Anforderung und Vorgehen beim Einsatz von Twitter zum Trendmonitoring


Masterarbeit, 2016

84 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1. Einleitung
1.1. Relevanz des Themas
1.2. Forschungsstand
1.3. Ziel und Gang der Untersuchung

2. Konzeptionelle Grundlagen
2.1. Soziale Netzwerktheorie und -Analyse
2.2. Trendentstehung und -Verbreitung

3. Twitter-Analyse zur Trendidentifizierung
3.1. Datenscanning
3.1.1. Ermittlung und Quantifizierung von Keywords
3.1.2. Strukturierung und Verknüpfung
3.2. Qualitative Auswertungen
3.2.1. S entimentanalysen
3.2.2. Ermittlung komplexerer Themenfelder
3.3. Analyse von Netzwerkstrukturen
3.3.1. Relevanz und Ermittlung relevanter Influencer
3.3.2. Operationalisierung der Einflussstärke

4. Implikationen für die Anwendung
4.1. Bewertung und Analyse der erhobenen Daten
4.1.1. Identifizierung untemehmensrelevanter Trends und Treiber
4.1.2. Entwicklung von Prognosen und Szenarien
4.2. Ableitung von Handlungsempfehlungen
4.2.1. Anpassung bestehender Leistungen und Prozesse
4.2.2. Entwicklung innovativer Leistungen
4.3. Probleme und Grenzen

5. Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 : Untersuchungsmodell

Abbildung 2: Ungerichtetes Netzwerk mit fünfKnoten und fünfKanten

Abbildung 3: Gerichtetes und gewichtetes Netzwerk mit fünfKanten und Knoten

Abbildung 4: Typologie der Adoptaren nach Rogers

Abbildung 5: Vorgehen des Twitter Keyword Graphs

Abbildung 6: Keywordvarianten

Abbildung 7: Beispiel einer Popularitätskurve im Zeitverlauf

Abbildung 8: Beispiel einer Tag-Cloud

Abbildung 9: Aufbau der hybriden Sentimentanalyse

Abbildung 10: Vorgehen des TLDF

Abbildung 11: Beispiel eines Trendportfolios

Abbildung 12: Beispiel eines Szenario-Trichters

Abbildung 13: Anforderung an das Trendmonitoring aufTwitter

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Forschungsstand

1. Einleitung

Social-Media Plattformen gewinnen bei Nutzem weiter an Relevanz und Bedeutung. Auch bei der Mikroblogging-Plattform Twitter ist diese Entwicklung erkennbar: Die Anzahl der weltweiten aktiven Nutzer wird von derzeit 310 Millionen bis zum Jahre 2018 auf voraussichtlich über 380 Millionen steigen ( vgl. eMarketer 2016, Twitter 2016), was einem Nutzerwachstum von 22% entspricht. Dabei werden bereits jetztjede Sekunde 7077 Tweets versendet. Das Tagesvolumen bildet eine Gesamtzahl von über 611 Millionen Tweets (vgl. Lahuerta-Otero & Cordero-Gutierrez 2016, S. 575).

Nutzer produzieren dabei die unterschiedlichsten Inhalte. Insbesondere der Prozess des Konsums steht dabei in enger Beziehung mit dem Prozess des Generierens und Teilens von Informationen (vgl. Zeng et al. 2010, S. 13). Entsprechend entsteht eine Vielzahl unstrukturierter Daten, welche strukturiert und ausgewertet für unterschiedliche Untemehmenszwecke nutzbar sind.

Ein Ziel der Analyse von Daten aus Twitter ist es, Trends zu erkennen und darauf aufbauend Handlungsempfehlungen zu entwickeln (vgl. Stieglitz et al. 2014, S. 91). Dabei steht die möglichst frühzeitige Identifizierung, Analyse und Bewertung von relevanten Veränderungen und Wandelprozessen im Fokus (vgl. Müller & Müller-Stewens 2009, S. 4). Diese zu ermitteln, ist die Funktion eines Trendmonitoring-Prozesses. Twitter eignet sich aufgrund seiner Funktionalitäten und Dynamik besonders für diesen Zweck und füngiert praktisch als Seismograph zur Erkennung von schwachen Signalen (vgl. Gentsch & Zahn 2010, S. 124). Ziel dieser Arbeit ist es, diese zu identifizieren und durch weitere Analysen zu verifizieren, um Trends zu erkennen, die für Untemehmenszwecke nutzbar sind.

1.1. Relevanz des Themas

Aufgrund oft gesättigter Märkte wird Produktdifferenzierung und die Abgrenzung vom Wettbewerb immer wichtiger. Um dieses zu erreichen, muss schnell neues Wissen extrahiert und in optimierte Produkte und Prozesse überführt werden (vgl. Gentsch & Zahn 2010, S. 124). Der Untemehmenserfolg beruht zunehmend auf der Fähigkeit, diese Produkte und Prozesse schnell zur Marktreife zu bringen (vgl. Zerfass & Sandhu 2008, S. 288). Eine Möglichkeit sich vom Wettbewerb abzugrenzen, ist die frühzeitige Ermittlung von Trends, um diese in optimierte Produkte und Leistungen einfließen zu lassen. Zu keinem bisherigen Zeitpunkt war es dabei einfacher, die Meinungen von Kunden über Produkte oder Marken zu erhalten und dadurch Produkt- und Dienstleistungsinnovationen zu erkennen (vgl. Aßmann & Pleil 2014, S. 590).

Auf Twitter, wo die Nutzer sich permanent aktiv beteiligen und Informationen bzw. Meinungen austauschen, müssen die Daten nicht erst kostspielig erhoben werden, sondern sind bereits vorhanden. Diese unstrukturierten Daten (oft auch als Big Data bezeichnet) sind durch eine sinnvolle Strukturierung für die Ermittlung von Trends nutzbar. Ein Vorteil auf Twitter ist dabei, dass Twitter die Möglichkeit eines offenen Diskurses bietet und keine vordefinierten Gruppen oder eingeschränkten Zugriffe vorhanden sind (vgl. Stieglitz et al. 2011, S. 69).

Bei Trends handelt es sich um Einflusskräfte, die auf Systeme wie Unternehmen, Gesellschaften und Individuen einwirken (vgl. Horx et al. 2009, S. 26). Dabei sind Trends unterschiedlich zu klassifizieren. Diese reichen von Megatrends, die zu veränderten Werten der Gesellschaft führen und ganze Generationen über einen langen Zeithorizont prägen bis zu kurzfristige Trends, die nur bestimme Bereiche oder Märkte einen kurzen Zeitraum lang tangieren (vgl. Fink & Siebe 2011, S. 161 ff)[1]. Auf Twitter existieren hauptsächlich kurzfristige, dynamische Trends, auf die Unternehmen reagieren sollten (vgl. Stieglitz et al. 2011, S. 75). Aus diesem Grund wird sich im weiteren Verlauf dieser Arbeit auf Trends beschränkt, die Produkte und Prozesse von Unternehmen betreffen und nur einen geringen Einfluss auf das gesamte System oder die Gesellschaft im Ganzen haben.[2]

Die Ermittlung der Einflusskräfte ist Voraussetzung für die Einleitung eines Prozesses zur rechtzeitigen Reaktion auf Veränderungen. Ein Ansatz für das Erkennen relevanter Abweichungen ist das Trendmonitoring. Trendmonitoring bedeutet das ,,Erkennen und Deuten unternehmensrelevanter Entwicklungen“ (Burmeister et al 2002, S.34). Fichter & Kiehne (2006, S.3) beziehen in ihrer Definition noch den zeitlichen Aspekt mit ein und bezeichnen das Trendmonitoring als „Beobachten der Veränderung relevanter Indikatoren, Deskriptoren und Erkenntnisgegenstände im Zeitverlauf “ (Ficher & Kiehne 2006, S. 3). Indikatoren sind dabei festgelegte Größen, die eine Bewertung zu Entwicklungen möglich machen, Deskriptoren konkretisieren Einflussbereiche, die zur inhaltlichen Beschreibung eines Sachverhalts herangezogen werden, und Erkenntnisgegenstände bezeichnen den eigentlichen Untersuchungsgegenstand (vgl. Grothe & Maisch 2010,S. 138).

Entsprechend ist das Ziel des Trendmonitorings anhand geeigneter Methoden möglichst frühzeitig relevante Veränderungen und Wandelprozesse durch Überwachen zu identifizieren, analysieren und bewerten (vgl. Müller & Müller-Stewens 2009, S. 4). Dabei ist das Trendmonitoring bewusst relativ weit gefasst, um alle wichtigen Themen zu identifizieren. Es erfolgt somit keine Beschränkung auf bestimmte Bereiche, wie bspw. Produkte und Wettbewerb. Innerhalb dieser Arbeit wird der Aspekt berücksichtigt, indem der Fokus auf einer ungerichteten Suche liegt (Siehe Kapitel 3).

Zum Trendmonitoring eignet sich Twitter im besonderen Maße. Das im März 2006 in den USA gegründete Unternehmen Twitter Ine. ist ein Mikroblogging-Dienstleister, der für die Verbreitung von Kurznachrichten in Echtzeit genutzt wird. Twitter fungiert dabei als Kommunikationsplattform und soziales Netzwerk für Privatpersonen, Unternehmen und Organisationen. Der Nutzer kann Kurznachrichten aus maximal 140 Zeichen verfassen (sog. „Tweets“). Diese sind öffentlich und auch für nicht angemeldete Nutzer einsehbar. Es besteht die Möglichkeit, dass Nutzer sich mit anderen Nutzem vernetzen und relevanten Personen bzw. Unternehmen „folgen“ („Follower“). Als Gegenpol werden die Nutzer, die anderen Nutzem folgen, als „Followees“ bezeichnet. Dabei werden den Nutzer auf der Startseite vorwiegend die Tweets der Nutzer angezeigt, denen selbst gefolgt wird.

Neben der Möglichkeit des Folgens und gefolgt werden, bietet Twitter verschiedene Interaktionsmöglichkeiten: Ein „Retweet“ ist das Weiterleiten eines nicht selbst verfassten Tweets an die eigenen Follower. Dies sorgt für virale Effekte, da mehr Nutzer erreicht werden können als eigene Follower vorhanden sind (vgl. Phelps et al. 2004, S. 333). Ebenso ist ein direktes antworten oder Favorisieren eines Tweets möglich. Durch Antworten („Replies“) und Erwähnungen („Mentions“) kommt eine direkte Kommunikation zustande, auf die mittels einer direkten Ansprache reagiert werden kann. Der Unterschied ist, dass bei „Replies“ auf einen bereits vorhandenen Tweet eingegangen wird, wohingegen bei „Mentions“ eine Verlinkung auch bei neu verfassten Inhalten möglich ist. Das Favorisieren eines Tweets zeigt, dass ein User den Tweet „interessant“ findet, wobei jedoch kein eigener Inhalt verbreitet wird oder Emotionen gezeigt werden.

Eine weitere Funktion ist die des Hashtags. Hashtags bieten die Möglichkeit, auf ein Thema zu verweisen, indem ein direkter Bezug erstellt wird. Die Begriffe nach einem Hashtag werden automatisch verlinkt, sodass bei einem Klick auf diesen alle Tweets mit der entsprechenden Bezeichnung gelistet werden.

Ein großer Vorteil von Twitter, der diese Plattform auch für Trendmonitoring Zwecke attraktiv macht, ist, dass die Plattform eine offene Schnittstelle zur Anwendungsprogrammierung (API) besitzt. Aus diesem Grund ist es möglich, eine Vielzahl der generierten Daten für Analysezwecke zu extrahieren. Ebenso sind die Daten auch für Social-Web Nutzer ersichtlich, die selbst kein angemeldetes Mitglied im Netzwerk sind. Dies wird für einige Forscher als einer der größten Vorteile gegenüber vielen anderen Social-Media-Kanälen angesehen (u.a. Kwak et al. 2010). Unternehmen profitieren dadurch besonders, da die Datengrundlage nahezu das komplette Netzwerk abdeckt und nicht, wie bspw. Facebook, ein Teil der Kommunikation bzw. private Posts gar nicht ersichtlich sind.

Der Vorteil der Twitter-Analyse, mit dem Ziel Trends zu erkennen, liegt dabei auch in dem Aspekt, dass aufgrund des begrenzten Platzes sich auf den wesentlichen Inhalt beschränkt werden muss (vgl. Bermingham & Smeaton 2010, S. 1836). Ebenso ist die Plattform sehr agil und dynamisch, sodass frühzeitig neue Themen relevant werden (vgl. Kwak et al. 2010, S. 492). Dabei liegt das Potential insbesondere in der Schnelligkeit der digitalen Kommunikation, die bei der Trendidentifizierung im Rahmen des Trendmonitorings ein wesentlicher Bestandteil darstellt (vgl. Grothe & Maisch 2010, S. 138). Das Trendmonitoring ist dabei gezielt als „Radar“ zum Aufspüren von Trends und Potentialen für das Marketing sowie Innovationsmanagement einzusetzen, da die digitale Kommunikation vor allem durch „Early-Adopter“ und Meinungsführer geprägt ist, die es ermöglichen, dass Trends bereits in einem sehr frühen Stadium zu erkennen sind (vgl. Gentsch & Zahn 2010, S. 125).

1.2. Forschungsstand

Twitter hat eine noch junge Vergangenheit. Erst mit der Entwicklung des Web 2.0 und den Bedürfnissen der Nutzer, sich über diese Plattformen mit Meinungen und Erfahrungen auszutauschen, hat auch Twitter an Relevanz gewonnen. In der Forschung wurde erkannt, dass Twitter sich aufgrund der Dynamik und des limitierten Platzes zu Vorhersagen künftiger Entwicklungen eignet. Empirische Befunde belegen, dass die Daten durchaus Krankheiten und Epidemien prognostizieren können (u.a. Achrekar et al. 2011; Culotta 2010), Anzeichen für die Kurs-Entwicklungen an der Börse geben (u.a. Wei et al. 2016; Bollen et al. 2011), sowie als guter Indikator für die Vorhersage von Ergebnissen bei Sportereignissen (u.a. Schumaker et al. 2016) und politischen Wahlen (u.a. O'Connor et al. 2010; Bumap et al. 2016) dienen. Es gelang ebenso Straftaten vorherzusagen (u.a. Gerber 2014). Erste Untersuchungen, die sich mit der Vorhersage von Umsätzen bestimmter Produkten beschäftigen, wiesen Erfolge auf. Asur & Hubermann (2010) haben beispielsweise ein Modell entwickelt, welches den Umsatz von Kinos für das erste Wochenende eines neugestarteten Filmes relativ präzise Vorhersagen konnte.

Neben der Vorhersage von Entwicklungen ist auch die Ermittlung von Trends bereits Ziel der Forschung gewesen. Kwak et al. (2010) konnten feststellen, dass Twitter aufgrund seiner Struktur gut für die Ermittlung neuer, relevanter Themen geeignet ist. Ebenso besteht eine Eignung als „Echtzeit­Datenlieferant“ (Gruber et al. 2015). Phelan et al. (2009) entwickelten ein Framework zur Identifizierung von wichtigen Nachrichten in Echtzeit. Dies wurde bisher jedoch ausschließlich auf Nachrichten angewandt - aus diesem Grund schlagen Budak et al. (2011) vor, Trends in „koordinierte“ und „unkoordinierte“ zu unterteilen. Ausschlagegebend dafür ist, dass Trends auf Twitter anders entstehen und sich verbreiten, als in „klassischen“ Medien. Budak et al. (2011) entwickelten das auf Twitter angepasste „Independent Trend Formation Model“ (ITFM), welches auch die Netzwerkstruktur berücksichtigt, um die Verbreitung von Trends im Netzwerk besser verstehen zu können. Ein besonderer Fokus der Trend-Identifizierung liegt in dem frühzeitigen Aufspüren potentieller Trends, sodass bereits Forschungen im Sinne einer „Real-Time-Detection“ betrieben wurden. Mathioudakis & Koudas (2010) entwickelten den TwitterMonitor, der nicht ausschließlich wichtige News, sondern alle relevanten Themen in Echtzeit identifiziert. Ein Framework zur Echt­Zeit Datenanalyse entwickelten auch Gaglio et al. (2016).

Eine Übersicht aller relevanten Forschungsarbeiten ist in Tabelle 1 zu finden. Der Tabelle ist zu entnehmen, dass der Fokus bei Twitter vorwiegend auf einzelne Methoden und Teilaspekte des Trendmonitorings liegt. Die Forschung beschränkt sich dabei vorwiegend auf die Inhalte der Tweets in Form von Keyword- oder Inhaltsanalysen. Die Quelle der Information wird dabei überwiegend vernachlässigt. Ebenso fehlt ein umfassendes Konzept zur Identifizierung, Analyse, Bewertung und Deutung von Trends sowie Implementierungsmöglichkeiten der daraus resultierenden Ergebnisse.

Tabelle 1: Forschungsstand

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung.

1.3. Ziel und Gang der Untersuchung

Wie in Kapitel 1.2. beschrieben, gibt es bereits einige Forschungsansätze, die sich auf das Ermitteln von Trends auf Twitter fokussieren. Es fehlt bislang jedoch ein strukturiertes und standardisiertes Konzept zur umfassenden Analyse und Erfassung von Inhalten auf Twitter um diese zu identifizieren, zu bewerten und Handlungsempfehlungen aufzeigen zu können (vgl. Sen 2013, S. 12). Oft beziehen die Untersuchungen nur einzelne Aspekte des Trendmonitorings ein, liefern keine strukturierten Erkenntnisse zu allen Teilaspekten des Prozesses und geben keine Empfehlungen, wie mit den Erkenntnissen umzugehen ist. Diese Lücke versucht die folgende Arbeit schließen.

Um diese Forschungslücke zu schließen, liegt der vorliegenden Arbeit folgende Forschungsfrage zu Grunde:

„ Wie ist beim Trend-Monitoring auf Twitter vorzugehen und welche Anforderungen müssen erfüllt werden, um die Ergebnissefür Unternehmenszwecke nutzbarzu machen? “

Um die Forschungsfrage hinreichend zu beantworten, ist es zunächst nötig, die konzeptionellen Grundlagen dieser Untersuchung zu erörtern (Kapitel 2). Twitter liegt als soziales Netzwerk der sozialen Netzwerktheorie zugrunde, welche die Beziehungen innerhalb eines Netzwerkes sowie deren Akteuren beschreibt. Entsprechend wird dieses Konzept erläutert (Kapitel 2.1), um anschließend erörtern zu können, wie Trends entstehen und diese sich innerhalb eines Netzwerks verbreiten. Da keine fundamentale Theorie, wie Trends entstehen, vorhanden ist, wird sich in Kapitel 2.2 vorwiegend auf das Konzept der schwachen Signale von Ansoff (1975) und die Diffusionstheorie Rogers (1962) bezogen.

Die daraus gewonnenen Erkenntnisse wurden in einem speziell auf die Untersuchung zugeschnittenes Untersuchungsmodell zusammengefasst (Siehe Abbildung 1), welches die theoretischen Erkenntnisse auf Twitter überträgt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Untersuchungsmodell (Quelle:Eigene Darstellung).

Zunächst wird vorgeschlagen sich einen allgemeinen Überblick über vorhandene Inhalte zu verschaffen, um erste Erkenntnisse zu Trends zu erlangen (Kapitel 3.1). In der gängigen Forschung wird vorgeschlagen, sich diesen zu verschaffen, indem Hashtags und Keywords quantifiziert werden, da dadurch erste Anhaltspunkte über schwache Signale geben werden (Kapitel 3.1.1). Diese Bereiche bedürfen einer genaueren Analyse. Da ein einfaches Quantifizieren wenig aussagekräftig wäre, werden im folgenden Unterkapitel Methoden eingeführt, wie die Daten weiter zu verknüpfen und zu strukturieren sind, um mögliche Trends weiter zu validieren und anhand der Wichtigkeit zu klassifizieren (Kapitel 3.1.2). Anschließend sind die Daten mit qualitativen, inhaltsanalytischen Verfahren weiter zu untersuchen, um entdeckte Veränderungen zu bewerten (Kapitel 3.2). Sentiment Analysen suggerieren, ob die Verfasser der Tweets positiv oder negativ gegenüber einer ermittelten Thematik eingestellt sind, was Anzeichen für eine Entwicklung und Ausprägung liefert (Kapitel 3.2.1). Durch weitere qualitative Methoden wird erläutert, wie Themengebiete komplexer erschlossen werden können (Kapitel 3.2.2). Diese Aspekte dienen der „Themenverdichtung“, was als Verifizierung der schwachen Signale zu einem Trend definiert wird. Im dritten Abschnitt des dritten Kapitels wird auf die Bedeutung und Ermittlung von Influencem bzw. Meinungsführem eingegangen (Kapitel 3.3.1), da diese als Trend-Treiber und Multiplikatoren eine besondere Rolle bei der Trendverbreitung einnehmen sowie für die Bewertung der Erkenntnisse (Kapitel 4) geeignet sind. Lin et al. (2012) stellten bereits fest, dass das alleinige Fokussieren auf Inhalte bei der Trendanalyse auf Twitter nicht zielführend ist und auch die Urheber der Tweets zu beachten sind. Um bewerten zu können, welchen Einfluss Meinungsführer auf der Plattform ausüben, ist es nötig zu erläutern, wie deren Einflussstärke zu operationalisieren ist (Kapitel 3.3.2). Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Analyse der Netzwerkstruktur nicht als nachfolgender Prozessschritt der inhaltlichen Analysen anzusehen ist. Vielmehr handelt es sich um einen parallel laufenden Prozess, der zwar die Daten der Inhaltsanalyse berücksichtigen sollte, aber nicht vollständig autark anzusehen ist. Für die weitere Deutung von Trends sind dabei sowohl inhaltliche Aspekte als auch Informationen über relevante Netzwerkteilnehmer von Bedeutung.

Ziel des vierten Kapitels ist es, „Implikationen für die Anwendung“ zu erläutern. Dabei ist bereits an dieser Stelle zu erwähnen, dass der Prozess des Trendmonitorings durch die Analyse von Twitter Daten nicht abgeschlossen ist. In Kapitel 4.1 sind entsprechend weitere Bewertungen und Analysen untergliedert. Da eine ungerichtete Suche vorgeschlagen wird, ist zunächst die Untemehmensrelevanz der ermittelten Themen festzustellen und die dazu gehörigen Treiber zu ermitteln (Kapitel 4.1.1). Dazu sind die Erkenntnisse des dritten Kapitels als Trendtreiber zu integrieren, um anschließend zu prognostizieren, in welcher Form sich Trends in Zukunft entwickeln (Kapitel 4.1.2). In Kapitel 4.2 sind letztendlich Handlungsempfehlungen abzuleiten. Die Erkenntnisse sind zum einen für die Optimierung von Prozessen oder Produkten zu verwenden (Kapitel 4.2.1) und zum anderen für die Entwicklung neuer Leistungen oder Innovationen (Kapitel 4.2.2). Des Weiteren werden die Grenzen und Probleme des Trendmonitorings auf Twitter aufgezeigt (Kapitel 4.3.) bevor abschließend die Ergebnisse zusammenfassend gewürdigt werden (Kapitel 5).

2. Konzeptionelle Grundlagen

Das theoretische Fundament zur Erklärung der Beziehungen von Akteuren und deren Strukturen in einem sozialen Netzwerk, wie Twitter, bildet die soziale Netzwerktheorie und -analyse. Wenngleich die Analyse sozialer Netzwerke im ursprünglichen Sinne vorwiegend auf reale, persönliche Beziehungen fokussiert und nicht auf die virtuelle Umgebung beschränkt ist. Dennoch bietet sich die Theorie für Twitter an, da dieser Plattform eine Netzwerkstruktur zugrunde liegt, die Verfahren und Methoden der sozialen Netzwerkanalyse anwendbar macht. Dieser grundlegende Aufbau bildet den Ausgangspunkt, um anschließend erläutern zu können, wie Trends auf Twitter entstehen und sich verbreiten.

2.1. Soziale Netzwerktheorie und -Analyse

In ursprünglicher Form bestehen soziale Netzwerke aus Akteuren und dessen Beziehungen zueinander (vgl. Mitchell 1969, S. 2). Akteure müssen dabei nicht zwangsläufig Personen oder Individuen sein. Es werden sowohl einzelne, kollektive oder korporative Individuen bzw. Gruppen als Akteure innerhalb sozialer Netzwerke bezeichnet (vgl. Jansen 2007, S. 1). Die Verbindung der Akteure ist durch die sozialen Beziehungen zueinander gegeben. Dabei beruht die Theorie der sozialen Netzwerkanalyse auf der Annahme, dass ein Handeln von Akteuren besser verstanden wird, wenn sozialen Beziehungen berücksichtigt und analysiert werden (vgl. Wellmann 1988, S. 19ff).

Technisch gesehen bilden die Akteure eines Netzwerks die sog. Knoten[3] (vgl. Haas & Malang 2010, S. 90). Diese Knoten werden bei entsprechender Kommunikation mit Kanten verbunden, welche wiederum durch Knotenpaare beschrieben werden (vgl. Freeman 1978, S. 215).

Knoten und Kanten stellen die konstitutiven Elemente von Netzwerken dar (vgl. Albrecht 2010, S. 125). Neben der Analyse der individuellen Akteursposition, wird durch die Betrachtung der Kanten die Netzwerkstruktur und Untergliederung in Teilsegmente vorgenommen (vgl. Burt 1992, S. 81). Die Erklärung der Relationen zwischen herrschenden Beziehungen[4] und Bedeutung von entstandenen Mustern oder Strukturen ist eine weitere wichtige Aufgabe der Netzwerkanalyse (vgl. Hollstein 2006, S. 11).

Formal wird ein Netzwerk demnach durch eine bestimmte Anzahl von Knoten gebildet, welche untereinander mit Kanten verbunden sind. Die Mindestzahl eines Netzwerks beträgt dabei zwei Knoten. Sind zwei Knoten direkt durch eine Kante miteinander verbunden, wird dies als benachbart bzw. adjazent bezeichnet. Die Gesamtzahl der Knoten mit denen ein Knoten verbunden ist wird als Grad bzw. Degree angegeben (vgl. Klaus 2011, S. 65).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Ungerichtetes Netzwerk mitfünf Knoten und fünf Kanten (Quelle: Eigene Darstellung).

Abbildung 2 visualisiert ein Netzwerk mit fünf Knoten und fünf Kanten. Das Netzwerk wird als ungerichtet bezeichnet, da die Beziehung der Akteure nicht in eine Richtung fixiert ist und sich entsprechend auf beide Knoten bezieht. Somit handelt es sich um eine symmetrische bzw. beidseitige Kommunikation. Diese Verbindung zwischen zwei Knoten liegt zu Grunde, wenn keine Sender­Empfänger Regel festgelegt und die Richtung der Beziehung nicht definiert ist (vgl. Haas & Malang 2010,S. 93).

Sind die Kanten hingegen mit einer Richtung versehen, wird von gerichteten oder unsymmetrischen Verbindungen bzw. Netzwerken gesprochen (vgl. Klaus 2011, S. 66). Die Kommunikation findet dann ausschließlich in eine Richtung statt und wird durch einen entsprechenden Pfeil visualisiert. Im Beispiel (siehe Abbildung 1) deutet die Verbindungslinie (Kante) zwischen p2 und p4 auf eine ungerichtete Beziehung dieser beiden Akteure hin. Des Weiteren hat pi nur eine Kante und somit ein Grad von eins. P2 ist mit drei weiteren Akteuren verbunden und hat einen Grad von drei.

Neben der Richtung der Kommunikation sind auch die Beziehungen der Knoten visualisierbar. Diese verdeutlichen die Intensität der Beziehung sowie weitere Angaben, die über die Richtung der Kommunikation hinausgehen. Derjeweiligen Kante wird dann ein numerischer Wert zugeordnet, der als Kantengewicht bezeichnet wird und die Intensität beschreibt (vgl. Haas & Malang 2010, S. 94). Neben Kanten und Knoten stellen somit die Kantengewichte ein weiteres zentrales Element eines Netzwerks dar (vgl. Klaus 2011, S. 66).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3 visualisiert ein gerichtetes und gewichtetes Netzwerk mit fünf Knoten und fünfKanten. Dabei ist bspw. der Akteur q4 mit einer Intensität von fünf mit Akteur qs verbunden, wobei die Intensität zu Akteur q3 nur zwei beträgt. Ein höherer Wert deutet auf eine intensivere Beziehung hin. Da die Kommunikation gerichtet ist, bedeutet dies, dass zwar eine Beziehung von q4 zu qs besteht, aber nicht von qs zu q4.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Gerichtetes und gewichtetes Netzwerk Mitfünf Kanten und Knoten (Quelle: Eigene Darstellung).

Aus theoretischer Perspektive ist ein Netzwerk zusammenfassend als abgrenzende Menge von Knoten und der Menge zwischen ihnen verlaufenden Kanten definiert, welche durch eine Intensitätszahl darstellbar ist (vgl. Jansen 2003, S. 58). Da diese Strukturen besonders in großen Netzwerken mit vielen Knoten unübersichtlich werden, bietet es sich an die Struktur zu visualisieren.[5]

Neben dem theoretischen Aufbau eines Netzwerkes bietet die Netzwerkanalyse Möglichkeiten der Analyse von Beziehungen und Strukturen. Dies zu analysieren ist dabei von besonderer Bedeutung und stellt das Primärziel der Netzwerkanalyse dar. Freeman (2004, S. 3) versteht die Analyse sozialer

Netzwerke als eine Analyse der sozialen Beziehungen zwischen Akteuren als Bestandteil gesellschaftlicher Ordnung. Die Kanten stellen dabei neben den Knoten ein Informationsset dar, das der Analyse von Netzwerkgraphen zu Grunde liegt (vgl. Haas & Malang 2010, S. 92).

Für die Entstehung von Trends ist die Ermittlung der Netzwerkstellungen eines Akteures von Bedeutung, da diese eine besondere und wichtige Stellung im Netzwerk innehaben (Siehe Kapitel 3.3. ). Als Kennzahl für die Relevanz von wichtigen Akteuren eines Netzwerks werden „Zentralität“ und „Prestige“ ausgewiesen. Beide Maße beschreiben die Rolle der Knoten innerhalb eines sozialen Netzwerks (vgl. Wasserman & Faust 2009, S. 172). Das Konzept der Zentralität unterliegt der Annahme, dass die Akteure „wichtig“ sind, die an vielen Beziehungen innerhalb eines Netzwerks beteiligt sind (vgl. Jansen 2003, S. 127). Prestige besitzen die Knoten, die für andere Knoten von besonderer Bedeutung sind. In Folge dessen besitzen Personen, denen viel Respekt entgegengebracht wird und die eine bedeutende Rolle bei der Entscheidungsfindung spielen, „Prestige“. Dabei ist es durchaus möglich, dass ein großer Unterschied zwischen „Prestige“ und „Zentralität“ herrscht. Auf Twitter ist dies ersichtlich, da Akteure eines Netzwerks bspw. viele Follower haben, die eigenen verbreiteten Informationen aber wenig oder gar nicht wahrgenommen werden. In diesem Beispiel ist die Zentralität deutlich ausgeprägter als die Prestigekennzahl. Prestigemaßzahlen sind als Kennzahlen zu bezeichnen, die aufzeigen, dass ein Akteur seinen Einfluss im Netzwerk mobilisieren kann, wogegen Zentralitätsmaße die Informationseigenschaften der Netzwerkposition an ausgehenden Beziehungen messen (vgl. Jansen & Diaz-Bone 2014, S. 84f).

Zur Identifikation von wichtigen Akteuren bzw. Meinungsführem oder Influencem sowie zur Bestimmung ihres Einflusses sind Kennzahlen geeignet, die Zentralität messen (vgl. Kaiser 2012, S. 48). In der Netzwerkforschung hat sich allerdings noch keine allgemeingültige Definition von Zentralität und deren Berechnung durchgesetzt (vgl. Borgatti & Everett 2006, S. 466). Aus diesem Grunde ist es im Folgenden nötig, die unterschiedlichen Konzepte zu erläutern.

Wenngleich keine übergeordnete Zentralitätsberechnung wissenschaftlich akzeptiert ist, gibt es einen Konsens von drei unterschiedlichen Ausprägungen. In der Wissenschaft haben sich folgende Berechnungen etabliert: die „.Degree Zentralität“, die „Closeness Zentralität“ und die „Betweenness Zentralität“ (vgl. Wasserman & Faust 2009, S. 167ff). Bei der Degree Zentralität wird der Zentralitätsindex dadurch ermittelt, dass die Beziehungen eines Akteurs zu anderen Akteuren quantifiziert werden (vgl. Jansen 2006, S. 132). Der maximale Wert ist als n-1 festgelegt, wenn davon ausgegangen wird, dass n die Gesamtanzahl der Akteure im Netzwerk darstellt. Um unterschiedliche Netzwerkgrößen zu neutralisieren wird dieser Wert abschließend zu dem maximal möglichen Wert ins Verhältnis gesetzt, sodass sich ein Wertebereich zwischen 0 (minimaler Einfluss) und 1 (maximaler Einfluss) ergibt (vgl. Kaiser 2012, S. 48).

Die Closeness Zentralität erfasst, im Gegensatz zur Degree Zentralität, auch die indirekten Beziehungen eines Akteurs. Was zu Folge hat, dass auch Verbindungen zu allen anderen Akteuren einberechnet werden, zu denen keine direkte Verbindung besteht (vgl. Mutschke 2010, S. 367). Exemplarisch dafür lässt sich an dieser Stelle eine hierarchische Untemehmensstruktur nennen: Für den Chef eines großen Unternehmens ist es kaum möglich, zu all seinen Mitarbeitern intensive Beziehungen aufzubauen. Wenngleich aber all seine Mitarbeiter Abteilungsleitern unterstellt sind und diese Abteilungsleiter an den Firmenchef berichten, ist er indirekt mit allen seinen Mitarbeitern verbunden. Dieses Maß fokussiert somit auf die Bedeutung der Verbindung zu weiteren wichtigen Netzwerkteilnehmem. Mathematisch wird die Closeness Zentralität berechnet, in dem die Distanz zu den Akteuren durch die Pfaddistanzen operationalisiert wird. Der Zentralitätsindex setzt sich aus der Summe der Pfaddistanzen zu allen anderen, außer ihm selbst, zusammen. Von dieser Summe wird dann der Kehrwert genommen. Um erneut einen Wertebereich von 0 bis 1 sicherzustellen, wird in einem letzten Schritt der Wert noch durch l/(n-l) dividiert (vgl. Jansen 2006, S. 134).

Die Betweenness Zentralität misst das Ausmaß, in dem ein Knoten auf kürzesten Pfad zwischen anderen Knoten im Netzwerk positioniert ist (vgl. Mutschke 2010, S. 370). Im Gegensatz zu der Degree- und Closeness Zentralität werden bei der Betweenness Zentralität jeweils drei Akteure betrachtet. Für jedes Akteurspärchen wird die kürzeste Verbindungsstrecke identifiziert, um darauf aufbauend festzustellen, ob der betrachtete dritte Akteur ein „Mittler“ auf der Verbindungsstrecke für das Akteurspärchen ist. Es wird angenommen, dass ein Akteur zentraler ist, je öfter diese Mittler­Rolle eingenommen wird (vgl. Jansen 2003, S. 134). Die Betweenness Zentralität misst entsprechend die Abhängigkeit anderer Akteure von einem untersuchten Akteur (vgl. Carrington et al. 2005, S. 62f). Dabei basiert die Berechnung auf den Wahrscheinlichkeiten, dass eine Kommunikation von Akteur A und В über Akteur C laufen wird (vgl. Jansen 2003, S. 135f). Der Wert der Betweenness-Zentralität ergibt sich aus der Summe aller Paarabhängigkeiten und gilt als Gradmesser für das Potential an Kontaktmöglichkeiten im Netzwerk (vgl. Mutschke 2010, S. 371).

Neben den Zentralitätsmaßen stellen die Prestigemaße ein weiteres Indiz für eine zentrale Stellung eines Akteurs dar. Prestigemaße sind im Gegensatz zu den Zentralitätsmaßen nur auf Knoten anzuwenden, auf die eine gerichtete Kante hinweist (vgl. Wasserman & Faust 2009, S. 174ff). Akteure in sozialen Netzwerken mit hoher Prestige gehören sowohl zu denen, die von Neuigkeiten und Innovationen als erstes erfahren sowie zu denen, die den Verbreitungsprozess aktiv beeinflussen (vgl. Jansen 2003, S. 128). Bei den Prestigemaßen haben sich die ,,Degree Prestige“, die „Proximity- Prestige“ sowie die ,,Rank-Prestige“ durchgesetzt (vgl. Wasserman & Faust 2009, S. 174). Analog zur Degree Zentralität misst die Degree Prestige, die direkt auf einen Knoten gerichteten Beziehungen. Ein Akteur ist entsprechend dieser Definition dann mit hohem Prestige versehen, wenn viele weitere Netzwerkakteure dessen Meinung adaptieren und den Einfluss als hoch bewerten. Die Proximity- Prestige betrachtet analog zur Closeness-Zentralität die indirekten Verbindungen. Dabei wird allerdings nur die inverse Distanz des Knoten A zu Knoten В betrachtet und anstatt der Summe, die durchschnittliche Länge der Pfade berechnet (vgl. Mutschke 2010, S. 372í). Bei dem Rank-Prestige wird neben der indirekten und direkten Wahl des Knotens durch einen anderen Knoten auch dessen „Rang“, was als Ausmaß der eigenen Wahl von „prestigeträchtigen“ Akteuren bezeichnet wird, mit einbezogen und berechnet (vgl. Mutschke 2010, S. 372).

Für eine genaue Analyse zur Identifizierung von Meinungsfuhrem sind sowohl Zentralität als auch Prestige von Relevanz. Dabei sind beide Werte immer in Relation zu sehen, da ein hohes Prestige nicht zwangsläufig wichtig sein muss. Bspw. wird ein Wissenschaftler, der renommierte Forscher zitiert, möglicherweise auch oft zitiert werden, obwohl er selbst keine nennenswerten Forschungsergebnisse hervorbringen kann.

2.2. Trendentstehung und -Verbreitung

Der grundlegende Aufbau eines sozialen Netzwerkes bildet die Ausgangslage, um verstehen zu können, wie sich Trends auf Twitter entwickeln und die Verbreitung gefördert wird. Im folgenden Schritt ist es entsprechend erforderlich aufzuzeigen, wie Trends entstehen und die Verbreitung innerhalb eines Netzwerks begünstigt wird.

Eine fundierte Theorie, wie Trends entstehen, ist in der Wissenschaft bis dato nicht existent, da es sich um keine klar umrissene Wissenschaft handelt, sondern sich der Bereich aus einem Tätigkeitsfeld unterschiedlichster Forschungsfelder zusammensetzt (Kuhn et al. 2014, S. 514). Einen Konsens, wie Trends entstehen, besteht allerdings in der Hinsicht, dass die Mitglieder einer Gesellschaft bzw. eines Netzwerks erste Trendanzeichen (bzw. schwache Signale) erkennen und weiterverbreiten, sodass weitere Teile des Netzwerks diese Information erhalten und adaptieren (vgl. Jansen 2003, S. 128). An dieser Stelle ist das Konzept der „schwachen Signale“ zu erläutern. Ansoff (1975) beschreibt in seiner Arbeit, dass Veränderungen, die für Unternehmen relevant sind, durch die Wahrnehmung von schwachen Signalen - vage Informationen über eventuell eintretende Situationen und Chancen - zu erkennen sind. Durch ein frühzeitiges Erkennen und Deuten ist es Unternehmen möglich, rechtzeitig auf Veränderungen zu reagieren. Diese ersten schwachen Signale sind ganz unterschiedlicher Ausprägung und werden durch Kommunikation untereinander verstärkt. Hauptaufgabe und Herausforderung der Trendmonitorings ist es, die Anzeichen bzw. schwachen Signale zu extrahieren und auszuwerten (vgl. Horx et al. 2009, S. 65). Dabei ist die Identifizierung oft schwer möglich, weil nicht prognostiziert werden kann, was Akteure für wichtig erachten und dementsprechend weiterverbreiten. Entsprechend besteht auch die Schwierigkeit bereits in einem sehr frühen Stadium bzw. vor der Verbreitung und Adaption einer Vielzahl von Netzwerkakteuren zu erkennen, was tatsächlich ein schwaches Signal ist.

Dazu wird an dieser Stelle erläutert, mit welchen Beweggründen Akteure innerhalb eines Netzwerks Inhalte zur Verfügung stellen oder verbreiten und erste Trendanzeichen entstehen. In diesem Zusammenhang zu erwähnen, ist der in der Sozialwissenschaft verwendet Begriff des „sozialen Kapital“. Mit sozialen Kapital wird der Zusammenhang zwischen den Strukturen und dem Handeln der einzelnen Akteure im Netzwerk erfasst (vgl. Coleman, 1988, S. 95). Dabei ermöglicht soziales Kapital einem Akteur, der ansonsten isoliert von einem anderen Netzwerkpartner wäre, Profit zu erzielen, welcher sonst nicht möglich wäre (vgl. Jansen & Diaz-Bone 2014, S. 73). Ein populäres Konzept des sozialen Kapitals, welches die sozialen Netzwerke in das Zentrum stellt, entwickelte Lin (2001). Soziales Kapital wird dabei als Ressourcen bezeichnet, welche über soziale Beziehungen mobilisiert werden können. Um diese Ressourcen erlangen zu können, muss in soziale Beziehungen „investiert“ werden. Hintergrund ist die soziale Dynamik von „Kennen“ und „Anerkennen“, wobei aus dem „Kennen“ von Personen ein Informationsvorsprung entstehen kann, der zu Anerkennung oder Aufmerksamkeit führt. Akteure nehmen entsprechend dieser Definition aktiv an sozialen Netzwerken teil, um zum einen Informationen frühzeitig zu erhalten oder um durch eigene Verbreitung von Informationen und Inhalten in einer gewissen Form von Anerkennung zu profitieren. Der Treiber für das Engagement der Nutzer ist dabei oft die intrinsische Motivation: Durch die Aufnahme von Followem wird ein bestimmter Twitter-User bekannter, da sich sein Netzwerk mit dem Netzwerk seiner Follower potenziert. Dies steigert wiederum die Aufmerksamkeit der anderen Nutzer und erhöht das Aufmerksamkeitskapital des Nutzers (vgl. Fischer 2010, S. 145f). Es kann davon ausgegangen werden, dass Meinungsführer und Influencer den Anspruch besitzen frühzeitig Informationen zu erhalten und weiter zu verbreiten um den „Status“ der Anerkennung nicht zu verlieren. Dadurch wird wiederum ersichtlich, dass wichtige Netzwerkteilnehmer als Multiplikatoren einen entscheiden Einfluss bei Verbreitung von Trends einnehmen, die es entsprechend zu identifizieren gilt (Siehe Kapitel 3.3).

Anders als die Entstehung von Trends kann die Verbreitung dieser innerhalb eines sozialen Netzwerks theoretisch ergründet werden. Rogers (2003) definiert eine Neuigkeit dann als Innovation, wenn diese einem systematischen Verbreitungsprozedere innerhalb eines Netzwerks zugrunde liegt. Als Innovationen gelten dabei nicht nur Innovationen im klassischen Sinne - bspw. neue Produkte und Services - sondern auch alle Ideen, Prozesse und Objekte, die für eine definierte Gruppe als neu wahrgenommen werden (vgl. Sen 2013, S. 98). Für den weiteren Verlauf dieser Arbeitwird ein Trend somit auch als Innovation angesehen.

Zur Erklärung der Verbreitung von Innovationen wird die Diffusionstheorie angewendet (vgl. Chang 2010, S. 1). Dieses von Roger (1962) entwickelte Konzept erläutert, wie eine Diffusion - die eigentliche Information - sich innerhalb eines sozialen Systems von der Einführung und Verbreitung bis hin zur Adaption von Meinungsführem und Märkten entwickelt. Obwohl das Konzept vor der Entstehung des Social Web entwickelt wurde, kann dies durchaus auch auf Twitter übertragen werden, da sich auch in diesem Netzwerk die Mitglieder über Neuigkeiten oder Interessen austauschen (vgl. Sen2013,S. 98).

Grundlage der Diffusionstheorie ist ein Diffusionsprozess. Neben diesem eigentlichen Prozess der Verbreitung der Information, ist auch die Kommunikation der Individuen zu anderen Akteuren in sozialen Systemen untereinander inkludiert, da die Kommunikation die Verbreitung einer Diffusion verstärkt (vgl. Rogers 1962, S. 12f). Zusammenfassend wird Diffusion als ein Prozess definiert, bei dem eine Innovation durch bestimmte Kanäle von ihren Mitgliedern über eine bestimmte Zeit und in einem sozialen System kommuniziert wird, wobei die Teilnehmer diese Informationen kreieren und miteinander teilen (Sen, 2013, p. 98).

Für die Analyse der Diffusionsverbreitung ist es nötig, das Gesamtnetzwerk sowie dessen Struktur zu bestimmen. Wie bereits erörtert, ist die Schnelligkeit der Verbreitung relevanter Informationen ein wichtiger Faktor bei der Identifizierung von Trends (siehe Kapitel 1). Wie schnell sich eine Information innerhalb eines Netzwerks verbreitet, hängt von der Verbundenheit des Netzwerks bzw.

[...]


[1] Für detaillierter Information zur Ausprägung und Kategorisierung von Trends: u.a. Fink & Siebe (2011), Horx & Wippermann (1996), Horx et al. (2009).

[2] Dies ist Ziel von Corporate Foresight Prozessen. Ein detailliertes Konzept bieten u.a. Müller & Müller-Stewens (2009).

[3] In der Literatur werden die Knoten oft auch direkt als Akteur bezeichnet. Aufgrund der besseren Lesbarkeit, werden im weiteren Verlauf dieses Kapitels die Begriffe: „Knoten“ und „Akteur“ als Synonym verwendet.

[4] Die Begriffe: „Beziehungen“ und „Kanten“ werden aufgrund der Lesbarkeit im weiteren Verlauf dieses Kapitels als Synonyme verwendet. Gemeint sind immer die Beziehungen zwischen den einzelnen Knoten/ Akteuren.

[5] Weitere Informationen zur Visualisierung sozialer Netzwerke finden sich u.a. bei Strauss (2010) und Krempel (2010).

Ende der Leseprobe aus 84 Seiten

Details

Titel
Anforderung und Vorgehen beim Einsatz von Twitter zum Trendmonitoring
Hochschule
Universität Kassel  (Institut für Betriebswirtschaftslehre)
Note
1,5
Autor
Jahr
2016
Seiten
84
Katalognummer
V346935
ISBN (eBook)
9783668375895
ISBN (Buch)
9783668375901
Dateigröße
1441 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
anforderung, vorgehen, einsatz, twitter, trendmonitoring
Arbeit zitieren
Steffen Nolte (Autor:in), 2016, Anforderung und Vorgehen beim Einsatz von Twitter zum Trendmonitoring, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/346935

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