Was ist der Mensch? Konstellationen der philosophischen Anthropologien von Helmuth Plessner und Max Scheler im Vergleich


Hausarbeit, 2016

17 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe

Inhalt

1. Einleitung
1.1 Philosophische Anthropologien: ein kurzer historischer Umriss

2. Max Scheler
2.1 Grundposition und Ansatz
2.2 Der Mensch und seine Stellung in der Welt bei Scheler
2.1.1. Gefühlsdrang
2.1.2. Instinkt
2.1.3. Assoziatives Gedächtnis
2.1.4. Praktische Intelligenz
2.1.5. Geistsphäre
2.3 Resümee

3. Helmuth Plessner
3.1. Grundposition und Ansatz
3.2 Belebte und unbelebte Dinge und das Wesen der Grenze
3.3 Die Positionalität
3.3.1 Die offene Organisationsform der Pflanze
3.3.2 Die geschlossene Organisationsform des Tiers
3.4 Die exzentrische Positionalität des Menschen
3.4.1 Gesetz der natürlichen Künstlichkeit
3.4.2 Gesetz der vermittelten Unmittelbarkeit
3.4.3 Gesetz des utopischen Standortes
3.5 Resümee

4. Was ist der Mensch? Unterschiede und Gemeinsamkeiten der philosophischen Anthropologien von Scheler und Plessner

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die Menschheit erlebt derzeit eine gewisse Art von Aufschwung: „Laut einer Umfrage für Demoskopie Allensbach ist die Zahl der Vegetarier in Deutschland deutlich gestiegen. Waren es vor 20 Jahren noch vier Prozent der Bevölkerung, so sind es jetzt acht bis neun Prozent der Bevölkerung (7 Millionen Menschen).“ (Steeb, 2015, S. 8).

Die Intention eines Vegetariers/Veganers sollte trivial sein: sei es einerseits wegen der Haltung der Tiere oder der Tiere selbst.

Doch eine vegetarische bzw. vegane Ernährung wirft die Frage auf: „Worin unterscheiden wir uns von den Tieren? Was macht uns als Menschen aus?“

Es handelt sich hierbei um eine Frage der Philosophie – sie ist im Gegensatz zu der Frage: „Wer ist der Mensch?“ allgemein gehalten und nicht personell abhängig (Vgl. Torner, 2007, S. 1).

Die Frage, was wir sind, ist aber nicht erst seit Neustem ein Thema der Menschheit.

1.1 Philosophische Anthropologien: ein kurzer historischer Umriss

Insgesamt ist im Verlauf des philosophischen Denkens bezüglich des Menschen eine gewisse historische Entwicklung zu verzeichnen:

So stellten die Sophisten um das 5. Jahrhundert vor Christus den Menschen ins Zentrum. Der Bekannteste unter ihnen war Protagoras, dessen „Homo-mensura-Satz“ diese Zeit prägte: „Der Mensch ist das Maß aller Dinge, der seienden, dass wie sie sind und der nicht seienden, das sie nicht sind.“ (Rohls, 2002, S. 47). Das heißt wie die Dinge sind, hängt nicht von den Dingen selbst ab, sondern von der Betrachtung des Menschen und seinem Wissensstand, mit dem er diese sieht. Die Sophisten räumen dem Menschen eine Sonderstellung ein: er ist von Natur aus ein Mängelwesen, aber durch die Gottesgabe besitzt er Fähigkeiten, die ihn von allen anderen Lebewesen hervorheben. Der Mensch ist unbestimmt und frei gegenüber den Zwängen der Natur (Vgl. Torner, 2007, S. 2).

Auch beschäftigten sich Philosophen wie Albertus Magnus und Giovanni Pico della Mirandola mit der Stellung des Menschen und seiner Eigenart.

Magnus sieht den Menschen als ein Leib-Seele-Wesen an: der Körper des Menschen ist unsterblich durch die Gnade Gottes, doch ist der Mensch durch Sünde zu einem sterblichen Leben verdammt. Die Seele stellt demnach die Vollendung des Körpers dar (Vgl. Torner, 2007, S. 4).

In seiner Schrift „de dignitate hominis“ versucht Mirandola eine Antwort auf die Frage der Sonderstellung des Menschens zu geben – dabei entwickelt er eine neue Art des Schöpfungsmythos: Gott verlangt ein Wesen, das die Schöpfung versteht und diese bewundert. Der Mensch wird genau so angesehen wie bei den Sophisten – als ein Mängelwesen, doch durch die freie Wahl, den freien Willen, kann er sich entwickeln. Als Ziel des Lebens strebt der Mensch nach Mirandola die Verbindung und Einheit mit Gott an. Auch hier überlässt Mirandola dem Menschen die freie Wahl: der Mensch kann wählen, ob er das werden will, was Gott ihm zugedacht hat – zum Wesen der Erkenntnis, oder ob er dies ablehnt und zum reinen Animalischen herabsinkt.

Im weiteren Verlauf der Geschichte, bevor der Mensch im 20. Jahrhundert zum Gegenstand der naturwissenschaftlichen Verhaltensforschung wird, äußern sich auch unter anderem Johann Gottfried Herder und Immanuel Kant bezüglich der Stellung des Menschen und seines Wesens.

In seinem Werk „Abhandlung über den Ursprung von Sprache“ vergleicht Herder den Menschen mit anderen Lebewesen. Er behauptet, dass Tiere immer an eine gewisse äußere Bedingung gebunden sind und der Mensch hingegen unbestimmt ist – er kann zur Welt und zu sich in ein gewisses Verhältnis treten – durch die Reflexion des Gehirns. Hierbei hält Herder die Sprache für das wichtigste Kennzeichen des Menschen: durch das Gehirn des Menschen ist er dazu fähig; die Sprache kompensiert die mangelnde Fähigkeit, die Unbestimmtheit des Menschen (Vgl. Torner, 2007, S. 4)

Immanuel Kant hingegen versteht den Menschen als Weltbürger, er ist Zweck in sich selbst. Die menschliche Natur können wir nach Kant nur über Beobachtungen erkennen (Vgl. Torner, 2007, S. 5).

Im 20. Jahrhundert, mit dem sich auch diese Hausarbeit beschäftigt, gab es noch neben Plessner und Scheler zwei weitere Theoriengebiete, die das Wesen des Menschen versuchen zu erklären.

Zum einen den Behaviorismus, der von J.B. Watson und J.P. Pawlow geprägt wurde, und der dem Menschen keine Sonderstellung einräumt. Der Mensch steht hier auf der gleichen Ebene wie das Tier, sein Verhalten wird durch die Umweltanpassung erklärbar.

Zum anderen die biologische Verhaltensforschung – geprägt von J. von Uexküll und K. Lorenz. Die biologische Verhaltensforschung behauptet, dass jedes Lebewesen seine eigene Umwelt besitzt – durch die Sinne wahrgenommen – doch der Mensch hat keine angeborene Umwelt. Er ist weltoffen (Vgl. Torner, 2007, S. 5).

Doch wie definieren Max Scheler und Helmuth Plessner, zwei weitere Autoren des 20. Jahrhunderts, den Menschen? Wie beantworten sie die Frage nach der Stellung des Menschen und in was für einem Verhältnis steht der Mensch zum Tier? Diese Fragen sollen im weiteren Verlauf geklärt werden.

2. Max Scheler

2.1 Grundposition und Ansatz

Max Scheler kritisiert zu Anfang seines Werkes „Die Stellung des Menschen im Kosmos“, dass es kein einheitliches Bild vom Menschen gibt: zum Einen wird der Mensch durch die Schöpfungsgeschichte, zum Anderen als „animal rationale“ und noch wieder als ein Lebewesen, das aus der Evolution hervorgegangen ist, definiert. Allerdings sind diese Meinungen alle nicht miteinander vereinbar und stiften eine gewisse Unruhe im Menschen (Vgl. Scheler, 1928, S. 11).

Max Scheler versucht die Frage zu beantworten, ob dem Menschen im Kosmos eine Sonderstellung zukommt und ob man dem Menschen überhaupt eine Stellung einräumen darf bzw. muss, die ihn von anderen Lebewesen unterscheidet. Auch beschäftigt er sich im Allgemeinen damit, ob der Wesensbegriff des Menschen überhaupt gerechtfertigt ist (Vgl. Scheler, 1928, S. 11).

2.2 Der Mensch und seine Stellung in der Welt bei Scheler

Max Scheler analysiert den Menschen anhand des Aufbaus der biophysischen Welt, die eine Stufenfolge der psychischen Kräfte und Fähigkeiten mit sich zieht (Witteriede, 2009, S. 21). Er nimmt an, dass die Grenzen des Psychischen und des Lebendigen zusammenfallen und dass lebendige Dinge ein „’Fürsich und Innesein’ besitzen: sie sind sich selbst inne und sich selbst gegeben.“[1].

Insgesamt gibt es für Scheler fünf Stufen der Innenseite dieses Lebens, die im Folgenden beschrieben werden.

2.1.1. Gefühlsdrang

Der Gefühlsdrang umfasst das pflanzliche Leben: er versorgt alle psychischen Tätigkeiten mit der notwendigen Energie. Auf dieser Ebene gibt es, so Scheler, noch kein Empfinden und kein Bewusstsein. Dieser Drang sei auf das Umfeld ausgerichtet – auf das unspezifizierte Ganze. Pflanzen reagieren so auf keine speziellen Umweltreize, wie auf Farb- oder Strahlvariationen des Lichts. Zu erkennen sind lediglich „Wachstumsbewegungen“ (Scheler, 1928, S. 13f.).

2.1.2. Instinkt

Der Instinkt ist auf das Verhalten von Lebewesen gerichtet. Hier drückt sich neben dem Gefühlsdrang auch der innere Zustand aus.

Beim Instinkt handelt es sich um einen „psychophysischen“ (Witteriede, 2009, S. 23) Begriff – er lässt sich sowohl physiologisch, als auch psychologisch erklären.

Doch wann handelt ein Lebewesen instinktiv?

„Wenn dessen Verhalten a) sinnmäßig ist, b) einem festen, unveränderlichen Rhythmus folgt, c) nur dann einsetzt, wenn das Lebewesen mit für sein spezifischen Artleben typisch wiederkehrenden, bedeutsamen Situationen konfrontiert wird, d) unabhängig ist von der Zahl vollzogener Versuche, mit einer Situation erfolgreich umzugehen.“ (Witteriede, 2009, S. 23).

Man könne die Instinkte auch als von vornherein „fertig“ (Scheler, 1928, S. 18 f.) ansehen.

Physisch gesehen ist der Instinkt eine untrennbare „Einheit von Vorwissen und Handlung“ (Scheler, 1928, S. 22).

[...]


[1] Scheler, M., 1928, S. 13: „Anorganische Gebilde haben ein solches Inne- und Selbstsein überhaupt nicht; sie haben kein Zentrum, das zu ihnen ontisch gehörte [...]. Ein Lebewesen dagegen ist stet ein ontisches Zentrum und bildet steht selbst seine raumzeitliche Einheit und Individualität“

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Was ist der Mensch? Konstellationen der philosophischen Anthropologien von Helmuth Plessner und Max Scheler im Vergleich
Hochschule
Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover  (Institut für Philosophie)
Note
1,3
Autor
Jahr
2016
Seiten
17
Katalognummer
V346538
ISBN (eBook)
9783668357907
ISBN (Buch)
9783668357914
Dateigröße
545 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
mensch, konstellationen, anthropologien, helmuth, plessner, scheler, vergleich
Arbeit zitieren
Laura Wolf (Autor:in), 2016, Was ist der Mensch? Konstellationen der philosophischen Anthropologien von Helmuth Plessner und Max Scheler im Vergleich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/346538

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