Lewis Carrolls Fotografien vor dem Hintergrund viktorianischer Weltanschauung


Essay, 2013

22 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung:

2. Lewis Carroll, Fotograf:
2.1. Porträts:
2.2. Szenische Fotografie:

3. Das viktorianische Bild von Kindheit:

4. Fazit:

Literatur:

Abbildungen:

1. Einleitung:

Charles Lutwidge Dodgson ist heute hauptsächlich als Kinderbuchautor Lewis Carroll, Erfinder von Alice im Wunderland, bekannt. Weniger bekannt ist hingegen, dass er ebenfalls Mathematiker in Oxford, Diakon und begeisterter Fotograf war. Diese Arbeit soll zeigen in wie fern Dodgsons Fotografien, besonders seine Porträts kleiner Mädchen, als ein Abbild seiner Zeit und des viktorianischen Weltbildes gesehen werden können. Es sollen mehrere Bilder betrachtet und vor dem Hintergrund sozialer und gesellschaftlicher Intentionen bewertet werden, während die Frage nach Dodgsons künstlerischen Wertes stets beachtet werden musst.

Am 27. Januar 1832 als drittes von elf Kindern und erster Sohn geboren, wuchs Charles L. Dodgson unter dem Einfluss eines starken Vaters auf, der selbst an der Universität in Oxford Mathematik unterrichtete, bevor er eine ländliche Gemeinde übernahm[1].

Schon früh zeigte sich Dodgsons Gabe fantastische Geschichten zu erzählen, was er vorwiegend für seine sieben Schwestern tat. Allerdings hielten seine Eltern nicht viel von dieser Gabe, weswegen er in die Fußstapfen seines Vaters trat und die Laufbahn eines Geistlichen einschlug. Wie sein Vater wurde er Lehrer für Mathematik in Oxford, wo er den Großteil seines Lebens verbringen sollte[2]. Dodgson starb am 14. Januar 1898 an einer Lungenentzündung.

Den Tod seines Vaters hatte er selbst als das einschneidendste Erlebnis seines Lebens bezeichnet[3].

Das erste seiner rund 2.700 bis 3.000 Fotografien machte Dodgson 1856 im Alter von 24, das Letzte 1880. Die Hälfte dieser Bilder sind Porträtfotos von Kindern. Er machte aber auch künstlerische Fotografien von Stillleben, Landschaften oder Skulpturen, wissenschaftliche Aufnahmen von Skeletten und anderen anatomischen Studien, sowie Selbstporträts und Familienfotos[4]. Leider ist nur gut ein Drittel seiner Fotografien und Negative bis heute erhalten geblieben, der Großteil dessen befindet sich in amerikanischen Sammlungen, 407 davon in der Universitätsbibliothek in Princeton[5].

Die Bilder, die Dodgson am wichtigsten erschienen stellte er in Präsentationsmappen ähnlichen Alben aus[6], obwohl nach Dodgsons Tod 1898, 34 solcher Alben gezählt wurden[7], konnten bis heute nur zwölf vollständig erhalten werden. Dodgson nutzte seine Fotografien ganz bewusst, um sich sozial zu etablieren und um sich Zutritt zu ausgewählten Kreisen seiner Gesellschaft verschaffen zu können[8].

Die Fotografie traf in vielerlei Hinsicht alle Voraussetzungen, die Dodgson an ein Hobby stellen konnte. Es war nicht bloß ein Mittel kreativen Ausdruckes, sondern gleichzeitig eine eigene komplexe Wissenschaft, deren Ausführung Perfektion in jeder Hinsicht erforderte. Die dabei benötigte Disziplin und Ordnung kam Dodgsons Sinn für Selbstkontrolle entgegen. Zudem war die Fotografie das populärste Hobby für einen Mann von Dodgsons Stand und Bildung, es ermöglichte ihm Zugang zu Individuen und Kreisen, der ihm andernfalls verwehrt geblieben wäre. Berücksichtigt man all diese Komponenten ist es nicht verwunderlich, das die Fotografie zu einem wichtigen Teil von Dodgsons Leben wurde[9].

Die sechs Jahre, zwischen 1857 und 1862 können, nach Bunnell, wohl zurecht als seine Schaffens reichste Zeit bezeichnet werden. Zu dieser Zeit hatte Dodgson seinen eigenen Stil gefunden und sich, nach der ausgiebigen Erkundung anderen Sujets, dem Kinderporträt verschrieben[10]. Kinderfotografie war in den frühen Zeiten der Fotografie kein einfaches Feld. Die langen Belichtungszeiten und die natürliche Ungeduld von Kindern machten es zu einem nervenaufreibenden Unterfangen. Jedoch ermöglichte es Dodgson seine besondere Gabe, Kinder zu bezaubern und zu erstaunen, seine Modelle zum Stillsitzen zu überreden[11]. Er schaffte es, dank seines tiefen und ehrlichen Verständnisses für die Gedanken und Empfindungen seiner jungen Modelle eine entspannte und geradezu magische Atmosphäre zu schaffen, in welcher die Fotografie zu einem Teil des Spieles wurde, statt die Situation zu dominieren[12].

Dabei gewährt der offensive, häufig dem Betrachter zugewandte, Blick einen kleinen Einblick in das Innere der Kinder[13]. Bunnell betont in seinem Aufsatz, dass es Dodgsons Intention war, mit Hilfe seiner Bilder deutlich zu machen, wie wir selbst uns anderen gegenüber darstellen. Er nutzte seine Kamera, um unter die Fassade aus Konventionen und Höflichkeiten zu blicken, die die viktorianische Gesellschaft beherrschten[14]. Seine Geschichten, Rätsel und Zaubertricks brachten ihm das Vertrauen und die Freundschaft seiner jungen Modelle ein, wodurch es ihm, nach Taylor, möglich wurde einige der liebenswertesten und einfühlsamsten Kinderporträts des 19. Jahrhunderts zu machen[15].

2. Lewis Carroll, Fotograf:

Dodgsons unterteilte seine Alben in drei Kategorien: erstens um seine Werke Gästen und potentiellen Modellen zeigen zu können. Alben der zweiten Kategorie enthielten Familienfotos und Bilder enger Freunde. Während er weitere Alben vorbereitete, um diese an Freunde verschenken und so seine Kunst verbreiten zu können[16].

Im Folgenden sollen die Fotografien von Dodgson genauer betrachtet werden. Hierzu wurde dieses Kapitel in zwei Abschnitte unterteilt, welche u.a. die Vielfalt seiner fotografischen Arbeit verdeutlichen sollen.

2.1. Porträts:

Der Schlaf war für Menschen des 19. Jahrhunderts ein Zustand von Anmut, er brachte den Schlafenden näher zu Gott. In einer Zeit, in der Krankheit und Seuchen ganze Generationen auslöschen konnten, war es oft schwer Schlaf von Tod zu unterscheiden. Beide waren Teil ein und des Selben Zustandes, der eine in dieser Welt, der andere im Himmel[17].

Besonders schlafende Kinder galten als bewundernswert, ihre stillen Gesichtszüge verkörperten, was man sich in viktorianischer Zeit unter engelsgleiche Unschuld vorstellte (Abb. 3.)[18].

Das Motiv des schlafenden Kindes war unter Fotografen sehr populär, da es so einfacher war Kinder während der langen Belichtungszeiten zum Stillhalten zu bewegen[19].

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2.

Dodgson nutzte aber nicht nur das Motiv des schlafenden Kindes, er platzierte seine Modelle gerne liegend (Abb. 1. und 2.), sodass ihnen das lange Stillsitzen nichts ausmachte. Zudem wird hiermit der Eindruck verstärkt, dass es sich um eine Momentaufnahme handelt. Die Kinder schauen den Betrachter direkt an, so als hätte dieser den Raum gerade erst betreten. Gleichzeitig überkommt den Betrachter das Gefühl einen intimen Moment zu stören oder aber sich in einer engen, freundschaftlichen Beziehung zum Modell zu befinden, da die Körperhaltung dieser sehr ungezwungen und entspannt wirkt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3.

In seinen Porträts kleiner Mädchen versucht Dodgson ein Gefühl von Ungezwungenheit aufkommen zu lassen. Die Bildkomposition soll spontan und ungezwungen wirken, wobei er aber jedes Detail vorbereitet hat. Viele seiner Modelle lehnen gegen Türrahmen, Hauswände oder Baumstämme (Abb. 4. bis 6.), dies dient zum einen dem Komfort des Modells zum anderen dienen die Mauern und Häuser als Kulisse, durch welche Dodgson einen Blick in seine magische Welt gewährt[20]. Bei Gruppenporträts sitzt meistens ein Modell aufrecht und adressiert den Betrachter, während die Anderen in die Ferne starren oder sich gegen die Schulter eines anderen Modells lehnen (Abb. 7. und 8.). Trotz aller Ungezwungenheit wirken diese Fotografien deutlich gestellter, als Dodgsons Einzelporträts. Vielleicht war es ihm möglich mit einem Kind eine stärkere Bindung aufzubauen als mit einer Gruppe, oder aber er war zu stark an die Konventionen seiner Zeit gebunden, das lässt sich aus heutiger Sicht nicht mehr beantworten.

Es bleibt allerdings zu erwähnen, dass Dodgson zu manchen Kindern ein engeres Verhältnis hatte als zu anderen, so wirken die Fotografien der Liddell Schwestern (Kapitel 2.2., vgl. Abb. 16. und 17.) sehr viel ungezwungener als die hier vorgestellten Gruppenporträts.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 5.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 6.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 7.

[...]


[1] Patricia Meyer Sparcks: Hidden Meanings. The Letters of Lewis Carroll, in: The Hudson Review, Vol. 33, No. 2 (Summer 1980), S. 271.

[2] Ebd.

[3] Ebd., S. 272.

[4] Taylor, Roger: “All in the golden afternoon”. The photographs of Charles Lutwidge Dodgson, in: Taylor, Roger. Wakeling, Edward: Lewis Carroll. Photographer. The Princeton University Library Albums, New Jersey, 2002, S. 11.

[5] Ebd.

[6] Ebd., S. 16.

[7] Bunnell, Peter C., in: Taylor, Roger. Wakeling, Edward: Lewis Carroll. Photographer. The Princeton University Library Albums, New Jersey, 2002, S. 10.

[8] Taylor, Roger: “All in the golden afternoon”, S. 16.

[9] Taylor, Roger: “All in the golden afternoon”, S. 11.

[10] Bunnell, Peter C., S. 10.

[11] http://www.metmuseum.org/search-results?ft=%22lewis+carroll%22&rpp=10&pg=1 eingesehen am 29.01.2013, um 15:01.

[12] Taylor, Roger: “All in the golden afternoon”, S. 1.

[13] http://www.metmuseum.org/search-results?ft=%22lewis+carroll%22&rpp=10&pg=1 eingesehen am 29.01.2013, um 15:01.

[14] Bunnell, Peter C., S. 10.

[15] Taylor, Roger: “All in the golden afternoon”, S. 1.

[16] Bunnell, Peter C., S. 8.

[17] Taylor, Roger: “All in the golden afternoon”, S. 84.

[18] Taylor, Roger: “All in the golden afternoon”, S. 84.

[19] Ebd.

[20] Taylor, Roger: “All in the golden afternoon”, S. 84.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Lewis Carrolls Fotografien vor dem Hintergrund viktorianischer Weltanschauung
Hochschule
Universität Siegen  (Kunstgeschichte)
Veranstaltung
Fotografie. Geschichte ihrer ideologischen Funktionen
Note
1,0
Autor
Jahr
2013
Seiten
22
Katalognummer
V347055
ISBN (eBook)
9783668365148
ISBN (Buch)
9783668365155
Dateigröße
2006 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
lewis, carrolls, fotografien, hintergrund, weltanschauung
Arbeit zitieren
BA of Arts Annalena Schäfer (Autor:in), 2013, Lewis Carrolls Fotografien vor dem Hintergrund viktorianischer Weltanschauung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/347055

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