Der Brief an die Aktionäre. Ein Instrument der Vertrauensgenese bei der Financial Community


Bachelorarbeit, 2015

44 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Forschungsinteresse und Forschungsziel
1.2 Vorgehensweise

2 Investor Relations
2.1 Aufgaben und Ziele
2.2 Zielgruppen
2.3 Instrumente
2.3.1 Der Geschäftsbericht

3 Bedeutung der Unternehmensspitze
3.1 Mediale Personalisierung
3.2 Strategische Personifizierung und Positionierung
3.3 CEO-Kommunikation
3.3.1 Kommunikation mit der Financial Community

4 Zwischenfazit

5 Der Brief an die Aktionäre
5.1 Eröffnungsfunktion
5.2 Repräsentationsfunktion
5.3 Aspekte der kommunikativen Kompetenz
5.4 Herausforderungen

6 Der Begriff des Vertrauens
6.1 Ökonomie des Vertrauens
6.2 Vertrauen und Kommunikation
6.3 Glaubwürdigkeit der Unternehmensspitze
6.4 Textuelle Vertrauensgenese

7 Strategische Handlungsempfehlung

8 Fazit und Ausblick

1 Einleitung

,,Vertrauen ist der Anfang von allem“ lautete ein Slogan der Deutschen Bank (Kummert, 2013, S. 39), bevor Vorstandschef Josef Ackermann dieses verspielte. Besonders öffentlichkeitswirksam waren zwei seiner Fehltritte. Die Victory-Geste zum Prozessauftakt über Schmiergeldzahlungen in der Mannesmann-Affäre - das Foto, auf dem Ackermann süffisant lächelnd die Finger spreizt, ist im Gedächtnis vieler geblieben (Szyzka, 2010, S. 91). Und als er kurz darauf bei einer Bilanzpressekonferenz neben Rekordgewinnen den Abbau von 6.400 Stellen verkündete (Viertmann, 2015, S. 128). Die Tatsache, dass sein Siegeszeichen komplett aus dem Zusammenhang gerissen wurde und die Entlassungen schlichtweg zum falschen Zeitpunkt bekanntgegeben wurden, hat die empörte Öffentlichkeit jedoch nicht interessiert. Josef Ackermann wurde zum Sinnbild für Äskrupellosen Kapitalismus“ (Szyzka, 2010, S. 91) und für ÄMassenentlassungen trotz Milliardengewinnen“ (Deekeling & Arndt, 2006, S. 54). Die Deutsche Bank erlitt sogar einen Aktienverfall (Freda, 2014, S. 38) - vom Imageverlust ganz zu schweigen.

Dieses Beispiel zeigt, wie kommunikative Ungeschicklichkeiten einer einzelnen Person sich auf einen ganzen Weltkonzern auswirken können. Der Grund dafür liegt auf der Hand. Ein CEO ist nicht irgendjemand, der im Hintergrund die Fäden zieht. Er steht unter ständiger Beobachtung der Medien, die bekanntlich von Skandalen und Sensationen leben. Darüber hinaus soll seine Unternehmenspolitik auf eine breite Zustimmung der Stakeholder stoßen, die wiederum anspruchsvoller geworden sind. Und nicht zuletzt muss er dafür Sorge tragen, dass sein Unternehmen wirtschaftet. Das tut es nur dank seiner Kapitalgeber. Schließlich ist jede Wirtschaftsorganisation, ob groß oder klein, auf Kapital angewiesen. Vor allem hinter großen Aktiengesellschaften steht eine ganze Financial Community. Dieser Begriff umfasst die Gesamtheit privater und institutioneller Investoren sowie Multiplikatoren (Kirchhoff & Piwinger, 2007, S. 729). Dabei schlagen Investor Relations, synonym als Finanzkommunikation bezeichnet, eine Brücke zwischen diesen Zielgruppen und dem Unternehmen. Wie das eingangs gewählte Beispiel zeigt, spielt auch dessen oberster Repräsentant keine unwesentliche Rolle in diesem Beziehungsgeflecht. Unter anderem verfasst er jährlich einen Brief an die Aktionäre, in dem er auf das vergangene Geschäftsjahr zurückblickt und Zukunftsprognosen aufstellt. 2006 schrieb Josef Ackermann in seinem Aktionärsbrief: ÄDas Vertrauen in die internationalen Finanzmärkte ist eindeutig zurückgekehrt“ (o. S.). Im darauffolgenden Jahr brach die größte Finanz- und Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit aus. Sie zeigte, wie unverantwortliche Geldgeschäfte das Vertrauen in Unternehmen und deren Lenker vernichtet haben. Insbesondere die Glaubwürdigkeit von Banken wurde ruiniert. Jedoch soll an dieser Stelle weder die Deutsche Bank, welche im Übrigen ziemlich glimpflich davonkam, noch ihr damaliger Vorstandsvorsitzender kritisiert werden. Vielmehr soll dieses Zitat aufzeigen, in welch unberechenbaren Zeiten wir leben und wie flüchtig Vertrauen sein kann. In Aktionärsbriefen großer Kapitalgesellschaften wird Jahr für Jahr um Vertrauen geworben und rückblickend dafür gedankt. Allerdings reicht das bloße Erwähnen dieses abstrakten Begriffes nicht aus. Ob ein Text bei seinem Leser Vertrauen erweckt, hängt von vielen Faktoren ab - nicht zuletzt von seinem Verfasser.

1.1 Forschungsinteresse und Forschungsziel

Das Forschungsinteresse der vorliegenden Bachelorarbeit besteht darin, verschiedene Kriterien zusammenzutragen, welche Kommunikator und Kommunikationsinstrument aufweisen sollten, um beim Rezipienten Vertrauen zu evozieren. Basierend auf diesen Erkenntnissen soll eine strategische Handlungsempfehlung für die Finanzkommunikation börsennotierter Unternehmen formuliert werden. Diese soll aufzeigen, wie der Brief an die Aktionäre zur Vertrauensgenese bei Mitgliedern der Financial Community beitragen kann. Die kommunikationswissenschaftliche Themenrelevanz resultiert dabei aus folgenden Sachverhalten:

Die Bedeutung der CEO-Kommunikation hat in den letzten Jahren zugenommen, was auf den Trend zur Personalisierung zurückzuführen ist (Freda, 2014). Dass Unternehmen ihre Führungsspitze aktiv personifizieren, lässt sich auch am Eingangsbeispiel verdeutlichen. Die Deutsche Bank präsentierte Josef Ackermann, mit Foto und Statement, auf der Startseite ihrer Online-Präsenz (Bentele & Fähnrich, 2010, S. 67). Jenseits der Negativschlagzeilen zählt der ehemalige Vorstandschef zu den bekanntesten (ebd.) und erfolgreichsten (Vonwil, 2010, S. 160) Managern Deutschlands. Demnach kann eine strategische Positionierung des CEOs zu Erreichung von kommunikationspolitischen Unternehmenszielen beitragen.

Der Brief an die Aktionäre stellt ein gemeinsames Instrument der CEO-Kommunikation und der Investor Relations dar. Er dient als Vorwort in einem Geschäftsbericht, der wichtigsten Publikation eines Unternehmens (Gazdar & Piwinger, 2001). Als deren persönlichstes Kapitel wird er vom ranghöchsten Vertreter verfasst oder zumindest unterzeichnet. In der Kommunikationswissenschaft wird dem Aktionärsbrief eine besondere Bedeutung zugeschrieben (Ebert & Piwinger, 2015, S. 13; Keller, 2006, S. 148; Reinmuth, 2011, S. 37). In erster Linie wird er zum Aufbau und zur Intensivierung von Beziehungen eingesetzt (Piwinger, 2012, S. 9; Täubert, 1998, S. 119). Er könnte somit auch Investitionsentscheidungen beeinflussen. Denn selbst diese werden nicht nur aus rationalen Beweggründen gefällt (Piwinger, 2001b, S. 13). Eine besondere Rolle spielen dabei sogenannte soft facts. Hierzu zählen unter anderem Stimmungen, Vorurteile, Sympathien, Gerüchte sowie Eindrücke (Mast, 2013, S. 279-281). Ob man sein Geld jemandem anvertraut, hängt also von diesen weichen Faktoren ab, die unter Glaub- bzw. Vertrauenswürdigkeit subsummiert werden können.

Grundsätzlich spielt das Thema Vertrauen eine wichtige Rolle in unserem Leben. Dessen Verlust kann dazu führen, dass menschliche Beziehungen und sogar ganze Wirtschaftssysteme zusammenbrechen. Geprägt von der letzten Finanzkrise, müssen sich Investor Relations auf ein kritisches Umfeld einstellen (Mast, 2013, S. 277). Aber auch das Vertrauen in Führungspersönlichkeiten wurde dadurch ruiniert (Mathys, 2010, S. 295). Dabei erweisen sich vertrauensvolle Beziehungen als wichtige Geschäftsgrundlage in der heutigen Finanzkommunikation (Mast, 2013, S. 294-297). Umso größer ist demnach die Notwendigkeit, durch ausgewählte Kommunikationsinstrumente das Vertrauen der Financial Community (wieder)aufzubauen.

Vor diesem Hintergrund sollen durch diese Bachelorarbeit folgende Forschungsfragen beantwortet werden:

Welche Rolle spielt der Vorstandsvorsitzende in den Investor Relations eines börsennotierten Unternehmens?

Wie kann der Aktionärsbrief zur Vertrauensgenese bei der Financial Community beitragen?

1.2 Vorgehensweise

Die Grundlage zur Beantwortung beider Forschungsfragen bildet eine Literaturstudie. Dabei werden die aktuellen Forschungsstände zu Investor Relations, CEO- Kommunikation, Aktionärsbriefen und dem Verständnis von Vertrauen zusammengeführt. Diese Interdisziplinarität ermöglicht letztlich eine hohe Objektivität der strategischen Handlungsempfehlung.

Zu Beginn erfolgt eine grundlegende Präzisierung der Finanzkommunikation mit dem Fokus auf den Geschäftsbericht, welcher als Rahmen für den Aktionärsbrief fungiert. Das nächste Kapitel geht detailliert auf die Bedeutung der Führungsspitze in der Unternehmenskommunikation ein und verknüpft im letzten Abschnitt CEO-Kommunikation mit Investor Relations. Daraufhin wird ein Zwischenfazit gezogen, in welchem die erste Forschungsfrage beantwortet wird. Anschließend folgt eine ausführliche Darstellung des Briefes an die Aktionäre unter Einbezug wichtiger Anforderungen an den Kommunikator. Das darauffolgende Kapitel komplettiert die Untersuchung, indem es auf Vertrauen sowie dessen Teilphänomene eingeht und vertrauensbildende Textattribute identifiziert. Die gewonnen Erkenntnisse werden abschließend in der strategischen Handlungsempfehlung gebündelt. Größtenteils dient diese der Beantwortung der zweiten Forschungsfrage. Darin wird aufgezeigt, wie börsennotierte Unternehmen den Aktionärsbrief mit Blick auf seine vertrauensbildende Funktion verstehen und gestalten können. Zu guter Letzt rundet ein Fazit die vorliegende Arbeit ab.

2 Investor Relations

Heutzutage sind Investor Relations aus der Kommunikationspalette börsennotierter Gesellschaften nicht mehr wegzudenken. Sie verbinden ÄKommunikations-Know-how mit Finanzwissen“ (Mast, 2013, S. 278) und werden synonym als Aktienmarketing oder Finanz- bzw. Kapitalmarktkommunikation bezeichnet. Diese Disziplin existiert im Grunde seitdem die Unternehmen auf Kapitalgeber angewiesen sind.

In der Literatur kursieren inzwischen die unterschiedlichsten Begriffsdefinitionen. An ihnen lässt sich die Entwicklung und Manifestation in der Kommunikationswissenschaft chronologisch erkennen. Eine der Ersten veröffentlicht Hartmann in seiner Dissertation ÄDie große Publikumsgesellschaft und ihre Investor Relations“ im Jahr 1968:

Investor Relations sind als Teilbereich der Public Relations einer Aktiengesellschaft die freiwilligen Bemühungen der obersten Geschäftsleitung, durch ein geplantes, langfristiges und kontinuierliches Programm von nach innen gerichteter Politik und nach außen zielenden Handlungen das dauernde Vertrauen der Investor-Öffentlichkeit zu gewinnen und zu vermehren und den Beliebtheits- und Bekanntheitsgrad des Unternehmens zu erhöhen. (Hartmann, 1968, S. 70, zit. n. Janik, 2002, S. 16).

Auch Täubert (1998) klassifiziert die Finanzkommunikation als Teilgebiet der Public Relations, welches sich an aktuelle bzw. potentielle Kapitalgeber sowie Multiplikatoren richtet (S. 7).

Im Laufe der Jahre findet jedoch eine Ausdifferenzierung der Investor Relations statt. Erstmals legt Piwinger (2001b) sie als Äfinanzmarktbezogene[n] Teil der Unternehmenskommunikation“ fest (S. 5). Genauer definiert, ist darunter Ädie strategisch geplante und zielgerichtete Gestaltung der Kommunikationsbeziehung zwischen einem (börsennotierten) Unternehmen und den Mitgliedern der Financial Community“ zu verstehen (Porák, Achleitner, Fieseler & Groth, 2006, S. 259). Ihrer zunehmenden Bedeutsamkeit entsprechend, bezeichnet Kirchhoff (2009) Investor Relations als Äeine strategische Managementaufgabe, die Finanzen, Kommunikation, Marketing und die Beachtung rechtlicher Verpflichtungen integrieren“ (S. 35).

Aus diesen Begriffsbestimmungen lässt sich folgende Definition ableiten, die im Rahmen dieser Arbeit als allgemeingültig angesehen werden soll: Als Teilbereich der Unternehmenskommunikation einer börsennotierten Gesellschaft dienen Investor Relations der Beziehungspflege zu Kapitalmarktteilnehmern. Basierend auf einer zielgerichteten Strategie besteht ihre Aufgabe darin, dauerhaftes Vertrauen zu generieren und das Unternehmensimage zu stärken.

Immer mehr Entscheidungsträger erkennen die strategische Relevanz der Finanzkommunikation. Anfänglich den Public Relations zugeordnet, hat sie heute ihren festen Platz in der Organisationsstruktur großer Unternehmen gefunden. Weil die Professionalisierung der Investor Relations stetig zunimmt, können entsprechende Abteilungen etabliert werden (Kirchhoff & Piwinger, 2007, S. 724). Hierarchisch stehen sie laut Mast (2013) inzwischen über dem Public Relations-Bereich und sind oftmals dem Finanzvorstand unterstellt (S. 281) - in einigen Fällen sogar dem Vorstandsvorsitzenden. Neben hohem Zeitaufwand des Managements (Piwinger & Kirchhoff, 2009, S. 4) fordern Investor Relations die höchsten Sachausgaben (Kirchhoff & Piwinger, 2007, S. 725), um den Kommunikations- und Informationsbedürfnissen der Anleger gerecht zu werden. Jedoch mangelt es diesem neuen Arbeitsfeld aufgrund seiner interdisziplinären Ausrichtung nach wie vor an qualifizierten Fachkräften.

Im Gegensatz zu anderen Handlungsfeldern der Unternehmenskommunikation verfügen Investor Relations über die meisten Berührungspunkte mit Vermögenswerten. Dadurch bewegen sie sich auf einem sensiblen Terrain und Äunterliegen […] einem eng gefassten gesetzlichen und privatwirtschaftlichen Reglement“ (Kirchhoff & Piwinger, 2007, S. 725). Die daraus resultierenden Ansprüche und Auflagen sind sowohl inhaltlicher als auch zeitlicher Natur. Zum Schutz der Anleger wird bereits der Börsengang durch zahlreiche juristische Vorgaben bestimmt (Mast, 2013, S. 292). Die damit verbundenen Informationspflichten fördern die zunehmende Bedeutung der Finanzkommunikation. In der Folgezeit werden die gesetzlichen Vorschriften unter anderem durch Veröffentlichung von Geschäftsberichten sowie andere Pflichtmaßnahmen erfüllt, die an späterer Stelle beleuchtet werden. Die in den Neunziger Jahren entstandene Devise ÄInformation reduces Risk“ (Täubert, 1998, S. 8, Hervorhebung im Original) stellt somit auch heute noch die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Investor Relations-Arbeit dar.

2.1 Aufgaben und Ziele

Eine Aufgabe der Investor Relations, welche auch aus den aufgeführten Definitionen hervorgeht, liegt somit in der Beziehungspflege zu den Mitgliedern der Financial Community. Kirchhoff und Piwinger (2007) zufolge sollen sie den Kapitalgebern eine umfassende Auskunft über die Unternehmensentwicklungen erteilen und Äso Vertrauen in das Management schaffen“ (S. 726). Neben der Informations- und Beziehungsfunktion ,,beraten die Investor Relations das Management bei kapitalmarktrelevanten Entscheidungen“ (Porák et al., 2006, S. 280) und informieren es über die Ereignisse am Kapitalmarkt (Laier, 2011, S. 163). Demzufolge ist es ein recht anspruchsvolles Arbeitsfeld, welches einer strategischen Ausrichtung bedarf.

Wie nahezu jede andere Kommunikationsdisziplin verfügen auch Investor Relations über Maßstäbe, an denen ihre Aktivitäten ausgerichtet werden. Diese Richtgrößen lassen sich beispielsweise hierarchisch in Ober- und Unterziele ordnen. Grundsätzlich ist es hierbei sinnvoll, zwischen kommunikativen und ökonomischen Zielen zu unterscheiden. Schließlich spiegelt sich diese Reziprozität auch in der Funktion von Investor Relations wider. Ihr Oberziel liegt dabei in Äeine[r] nachhaltige[n] Unternehmensbewertung […], die fair das gegenwärtige Geschäft und zukünftige Wachstumsmöglichkeiten reflektiert“ (Dürr, 2000, S. 22). Diese Zielsetzung bezieht sich auf quantitative Informationen. Durch das Nebenziel, und zwar durch Schaffung eines Unternehmensimages, soll der qualitative Aspekt unterstützt werden (Dürr, 2000, S. 35). Kirchhoff (2009) kommt ebenfalls zu dem Schluss, dass Finanzkommunikation in erster Linie den Äfairen Wert des Unternehmens“ aufzeigen soll (S. 36). Die entsprechenden Unterziele werden hingegen deutlicher konkretisiert und in folgende zwei Zielkomplexe unterteilt (Kirchhoff, 2009, S. 38-41):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: eigene Darstellung

Zusammenfassend geht es darum, die Ansprüche der Finanzöffentlichkeit in Einklang mit den Möglichkeiten des Unternehmens zu bringen. Unabhängig davon, wie letztendlich das Zielsystem ausgestaltet wird, kann es Äunter dem Oberziel der Maximierung des Unternehmenswertes subsumiert werden“ (Zöllner, 2007, S. 10). Für Investor Relations resultiert daraus die Aufgabe, diese Wertsteigerung kommunikativ zu unterstützen (Ebert & Piwinger, 2007b, S. 7).

2.2 Zielgruppen

Wie mehrfach erwähnt, richten sich Investor Relations an die Financial Community, die sich aus den verschiedensten Adressaten zusammensetzt. Um die individuellen Informations- und Kommunikationsansprüche der Kapitalmarktteilnehmer zu erfüllen, müssen sie genauer definiert werden. Kirchhoff (2009) gliedert sie in drei große Bereiche - private Anleger, institutionelle Anleger und Multiplikatoren (S. 47-52).

Privatinvestoren stellen für die Aktiengesellschaften eine große Herausforderung dar. Einerseits sind sie die größte und somit mannigfaltigste Zielgruppe; mit undefinierbaren Bedürfnissen einzelner Anleger. Andererseits verfügen sie über ein relativ geringes Anlagekapital pro Person. Demnach entspricht der erforderliche Kommunikationsaufwand nicht dem Anlagepotenzial dieser Gruppe. Allerdings ist es wichtig, die Privatinvestoren nicht zu vernachlässigen. Zum einen weil in Deutschland große Geldsummen vererbt werden und jüngere Generationen gegenüber Aktienanlagen deutlich offener sind. Zum anderen bieten private Anleger dem Aktienkurs eine gewisse Stabilität, da sie in kritischen Situationen erfahrungsgemäß ihre Aktien halten. (Kirchhoff, 2009, S. 48-49) ÄIhre Anlageentscheidungen basieren in der Regel nicht auf komplexen analytischen Modellen, sondern vielmehr auf einer persönlichen Bindung zum Unternehmen, Sympathien und Antipathien oder der generellen Reputation des Unternehmens“ (Porák et al., 2006, S. 268).

Institutionelle Investoren sind professionelle Anlagegesellschaften, wie Investmentfonds, Stiftungen und Versicherungen. An den Finanzmärkten spielen sie eine wichtige Rolle und verfügen aufgrund ihres hohen Kapitaleinsatzes über eine fundierte Informationsbasis. Neben Angaben zum Unternehmensumfeld und seinen Zukunftsaussichten fokussieren sie sich auf dessen strategische Ausrichtung sowie detaillierte Zielsetzung. Im Gegensatz zu den privaten Anlegern bilden institutionelle Investoren die kleinste Zielgruppe mit dem größten Kapital pro Entscheider. Dementsprechend stehen Unternehmen im engen Kontakt zu diesen Institutionen, da sie einen großen Einfluss auf die Kursstabilität ausüben. Aufgrund ihrer verhältnismäßig geringen Loyalität erwarten sie umso mehr Informationstiefe, z. B. durch Einzelgespräche oder Unternehmenspräsentationen, und stehen somit im Mittelpunkt der Investor Relations-Arbeit. (Kirchhoff, 2009, S. 49-51) Laier (2011) zufolge basieren die Ziele dieser Anlegergruppe auf einem Äausgewogenen Risiko-Rendite-Verhältnis bei möglichst geringen Transaktionskosten“ (S. 164). Folglich haben institutionelle Investoren speziellere Erwartungshaltungen als die privaten Anleger. Allerdings sind auch ihre Interessen nicht immer untereinander vergleichbar, woraus die Notwendigkeit einer genauen Profil- und Verhaltensdifferenzierung resultiert (ebd.).

Die dritte Zielgruppe stellen Multiplikatoren dar. Dazu gehören Fondsmanager, Finanzanalysten, Banker, Ratingagenturen sowie Wirtschaftsjournalisten. In der Regel verfügen sie über fundierte Fachkenntnisse und üben dadurch eine meinungsbildende Funktion aus. Einen besonders hohen Einfluss haben sie auf die Anlageentscheidungen privater Anleger. Finanzexperten werten für sie Unternehmensveröffentlichungen sowie Investitionsmöglichkeiten aus. Die Wirtschaftspresse beeinflusst die öffentliche Meinungsbildung durch ihre Publikationen. Aufgrund dieser verstärkenden Wirkung soll die Investor Relations-Arbeit möglichst genau auf die Informationsbedürfnisse dieser Zielgruppe eingehen. Schließlich schlagen sich vertrauensvolle Beziehungen in den Zahlen nieder. (Kirchhoff, 2009, S. 51-52) Vor allem Vertreter der DAX 30-Unternehmen stehen im engen, wöchentlichen Kontakt zu relevanten Multiplikatoren (Laier, 2011, S. 167).

Zwischen diesen drei Zielgruppen sowie allen anderen Akteuren der Finanzöffentlichkeit bestehen gegenseitige Abhängigkeiten, die eine kommunikative Eigendynamik bewirken (Kirchhoff, 2009, S. 48). Diese Interdependenzen sowie die heterogene Zusammensetzung der Financial Community stellen eine große Herausforderung für die Investor Relations dar. Es gilt, alle Mitglieder Ägleichermaßen zufriedenstellend zu informieren“ (Kirchhoff, 2009, S. 52).

2.3 Instrumente

Nachdem ein Unternehmen seine Ziele und Zielgruppen festgelegt hat, kann es diese mit einer Vielzahl von Instrumenten erreichen, um seiner Informationsverpflichtung nachzukommen. Zunächst lassen sich Maßnahmen der Investor Relations in zeitliche Dimensionen einordnen. Neben der sogenannten Ad hoc-Publizität gibt es die einmalige bzw. periodische Berichterstattung, bei welcher der zeitliche Vorlauf wesentlich länger ist (Dürr, 2000, S. 64). Außerdem ist eine Unterteilung in persönliche und mediale sowie in freiwillige und verpflichtende Instrumente möglich (Mast, 2013, S. 286). In Abhängigkeit von ihrer gesetzlichen Bedeutung variieren sie also zwischen Pflicht und Kür. Der Letzteren Ämessen die Zuschauer (an der Börse: Marktteilnehmer) einen höheren Stellenwert zu“ (Dürr, 2000, S. 9). Kirchhoff und Piwinger (2007) gliedern die Maßnahmen der Finanzkommunikation in drei Bereiche (S. 738-739):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: eigene Darstellung

Die unpersönlichen Kommunikationsmaßnahmen sind für eine Vielzahl weitgehend unbekannter Adressaten bestimmt. Vor allem Privatinvestoren können aus Kostengründen nur massenmedial erreicht werden. Dem Geschäftsbericht wird dabei seitens der Financial Community die größte Relevanz zugeschrieben. Persönliche Maßnahmen sind dagegen deutlich zeit- und kostenintensiver. Sie decken individuelle Informationsbedürfnisse ab und ermöglichen ein direktes Feedback. Um die Wirkung persönlicher sowie unpersönlicher Instrumente zu verstärken, werden darüber hinaus unterstützende Maßnahmen eingesetzt. (Kirchhoff & Piwinger, 2007, S. 738-739) Schließlich reicht die vorgeschriebene Mindestpublizität heutzutage nicht mehr aus. Investoren erwarten freiwillige Kommunikationsanstrengungen, die ihnen helfen, eine vertrauensvolle Beziehung zum Unternehmen aufzubauen (Porák et al., 2006, S. 272).

2.3.1 Der Geschäftsbericht

Der Geschäftsbericht ist das wichtigste Instrument der Investor Relations (Becker & Müller, 2004, S. 27; Mast, 2013, S. 286; Täubert, 1998, S. 104). Er wird als ÄParadepferd“ (Dürr, 2000, S. 64), als ÄHerzstück“ (Gazdar & Piwinger, 2001, S. 298) und als ÄKönigsdisziplin“ (Keller, 2006, S. 9) der Finanzkommunikation angesehen. Jedes börsennotierte Unternehmen ist dazu verpflichtet, seinen Geschäftsbericht zu veröffentlichen (Piwinger, 2007, S. 453). Juristisch betrachtet existiert dieser Begriff allerdings nicht - im Handelsgesetzbuch wird er als ÄJahresabschluss“ bezeichnet (Gazdar & Piwinger, 2001, S. 299). Spricht man von einem Geschäftsbericht, ist damit also der in Buchform oder im PDF-Format vorliegende Jahresabschluss gemeint. Einem ausgewählten Personenkreis wird er in der Regel postalisch zugestellt. Alle anderen Interessierten können ihn auf der Unternehmenswebsite herunterladen. Die Bedeutung dieser Informationsquelle wächst mit der Größe der Aktiengesellschaft. ÄInvestoren ziehen daraus wichtige Erkenntnisse über ihren langfristigen Anlagehorizont“ (Piwinger, 2012, S. 2). Sie erhalten dabei Einblick in die Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage, also in die Äökonomische Realität eines Unternehmens“ (Mast, 2013, S. 442). Hütten definiert dieses Instrument wie folgt:

Der Geschäftsbericht ist ein in unpersönlichen Kommunikationsprozessen eingesetztes Übermittlungsmedium verschiedener äußerlicher Erscheinungsformen, mittels dessen ein Unternehmen gewöhnlich im (geschäft-)jährlichen Turnus mit der Zielsetzung der Information und Verhaltensbeeinflussung unternehmensbezogene Nachrichten, deren Schwerpunkt auf einer Beschreibung des letzten Geschäftsjahrs liegt, an meist verschiedene, vor allem unternehmensexterne Adressatengruppen vermittelt. (Hütten, 2000, S. 32, zit. n. Keller, 2006, S. 16).

In der Regel besteht ein Geschäftsbericht aus einer Bilanz, einer Gewinn- und Verlustrechnung, einem Anhang sowie einem Lagebericht (Piwinger, 2007, S. 454). Gemäß § 325 HGB sind nur diese Pflichtbestandteile offenlegungspflichtig. Jedoch kann er um freiwillige Zusätze ergänzt werden. Wie bereits geschildert, hebt sich ein Unternehmen vor allem durch die Kür von seiner Konkurrenz ab. Hierzu zählen unter anderem der Brief an die Aktionäre, der Bericht des Aufsichtsrates sowie ein Ausblick auf das nächste Geschäftsjahr (Keller, 2006, S. 16). In letzter Zeit lässt sich außerdem ein inhaltlicher Wandel der Berichterstattung verzeichnen. Der Trend zur ganzheitlichen Verantwortung von Unternehmen wird in Geschäftsberichten zielgerichtet kommuniziert. Sie werden zunehmend um CSR- sowie Nachhaltigkeitsberichte ergänzt oder beinhalten einzelne Öko- bzw. Sozialbilanzen.

Neben seiner Informationsfunktion dient der Geschäftsbericht insbesondere als Präsentation. Laut Gazdar und Piwinger (2001) präsentiert er Ädie Unternehmensstrategie und die Vision des Topmanagements […] kurzum: seine Identität“ (S. 298). Reinmuth (2011) bezeichnet ihn als ÄSpiegel des Unternehmensimages und der Unternehmensphilosophie“ (S. 36). Dementsprechend hat der Eindruck, den die Leser von dieser Publikation erhalten, eine hohe Relevanz. Diese spiegelt sich auch in ihrer zeit- und kostenaufwendigen Erstellung wieder. In der Regel sind mehrere Abteilungen, wie Unternehmenskommunikation und Controlling, der Vorstandsbereich sowie gegebenenfalls externe Dienstleister involviert.

,,Geschäftsberichte sind in den vergangenen Jahren aussagekräftiger und attraktiver geworden.“ (Mast, 2013, S. 286).

[...]

Ende der Leseprobe aus 44 Seiten

Details

Titel
Der Brief an die Aktionäre. Ein Instrument der Vertrauensgenese bei der Financial Community
Hochschule
Hochschule Hannover
Note
1,3
Autor
Jahr
2015
Seiten
44
Katalognummer
V349329
ISBN (eBook)
9783668367227
ISBN (Buch)
9783668367234
Dateigröße
881 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Investor Relations, Public Relations, Financial Community, DAX-Geschäftsberichte, CEO, Vorstandskommuniaktion, Vertrauen, Öffentlichkeit, Großkonzerne, Unternehmenskommunikation, Stakeholder, Aktionäre
Arbeit zitieren
Alexandra Kaluzki (Autor:in), 2015, Der Brief an die Aktionäre. Ein Instrument der Vertrauensgenese bei der Financial Community, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/349329

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