etwas münden, das man mit dem Phänomen der Freundschaft bezeichnen kann, bzw. falls dem nicht so ist, von welcher Art dann deren Beziehung war und ob sie vielleicht über diese vielen Jahre hinweg einem Wandel unterzogen war und wenn ja, welchem. Nach einer kurzen Charakteristik des Freundschafts-Begriffs werden in erster Linie die Treffen von Voltaire und Friedrich dem Großen beleuchtet, da diese m.E. den größtmöglichen Aufschluss über deren Beziehung zueinander geben.

2. Quellensituation

Der Roi-philosophe Friedrich II. von Preußen und der ungekrönte König der Philosophie der Aufklärung zur damaligen Zeit, Voltaire, haben zu Lebzeiten eine Vielzahl von historischen, politischen, philosophischen und literarischen Werken veröffentlicht, die in verschiedenen Gesamt-Editionen für die jeweilige Person herausgegeben wurden. Zu nennen sind hier in erster Linie für Friedrich II. die zwischen 1846 und 1860 herausgegebenen Oeuvres de Frédéric le Grand in 33 Bänden von Johann David Erdmann Preuß und für Voltaire die sogenannte 70 Bände umfassende Kehler3 Ausgabe der Oeuvres complètes de Voltaire von Pierre-Augustin Caron de Beaumarchais von 1783-1789. Diese beinhalten auch die Korrespondenzen der Beiden mit diversen Zeitgenossen. Gesondert wurden diese zuerst für Friedrich II 1788 vom Verlag Voss und Sohn und Decker und Sohn in Berlin herausgebracht. Für Voltaire hat in neuerer Zeit Theodore Besterman zwischen 1953 und 1965 den gesamten, erhaltenen Briefwechsel zwischen 1704 und 1778 veröffentlicht. Reinhold Koser und Hans Droysen haben im Speziellen die 654 bis dato vorgefundenen Briefe umfassende Korrespondenz von Friedrich und Voltaire zwischen 1736 und 1778 in drei Teilen, ebenfalls in französischer Originalsprache, 1908-1911 editiert. 2004 hat Hans Pleschinski eine Auswahl davon, nämlich 245 Stück, unter dem Titel Voltaire - Friedrich der Große - Briefwechsel, in deutscher Sprache, herausgebracht. Interessant sind im Zusammenhang mit dieser Hausarbeit auch die von Anneliese Botond herausgegebenen und ins Deutsche übersetzten Memoiren Voltaires Über den König von Preussen, die sich auf dessen Potsdamer Aufenthalt beim preußischen König Anfang der 50er Jahre des 18. Jahrhunderts beziehen.

Die vielen erhaltenen Briefwechsel, inklusive dem zwischen Voltaire und Friedrich II., d.h. der sozusagen „direkten“ Kommunikation der beiden, und die mit anderen Brieffreunden, in denen die Beziehung zum jeweiligen Briefpartner oftmals thematisiert wird, können möglicherweise weiterhelfen, ein aufschlussreiches Bild über eine mögliche Freundschaft bzw. die Art derer Beziehung zu bestimmen.

Weiterhelfen können diesbezüglich sicherlich auch die das Thema berührenden Schriften aus dem Umfeld der Brieffreunde, wie z.B. die von Jean-Baptiste le Rond d’Alembert4, des einflussreichen Mathematikers und Physikers, mit dem Friedrich der Große ebenfalls einen langjährigen Briefwechsel pflegt oder die der Schwester Friedrichs II, der Markgräfin von Bayreuth, Wilhelmine von Preussen5.

Natürlich sind sowohl etwaige Memoiren, d.h. Erinnerungen der betreffenden Personen über besondere Vorkomnisse des eigenen Lebensweges, als auch Briefe mit Vorsicht zu genießende Quellen. Beide Quellenarten sind stark subjektiv eingefärbt und beinhalten qua Blickwinkel bewusste oder unbewusste Verzerrungen der Geschehnisse. Die Sachlage wird noch erschwert, weil man vermuten muss, dass die Briefe von beiden trotz der persönlichen Zielrichtung in vollem Bewusstsein für die zeitgenössische Leserschaft bzw. die Nachwelt verfasst wurden6. Wenn dem so sei, sei hier gefragt, welches Bild beide der Öffentlichkeit (bzw. sich selbst) von ihrer Beziehung präsentieren wollten.

3. Über die Freundschaft

Bereits im ersten Brief an Voltaire und bis weit über das Krönungsjahr 1740 hinaus, bezeichnet Friedrich II. Voltaire im Abschluss der Briefe als „treu verbundenen“ bzw. „sehr ergebenen“ Freund7. Dieser spricht zu Beginn ihrer Beziehung zwar nicht von Freundschaft in den Briefen, aber von „tiefstem Respekt und zlrtlicher Dankbarkeit“8. Das mögen gängige Formeln in Briefen der damaligen Zeit gewesen sein. Was allerdings diesen Fall ungewöhnlich macht, ist die Tatsache, dass der Empfänger kein Mann des gleichen Ranges, sondern Bürger ist, d.h. der Kronprinz bzw. König hätte seinem Briefpartner gegenüber keinerlei standesgemäße, heißt formelhafte Verpflichtung gehabt, zumal die direkte Kontaktaufnahme in dieser Form und Richtung an sich ungewöhnlich ist. In diesem Zusammenhang sei auch der Hinweis des Königs im ersten Brief nach dessen Einsetzung erwlhnt: „Ich bitte Sie, sehen Sie in mir nichts als einen fleißigen Bürger, einen leicht skeptischen Philosophen, doch einen wahrhaft treuen Freund. In Gottes Namen, schreiben Sie mir einfach als Mensch und verpönen Sie mir Titel, Namen und lußerlichen Glanz.“9 Die Betonung der Gleichrangigkeit von Fürst und Bürger und die unüblichen Freundschaftsbezeugungen in den Briefen wären möglicherweise Hinweise auf eine tatsächliche Freundschaft zwischen beiden.

Bevor jedoch anhand des Verlaufs und bestimmter Schlüsselmomente beider deren Beziehung charakterisiert werden soll, zunächst zum Begriff der Freundschaft im Allgemeinen. Das 18. Jahrhundert hat einige Epochen-Bezeichnungen zu erdulden. Neben dem „Zeitalter der Empfindsamkeit“10, bezeichnet man es in der Forschung als „Jahrhundert des Briefes“11 sowie als „Jahrhundert der Freundschaft“12. Diesbezüglich wären also Friedrichs Attestierungen seiner Freundschaft Voltaire gegenüber eine rein zeitgemäße Erscheinung? Beide scheinen sich in der Tat am gängigen Bild der Freundschaft zu orientieren. Der Freundschaftsbegriff in der Zeit der Aufklärung, der ab der Mitte des 18. Jahrhunderts zu einem wahren Kult der Freundschaft führt, ist am Modell der wahren, will heißen, idealen Freundschaft der Antike, ausgehend von Aristoteles oder Cicero13, orientiert. Er entfernt sich bewusst vom höfischen oder gelehrten und instrumentellen Begriff von Freundschaft, der vornehmlich noch im 17. Jahrhundert im Vordergrund steht: Freundschaft soll hier in erster Linie etwas Nutzbringendes sein, was im höfischen Ränkespiel den Parteien zum Vorteil gereicht. Die Aufklärung mit Autoren wie Montaigne14, Thomasius15, und Shaftesbury16 stellt diesem pragmatisch ausgerichteten Freundschaftsbegriff eine in der Antike fußende, private und von der Vernunftgemäßheit ausgehende Definition entgegen. Bei Thomasius wird aus der Freundschaft als einer im sozialen Geflecht dienlichen, eine tugendhafte Liebe, jedoch entledigt aller triebhaften Affekte. Die „wahre und vernünfftige Freundschaft“, so Montaigne zum Ende des 17. Jahrhunderts, bestehe dann, „in bestlndiger Vereinigung zweier tugendhafften Gemüther…“17. Freundschaft ist hier, ähnlich wie bei den zwei einflussreichen Philosophen der Antike, etwas zwischen zwei (bestimmten) Menschen und nichts, was in erster Linie einem selbst oder dem Allgemeinwohl diene. Nichtsdestotrotz ist sie vom Blick der Aufklärungsphilosophie in einen höheren Zusammenhang eingebettet. Der Bürger, der sich als wesentlicher Träger der Aufklärung, kraft seines eigenen Verstandes, sowohl der Kontrolle der (absolutistischen) Staatsmacht entledigt, als auch der Obhut der Kirche entzogen hat, steht, so Wolfdietrich Rasch, auf Thomasius bezugnehmend, an diesem Punkt gleichsam „isoliert“ da18. Gepaart mit der Idee der „Liebe zur Menschheit“ ergibt sich bei den Aufklärern für den gelösten, aber auch vereinsamten, frühneuzeitlichen Menschen/Bürger aber die Möglichkeit diese Isolation aufzulösen, indem er in der (unkörperlichen!) Liebe zum einzelnen Gegenüber, der Freundschaft, seine abstrakte Pflicht zur Liebe der gesamten Menschheit konkret erfüllen kann19. Diese besondere Seelenvereinigung sei auch nicht mehr an Ständebeschränkungen gebunden. In der Freundschaft seien alle Menschen gleich. Shaftesbury betont ebenfalls die Tugendhaftigkeit der Freunde im Sinne des antiken Freundschaftsbildes. Bei ihm ist aber die Liebe zum gesamten Menschengeschlecht gleichsam erst die Basis dafür, dass zwei Menschen wahrhaft miteinander befreundet sein können20. Cicero bezeichnet diese „Freundschaft zwischen Guten“21 als „die Übereinstimmung in allen irdischen und überirdischen Dingen, verbunden mit Zuneigung und Liebe…“22. Die von der Antike beeinflussten Motive des aufklärerischen Freundschaftsbegriffs finden sich im Briefwechsel von Friedrich II und Voltaire. Immer wieder tauchen die Themen „Seelenverwandtschaft“ und „Menschheitsliebe“ auf, die Gesprächs-Beziehung in den Briefen beider lebt von deren freundschaftlicher Gleichrangigkeit. Auffällig ist, dass dieser von der Theorie ins Spiel gebrachte und stark idealisierte antik-aufklärerische Freundschaftsbegriff, von dem Voltaire und Friedrich II. offensichtlich in ihrem Briefverkehr beeinflusst sind, bei den realen Treffen nicht hält, was er verspricht. Zum Ende von Voltaires Aufenthalt beim preußischen König, 1753, kommt es sogar zu einem größeren Zerwürfnis, welches eine über vierjährige Funkstille von Seiten Friedrichs nach sich zieht. Die zwei Zeitgenossen scheinen in erster Linie am überhöhten (und wahrscheinlich unerfüllbaren) frühneuzeitlichen Freundschafts-Ideal zu scheitern.

Die neuere Forschung „lockert“ dieses Ideal etwas auf. Der deutsche Geschichtsphilosoph und Soziologe Siegfried Kracauer23 nimmt zu Beginn des 20. Jahrhunderts Stellung zum „Wesen der Freundschaft“24. Anders als die „Bekanntschaft“, die (lhnlich wie die „Kameradschaft“ und die „Fachgenossenschaft“) zwei Menschen nur in einem Teilaspekt ihrer Persönlichkeit vereine und die „Liebe“, der es um die „Verschmelzung“ der Persönlichkeiten zu einer Art gemeinsamer, neuer und „dritter Persönlichkeit“ gehe, lege die „Freundschaft“ einerseits Wert auf das Ganze der beiden Persönlichkeiten, als auch andererseits, darauf, dass beide Persönlichkeiten noch als sie selbst bestehen bleiben. In einer Freundschaft gehe es nicht um Gleichheit (oder das Herbeiführen davon), sondern um Ähnlichkeit, um Ergänzung und um das Wachstum durch den anderen25. Kracauer spricht in antiker Manier aber auch von „Durchdringung der Seelen“. Das klingt ganz nach Idealisierung der Freundschaft, bedeutet bei ihm aber eine deutlich abgeschwächte Form, die eine annähernde Konvergenz in den grundlegenden Ideen/“typischen Anlagen“ der Persönlichkeiten verlange, sehr wohl aber eine Divergenz in anderen Bereichen derselben zulasse. Deutliche Divergenzen tauchen bei Voltaire und Friedrich II. nicht nur vermehrt in den Treffen, sondern auch immer wieder in deren Briefverkehr auf. Das Gespräch, ähnlich dem Briefwechsel, tritt bei Krakauer in den Vordergrund der freundschaftlichen Beziehung, weniger das gemeinsame Handeln im Alltag. Der Schwerpunkt der heutigen Forschung liegt heute jedoch auf den praktischen Kriterien von Freundschaft. Diese definiere sich, so die amerikanische Philosophin Marilyn Friedman26, nicht nur über ein theoretisches (Grund-) Verständnis, sondern überwiegend über tatsächlich „gelebte Werte“, wie „Gleichheit“, „Gegenseitigkeit“, „Verpflichtung“ und „Vertrauen“27. Gleichheit und Gegenseitigkeit würden in einer Freundschaft allerdings nicht erreicht durch tatsächliche soziale Gleichheit, sondern dadurch, dass der eine Interesse zeige und Respekt zolle für die jeweiligen Standpunkte des anderen. Zur gegenseitigen Fürsorge sieht die Philosophin die Freunde verpflichtet und es sei auch fundamental für eine Freundschaft, dass sich die beiden „zumindest in einigen wichtigen Hinsichten (…) vertrauen“28. Auch für den amerikanischen Philosophen Lawrence Blum ist die „Sorge um den anderen“, die sich speziell auf diese Person beziehe, von entscheidender Bedeutung für eine funktionierende Freundschaft. Wir werden noch sehen, dass diesbezüglich das (vermeintlich?) altruistische Vorgehen Voltaires gegenüber Friedrich II. anlässlich dessen (vermeintlichen?) Freitod-Erwägungen während des Siebenjährigen Krieges in der Forschung umstritten ist. Ebenfalls ist die Beziehung der Beiden durch entscheidende Vertrauensbrüche auf beiden Seiten auf die Probe gestellt und möglicherweise unmöglich gemacht.

Im Folgenden sollen diese verschiedenen Aspekte des Phänomens Freundschaft in der Beziehung zwischen Friedrich II. und Voltaire anhand verschiedener Stationen derselben untersucht werden. Dabei dient der Potsdamer Aufenthalt Voltaires bei Friedrich II. als Dreh- und Angelpunkt in ihrer Geschichte. Bis 1750 überwiegt die Idealisierung ihrer Freundschaft in den Briefen (leicht getrübt durch die Spionage-Avancen Voltaires am preußischen Hof in den 40er Jahren). Die tatsächliche Begegnung hält dieser überhöhten Freundschaftsvorstellung nicht stand und 1753 kommt es zum kurzzeitigen Ende ihrer Beziehung. Nach Potsdam wird diese, zunächst von Voltaire, dann 1757 auch von Friedrich gesucht und wieder aufgebaut, hat aber einen anderen Anstrich als vor dem Bruch. Zu beachten ist bezüglich einer möglichen Freundschaft zwischen beiden auch deren unterschiedliche Lebenssituation: der eine durchgängig Privatmann und aus dieser Position eher „theoretischer“ Aufkllrer der andere zunlchst „noch privater“ als Kronprinz, dann als Staatsmann bzw. Politiker völlig unter öffentlicher Verantwortung und öffentlichem Blick stehend.

4. Stationen einer Beziehung

Der preußische Staatsmann tritt 1736 mit dem französischen Philosophen per Brief in Kontakt. Ein fortwährend gleichmäßiger Briefwechsel findet zunächst vier Jahre zwischen ihnen statt. Knapp vier Monate nach der Krönung Friedrich II. kommt es im September29 1740 zur ersten Begegnung der Beiden in der Nähe von Kleve30 im Schloß Moyland. Ein zweites Treffen findet kurze Zeit danach im November desselben Jahres statt, als Voltaire Friedrich in Rheinsberg31 besucht, vor dessen Einsetzung zum König mehrjähriger (und danach sporadischer) Aufenthaltsort und Enklave des preußischen Thronfolgers. Im August 1742 folgt Voltaire erneut einer Einladung Friedrichs zu einer einwöchigen Badekur nach Aachen. Seinen ersten Aufenthalt am Hofe des Königs verlebt der französische Dichterfürst und Philosoph im August 1743. Immer wieder drängt ihn der preußische König, Frankreich zu verlassen und zu ihm nach Preußen zu kommen. Als Voltaires Vertraute, Mme du Chatelet, mit der er fast 17 Jahre auf Schloss Cirey32 zusammengelebt hatte, 1749 unerwartet stirbt33, reist er im Mai 1750 zu seinem Brieffreund, mit der Absicht eines längeren Aufenthalts bei demselben. Als Gegenleistung für einen täglichen zweistündigen Unterricht in den Feinheiten der französischen Sprache durch Voltaire hatte ihm der König den Kammerherrentitel34, 20.000 Livre35 pro Jahr und freie Kost und Logis in seinen Schlössern versprochen. Während des Aufenthalts 1750-1753 entstehen zahlreiche Werke Voltaires und jeweils abends36 findet er sich mit anderen Geistes-Größen der Zeit37 an Friedrich II. Tafelrunde in Schloss Sanssouci zum philosophisch-politischen Plausch ein. Die Einmischung Voltaires in Friedrich des Großen kleine (Personalpolitik) und große Politik bzw. dessen unbotmäßige und „unhöfliche“ Verhaltensweisen bezüglich finanzieller Spekulationen mit anschließender unrühmlicher Gerichtsverhandlung („Hirschel-Afflre“) und dessen Rufmord-Bestrebungen im Zusammenhang mit „dem anderen großen Franzosen“ am Hofe Friedrichs, Pierre Louis Moreau de Maupertuis38 („Maupertuis-Afflre“) führen dazu, dass der Philosoph beim König in Ungnade fällt. Voltaire reist am 26. März 1753 aus Potsdam ab, wird aber in Frankfurt von Beauftragten des Königs festgesetzt, weil er ein besonderes Büchlein mit unveröffentlichten Schriften von Friedrich mitgenommen hat. Diese „Frankfurter Episode“ thematisiert Voltaire schon wenige Monate später in dem Titel „Mémoires pour servir à la vie de M. de Voltaire“39 unter anonymer Urheberschaft, der jedoch Voltaire zugeschrieben wird und in dem der preußische König unter dem Deckmantel der Historizität diskreditiert wird. Parallel zum Aufenthalt Voltaires in Potsdam, der das letzte Treffen der beiden sein sollte, läuft deren Briefwechsel auf kleiner Flamme weiter, bricht dann aber nach diesen Vorkommnissen ab. Voltaire ist es diesmal, der zuerst Kontakt mit dem König aufnimmt, indem er ihm neue Werke von sich schickt. Stellvertretend für Friedrich schreibt der Abbé de Prades40 an den Philosophen. Erst vier Jahre später schreibt ihm der König selbst wieder. Dieser erneute Briefverkehr zwischen dem Dichter- und Philosophenfürsten und dem preußischen Staatsmann dauert weitere 21 Jahre bis zum Tode Voltaires. Am 30. Mai 1778 stirbt dieser nach kurzem und (vom Volk, nicht vom frz. König) gefeiertem Aufenthalt in Paris. Bis zuletzt hatten die beiden einander geschrieben und sich immer wieder die gegenseitige Bewunderung füreinander ausgedrückt. Kurz nach dessen Tod lässt Friedrich in einer Sondersitzung der Berliner Akademie der Wissenschaften eine von ihm verfasste Gedenkrede zu Ehren Voltaires vorlesen, die auf dessen einzigartige Genialität Bezug nimmt und in der er ihn auf eine Stufe mit Homer und Cicero stellt.

II. Hauptteil

1. Vor Potsdam

1.1. Kontaktaufnahme

Zunächst aber zurück zum Anfang. Am Anfang ist die große Kluft zwischen dem „Soldatenkönig“ Friedrich Wilhelm I. und seinem „effeminierten“41 Sohn Friedrich, die in eine überaus strenge Erziehung für diesen mündet. Der Thronfolger soll durch die minutiöse und lückenlose Beaufsichtigung in seinem Tagesablauf die Staatsgeschäfte ganz im Sinne seines Vaters erlernen und fortführen, ohne „den Schein der Macht“ oder „das Flitterwerk der gllnzenden Kultur“42. Die frz. Lebensart des 18. Jahrhunderts, die an den europäischen Höfen stilprägend43 war, übt von früh an einen großen Einfluss auf Friedrich den Großen aus. Neben diesen bedeutenden kulturellen Idealen des 17. und 18. Jahrhunderts erwächst zunehmend, diese beeinflussend, aber auch entgegenwirkend, ein gesellschaftlicher Diskurs, der auf den jungen Prinzen ebenfalls nachhaltig große Wirkung zeigt, der Diskurs der Aufklärung.

Friedrich genießt die, am Hofe übliche, frz. Erziehung44 und beginnt sich, wohl auch angeregt durch seine ältere Schwester Wilhelmine45, der „Musik, Dichtung und Philosophie“46 zuzuwenden. Religion scheint bei ihm keinerlei Interesse zu wecken, dafür umso mehr das vornehmliche Sprachrohr der Aufklärung, die Philosophie47. So bildet sich bei ihm bereits in jungen Jahren einerseits eine große Hingabe zu französischer Lebensart und Sprache und andererseits zu den Idealen der Aufklärung heraus. Den perfekten Ansprechpartner diesbezüglich bietet für Friedrich Voltaire, mit dem er mit Mitte zwanzig Kontakt von Rheinsberg aus aufnimmt. Bevor der Königssohn jedoch seinen Aufenthalt dort ab 1736 größtenteils nach seinem Gutdünken und als eine Art Vorwegnahme seines späteren Hofes48 einrichten kann, erfolgt nach missglückter Flucht vom Hofe seines Vaters im Alter von achtzehn Jahren, 1730, zunächst noch seine mehrjährige schmerzhafte Wiedereingliederung49. Als sich der junge und im praktischen Leben noch kaum bewährte Friedrich an den etablierten und erfahrenen Voltaire wendet, ist er bereits gut vorbereitet: „Monsieur, wenngleich ich nicht die Genugtuung habe, Sie persönlich zu kennen, so sind Sie mir doch durch Ihre Werke sehr wohl bekannt.“50 Dies die Anrede des jungen Prinzen in Brief 1 an Voltaire, dem er seine Bewunderung für dessen Dichtkunst und Philosophie-Kenntnisse bzw. die geniale Verbindung von beiden, ausspricht und von dem er verlangt, dass er ihm alle seine Werke schicken möge. In den ersten Briefen wird klar, dass es Friedrich darum geht, sich in prosaischer und vor allem poetischer Kunst zu bilden, der „Meister“ soll seine Gedichte korrigieren, seine Sprache und Sprachgewandtheit verbessern. Mit dem Hinweis auf die Rückständigkeit der deutschen Sprache gegenüber der französischen bittet der Kronprinz den Dichter und Philosophen, bei ihm in dieser Sache in die Lehre gehen zu dürfen. Voltaire, vom frz. Hof kaum beachtet bzw. wegen verschiedener Vorkommnisse und bestimmter Werke in Ungnade gefallen, ist vom überschwänglichen Lob des zukünftigen Königs äußerst angetan, gerne wird er den Lehrer des talentierten und für die aufklärerischen Ideen des Philosophen offenen angehenden Machthaber spielen. Die Themen des Briefwechsels zu Beginn des Kontakts sind laut Walter Mönch aber nicht nur „Sprache und Literatur“, sondern auch „Philosophie und Metaphysik“ und „Politik und Moral“51. Der Prinz bespricht mit Voltaire ebenso angeregt politisches und philosophisches, das ihn antreibt. Doch auch Voltaire profitiert vom durch den Kronprinzen angestoßenen Briefverkehr. Ein philosophischer Austausch zwischen Beiden findet statt, man merkt ihm die Freude über gedankliche Gemeinsamkeiten an. Friedrich kündigt ihm sogleich die Übersendung von Christian Wolffs52 neuestem Werk an, später diskutieren sie in euphorischem Ton das philosophische Problem von „Determination und Willensfreiheit“53. Schmeicheleien und der Austausch von Gemeinsamkeiten bestimmen die Kontaktaufnahme der beiden verwandten Seelen und die Zeit bis zur Krönung Friedrichs.

1.2. Der Anti-Machiavell

Der politische Austausch der beiden führt zur ersten konkreten Zusammenarbeit bezüglich der von Friedrich kurz vor seiner Thronbesteigung verfassten und anonymen Schrift gegen den italienischen Staatstheoretiker des 16. Jahrhunderts, Niccolò Machiavelli54. Friedrich II. sammelt in den Werken Voltaires und im schriftlichen Gespräch mit ihm Ideen für den sogenannten „Anti-Macchiavell“: der Entwurf eines Gegenbilds zu Machiavellis „Il Principe“ in 26 Kapiteln, der ein nach moralischen Maßstlben („Menschlichkeit, Gerechtigkeit und Güte“55 ) konzipiertes Regieren in den Vordergrund stellt. Voltaire ermutigt den 27jährigen Prinzen, den „Anti-Machiavell“ zu schreiben56, Kapitel für Kapitel werden hin und hergeschickt, von ihm sprachlich korrigiert und in Gemeinschaftsarbeit inhaltlich überarbeitet. Schließlich soll der Philosoph ein Vorwort zum staatstheoretischen Oeuvre Friedrichs schreiben, die Drucklegung des ihm anvertrauten Manuskripts nimmt er eigenmächtig in die Hand und schon im September 1740 befindet es sich von Holland57 ausgehend im Umlauf.

Dann rudert Friedrich II. plötzlich anlässlich des Todes seines Vaters58 und seiner anschließenden Thronbesteigung zurück und verlangt von Voltaire, das bereits beim Verleger liegende Manuskript zurückzuziehen bzw. falls schon im Druck befindlich, aufzukaufen59, zu verfänglich seien manche Stellen. Es gelingt Voltaire nicht dies zu tun, die Schrift wird gedruckt. Voltaire bleibt nur die Überarbeitung bzw. Entschärfung der möglicherweise Anstoß erregenden Passagen und der Neudruck bei einem anderen Verlag. Friedrichs Blanko- Vollmacht60 an Voltaire zur Veränderung seines Werks interpretiert dieser jedoch so eigenmächtig, dass der König mit dem Resultat überhaupt nicht mehr zufrieden ist und eine erneute Überarbeitung und Edition davon plant61. Diese neue Version von Voltaire geht schnell wieder in Druck und hinter vorgehaltener Hand raunt man sich den Namen des berühmten Verfassers schon zu. Eine äußerst peinliche und unbefriedigende Situation für den jungen König, die der frz. Philosoph zu einem großen Anteil mit zu verantworten hat.

Dieser erste leichte Knick in der Beziehung der Beiden zeigt zweierlei: erstens agiert Voltaire innerhalb ihrer Verbindung im größtmöglichen Rahmen auf eigene Faust und ohne auf Friedrich Rücksicht zu nehmen, was sich hinsichtlich der (vorschnellen) Herausgabe der Manuskripte und in der überaus eigenmächtigen Überarbeitung einiger Kapitel äußert62 und zweitens bewegen sich beide Partner im Geiste mit Friedrichs Thronbesteigung in ihren Lebenssituationen einen großen Schritt weit auseinander. Der Philosoph bleibt Privatmann, der Kronprinz und vormals „sinnierende Rheinsberger Privatier“ wird zum Staatsmann mit Regierungsverantwortung. So verändert sich laut Mönch auch im Laufe seiner Regierungszeit sein Blick auf den italienischen Staatstheoretiker Machiavelli. Schon zwei Jahre nach Amtsübernahme zieht er im Vorwort zu seinen „Denkwürdigkeiten“ eine scharfe Grenze zwischen öffentlicher und privater Moral, wenn er sagt: „Ich hoffe, die Nachwelt, für die ich schreibe, wird bei mir den Philosophen von dem Fürsten und den Ehrenmann vom Politiker zu scheiden wissen. Ich muß gestehen: wer in das Getriebe der großen europäischen Politik hineingerissen wird, für den ist es sehr schwer, seinen Charakter lauter und ehrlich zu bewahren. Immerfort schwebt er in Gefahr, von seinen Verbündeten verraten, von seinen Freunden im Stich gelassen, von Neid und Eifersucht erdrückt zu werden, und so steht er schließlich vor der schrecklichen Wahl, entweder seine Völker zu opfern oder sein Wort zu brechen.“63 Nach dem Verstreichen von weiteren zehn Jahren lässt sich Friedrich in seinem politischen Testament von 1752 bzgl. des „Ehrgeizes“ eines Fürsten zu dem Zugestlndnis hinreißen: „Ich muß leider zugeben, daß Machiavelli recht hat.“64

Trotz der Voltaire’schen Einmischungen und Eigenmlchtigkeiten in diesem Fall und der veränderten Lebensumstände von Philosoph und (Landes-)Fürst, die für den Aufbau eines freundschaftlichen Verhältnisses auf lange Sicht möglicherweise Schwierigkeiten bereiten können, bleibt Friedrichs Bewunderung für Voltaire ungebrochen und der Briefwechsel gleichmäßig angeregt. Friedrich drängt ihn vermehrt, zu ihm nach Potsdam zu kommen.

1.3. Die vier Begegnungen

Die ersten vier Begegnungen bis zur fünften, „großen“ und llngsten, 1750-53, führen zu einer gewissen Art von Ernüchterung auf beiden Seiten (und zu einigen barschen Äußerungen Dritten gegenüber), jedoch noch nicht zu einem größeren Bruch in deren Verhältnis, der dann erst nach Potsdam und der anschließenden „Frankfurter Episode“ erfolgen soll. Trotz der persönlichen und politischen Ränkespiele beider hinter den Kulissen, die mit den vier Treffen einhergehen, spielt sich auf deren gemeinsamer Bühne ein anderes Schauspiel ab: beide scheinen fasziniert von ihrem persönlichen Aufeinandertreffen und tragen dies sogleich nach außen65. Die Konversationen in ihren Briefwechseln, die noch im Vorfeld „das Ideal einer Freundschaft von Mlnnern“66 skizzieren, werden nun realiter fortgesetzt. Beide sind offensichtlich auch im wirklichen Leben beeindruckt von dem Geist, der in ihren Gesprächen fließt. Das erste Treffen bei Kleve im September 1740 ist noch sehr kurz (2 Tage), das in Rheinsberg ein paar Wochen später, etwas llnger, Voltaire wird „wie ein kleiner Messias empfangen“67. Dieser sieht in der neuen und für die europäischen Machtverhältnisse immer wichtiger werdenden Position seines Brieffreundes scheinbar in erster Linie die Möglichkeit, eigene aufklärerische Ideen zu verwirklichen und ganz konkret im politischen Geschäft mitmischen zu können. Dies äußert sich u.a. darin, dass er, ganz unfreundschaftlich, den preußischen immer wieder für den französischen König ausspioniert, um, wie Kerber betont ngriffskrieg! Ein vorausschauender Präventivkrieg sei gleichwohl obligatorisch: „ lso ist es besser für einen Fürsten, sich auf einen Angriffskrieg einzulassen, solange er Herr der Lage ist, um zwischen dem Ölzweig und dem Lorbeerzweig wählen zu können, als auf hoffnungslose Zeiten zu warten, in denen eine Kriegserklärung nur für einige ugenblicke seine Versklavung und seinen Untergang aufhalten könnte.“ Reclam, S. 103. „den Zugang zum Machthaber für seine eigene Stellung in Frankreich zu nutzen“68. Beim Treffen in Rheinsberg, für das er die offizielle ordre de mission erhalten hat, scheitert er mit seinen Ausspähungsbestrebungen allerdings kläglich. Friedrich hält sich gegenüber seinem Brieffreund bedeckt und so sind die Berichte, die an Kardinal Fleury69, den frz. Premierminister gehen äußerst dürftig70. Von dessen Plan nach dem Tode Kaiser Karl VI.71 Ende 1740 und der damit einhergehenden turbulenten Übergangsphase in der Thronfolge, die Gelegenheit am Schopfe zu packen und Österreich Schlesien streitig zu machen, erfährt Voltaire von Friedrich überhaupt nichts. Vermutlich ist dies auch der Grund, warum er für sein nächstes, das dritte Treffen72 mit Friedrich von den Franzosen zur Einbringung von Informationen nicht herangezogen wird73. Friedrich scheint über Voltaires diplomatisches Gebaren noch nicht sonderlich verärgert74, eher darüber, dass ihm der Philosoph die Reisekosten der letzten fünf Monate mit hoher Summe75 veranschlagt. Trotz allem scheint Friedrich Voltaire nun erst recht ganz für sich „besitzen“ zu wollen, seine folgenden Briefe zeugen davon. Um zu diesem Ziel zu gelangen, tut Friedrich etwas ebenso unfreundschaftliches wie Voltaire es mit der Spionage seines Gefährten begangen hatte. Er möchte ihn für sein Heimatland unmöglich machen und lässt dem einflussreichen Bischof von Mirepoix über Umwege ihn diskreditierende Epigramme76 von Voltaire zukommen, die dieser dem preußischen König vorher zugesandt hatte77.

Offensichtlich von der frz. Staatsführung angestoßen. Einerseits ging es Voltaire immer darum, einen gewissen Einfluss am frz. Hof aufzubauen bzw. ganz konkret um die Aufnahme in die ruhmreiche Académie Française (frz. Gelehrtengesellschaft zur Pflege der frz. Sprache; gegr. 1635). Kerber, Markus C. Europa ohne Frankreich? Deutsche Anmerkungen zur französischen Frage, Frankfurt/Main 1999, S. 198.

Bei seinem vierten Treffen mit Friedrich78 erhält Voltaire von der Regierung diesmal den offiziellen Auftrag bei Friedrich Erkundigungen über dessen „politisches Befinden“ einzuholen, inklusive Entlohnung und unterstützt durch die französische Diplomatie79. Bevor er in Potsdam anreist, entwendet er beim preußischen Attaché in den Niederlanden, Graf von Podewils80, allerdings inoffiziell, geheime (preußische) Staatsakten, die er dem frz. Außenministerium übermittelt. Friedrich hat von Voltaires Spionage-Plänen vorab erfahren81 und gibt diesem nach dessen Ankunft keinerlei konkrete bzw. nur sehr allgemeine Informationen preis. Den „Fragebogen“, den ihm Voltaire zur Sache übergibt, versieht Friedrich mit leicht spöttischen Randbemerkungen82 und nimmt ihn zum Anlass, Voltaires diplomatische Liebäugelei und das politische Vorgehen dessen Auftraggebers in jüngster Zeit83 in die Schranken zu verweisen. Es wird nicht das erste Mal sein, dass er den Philosophen ermahnt, dass sich beide auf falschem Feld befänden und dass es besser für ihn sei, „über Poesie zu plaudern“84. Der erneute Misserfolg Voltaires85, über den er Anfang 1744 in Paris Bericht ablegen muss, hindert die offizielle Diplomatie nicht daran, Mitte des Jahres einen Bündnisvertrag auf zwölf Jahre zwischen den beiden Ländern abzuschließen86.

Man mag sich wundern, dass beide ob der obigen Vorkommnisse ihre Beziehung weiter pflegen. Friedrich scheint zwar verärgert, äußert aber mit derselben Vehemenz wie zuvor den Wunsch, den Philosophen ganz bei sich zu haben. Obschon der Briefwechsel der Beiden versandet87, brechen die Ehrbezeugungen und Bewunderungsformeln in den Briefen nicht ab und nach langer Periode des Wartens für Friedrich trifft der noch um seine langjährige Freundin88 trauernde Voltaire am 10. Juli 1750 in Berlin ein.

2. Potsdam

Aus der anfänglichen grenzenlosen Bewunderung Friedrichs für den Philosophen und Dichter war, bedingt durch deren Aufeinandertreffen, eine differenziertere Haltung gegenüber Voltaire geworden: Bewunderung und Verachtung zu gleichen Teilen89. Die geistige Verwandtschaft, die den Anstoß zur brieflichen Kontaktaufnahme gegeben hatte, war durch die Irrungen und Wirrungen der direkten Treffen unberührt geblieben, die persönliche Beziehung der beiden war danach jedoch mit beiderseitigem Misstrauen behaftet und die Frage vor Potsdam war nun, ob durch ein längeres Zusammensein90 von Voltaire und Friedrich dieses Misstrauen zu beseitigen wäre und so etwas wie eine Freundschaft möglich sein sollte.

2.1. Die ersten Wochen

Zunächst fordert Friedrich II. Voltaire offiziell vom frz. Hof an. Voltaire, dort mittlerweile rehabilitiert und in Anstellung, wird beurlaubt und plant für eine längere Zeit zu seinem Gefährten an den Hof zu wechseln. Wieder stellt er Friedrich seine Reisekosten in seine Heimat wieder anzunähern, er schreibt ein Stück für den frz. Hof und wird zum Historiographen und Kammerherren von Ludwig XV. ernannt.

Rechnung91. Die neue Frau an Voltaires Seite, seine Nichte Mme Denis sieht in der Verbindung keine Zukunft und äußert per Brief den wohlüberlegten Einwand, ob ihr eigenwilliger Onkel unter königlicher Obhut wohl glücklich werden könne. Voltaire übermittelt Friedrich diesen Brief, der dem Philosophen, ebenfalls brieflich, sogleich mit einer Anhäufung von Freundschaftsbezeugungen alle mögliche Sorge nehmen will: „Aber Sie sind Philosoph, ich bin es auch. Was wäre einfacher und natürlicher, als daß zwei Philosophen, die geschaffen sind, miteinander zu leben, durch gleiche Studien, gleichen Geschmack und ähnliche Denkart miteinander verbunden, sich diese Genugtuung geben? Ich achte Sie als meinen Lehrer in der Beredsamkeit und im Wissen; ich liebe Sie, wie man einen tugendhaften Freund liebt.“92 Um mögliche Zweifel Voltaires zu zerstreuen und um seinem Brief das nötige Gewicht zu verschaffen, übersendet er ihm den Schlüssel des Kammerherrn, das von ihm angeforderte Verdienstkreuz93, die 20.000 Livre Jahresgehalt und gewährt ihm freie Kost und Logis.

Die ersten zwei Monate verlaufen wie in deren Vorstellung ausgemalt: Voltaire hat nicht viel zu tun und seinen Spaß (und wird dafür auch noch fürstlich entlohnt) und der König genießt dessen Anwesenheit und Eloquenz.

Doch bereits im November beginnt sich Voltaire offensichtlich unwohl zu fühlen und in diversen Briefen an seine Nichte äußert er seine Bedenken über das vermeintliche Schauspiel am Hofe des Königs: er hatte u.a. miterlebt, wie der König seinem Vertrauten D‘Arget94 anlässlich des Todes von dessen Frau seine äußerst einfühlsame Anteilnahme ihm gegenüber ausdrückte, im gleichen Zug aber ein kurzes Gedicht gegen die Dahingeschiedene geschrieben hatte. Mit Samthandschuhen würden sie ihn anfassen, schreibt er ihr, aber was stecke dahinter?95

Voltaires Unwohlsein scheint sich im Folgenden in seiner zunehmenden Aktivität auszudrücken. Noch bevor es zum ersten der beiden Eklats in der Beziehung des Königs und des Philosophen kommt, fallen ab dem Winter 1750 diverse, scheinbar von Voltaire ausgehende Vorgänge auf, die Friedrichs Unmut wecken. Zunächst intrigiert er den frz.

Nachwuchs-Dichter d’Arnaud96 vom preußischen Hofe, dann mischt er sich, ebenfalls zum großen Missfallen Friedrichs in den Scheidungskrieg eines befreundeten Adels-Paares97 ein.

2.2. Die zwei Affären

Dies ist jedoch erst das kleine Vorspiel zu Größerem. Die sogenannte „Afflre Hirschel“ wirft ein schlechtes Licht auf den Hof des preußischen Königs und führt zu Gerede an den anderen europäischen Höfen. Voltaire, der sie losgetreten hat, verliert dadurch im Dezember fast schon wieder seine gerade erhaltenen Ämter.

Durch ein Edikt des Königs waren seit Mai Spekulationen mit sächsischen Schuldscheinen/Staatsanleihen verboten worden. Diese hatten stattgefunden, weil die preußischen Untertanen nach den Bestimmungen des Dresdner Friedens98 zwischen Preußen und Sachsen gegenüber den Untertanen Sachsens das Vorrecht erhalten hatten, die Scheine zu ihrem vollen Wert ausgezahlt zu bekommen. Über den Berliner Banker Abraham Hirschel, der als preußischer Mittelsmann dienen soll, will sich Voltaire genau an diesen illegal gewordenen Spekulationen beteiligen. Der Handel kommt allerdings nicht zustande und beide liefern sich einen lautstarken und peinlichen Prozess, bei dem beider Urkundenfälschungen auffliegen. Gegenüber Friedrich streitet Voltaire zunächst die Verantwortung für sein Vorgehen im Fall Arnaud und in der Affäre mit Hirschel ab: der junge Dichter sei gegen ihn aufgehetzt worden, zum Prozess gegen Hirschel sei er gleichermaßen gezwungen worden99. In seiner Antwort zählt ihm Friedrich erbost seine begangenen Fehler auf100 und bittet ihn unverblümt diesen unwürdigen Teil seiner Persönlichkeit auszuschalten und stets nur „als Philosoph“ nach Potsdam zu kommen, ansonsten könne er „dann genausogut in Berlin bleiben“101. Im Folgebrief gibt sich Voltaire daraufhin deutlich kleinlauter und betont, er habe einen „schweren Fehler“102 begangen.

Friedrich scheint die Entschuldigung seines Kammerherren anzunehmen, über den Austausch von Poesie und Prosa nähern sich die beiden wieder einander an und führen ihr geselliges Leben am Hofe zunächst weiter. Voltaires Freunde warnen ihn jedoch von Paris aus und bitten ihn zurückzukehren. Der Philosoph lehnt ab, stärker ist scheinbar sein Pflichtgefühl gegenüber seinem Werk, das er hier am preußischen Hof in Ruhe fortführen kann103.

Voltaires Unruhe und Unwohlsein bekommt schon ab Ende 1751 neue Nahrung mit einer scheinbaren Bemerkung Friedrichs, die ihm durch einen anderen Philosophen der Tafelrunde, LaMettrie104, übermittelt wird: „Lassen Sie nur, sagte der König zu ihm, man preßt die Orange aus und wirft sie weg, wenn man den Saft getrunken hat.“105 Der Philosoph fühlt sich hintergangen , die Aussage lässt ihm keine Ruhe, noch Monate später schreibt er an seine Nichte: „Je rêve toujours à l’écorce d’orange (…)“106.

Doch auch Friedrich wird, diesmal über Maupertuis107, über eine verletzende Äußerung Voltaires informiert, die dieser im Zusammenhang mit seiner Korrekturtätigkeit am Hofe getätigt haben soll. Voltaire, gerade im Begriff, eine Schrift des Generals Manstein zu korrigieren, entgegnet diesem bei der plötzlichen Hereingabe eines königlichen Manuskripts: „Sie sehen, lieber General, erst muß ich die schmutzige Wäsche des Königs waschen; dann mache ich mich an die Ihrige.“108

Die Beziehung der Beiden ist an diesem Punkt alles andere als freundschaftlich, die beiderseitigen Kränkungen sitzen tief, das Misstrauen hat sich verfestigt, Voltaire trifft bereits Abreise-Vorkehrungen. Doch wieder scheint über allem die gemeinsame Liebe zu (französischer) Literatur zu stehen und es herrscht noch knapp ein Jahr „schöpferisches Glück in Potsdam“109.

Mitte des Jahres 1752 bietet der Gelehrtenstreit zwischen dem oben genannten Maupertuis und dem deutschen Mathematiker Samuel König110 Voltaire allerdings scheinbar erneut den willkommenen Anlass zur Einmischung. Dieser bezieht zunächst in einem anonymen Schriftstück Stellung gegen das eigenmächtige Vorgehen des Präsidenten der Akademie. Friedrich antwortet auf dieses mit einem ebenfalls anonym veröffentlichten Schrieb, der böse Anfeindungen gegenüber dem anonymen Parteigänger des Mathematikers König enthält. Es scheint ein offenes Geheimnis zu sein, wer die Stellungnahme verfasst hat. Der Philosoph antwortet in diese Richtung mit seiner spöttischen Schrift, die „Diatribe du Docteur Akakia, Médecin du Pape et du natif de Saint-Malo“111, in der er die Geschehnisse der Kontroverse zwischen den beiden Gelehrten gnadenlos überzeichnet und Maupertuis Schriften der Lächerlichkeit preisgibt. Nicht nur ist Friedrich außer sich über den Inhalt von Voltaires Schrift, die sich schnell verbreitet und den Vorsteher der Akademie, diese selbst und damit ihn als Schirmherrn zum Gespött der literarischen Welt macht, sondern auch über das dreiste Vorgehen Voltaires, der ihn mit der Drucklegung der „Diatribe“ hinters Licht führt. Friedrich hatte auf Anfrage Voltaires Druckerlaubnis gegeben für ein anderes Werk, das Voltaire offensichtlich nicht drucken ließ, jedoch dafür die Schmähschrift über Maupertuis.

Der König wird so durch Voltaires Vorgehen erneut der Peinlichkeit in der Öffentlichkeit ausgesetzt. Friedrich lässt an Weihnachten 1752 das Werk daraufhin öffentlich verbrennen. Im gleichen Zug verlangt er den Orden Pour la Mérite und den Kammerherrnschlüssel von Voltaire zurück, was einer Kündigung gleichkommt. Voltaire, der die Aufregung nicht verstehen kann, ist entsetzt von der Willkür des preußischen Herrschers und schickt seiner Nichte anllsslich des Vorgangs „das kleine Wörterbuch für den Umgang mit Fürsten“: „Mein Freund bedeutet: mein Sklave; mein lieber Freund heißt: du bist weniger als nichts für mich; ich will dich glücklich machen, bedeutet: ich ertrage dich, solange ich dich brauche; dinier mit mir heute Abend heißt: ich werde mich über dich lustig machen“112.

Zu erwarten ist jetzt eigentlich das Ende ihrer Beziehung. Doch auch hier setzt überraschenderweise noch kein tatsächlicher Bruch ein zwischen den Beiden. Bis Ende März 1753 findet scheinbar ein erneutes Schauspiel an Zerknirschung, Schuldeingeständnissen, Entschuldigungen, Vorwürfen und Versöhnungen statt; das Voltaire’sche Ornat scheint einige Male hin und her zu wechseln113. Voltaire ist diesmal allerdings fest entschlossen abzureisen.

2.3. Frankfurt

Der große Bruch ihrer Beziehung, der dazu führt, dass sich beide bis zu ihrem Tode persönlich nicht mehr begegnen und dass ihr gemeinsamer Briefwechsel für einen Moment eine Lücke aufweist, erfolgt durch die „Frankfurter Episode“, in der Voltaire von Friedrich durch seine Gefolgsleute in Frankfurt festgesetzt wird. Auf seiner Rückreise nach Frankreich über Leipzig, Gotha und Kassel lässt es sich Voltaire nicht nehmen, erneute Pamphlete gegen Maupertuis herauszubringen. Das Vertrauen Friedrichs in ihn scheint endgültig gebrochen. In einem offenen, wütenden Brief an ihn vom 19. April 1753 thematisiert er dessen Verschlagenheit. Seine von Friedrich so bewunderte sprachliche Fertigkeit nutze er oftmals für böse Absichten: „Sie beherrschen die Kunst, Daten zu lndern und Ereignisse nach Gutdünken zu verpflanzen; mehr noch, Sie besitzen die Wendigkeit, einen Satz von hier und einen Satz von da aufzugreifen und beides so zusammenzufügen, daß es Ihren Absichten bestens entgegenkommt. All diese bedeutenden Gaben, die mir an Ihnen vertraut sind, erheischen mir einige Vorsicht (…)“114 Aus Angst vor dieser Durchtriebenheit setzt er den Philosophen in Frankfurt am Main durch preußische Beauftragte vor Ort fest: er hatte verfügt, dass sich die Beamten von Voltaire einen (für die Allgemeinheit) unveröffentlichten Band mit Schriften des Königs115, den an ihn zurückgegebenen Orden und den Kammerherrenschlüssel aushändigen lassen sollten. Der Gedicht-Band ist nicht im Gepäck Voltaires und so wartet man auf die Nachsendung desselben zwei Wochen lang in Frankfurt. Voltaire verpflichtet sich auf Grundlage seines Ehrenworts dort auszuharren. Als das Gepäckstück nebst Büchlein eintrifft, will ihn der Frankfurter Unterhändler nicht gehen lassen, was zu einem missglückten Fluchtversuch seinerseits führt. Die anschließende entwürdigende und unrechtmäßige116 Festsetzung unter soldatischer Aufsicht thematisiert Voltaire in seinen Memoiren ausführlich117. Nach fast sechswöchigem unfreiwilligen Aufenthalt in der freien Reichsstadt wendet er sich, jetzt in Mainz, in einer Art Abrechnungs-Brief an Friedrich, möchte ihn in Kenntnis setzen von seiner entwürdigenden Behandlung. Der preußische König reagiert nicht auf diesen und auch nicht mehr auf die nachfolgenden Briefe Voltaires. Dieser ist nach allem, was passiert ist, nun in Preußen nicht mehr willkommen118.

Die Chance nach den Unstimmigkeiten der ersten vier kurzen Treffen durch eine längere Zusammenkunft der Beiden ein freundschaftliches Verhältnis aufzubauen, bleibt ungenutzt bzw. tritt sogar der Bruch ihrer Beziehung mit anschließender Funkstille von einer der beiden Parteien ein.

Während Walter Mönch die Schuld am (vorläufigen) Zerwürfnis in erster Linie bei Voltaire ausmacht, sieht Jürgen von Stackelberg die Ursache dafür im Gegenteil in Friedrichs Person bzw. Situation liegend: für ihn ist es das Problem in deren Beziehung, dass sich dessen ehemaliger (Sprach- und Philosophie-)Lehrer dem „bedingungslosen Gehorsam“ dem preußischen König gegenüber nicht beugen will und kann. Für von Stackelberg sind die zwei Affären, die am Hofe für Aufregung sorgen, lediglich zwei „legitime Streiche“, der Kauf der Wertpapiere „eine kleine Unbotmäßigkeit“, die „Aufkllrung über Maupertuis“ „eine gute Tat“119. Die listige Vorgehensweise Voltaires gegenüber Friedrich sei, so der Göttinger Romanist weiter, die einzige Möglichkeit gewesen, dem tatsächlichen Machtgefälle der Beiden beizukommen. Voltaire hätte nicht einfach nur gehorchen wollen und können120. Auch Peter Gay betont die Ungleichheit beider, die bei den Treffen manifest wird121. Voltaire sei gleichsam mit dem Versprechen der Gleichheit nach Potsdam gelockt worden, welches dann von Friedrich vor Ort immer wieder gebrochen wird.

3. Nach Potsdam

Die Frage ist an diesem Punkt, wie die Beziehung der zwei Persönlichkeiten nach den Potsdamer Vorkommnissen und dem Frankfurter Eklat weitergeht, denn sie geht weiter, und zwar zumindest in der Form der Korrespondenz, fast 24 Jahre lang bis zu Voltaires Tod im Jahre 1778. Kann man von einer freundschaftlichen Beziehung der Beiden in ihrem letzten Abschnitt des Briefwechsel (und Lebens) reden? Abgesehen von der politischen Dimension, die in ihrem Briefverkehr122 nach Voltaires diplomatischen Fehlschlägen bei Friedrich in den 40er Jahren, Ende der 50 Jahre durch den Ausbruch des Dritten Schlesischen Krieges bzw. des Siebenjährigen Krieges123 wieder stark in den Vordergrund tritt124, interessiert für das Thema in erster Linie die persönliche Facette desselben.

An zwei Situationen lässt sich möglicherweise so etwas wie freundschaftliches Verhalten ablesen: an der Trostspende Voltaires für Friedrich in schwerer Kriegsdepression 1757 und an der gemeinsamen Zusammenarbeit im Fall des verurteilten Franzosen Etallonde/Morival ab Mitte der 60er Jahre.

3.1. Trost

Die erneute Kontaktaufnahme im Jahre 1757 scheint den „Umgestaltern des Jahrhunderts“125 im Folgenden vornehmlich zu politischem Nutzen im Zusammenhang mit dem Siebenjährigen Krieg zu gereichen. Doch ist die erste Episode dieses diplomatischen Manövers möglicherweise der Beweis freundschaftlichen Vertrauens bzw. freundschaftlicher Fürsorge.

Im Herbst 1757 scheint Friedrich II. angesichts einer schweren militärischen Niederlage bei Kolin in Böhmen gegen Österreich den Plan zu hegen, seinem Leben ein Ende zu setzen. In dieser Lage wendet er sich am 9. September offen mit einem Brief an Voltaire. Der Brief endet mit den düsteren Zeilen:“Quand on a tout perdu, quand on n’a plus d’espoir, La vie est un oppobre et la mort un devoir.“126 Voltaire scheint entsetzt und versucht ihn davon abzubringen. In seinem Antwortschreiben Ende desselben Monats weist er den preußischen König auf den Ruhm hin, den er sich in der Vergangenheit erkämpft habe, er betont das Wohlwollen Frankreichs bei einer möglichen Kapitulation und auch, dass er sich nicht in einer solchen ausweglosen Lage befände, wie er meine: „(…) mit einem Wort, ihr Leben wird sehr gebraucht.“127 Darüber hinaus sei es seine Pflicht als Herrschender weiterzuleben und Entscheidungen zu treffen, zudem würde sein Freitod die gegenteilige Wirkung erreichen und seinen Feinden in die Hände spielen. Die Antwort Friedrichs ist zunächst ein Brief an seine Schwester Wilhelmine mit einem llngeren Gedicht an den Marquis d’Argens, seine Freitod- Absicht thematisierend, mit der Bitte Voltaire eine Abschrift (zur Korrektur?128 ) zukommen zu lassen. Noch einmal dringt der Philosoph im Folgebrief Mitte Oktober129 auf ihn ein. Er würde durch die Tat seinen Ruhm verlieren, seinen Freunden Kummer bereiten und seinen Feinden Triumph beschaffen130. Dann appelliert Voltaire an den Philosophen in Friedrich: die Vernunft müsse über den Empfindungen der Eigenliebe stehen, die ihn unbedacht zu solchen Überlegungen hingerissen hätten. Als seine Beweggründe nennt er einzig „das öffentliche Wohl und Ihr eigenes“131. Auch der dritte Brief132, der darauf Bezug nimmt, zeigt einen scheinbar emotional aufgewühlten Voltaire133, der seinen Freund vor dem Selbstmord retten will. Friedrichs Verse an d’Argens bewiesen die „Überlegenheit seiner Seele“, angesichts derer er sich nicht umbringen könne. Nur er könne das Gleichgewicht der (europäischen) Kräfte weiterhin gewährleisten, seine Familie und seine Staaten bräuchten ihn und die Philosophen kämen in eine argumentative Bredouille, wenn er sich jetzt umbrächte.

Man bekommt mit diesen Äußerungen den Eindruck, dass Voltaire Friedrich in freundschaftlicher Manier brieflich zu Hilfe eilen möchte.

Für von Stackelberg sind sie tatslchliche „Gesten der Freundschaft“134, die mit guter Kenntnis seines langjährigen Gegenübers genau dort treffen, wo es nötig ist. Mönch bezeichnet die Repliken Voltaires kühl als „Ratschllge“135, die Friedrich eigentlich nicht nötig habe, die ihn jedoch möglicherweise mit dazu beeinflussen, sein Leben fortzusetzen. Mit dem Hinweis auf dessen Memoiren, in denen Voltaire Friedrichs mondlne Verse an d’Argens als „schlecht“ und mit „Wiederholungen“ überladen bezeichnet136 und in denen er die traurige Geschichte leicht verächtlich nachzeichnet, spricht Mönch von dessen empfundener Genugtuung angesichts der unwürdigen Behandlung durch ihn in der Vergangenheit.

Tatsächlich ist es beachtlich, dass er im Brief vom Oktober ’57 in dieser Situation wohl nicht zufällig Geschehnisse aus der „Frankfurter Episode“ einstreut137. Ähnlich unemotional ist möglicherweise auch ein politischer Hinweis Voltaires im ersten Schreiben nach der Ankündigung Friedrichs zu deuten.

Kerber spricht von einem „handfesten politischen Vorschlag“138, der die mögliche Verhandlungsbereitschaft Frankreichs bei gleichzeitiger „Herausgabe einiger seiner Eroberungen“139 beinhaltet. Zudem hätte auf Voltaires Brief als Absender das frz. Außenministerium gestanden, was Friedrich II. nebst „Ermahnungen“ darin, zum Anlass nahm, sich bei seiner Schwester Wilhelmine darüber lustig zu machen140. Also, all diese Emotionen nur gespielt? Es scheint auch an diesem Punkt nichts aufzublitzen, was man als „freundschaftlich“ zwischen Voltaire und Friedrich bezeichnen könnte.

3.2. Der Fall Morival

Abschließend soll das gemeinsame Vorgehen der Beiden im Fall Etallonde/Morival beleuchtet werden, eines in Frankreich Straffälligen und nach Preußen geflohenen Soldaten, für den sich beide bis 1775 einsetzen. Geht deren Kooperation in diesem Fall über eine kollegiale Zusammenarbeit hinaus141 ? Oder ist man beiderseits wieder lediglich Nutznießer? Die letzten Briefe142 vor der zweiten vierjährigen Pause in deren Korrespondenz143 weisen einige Spitzen auf, die möglicherweise Ausdruck einer „Überdrüssigkeit“ sind, die Hans Pleschinski als Grund der Unterbrechung annimmt.

1765 läuft deren Briefwechsel wieder an und in diesem Jahr passiert auch der Vorfall in der kleinen frz. Gemeinde namens Abbéville, der Anlass dafür ist, dass beide über mehrere Jahre144 diesbezüglich kommunizieren und kooperieren. Im Herbst 1765 wird in Abbéville an öffentlichem Ort ein Kreuz der Kirche, offensichtlich von drei betrunkenen jungen Männern, beschädigt. Diese werden dingfest gemacht und darüberhinaus beschuldigt, einen im Dorf stattgefundenen Prozessionszug nicht mit dem Kreuzeszeichen gegrüßt zu haben. Einer der drei, Gaillard d’Etallonde, flieht vor einem Prozess nach Preußen und dient sich unter dem Namen „Morival“ beim preußischen Militär an. Sein Kumpan, der zwanzigjährige Chevalier de la Barre hat nicht so viel Glück. Er wird im Februar des Folgejahres enthauptet, sein Leichnam danach verbrannt. Besonders heikel ist der Fall, weil bei la Barre Werke von Voltaire entdeckt werden145. Dieser nimmt sich des Falles aufgebracht und beunruhigt an und kämpft, wie Mönch betont, für Etallonde/Morival, für sich und gegen die „Infâme“. Hinter dem für Voltaire entwürdigenden Schauspiel des Prozesses und der folgenden drastischen Bestrafung in Abbéville, steht seiner Ansicht nach die (kath.) Kirche, die den Aberglauben schürt und der rückständige französische Staat, der sie dabei unterstützt. Schon früh sind sich Friedrich und Voltaire im Kampf gegen den religiösen Fanatismus einig. In der Spätphase ihrer Beziehung scheinen sie aus ähnlichen Motiven gemeinsam gegen diesen vorzugehen; Austragungsort für ihr Bemühen gegen alles „Niedertrlchtige“146 ist der Fall Morival, dessen sich einige Jahre nach dem Prozess, ab Ende 1772, Voltaire wieder annimmt. Friedrich bittet er um die einjährige Beurlaubung von Morival, der in der Zwischenzeit preußischer Offizier geworden ist. Friedrich stellt diesen frei, mit den Worten: „Gern werde ich, sofern ich es vermag, zum Glück des armen Morival beitragen. Unrecht gutzumachen und Gutes zu tun sind Neigungen, welche sich im Herzen eines jeden Ehrenmannes finden sollten.“147 Voltaire drängt den preußischen König weiter auf Mitwirkung in der Revision des Jahre zurückliegenden Prozesses. Dieser willigt Ende 1774 ein, Morivals General ein Zeugnis ausstellen zu lassen, das nach Frankreich geht und lässt den preußischen Gesandten dort beim frz. Außenminister vorsprechen. Auf Drängen Voltaires wird ihm außerdem der Titel „Adjutant und Ingenieur des Königs von Preußen“ übertragen, um den politischen Druck auf das frz. Gericht zu erhöhen. Ein Jahr später kümmern sich die besten Juristen Preußens und beraten Voltaire in der Angelegenheit. Doch das alles nützt nichts, kein frz. Anwalt will sich der prekären Angelegenheit annehmen und weder vor dem Parlament noch beim König trifft Voltaire auf offene Ohren. In der Zwischenzeit ist der Offizier wieder nach Preußen zurückgekehrt und der Fall wird nicht weiter verhandelt. Er wird erst 10 Jahre nach Voltaires Tod in Frankreich wieder aufgenommen und Morival schließlich begnadigt.

Obwohl sich Friedrich zu Beginn des „Kasus Morival“ Voltaire gegenüber, der glühend für das „ganze Menschengeschlechts“ und für aufkllrerische Werte und gegen den Aberglauben kämpft, mit leichter Skepsis und wenig Hoffnung für dessen guten Ausgang zurückhält, spricht doch sein Einsatz für die Sache eine andere Sprache. Selbst wenn er überwiegend von der Aussichtslosigkeit von Voltaires Kampf hier überzeugt ist, unterstützt er seinen langjährigen Brieffreund und den leidenschaftlichen Philosophen, den er für diesen Kampfgeist bewundert.

Als Voltaire 1778 83jährig in Paris stirbt, ist es neben seiner literarischen Begabung, die für Friedrich das Göttliche gestreift und auch erreicht hat, gerade auch diese unermüdliche und unbeirrbare philosophische bzw. aufklärerische Leidenschaft, die er in seiner Gedenkrede für ihn herausstreicht und die ihn für den König zu den „Wohltltern der Menschheit“148 zählen lässt.

III. Zusammenfassung

Angesichts der Briefe zwischen Voltaire und Friedrich II. alleine ist es sehr schwer die Frage nach der Freundschaft zwischen beiden zu beantworten. Schwierig ist es festzustellen, wie viele ihrer Zuneigungs- und Bewunderungsbezeugungen für einander pure Stilisierungen, wie viel in ihrem Briefverkehr bloße Inszenierung ist. Beide scheinen einem antiken und zu ihrer Zeit gerade wieder aktuell gewordenen Freundschaftsbild anzuhängen, das durch völlige geistige Übereinstimmung der beiden „guten Mlnner“ bestimmt ist. Einfacher wird die Bestimmung deren möglicher freundschaftlicher Verbindung, wenn man die Treffen, die fünfmal zwischen Ihnen stattgefunden haben, hinzuzieht. Man kann dann sehen, dass das „vergeistigte“ antike Freundschaftsbild an den „Werten“ zerbricht, die beide innerhalb ihrer Beziehung nicht oder nur bedingt „leben“. Zunächst bewegen sich beide wie in einer Art freundschaftlicher und unrealistischer Trance, doch schon nach kurzer Zeit dringt die Realität in dieser Art Verwirrungszustand ein: Voltaire möchte Geld und dann möchte er noch mehr Geld. Die samtweiche Begeisterung lässt auch schnell nach, wenn das knallharte politische Tagesgeschäft in deren Beziehung eindringt und beide sich weniger wie Freunde, sondern eher wie sich umtänzelnde Wölfe verhalten. Im gemeinsamen Briefwechsel merkt man davon noch nichts, abgesehen von leichten Spitzen und süffisanten Bemerkungen dazu. Mehrere Vertrauensbrüche auf beiden Seiten lassen dann aber auch den Ton im Briefverkehr erkalten und nach der Gefangennahme Voltaires durch Friedrich in Frankfurt ist offenbar keine Freundschaft mehr möglich.

Dabei scheint besonders die unterschiedliche Lebenssituation der Beiden, der eine Privatmann, der andere nicht nur Staatsmann, sondern Vorsteher des Staates, deren freundschaftliche Bindung in vielen Situationen ihres gemeinsamen Werdegangs unmöglich zu machen. Immer wieder agiert der eine, von derartiger Verantwortung frei, ungezügelt aufklärerisch und zeigt keinerlei Verständnis für den Gefährten, der zwischen Staatsräson und aufklärerischen Reformen changieren muss. Der andere scheint das tatsächliche Ungleichgewicht in ihrer Beziehung auszunutzen und lässt es ihn nicht nur in Frankfurt, sondern wohl schon davor in Potsdam täglich spüren. Ist Voltaires Trostgebaren für Friedrichs vermeintliche Selbstmordabsicht möglicherweise ein reiner Akt der persönlichen Genugtuung für ihn oder ein weiteres politisches Ausloten des Fast-schon-Dahinscheidenden, scheint die kollegiale Zusammenarbeit der Beiden im Fall des französischen Soldaten Etallonde und später preußischen Offiziers Morival, so etwas wie freundschaftliche Zuneigung erahnen zu lassen. Möglicherweise setzt bei Beiden so etwas wie Altersmilde ein149, Voltaire bedankt sich für Friedrichs Hilfe, scheinbar ohne Hintersinn, Friedrich freut sich für seinen Freund und zeigt wohl echte Bewunderung für dessen eigentlich aussichtslosen Kampf.

IV. Die Forschung

Für Markus C. Kerber ist es der pure Pragmatismus der beiden Persönlichkeiten, die sie zueinander finden lässt. Voltaire biete sich die Möglichkeit eines „sehr gut bezahlten Asyls“150 und einer Wertsteigerung für ihn dadurch an allen europäischen Höfen. Mit dem Kontakt zum „großen“ Freund und splter Feind Frankreichs könne er an den Hof daheim raffiniert Seitenhiebe austeilen. Zudem ließe sich das eingeholte Wissen vorzüglich vermarkten. Friedrich auf der anderen Seite halte sich Philosophen am Hofe, weil es zur damaligen Zeit eben dazugehöre. Unzählige Male spricht Friedrich davon, dass er Voltaire „besitzen“ wolle151. Auf diesen Aspekt ihrer symbiotischen Beziehung geht auch Günther Lottes ein, indem er betont, dass Friedrich Voltaire lediglich als Legitimationsspender für dessen „Selbsstilisierung zum roi-philosophe“152 benötige. Friedrich hätte sich eben an die kulturellen Rahmenbedingungen der Zeit angepasst und die sahen keinen prunkvollen, absolutistischen Monarchen inklusive wuselndem und überladenem Hofstaat vor, sondern eine gediegene Tafelrunde mit diversen philosophischen Berühmtheiten; und einen Fürsten, der publiziere.

Jürgen von Stackelberg wertet die Beziehung der Beiden nicht als in erster Linie nutzbringende. Für ihn pflegen beide von Beginn an eine Freundschaft, die nach Potsdam nicht „vernichtet“ ist, sondern lediglich eine „Krise“153 innerhalb derselben darstellt. So näherten sich beide nach dieser Krise einander vorsichtig wieder an und behielten im Folgenden aber eine gesunde Skepsis bei. Laut von Stackelberg hätten beide nach Potsdam unausgesprochen „Ja zur schriftlichen Form der Beziehung“ gesagt, weniger emotional und deshalb gereifter sei die Freundschaft dadurch geworden. Also eine bewusste Freundschaft aus der Distanz.

Mit dem etwas holprigen Begriff der Freund-Feindschaft versucht sich Walter Mönch aus der schwierigen Situation völliger Ambivalenz in der Beziehung Voltaires und Friedrichs zu retten, die er dort vorzufinden meint. Die Beziehung der Beiden sei der von zwei Liebenden ähnlich, die nicht ohne einander, aber auch nicht miteinander können, alles in allem eine tragische Liebesbeziehung. Mönch spricht von „einem dauernden wechselseitigen Sich- anziehen und Sich-abstoßen“154, das beide, geistreich wie sie seien, pointiert in ihrer Korrespondenz thematisierten.

Laut Anneliese Botond hat deren Beziehung keine freundschaftliche Note. Beiden ginge es lediglich um den Profit, den sie für sich aus der Freundschaft zögen. Zudem sei sie in erster Linie bestimmt durch die systematischen und langanhaltenden Rachebestrebungen Voltaires, die zur Schließung der „Wunde“ beitragen sollten, die die „Frankfurter Episode“ gerissen hatte. Weiter scheine sich hier erstmals in der Geschichte „das Selbsbewußtsein des Denkens mit dem Selbstbewußtsein der Staatsmacht“155 zu messen.

V. Literaturverzeichnis

1. Quellen

- Voltaire. Correspondence, 107 Bände, Edition Besterman, Theodor, 1953-65.
- Voltaire. Memoiren, Über den König von Preußen, herausgegeben und übersetzt von Botond, Anneliese, Frankfurt/Main 1967.
- Friedrich der Große. Der Antimachiavell oder Untersuchung von Machiavellis „Fürst“, Herausgeber: Reclam-Verlag, Leipzig 1991.
- Friedrich der Große und Voltaire. Briefwechsel, 3 Teile, Edition Koser, Reinhold/Droysen, Hans, 1908-11.
- Friedrich der Große und Voltaire. Briefwechsel (Auszug), herausgegeben und übersetzt von Pleschinski, Hans, München 2010.
- Cicero, Marcus Tullius. Laelius, Über die Freundschaft, herausgegeben von Faltner, Max, München 1993.

2. Sekundärliteratur

- Von Stackelberg, Jürgen. Voltaire und Friedrich der Große (Aufklärung und Moderne, Band 31), Erlangen 2013.
- Gay, Peter. Voltaire’s Politics, The Poet as Realist, Princeton, New Jersey 1959.
- Schieder, Theodor. Friedrich der Große, Ein Königtum der Widersprüche, Frankfurt/Main u.a. 1983.
- Mönch, Walter. Voltaire und Friedrich der Grosse, Das Drama einer denkwürdigen Freundschaft, Stuttgart/Berlin 1943.
- Kern, Hans. Schöpferische Freundschaft, Jena 1932.
- Fabian, Franz. Friedrich und Voltaire, Uckerland 2003.
- Rasch, Wolfdietrich. Freundschaftskult und Freundschaftsdichtung im deutschen Schrifttum des 18. Jahrhunderts, Vom Ausgang des Barock bis Klopstock (Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte, Band 21), Halle/Saale 1936.
- Kerber, Markus C. Europa ohne Frankreich? Deutsche Anmerkungen zur französischen Sprache, Frankfurt/Main 1999.
- Rapsch, Alexandra. Soziologie der Freundschaft, Historische und gesellschaftliche Bedeutung von Homer bis heute, Stuttgart 2004.
- Lottes, Günther. Fürst und Text, Die Leserevolution der Aufklärung als Herausforderung der friderizianischen Selbststilisierung, in: Wehinger, Brunhilde/Lottes, Günther (Hg.), Friedrich der Große als Leser, Berlin 2012, S. 24-41.
- Steiner, Uwe. Eine Poetik in Briefen, Zur Rolle der Literatur im Briefwechsel Friedrich des Großen mit Voltaire, in: Wehinger, Brunhilde/Lottes, Günther (Hg.), Friedrich der Große als Leser, Berlin 2012, S. 158-184.
- Wehinger, Brunhilde. Zwischen Literatur und Politik, Zur literarischen Korrespondenz Friedrichs II., in: diess. (Hg.), Geist und Macht, Friedrich der Große im Kontext der europäischen Kulturgeschichte, Berlin 2005, S. 61-72.
- Pleschinski, Hans. Friedrich und Voltaire, Eine europäische Beziehung, in: Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg/Forschungszentrum Europäische Aufklärung e.V., Potsdam 2000, S. 13-16.
- Pfeiffer, Joachim. Männerfreundschaften in der Literatur des 18. Jahrhunderts, in: Freiburger Frauen Studien (2000), 1, S. 193-210.

[...]


1 Sein Vater François Arouet (1650-1722), bürgerlicher Jurist, seine Mutter, die adelige Marie Marguerite Arouet (1660-1701).

2 Die hohe Zahl der gewechselten Briefe ist noch kein Zeichen für eine Freundschaft per se. Neben der Tatsache, dass das 18. Jahrhundert wohl das „Jahrhundert des Briefes“ war, hatte Voltaire ein enormes Pensum geschriebener Briefe vorzuweisen: über 20.000. An seinen ehemaligen Schulfreund Charles-Augustin de Ferriol d’ rgental (100-1788), Verwaltungsrat, gingen in 60 Jahren rund 1200 Briefe. An seine Nichte bzw. Geliebte und Concierge Marie-Louise Mignot, auch Madame Denis (1712-1790) genannt, verfasste er zwar „nur“ 500 Briefe, deren Zahl relativiere sich, laut Jürgen von Stackelberg aber angesichts der Tatsache deren späteren Zusammenlebens wieder. Diese persönliche Ausrichtung des Briefwechsels Voltaires dürfe aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass dessen primäres Ziel, so von Stackelberg, „die Propagierung der ufklärung“ gewesen sei. Die Mehrzahl der Briefe gehe an (hohe) Politiker, Diplomaten, Philosophen, Historiker, Schriftsteller etc. Von Stackelberg, Jürgen, Voltaire und Friedrich der Große (Aufklärung und Moderne, Bd. 31), Erlangen 2013, S. 44, S. 49.

3 Eine Vielzahl der Schriften Voltaires war in Frankreich verboten worden, deshalb der Druck rechts des Rheines in Kehl.

4 Trois mois à la Cour de Frédéric, hrsg. Von Maugras, Paris 1886.

5 Mémoires écrits de sa main, Braunschweig, Paris, London 1812.

6 Darauf weist Uwe Steiner hin. Er spricht von einem wohldurchdachten „Rollenspiel“ der Beiden für die damalige höfische Öffentlichkeit. Steiner, Uwe. Eine Poetik in Briefen, Zur Rolle der Literatur im Briefwechsel Friedrich des Großen mit Voltaire, in: Wehinger, Brunhilde/ Lottes, Günther. Friedrich der Große als Leser, Berlin 2012, S. 182-184.

7 Offensichtlich dünnen die Freundschaftsbezeugungen des Königs in den Briefen Anfang der 40er Jahre deutlich aus bzw. verlieren sie sich in dieser Zeit. Möglicherweise der Widerschein der ersten ernüchternden Treffen der Beiden?

8 So u.a. im Brief vom September 1739. Pleschinski, Hans. Friedrich der Große und Voltaire, Briefwechsel (Auszug), München 2010, 162-165.

9 Brief von Friedrich an Voltaire am 6. Juni 1740. Ebd. S. 195-196.

10 Krüger, Renate. Das Zeitalter der Empfindsamkeit, Kunst und Kultur des späten 18. Jahrhunderts in Deutschland, München 1972.

11 Steinhausen, Georg. Geschichte des deutschen Briefes, Zur Kulturgeschichte des deutschen Volkes, 2 Bde. Berlin 1889, 1891.

12 Ebenfalls bei Steinhausen, aufgegriffen in nachfolgender Forschung u.a. bei Rasch, Wolfdietrich. Freundschaftskult und Freundschaftsdichtung im deutschen Schrifttum des 18. Jahrhunderts, Vom Ausgang des Barock bis zu Klopstock, Halle 1936 und Pfeiffer, Joachim. Männerfreundschaften in der Literatur des 18. Jahrhunderts, in: Freiburger Frauen Studien (2000), 1, S. 193-210.

13 Beide Philosophen nehmen direkt darauf Bezug: Aristoteles in der Nikomachischen Ethik und Cicero in seinem Werk Laelius, Über die Freundschaft.

14 Michel de Montaigne (1533-1592), frz. Jurist, Politiker, Philosoph: Essais, Bordeaux 1580, darin dazu der Essay De l’amitie.

15 Christian Thomasius (1655-1728), dt. Jurist und Philosoph: Von Der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben, Als dem eintzigen Mittel zu einen glückseeligen, galanten und vergnügten Leben zu gelangen, Oder Einleitung Zur Sitten-Lehre, Halle/Salfeld 1692.

16 Anthony Ashley-Cooper, 3. Earl of Shaftesbury (1671-1713): Characteristicks of Men, Manners, Opinions, Times, 3 Bde., London 1711.

17 Thomasius, S. 62.

18 Rasch, S. 65.

19 Eine in der Vernunft begründete und diesseitige säkularisierte Moral fasse dieses Prinzip der Menschenliebe ein. Diese sei nicht bestimmt durch die christliche Moral der vielleicht im Jenseits vergüteten Nächstenliebe der Kirche. Rasch, S. 66.

20 Ebd., S. 78.

21 Bei Cicero: „Sed hoc primum sentio, nisi in bonis amicitiam esse non posse͙“ Cicero. Laelius, Faltner, Max (Hg.), München 1993, S. 129.

22 Ebd., S. 133: „ Est enim amicitia nihil aliud nisi omnium divinarum humanarumque rerum cum benevolentia et caritate consensio͙“

23 Gelebt von 1889-1966.

24 Kracauer, Siegfried: Ueber die Freundschaft, in: Logos 7 (1917/18), S. 182-208.

25 Dieses „ neinander-Wachsen“ bezieht sich bei Kracauer auf ein ständiges Wachsen mit- und aneinander bezüglich der Persönlichkeit der beiden Freunde. Bei Hans Kern ist die Freundschaft überhaupt erst usgangspunkt, dass beide (allerdings in erster Linie „schöpferisch“) wachsen können. Im Vorwort seines 1932 herausgebrachten Werkes „Schöpferische Freundschaft“ behauptet er, dass der eine meistens erst durch die Freundschaft des anderen zum eigenen „Wert“ und der (schöpferischen) „Blühfähigkeit“ kommen könne.

26 Geb. 1945.

27 Rapsch, S. 99.

28 Ebd.

29 11.-14. September 1740.

30 An der deutsch-niederländischen Grenze gelegene Stadt in Nordrhein-Westfalen.

31 Im heutigen Brandenburg liegend.

32 Schloss in Cirey-sur-Blaise, einem im östlichen Frankreich gelegenen Dörfchen.

33 Gabrielle Émilie Le Tonnelier de Breteuil, Marquise du Châtelet-Laumont (1706-1749), frz. Mathematikerin, Physikerin und Philosophin. Gestorben im Zusammenhang mit der Geburt ihrer Tochter. Das Kind soll nicht von Voltaire und nicht von ihrem Ehemann gewesen sein, sondern von Offizier (und Dichter) Jean-François de Saint- Lambert (1716-1803). Die Marquise hatte offensichtlich drei männliche Bezugspersonen in ihrem Leben gehabt.

34 Während des Absolutismus ein weitgehend von tatsächlichen Pflichten gelöstes Ehren-Amt, mit einem symbolischen Schlüssel als Erkennungszeichen.

35 Bis 1795 offizielles Zahlungsmittel der Franzosen. Schwer auf heutige Verhältnisse umzurechnender Betrag; die Schätzungen im Internet rangieren zwischen 3-15€/Livre (D.h. theoretisches Jahresgehalt Voltaires für zwei Stunden tägliche rbeit: Zwischen 60.000 und 300.000€)

36 Voltaire. Über den König von Preussen, Memoiren. Botond, Anneliese (Hg.), Frankfurt/Main 1967, S. 29.

37 U.a. Schriftsteller und Philosophen: La Mettrie, Julien Offray de (1709-1751), frz. Arzt und Philosoph, Algarotti, Francesco Graf von (1712-1764), ital. Schriftsteller, Kunstkritiker und -händler, Marquis d’ rgens, Jean-Baptiste de Boyer (1703-1771), frz. Schriftsteller und Philosoph. Aber auch hochrangige Offiziers wie Stille, Christoph Ludwig von (1696-1752), preuß. Generalmajor oder Lordmarschall Georg Keith (1693-1778), schottischer Adeliger.

38 Frz. Mathematiker, Astronom und Philosoph (1698-1759). Ab 1725 Mitglied der Pariser Akademie der Wissenschaften (Dies blieb Voltaire bis zum Ende seines Lebens versagt!) und ab 1746 Leiter der von Friedrich II protegierten Preußischen Akademie der Wissenschaften.

39 Voltaire. Über den König von Preussen, Memoiren. Botond, Anneliese (Hg.), Frankfurt/Main 1967.

40 Gelebt 1720-1782. Vorleser und Privatsekretär Friedrichs.

41 Der König antwortet dem sechzehnjährigen Friedrich auf einen Brief an ihn ebenfalls schriftlich: „zum ndern weiß er wohl, dass ich keinen effeminierten Kerl leiden kann, der keine menschlichen Inclinationen hat, der sich schämt, nicht reiten, noch schießen kann, und dabei malpropre an seinem Leibe, seine Haare wie ein Narr frisiret und nicht verschneidet, und ich Alles dies tausendmal reprimandiret, aber Alles umsonst und keine Besserung in nichts ist.“ Zitiert nach von Stackelberg, S. 39. (Original in: Oeuvres de Frédéric le Grand 27, I, S. 3f.)

42 Schieder, Theodor. Friedrich der Große, Ein Königtum der Widersprüche, Frankfurt/Main, S. 23. Schieder unterstellt Friedrich Wilhelm I. eine „furchtbare ngst“, dass sich sein Sohn wie sein Großvater, Friedrich I., am höfischen frz. Absolutismus orientieren könne, der in erster Linie pompös und verschwenderisch war.

43 Günter Lottes spricht von „Französischer Kulturhegemonie des 18. Jahrhunderts“, S. 24. Lottes, Günther. Fürst und Text, Die Leserevolution der Aufklärung als Herausforderung der friderizianischen Selbststilisierung, in: Wehinger, Brunhilde/Lottes, Günther. Friedrich der Große als Leser, Berlin 2012, S. 24-41.

44 Im Falle des preußischen Thronfolgers, eine explizit „hugenottische“ Erziehung. Schieder betont den Einfluss der Hugenotten (aus Frankreich emigrierte bzw. vertriebene Anhänger einer Religionsgemeinschaft, bis 1685 toleriert; das diese Toleranz zwischen den Glaubensgemeinschaften tolerierende Edikt von Nantes von 1598 wurde knapp neunzig Jahre später von Ludwig XIV. wieder aufgehoben) auf den „ ufbau der preußischen Monarchie“, S. 25.

45 Die spätere Markgräfin von Bayreuth (1709-1758), mit der er (und Voltaire!) bis zu ihrem Tod 1758 einen regen Briefwechsel pflegt.

46 Schieder, S. 29.

47 Laut Schieder soll Friedrich sich mit seiner Schwester eine „Doppelexistenz“ aufgebaut haben, darin enthalten eine heimlich eingerichtete und über dreitausend Bände umfassende Bibliothek, darunter auch die Werke Voltaires. Schieder, S. 30. In jungen Jahren soll er mit „Frédéric le philosophe“ unterschrieben haben. Ebd., S. 28.

48 Laut Schieder bestimmt durch eine „Dichotomie von militärischer und geistig-intellektueller Aristokratie“. Ebd., S. 49.

49 Die Hinrichtung seines Freundes und Komplizen, Leutnant Hans-Herrmann von Katte (1704-1730) im Zusammenhang mit Friedrichs Fluchtversuch bzw. Todesstrafe und Thronverzicht, die scheinbar beide für Friedrich danach im Raum stehen, zeigen Wirkung auf den Prinzen, der sich mit verschiedenen Ein-und Unterordnungsbezeugungen (Ablegen eines Eides, Heirat) wieder zurück ins Glied bewegt.

50 Pleschinski, S.8.

51 Mönch, Walter. Voltaire und Friedrich der Grosse, Das Drama einer denkwürdigen Freundschaft, Eine Studie zur Literatur, Politik und Philosophie des XVIII. Jahrhunderts, Stuttgart, Berlin 1943, S. XI.

52 Sein Vater Friedrich Wilhelm I. hatte den Philosophen Wolff (1679-1754) 1723 noch des Landes verwiesen.

53 Anfang 1738.

54 Gelebt 1469-1527. Sein Werk „Il Principe“ von 1513, auf das Friedrich hier Bezug nimmt, gilt als der Klassiker der (auch mit unmoralischen Mitteln durchzusetzenden) Staatsräson.

55 Mönch, S. 74.

56 „Monsieur, um des Heils der Welt willen muß dieses Werk erscheinen“ (Brief vom 28.12.1739) aus dem Nachwort der Reclam- usgabe des „ ntimachiavell“, erschienen 1991 in Leipzig, S. 128.

57 Der Großteil der frz. Aufklärungsliteratur lief über die Niederlande nach Frankreich zurück bzw. kam im übrigen Europa in Umlauf.

58 31. Mai 1740.

59 „Um Himmels willen, kaufen Sie die ganze usgabe des Antimachiavell auf.“ (Brief vom 27.6.1749), Pleschinski, S. 210.

60 „Streichen Sie aus, ändern Sie ab, bessern Sie aus und schreiben Sie den Machiavell, was sie wollen. Ich überlasse alles Ihrem Dafürhalten.“ Ebd., S. 220.

61 Die offensichtlich nie zustande kam. n Voltaire selbst schreibt er am 6. Oktober: „In Wirklichkeit bedaure ich es, den Machiavelli geschrieben zu haben.“ Mönch, S. 99.

62 Dies lässt Mönch zusammenfassen, „daß im Endergebnis manche Kapitel mehr die Schriftzüge Voltaires als die Friedrichs tragen.“ Laut Mönch sieht Voltaire Friedrich als „unerhörte“ und konkrete, politische „Möglichkeit in der Hand“, S. 84.

63 Zitiert nach Mönch, S. 76.

64 Ebd., S. 78. Schieder sieht allerdings im Antimachiavell selbst schon ein Hintertürchen für einen möglichen Vertragsbruchs eines Fürsten geöffnet. Im 26. Kapitel der Schrift ist für Friedrich die Führung eines Krieges nicht nur aus Gründen der Verteidigung gerechtfertigt, sondern im Sinne einer vorbeugenden Maßnahme auch als

65 „Ich habe diesen Voltaire gesehen, auf dessen Bekanntschaft ich so neugierig ich war. (͙) Er hat die Beredsamkeit Ciceros, er hat Plinius‘ Sanftmut und die Weisheit des grippa.“ (Friedrich an seinen Kammerdiener und Vertrauten Charles Étienne Jordan [1700-1745]; „Ich sah einen der liebenswürdigsten Menschen der Welt, einen Menschen, der wahrhaft der Charme der Gesellschaft wäre, wenn er nicht König wäre; ich sah einen Philosophen ohne Härte und Strenge, freundlich, angenehm und gefällig; er streifte alle königliche Würde ab, sobald er mit seinen Freunden zusammen war (͙)“ (Voltaire an Pierre Robert Le Cornier de Cideville [1693-1776], ehemaliger Schulkollege V.s und hoher Beamter).

66 Mönch, S. 107.

67 Graf Manteuffel (Ernst Christoph von Manteuffel, 1676-1749, kursächsischer Kabinettsminister) an Graf Brühl (Heinrich von Brühl, 1700-1763, kurfürstlich-sächsischer und königlich-polnischer Premierminister), zitiert nach Mönch, S. 109.

68 Offensichtlich von der frz. Staatsführung angestoßen. Einerseits ging es Voltaire immer darum, einen gewissen Einfluss am frz. Hof aufzubauen bzw. ganz konkret um die Aufnahme in die ruhmreiche Académie Française (frz. Gelehrtengesellschaft zur Pflege der frz. Sprache; gegr. 1635). Kerber, Markus C. Europa ohne Frankreich? Deutsche Anmerkungen zur französischen Frage, Frankfurt/Main 1999, S. 198.

69 André-Hercule de Fleury (1653-1743).

70 Über „vage Vermutungen“ geht der Bericht wohl nicht hinaus, Mönch, S. 110.

71 Kaiser des HRR (1711-1740), gestorben: 20.10.1740.

72 Im September 1742 in Aachen.

73 Friedrich hatte in der Zwischenzeit Schlesien mit Hilfe u.a. Frankreichs erobert, dann aber eigenmächtig mit Österreich 1742 den Frieden von Breslau abgeschlossen. Voltaire scheint auf eine erneute Zusammenarbeit zu drängen, Fleury reagiert nicht einmal. Voltaire berichtet nach dem Treffen nichtsdestotrotz, dass es ein Leichtes wäre, die Preußen wieder als Verbündete zu gewinnen, da sich Österreich das verlorene Schlesien wieder zurückholen werde. Kerber, S. 199/200.

74 Mönch spricht ein paar Zeilen weiter allerdings von einer “argen Verstimmung” auf Seiten Friedrichs und führt wieder Manteuffel und Brühl als Zeugen (Korrespondenz vom 9. Dezember) an: „(͙) weil dieser Gelehrte sich über die Angelegenheiten der Zeit mit größerer Freiheit und Offenheit geäußert habe, als es dem König gewöhnlich lieb sei.“ S. 110.

75 7035 Taler, Pleschinski, S. 235.

76 Kurze Gedichte.

77 Als Friedrichs Verrat auffliegt, schreibt Voltaire an Amelot (Jean-Jacques Amelot de Chaillou, Staatssekretär des Äußeren, gelebt: 1689-1749) am 5. Oktober 1743, dass er nur noch wenig Lust habe, „ die gefährliche Gunst eines Königs zu genießen, der imstande ist, Verrat an der Freundschaft selbst zu üben.“ Zitiert nach Mönch, S. 122. (Kursivierung durch den Verfasser)

78 Im August 1743.

79 Belohnt mit 8000 Franken. Kerber, S. 200. Die mögliche Positionierung Frankreichs zwischen den Schlesischen Kriegen ist wohl der Anlass Voltaire wieder als Informationsbeschaffer einzusetzen, Kerber, S. 201

80 Otto Christoph Graf von Podewils (1719-1781).

81 Offensichtlich stand es schon am 16.August in der Zeitung (Gazette de Cologne). Mönch, S. 117.

82 Mönch zufolge ähnelt Friedrichs Vorgehen im Wissen um die Absichten Voltaires einem Spiel, das ihn amüsiert, S. 118. Beispielhaft Frage 5 des Fragebogens und die Antwort Friedrichs: „V: Wer auch immer nur eine Viertelstunde lang, sich mit dem Herzog von Aremberg, dem Grafen Harrach, Lord Stair und allen Parteigängern Österreichs unterhalten hat, wird herausgehört haben, wie sehr man darauf brennt, Schlesien zurückerobern. Haben Sie in solchem Falle, Sire, einen anderen Verbündeten als Frankreich? Und ganz gleich, wie stark Sie sind, ist ein Alliierter für Sie denn ohne Nutzen? Sie wissen, welche Mittel dem Hause Österreich zur Verfügung stehen und wie sehr die Fürsten ihm verbunden sind. Doch würden die standhalten, wenn Ihre Macht mit der des Hauses Bourbon vereint dastände? - F: Wir werden Sie in Schlesien empfangen, Biribi, Nach der rt der Barbari, mein Freund.“ Pleschinski, 315. Friedrich verwendet für seine (nichtssagende) ntwort ein damals gängiges Lied, s. Koser/Droysen. Briefwechsel Friedrichs des Großen mit Voltaire, II. Teil, Neudruck der Ausgabe von 1909, Osnabrück 1965, S. 189 Anm. 3.

83 Für Friedrich ist das politische Verhalten der Franzosen ihren Verbündeten gegenüber wortbrüchig und undurchsichtig (Brief vom 7.9.1743)

84 Im Zusammenhang: „ ber ich gedenke nicht, mit Ihnen über Politik zu parlieren; das hieße, seiner Geliebten eine Tasse Kräutertee reichen. Ich meine, es wäre schicklicher, mit Ihnen über Poesie zu plaudern (͙), (Brief vom 7. September 1743), Pleschinski, S. 318. In seinen Memoiren (Histoire de mon temps) 1746 urteilt ihn Friedrich als Diplomaten und Politiker noch einmal gnadenlos ab und betont die Kluft zwischen Genie der Künste und mateur der Politik, wenn er sagt: „Er besaß die glänzendste Einbildungskraft, war aber leider für die Politik gänzlich ungeeignet; (͙) Die Verhandlung mit ihm war ein großer Scherz, und dabei ist es geblieben.“ Zitiert nach Mönch, S. 121.

85 Kerber spricht von einem diplomatischen „Scherbenhaufen“, S. 202.

86 Den sich Voltaire in seinen Memoiren auf die Fahne schreibt: „Mehr wollte ich nicht. Ich kehrte rasch an den Hof von Frankreich zurück; ich erstattete Bericht über meine Reise und machte dem Hof dieselbe Hoffnung, die man mir in Berlin gemacht hatte. Sie hat nicht getrogen. Im folgenden Frühjahr schloß der König von Preußen tatsächlich einen neuen Vertrag mit dem König von Frankreich.“ Botond, S. 35. Auch Voltaire scheint sich an

87 Nur insgesamt 20 Briefe Korrespondenz 1743 im Vergleich zu knapp 50 Briefen 1740 z.B. Der thematische Schwerpunkt liegt wie zu Beginn auf Poesie und Prosa.

88 Siehe S. 9.

89 Auf der einen Seite haben wir die sehnsüchtigen Lock-Rufe Friedrichs an Voltaire: „Falls die Götter mich zu erhören geruhen, werde ich Sie im kommenden Jahr in Sans-Souci sehen͙“ (Brief vom Dezember 1749) und dessen zarte Erwiderungen: „Mit einem Wort, ich bin bereit; und so Sie mich zu lieben geruhen, lasse ich hier alles hinter mir und breche auf; ich möchte aufbrechen, um zu Ihren Füßen mein Dasein zu verbringen.“ (Voltaire an Friedrich, 8. Mai 1750). Auf der anderen Seite die (entlarvenden und) offenen Worte Friedrichs in einem Brief vom 12. September 1749 an seinen Freund lgarotti: „Es ist traurig, daß eine so niederträchtige Seele mit einem so herrlichen Geist verbunden ist. (͙) (͙indessen werde ich mir nichts merken lassen, denn ich brauche ihn, um den guten französischen Stil zu lernen.) Man kann auch von einem Bösewicht Gutes lernen. Ich will mir sein Französisch zu eigen machen. Was liegt mir an seiner Moral? (͙) Man muß seinen Geist bewundern, während man gleichzeitig seinen Charakter verachtet.“ (Kursivierung durch den Verfasser). Zitiert nach Mönch, S. 126.

90 1750-1753 bzw. genau zwei Jahre und acht Monate.

91 „Beim Geld hört die Freundschaft auf“ heißt es im Volksmund. Es geht um 16.000 Livres. Siehe Anm. 35.

92 Brief vom 23. August 1750. Pleschinski, S. 390.

93 Von Voltaire im Brief vom 31. August 1749 erbeten. Von ihm angeführter Grund: Um sich leichter von den anderen Höfen, die ihn ebenfalls binden wollen, lösen zu können!?

94 Claude Etienne d’ rget (1712-1778), Vorleser und Sekretär Friedrichs.

95 Im Brief an Mme Denis vom 17. November 1750. Gay, Peter. Voltaire’s Politics, The Poet as Realist, New Jersey 1959, S. 153.

96 François-Thomas-Marie de Baculard d’ rnaud (1718-1805). Ein potentieller Konkurrent? Die Berliner Preußische Akademie der Wissenschaften hatte ihn erst kürzlich als Voltaires Nachfolger bezeichnet. Auch dessen Weggang nach Dresden scheint diesem noch nicht zu genügen. Aus der Ferne versucht er gegen ihn vorzugehen, bis schließlich der König selbst eingreifen muss.

97 Zu Gunsten der Gräfin Charlotte Sophie Bentick (1715-1800), seit den 40er Jahren mit Voltaire befreundet.

98 25. Dezember 1745. Zwischen Preußen, Sachsen und Österreich; beendete den Zweiten Schlesischen Krieg.

99 Brief an Friedrich, geschrieben zwischen 18. Und 24. Februar 1751. Datierung Droysen/Koser II, S. 324.

100 Brief vom 24. Februar 1751, Pleschinski, S. 397-398.

101 Ebd., S. 398.

102 Brief vom 27. Februar 1751, Ebd.

103 Gay, S. 154.

104 Julien Offray de La Mettrie (1709-1751), frz. Arzt und Philosoph.

105 Aus den Memoiren Voltaires. Botond, S. 41/42. Dem Satz schließt sich die süffisante Bemerkung Voltaires an: „Da beschloß ich, die Orangenschalen in Sicherheit zu bringen.“ Ebd. Was jedoch noch bis zum 25. März 1753 auf sich warten ließ.

106 “Ich träume immer von der Schale der Orange” (Übersetzung des Verfassers) Besterman, Theodor. Voltaire’s Correspondence, Vol. XX., S. 71. Brief vom 29. Oktober 1751.

107 Pierre Louis Moreau de Maupertuis (1698-1759), frz. Mathematiker, Astronom, Philosoph. Ebenfalls Mitglied der Tafelrunde und seit 1746 Präsident der Preußischen Akademie der Wissenschaften.

108 Zitiert nach Mönch, S. 143.

109 Pleschinski, S. 412.

110 Gelebt von 1712-1757. König focht eine Idee Maupertuis‘ als dessen vermeintlich eigene an und musste daraufhin die Akademie verlassen.

111 Pleschinski, S. 414. „Schmährede über Dr. kakia, rzt des Papstes und gebürtig aus Saint-Malo“ (Geburtsort Maupertuis; Übersetzung des Verfassers)

112 Von Stackelberg, S. 208.

113 „Er gab mir sein Kreuz und seinen Schlüssel wieder, ich sollte mit ihm soupieren; ich machte ein letztes Damoklesmahl mit; dann reiste ich ab - mit dem Versprechen wiederzukommen und mit dem festen Vorsatz, ihn in meinem Leben nicht wiederzusehen.“ Botond, S. 44.

114 Pleschinski, S. 422.

115 „Oeuvres de philosophe de Sans-Souci“, Gedichtband mit aufklärerischen Versen Friedrichs II., für einen kleinen Zirkel 1752 veröffentlicht. Gegen den Willen des Autors 1760 in Umlauf gebracht und vom amtierenden Papst seinerzeit auf den Index gesetzt.

116 Frankfurt ist freie Reichsstadt, der preußische König hatte hier keinerlei Befugnisse. Trotz dieser Tatsache verhält sich der Rat der Stadt im Falle der unrechtmäßigen Festsetzung Voltaires ruhig und erduldet das Vorgehen von Friedrichs Handlangern vor Ort.

117 Vor allem die Rechnung, die ihm zum Ende für seinen unfreiwilligen Aufenthalt gestellt wird und das Verhalten gegenüber seiner zugereisten Nichte, haben sein nachhaltiges Missfallen hervorgerufen. In seinen Memoiren dazu: „ Meine Nichte hatte einen Paß des Königs von Frankreich, und sie hatte niemals die Verse des Königs von Preußen korrigiert. Gewöhnlich verschont man Damen mit den Schrecken des Krieges; aber der Rat Schmidt und der Resident Freytag glaubten sich bei Friedrich, für den sie agierten, beliebt zu machen, indem sie das arme schöne Geschlecht durch den Schmutz zogen.“ und „Wir blieben zwölf Tage Kriegsgefangene und mußten für jeden Tag einhundertundvierzig Taler zahlen.“ bzw. „Teurer konnte man l’oeuvre de poeshie du roi de Prusse nicht bezahlen. Ich büßte ungefähr die Summe ein, die er ausgegeben hatte, um mich an seinen Hof kommen zu lassen. Jetzt waren wir quitt.“ Botond, S. 47 u. 48.

118 Und ebenso in Paris nicht mehr. Man lässt ihn wissen, dass er „eine politische Belastung darstelle und unerwünscht sei“. Pleschinski, S. 427. Von Colmar geht es über Genf, schließlich nach Ferney; das heutige Ferney-Voltaire an der frz.-schweizerischen Grenze gelegen.

119 Von Stackelberg, S. 65.

120 Ebd. S. 208. Für Kerber ist es nicht in erster Linie die persönliche Verschlagenheit Voltaires, sondern den Umständen geschuldet: „Die politische Prostitution Voltaires sowohl am preußischen als auch französischen Hof“ sei, so Kerber, die „ ntwort auf dieses Rangverhältnis.“

121 Gay, S. 157.

122 Und der noch vor dem Ende der offiziellen Kampfhandlungen 1761 für einen weiteren Moment (von 4 Jahren) abbricht.

123 1756-1763. Zwischen Preußen/Großbritannien und Österreich/Frankreich/Russland/HRR.

124 Laut Kerber benutzt Friedrich II. den Briefwechsel, um über Voltaire frz. Interna zur Kriegsführung zu erfahren, Voltaire, um sich der frz. Diplomatie wieder anzudienen. Beide Parteien hätten sich wie Spieler eines „Schachspiels“ mit sorgsam durchdachten Zügen verhalten, Voltaire mal mehr, mal weniger von offizieller Seite angeregt und unterstützt, Friedrich je nach Sieg oder Niederlage gesprächiger oder zurückhaltender. Der Frieden, den Voltaire als Mittelsmann von Außenminister Choiseul (Étienne-François de Choiseul d’ mboise; 1719-1785; bis ’61, dann Kriegsminister) mit Friedrich auszuhandeln gedenkt, kommt trotz allerlei diplomatischem Hin-und Her der Beiden nicht zustande.

125 Pleschinski, Hans. Friedrich und Voltaire. Eine europäische Beziehung, in: Friedrich der Grosse und Voltaire. Ein Dialog in Briefen. Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (Hg.), Berlin 2000, S. 15. (Katalog zur gleichnamigen Ausstellung in Sanssouci vom 25. Januar bis 20. Februar 2000).

126 „Hat man alles verloren, hat man keine Hoffnung mehr, Ist das Leben eine Schande und der Tod eine Pflicht.“ Pleschinski, S. 436.

127 Pleschinski, S. 438.

128 Mönch, S. 199.

129 15. Oktober; Zeitangabe bei von Stackelberg, S. 123.

130 Er bringt den völkerrechtlich bedenklichen Einfall Friedrichs in Sachsen zu Beginn des Siebenjährigen Kriegs ins Spiel. Sein Selbstmord würde als Eingeständnis seiner Scham darüber gedeutet werden. Pleschinski, S. 440.

131 Ebd., S. 442.

132 Brief vom 13. November 1757.

133 „ ngesichts der Lage, in der ich Sie sehe, habe ich jedenfalls nicht den Mut, Ew. Majestät in Versen zu schreiben; (͙)“ Pleschinski, S. 443.

134 Von Stackelberg, S. 47.

135 Mönch, S. 201.

136 Botond, S. 54-57.

137 „ n mir war es zu sterben, als ich mein Vaterland Ihretwegen verlor und meine Nichte auf Ihr Geheiß durch die Gassen Frankfurts geschleift und vier Soldaten vierundzwanzig Stunden lang das Bajonett auf ihren Leib pflanzen sah.“ Pleschinski, S. 441.

138 Kerber, S. 206-207.

139 Pleschinski, S. 438.

140 „Ich habe über die Ermahnungen des Patriarchen Voltaire gelacht, und ich erlaube mir, Ihnen meine ntwort zuzusenden.“ Friedrich II, Politische Korrespondenzen, Band 15, S. 411. Zitiert nach Kerber, S. 206.

141 Mönch spricht von „tätiger ltersfreundschaft“, S. 363.

142 Mitte 1760.

143 1761-65.

144 Bis 1775. Dabei vermehrt zwischen 1773-1775. Mönch, S. 364.

145 Voltaires „Dictionnaire philosophique“ wird mit dem Leichnam verbrannt. Mönch, S. 365.

146 Voltaires Wahlspruch: „Écrasez l’infâme!“, was soviel bedeutet wie: „Zermalmt das/alles Niederträchtige!“

147 us dem Brief vom 30. Juli 1774. In einem früheren Brief spricht er von einem „Schandfleck“, von dem Voltaire seine Nation reinigen könne. Frei übersetzt nach Droysen/Koser III, S. 293.

148 Pleschinski, S. 647.

149 Kern hat auch das Gefühl und spricht von Versöhnung. S. 44.

150 Kerber, S. 217.

151 nlässlich der ufregung um Hirschel und Voltaire wird dieser sogar zum „amüsanten Möbel“ degradiert: „Es würde mich grämen, wollte er Sie durch sein schlechtes Benehmen eines Möbels berauben, das so vortrefflich dazu taugt, Sie zu entspannen und zu amüsieren.“ (Brief von Wilhelmine von Bayreuth an Friedrich II., 12. Januar 1751) Pleschinski, S. 394.

152 Lottes, S. 34

153 Von Stackelberg, S. 237-238.

154 Mönch, S. 160. Ähnlich Pleschinski, Ausstellungsband, S. 15.

155 Botond, S. 144.

Ende der Leseprobe aus 33 Seiten

Details

Titel
Friedrich II und Voltaire. Eine Freundschaft?
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg  (Lehrstuhl für Geschichte der Frühen Neuzeit)
Veranstaltung
Grundprobleme und zentrale Stationen der deutschen Geschichte 1740-1806
Note
1,0
Autor
Jahr
2016
Seiten
33
Katalognummer
V346510
ISBN (eBook)
9783668358409
ISBN (Buch)
9783668358416
Dateigröße
1125 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
friedrich, voltaire, eine, freundschaft
Arbeit zitieren
Maik Dornberger (Autor:in), 2016, Friedrich II und Voltaire. Eine Freundschaft?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/346510

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