Das Aristotelische Erziehungsmodell und seine Möglichkeiten und Grenzen


Hausarbeit, 2014

20 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhalt

Einleitung

1. Der aristotelische Erziehungsstaat
1.1 Verhältnis von Staat und Erziehung
1.2 Tugend und Vernunft

2. Das ideale Erziehungsmodell
2.1 Säuglings- und Kleinkindalter
2.2 Jugend
2.3 Rolle der Musik

3. Kritische Würdigung
3.1 Zusammenfassung
3.2 Möglichkeiten aristotelischer Erziehung
3.3 Grenzen aristotelischer Erziehung
3.4 Fazit

Anhang: Quellenverzeichnis

Literaturverzeichnis

Einleitung

Diese Hausarbeit befasst sich im Wesentlichen mit dem Verständnis des Aristoteles von Erziehung. Hauptsächlich untersucht der Verfasser hierbei, welche Möglichkeiten und welche Grenzen das ideale Erziehungsmodell des Aristoteles, welches letztlich nur ein Konstrukt ist und nicht verwirklicht wurde, aufweist und wie in diesem Zusammenhang seine Vorstellung von Erziehung bewertet werden kann.

In Bezug auf Erziehung äußert sich Aristoteles vertieft im 10. Buch der „Nikomachischen Ethik“ sowie im 7./8. Buch der „Politik“. Beide Schriften dienen somit als Textgrundlagen für diese Analyse. Grundlegend beschreibt der Verfasser dieser Hausarbeit in einem ersten Schritt, wie sich Aristoteles die Verbindung von Erziehung und Staat vorstellt und was Ziele der idealen Erziehung sein sollen. Im weiteren Verlauf wird das Erziehungsmodell des Aristoteles im Konkreten vorgestellt sowie abschließend versucht, anhand kurzer Querverweise zur modernen Pädagogik das Erziehungsmodell kritisch zu würdigen. Der Verfasser betrachtet die Schriften des Aristoteles weiterhin unter dem Blickwinkel, welche erzieherischen Aspekte sich z.B. in der heutigen Pädagogik wiederfinden lassen und welche Aspekte fehlen, die jedoch von Aristoteles als notwendig beschrieben werden.

1. Der aristotelische Erziehungsstaat

1.1 Verhältnis von Staat und Erziehung

Um herauszuarbeiten, welche Rolle die Erziehung im Wesentlichen für das aristotelische ideale Staatsgebilde hat, ist es relevant, die beiden Termini „Erziehung“ und „Staat“ miteinander ins Verhältnis zu setzen und aufzuzeigen, wo Aristoteles in seinen Überlegungen einen Zusammenhang zwischen beiden Begriffen sieht.

„Daß nun der Gesetzgeber vor allem für die Erziehung der Jugend sorgen muß, dürfte wohl niemand bezweifeln.“1

Das grundlegende Verhältnis zwischen Erziehung und Staat wird allein durch dieses Zitat des Aristoteles zu Beginn des 8. Buches der „Politik“ ersichtlich. Der Gesetzgeber, d.h. der Staat, steht in der Verantwortung, die Erziehung zu gestalten, sie in seiner Hand zu haben. Anders ausgedrückt heißt dies, dass „Erziehung durch Gesetz“2 angestrebt werden soll. Dieser Zielstellung liegt die Auffassung zu Grunde, der Mensch sei von Natur ein staatsbildendes Wesen, zudem trage er einen Trieb zur Gemeinschaft in sich.3 Weiter führt Aristoteles an, dass ein Staat erst dann ein Staat des Glücks ist, wenn in diesem die Tugend vorhanden ist, was erst dann der Fall ist, wenn auch die Staatsbürger tugendhaft sind.4 Das Sein im Glück, die Glückseligkeit, sieht Aristoteles als Lebenssinn sowie als Ziel jeglicher menschlicher Tätigkeit an.5

Auf Grund der Tatsache, dass von dem Menschen als ein politisches Wesen gesprochen wird, lässt sich daraus schlussfolgern, dass wenn Erziehung und Ethik etwas Menschliches ist, so muss es ebenfalls etwas Politisches bzw. Staatliches sein. Aus diesem Zusammenhang heraus erwächst, dass Staat und Erziehung eng miteinander wechselseitig verknüpft sind. Auf der einen Seite bedarf der Staat der Erziehung, um sich in seiner Eigenheit zu erhalten und nicht Schaden zu nehmen. Auf der anderen Seite bedarf die Erziehung den Staat, um durch dessen Gesetze abgesichert zu sein.6

Es wird folglich ein Zusammenhang deutlich zwischen Politik auf der einen sowie Ethik, verkörpert durch Erziehung, auf der anderen Seite.

Ethik und Politik sind für Aristoteles eng miteinander verknüpft, sie bilden eine Einheit. Deshalb ist es relevant, für die Betrachtung der aristotelischen Erziehung sowohl die „Nikomachische Ethik“ als auch die „Politik“ zu betrachten. Denn die „Nikomachische Ethik“ fokussiert im Wesentlichen die Aspekte von menschlicher Glückseligkeit und Tugend sowie menschlichem Handeln. Die „Politik“ baut darauf auf und beschreibt, wie dies in staatlichem Rahmen durch Gesetze zu sichern und zu gewährleisten ist.7

Wenn von Gesetzen die Rede ist, die Verantwortung für die Erziehung zum tugendhaften Bürger übernehmen sollen, ist zu untersuchen, wie sich der Leser von Aristoteles' Schriften solche Gesetze in abstrakter Weise vorzustellen hat.

Gesetze sollen im Verständnis des Aristoteles nicht nur sittliche Anleitungen für die Jugendzeit sein, nach denen die Jugend zu erziehen ist. Damit die guten Gewohnheiten, welche durch Erziehung zustande kommen, auch im Erwachsenenalter vorhanden bleiben und nicht erlöschen, schlägt Aristoteles somit Gesetze vor, welche unter dem erzieherischen Aspekt das komplette Leben abdecken, sodass die errungene Tugendhaftigkeit der Bürger bis zu deren Tode erhalten bleibt. Die Natur von Gesetzen bringt mit sich, dass diese eingehalten werden sollen. Bei Nichteinhalten betont auch Aristoteles die Möglichkeit von Strafen und Sanktionen. Interessant ist, dass er den durchaus erkennbaren Charakter von Zwang und Gewalt, welcher den Gesetzen naturgemäß innewohnen muss, dem pater familias aberkennt und sagt, es sei keinem Menschen erlaubt, Zwang und Gewalt über Andere auszuüben. Dies obliegt allein dem Gesetz. Vorteil hierbei ist, dass, zumindest laut Aristoteles, ein Gesetz keinem Hass ausgesetzt werden kann, eine einzelne Person hingegen schon. Als ein mögliches Vorbild zumindest in dieser Hinsicht nennt Aristoteles Sparta, in welcher durch Gesetz die Erziehung geregelt ist.8

Insbesondere der Vorbildcharakter Spartas ist in diesen Ausführungen erstaunlich, denn auch im Verlauf dieser Hausarbeit wird deutlich werden, dass Aristoteles des Öfteren kritische Worte bezüglich der Spartaner findet.

Bezüglich der Gesetze ist weiterhin anzumerken, dass Aristoteles der Überzeugung ist, Gesetze seien Mittel zum Zweck, nämlich der Weg zur Tugend. Er möchte sie eher als einen Ausdruck von Fürsorge für das Gemeinwesen verstehen, unter der Maxime, dass gute Gesetze auch eine gute Fürsorge, v.a. in Hinblick auf Erziehung, ermöglichen. Solche Gesetze versteht Aristoteles als eine Form der Staatskunst, welche durch die Leute ausgeübt werden soll, welche die nötige Erfahrung besitzen.9

Durch diese zusammenfassenden Aussagen wird ersichtlich, dass „Staat“ und „Erziehung“ laut Aristoteles von Natur aus eng miteinander verknüpft zu sein scheinen. Festzuhalten gilt, dass die Erziehung durch die Hand des Staates laufen soll. Damit soll sichergestellt werden, dass die Staatsbürger, welche den Staat bilden, tugendhaft werden, sodass dies in letzter Konsequenz auch für den Staat als Gesamtgebilde selbst gilt. Ein tugendhafter Bürger ist somit Voraussetzung dafür, dass der tugendhafte, aristotelische Staat verwirklicht werden kann. Erreicht wird dies durch Erziehung. Wenn der Bürger gut und tugendhaft sein soll, so soll sich dies in logischer Schlussfolgerung auch im Handeln zeigen, welches nach Aristoteles stets nach Glückseligkeit strebt. Somit sind Tugend, Glück und Handeln stark miteinander verknüpft. Wie sich dies in der Erziehung zeigt, bleibt zu untersuchen. Von dieser Basis ausgehend ist es als nächster Schritt wichtig, folgende Aspekte zu untersuchen: Was versteht Aristoteles allgemein unter Tugend? Wann ist ein Staatsbürger im Verständnis des Aristoteles tugendhaft und wie kann Tugend letztlich durch Erziehung erreicht werden?

1.2 Tugend und Vernunft

Zuerst ist es wichtig, sich mit dem allgemeinen Begriff der Tugend im Verständnis des Aristoteles auseinanderzusetzen. Wesentliche Absicht dieses Unterkapitels ist, den Begriff der Tugend genauer zu bestimmen und diesen mit dem Aspekt der (Staats-)Erziehung zu verbinden.

Im Wesentlichen teilt Aristoteles die Tugend in eine Verstandestugend auf der einen und in eine sittliche Tugend auf der anderen Seite ein.10 Die aristotelische Tugendlehre umfasst die Tugenden Mut, Abgehärtetheit, Weisheit, Mäßigkeit und Gerechtigkeit. Jeder dieser Tugenden kommen gewisse Funktionen zu. Der Mensch braucht Mut und Abgehärtetheit, um arbeiten zu können. Weisheit ist wichtig, um Muße zu erfahren. Mäßigkeit und Gerechtigkeit sind letztlich wichtig, um friedlich und in Muße leben zu können. Besitzt ein Staat jene fünf Tugenden, so ist dieser Staat glücklich. Voraussetzung ist allerdings, dass jede Tugend voller Muße gelebt werden soll, damit es einem nicht wie den Spartanern ergeht, welche laut Aristoteles nicht in der Lage waren, genannte Tugenden in Balance und Muße zu leben.11

Wenn das Leben mit solchen Tugenden das erstrebenswerte Leben ist, stellt sich somit die Frage, wie der Mensch, und damit letztlich der Staat, tugendhaft, gut und glücklich werden kann.

Aristoteles analysiert hierbei drei Elemente, nämlich Natur, Gewöhnung und Vernunft. Der Mensch wird mit gewissen Naturanlagen geboren, welche durch unbeeinflusste und ungehemmte Entwicklung nicht zur Erlangung der Tugenden führen werden. Dazu bedarf es im nächsten Schritt der Gewöhnung, wodurch Naturanlagen entweder zum Besseren oder zum Schlechteren verändert werden. Dominieren tut allerdings letztendlich die Vernunft, wodurch es möglich ist, oft auch gegen die eigene Natur sowie gegen eigene Gewohnheit trotzdem zum Besseren zu gelangen.12

Das Erziehungselement der Gewöhnung beeinflusst die sittliche Tugend, wohingegen Vernunft und Belehrung die Verstandestugend prägen. Dies ist in der aristotelischen Erziehung zu berücksichtigen.13

Somit wird im weiteren Verlauf genauer zu untersuchen sein, welche Formen der Gewöhnung Aristoteles zur Prägung des Individuums empfiehlt und wie Vernunft sowie Belehrung ins Spiel kommen. Dies ist genauer in Kapitel 2 nachzulesen. Der Vollständigkeit halber ist an dieser Stelle noch genauer auf das erstgenannte Element der Naturanlagen einzugehen, da diese Ausgangspunkt sind für jede folgende erzieherische Tätigkeit und Formung.

Interessant ist, dass Aristoteles in dem Geschlecht der Griechen die für die Tugend notwendigen Naturanlagen in gut harmonisierender Mischung vorfindet. So ist es für die Staatenbildung wichtig, mit geistigen und künstlerischen Anlagen auf die Welt zu kommen. Zudem, um nicht in Sklaverei und Dienstbarkeit zu enden, muss der Mensch mit einer Anlage zur Furchtlosigkeit auf die Welt kommen. Die geistigen und künstlerischen Anlagen münden in Intelligenz, die furchtlose Anlage mündet in Mut. Folglich müssen Anlagen zu Intelligenz und Mut von Natur aus vorhanden sein, um in Freiheit, Herrscherposition und bestem Staate leben zu können. Diese Anlagen erkennt Aristoteles in den Griechen, im Gegensatz zu den Völkern in kalten Landstrichen sowie Europa, welche zwar mutig, aber nicht intelligent, oder zu den Asiaten, welche zwar intelligent, aber nicht mutig sind. Da allerdings die einzelnen Stämme der Griechen sich voneinander unterscheiden und es somit keinen einheitlichen Staatenverbund des griechischen Geschlechtes gibt, sind die Griechen daher nicht in der Lage, in der Realität tugendhaft zu werden.14

Deutlich wird hierbei ein zentrales Element des aristotelischen, besten, tugendhaften Staates. Er soll in der Lage sein, andere Staaten zu beherrschen. Tugend steht folglich in engem Zusammenhang mit Freiheit und vor allem Herrschertum, weswegen es verständlich erscheint, dass die Tugend im aristotelischen Idealstaat eine wichtige Rolle einnimmt. Die Dichotomie „Herrschen“ und „Beherrscht werden“ bzw. „Befehlen“ und „Gehorchen“ ist im Verständnis des Aristoteles von entscheidender Bedeutung für das Aufwachsen auch innerhalb des besten Staates.

Wer jung ist, soll gehorchen, um im Erwachsenenalter in der Lage zu sein, befehlen zu können. Im Wortlaut des Aristoteles heißt dies, dass „dieselbe Person erst Untergebener sein muß, um dann Vorgesetzter zu werden“.15

Folgerichtig muss sich dies auch in der aristotelischen Erziehung widerspiegeln, da diese dem gehorchenden, jungen Menschen zeigen soll, wie er zum Herrscher gemäß der fünf Tugenden wird. Wie sich dies genau widerspiegelt, untersucht der Verfasser an anderer Stelle.

Es ist allerdings in diesem Kontext wichtig, kein falsches Bild von der Herrschaft, welche Aristoteles anstrebt, zu erhalten.

„Über Freie zu herrschen ist schöner und erfordert mehr Tugend, als über Sklaven ein Herrenregiment zu führen.“16

[...]


1 Aristot. Pol. 8, 1, 1337a (ÜS Rolfes).

2 Aristot. Pol. 8, 2, 1253a (ÜS Rolfes).

3 Aristot. Pol. 1, 2, 1253a.

4 Aristot. Pol. 7, 13, 1332a.

5 Aristot. NE. 10, 6, 1176a.

6 Schwenk, Bernhard: Der Erziehungsstaat des Aristoteles, in: Drewek, Peter und Leschinsky, Achim (Hrsg.): Geschichte der Bildung und Erziehung von der Antike bis zum Mittelalter, Weinheim 1996, S. 102 - 103.

7 Höffe, Otfried: Kleine Geschichte der Philosophie, München 2001, S. 52 - 53.

8 Aristot. NE. 10, 10, 1179b - 1180a.

9 Aristot. NE. 10, 10, 1180b - 1181b.

10 Aristot. NE. 2, 1, 1103a.

11 Aristot. Pol. 7, 15, 1334a.

12 Aristot. Pol. 7, 13, 1332b.

13 Aristot. NE. 2, 1, 1103a.

14 Aristot. Pol. 7, 7, 1327b.

15 Aristot. Pol. 7, 14, 1333a (ÜS Rolfes).

16 Aristot. Pol. 7, 15, 1333b (ÜS Rolfes).

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Das Aristotelische Erziehungsmodell und seine Möglichkeiten und Grenzen
Hochschule
Universität Leipzig
Note
1,7
Autor
Jahr
2014
Seiten
20
Katalognummer
V346590
ISBN (eBook)
9783668358508
ISBN (Buch)
9783668358515
Dateigröße
1241 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Aristoteles, aristotelisch, Erziehung, Erziehungsmodell, Pädagogik, Philosophie, Philosoph, philosophisch, aristotelische
Arbeit zitieren
Benedikt Liebsch (Autor:in), 2014, Das Aristotelische Erziehungsmodell und seine Möglichkeiten und Grenzen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/346590

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