Gerade zum heutigen Zeitpunkt ist die Migrationsdebatte präsent wie nie. Auch dem Orientalismus muss ein Teil der Schuld angesichts der Darstellung der östlichen Welt in Literatur und den Medien zugesprochen werden. Said mag den Stein jener längst überfälligen Debatte ins Rollen gebracht haben, dessen Problematik schon vor der Goethe-Zeit in der Antike ihren Ursprung fand.
Dabei existiert der Orient, wie er in der westlichen Welt konzipiert wird, nicht. Grund für ein solches Trugbild ist lediglich die Vertretung wirtschaftlicher und politischer Interessen des Westens und die damit einhergehende Kolonialisierung und Imperialismus.
Gerade während des 19. und 20. Jahrhunderts wurde der Orient im Westen „als zutiefst minderwertig, so doch als korrekturbedürftig“ angesehen. Durch die Projektion sämtlicher negativer Eigenschaften auf den Orient war es den Europäern gestattet, Kolonialismus und Imperialismus zu legitimieren. Somit wurde vor allem auch durch die Literatur, durch sogenannte Reiseberichte, eine Realität geschaffen, die den Köpfen der Europäer entsprang.
Im ersten Teil der hier vorliegenden Arbeit soll deshalb noch einmal ein kurzer Blick auf die Orientalismusforschung sowie Saids Stellenwert darin geworfen werden. Anschließend werden jene Hilfsmittel beschrieben, denen sich Goethe bedient hat, um sich selbst zu orientalisieren. Es wird darauf eingegangen, woher Goethes Interesse an dem Orient zu vermuten ist, zudem wird seine Begeisterung für eine morgenländische Welt, die sich auch im West-östlichen Divan widerspiegelt, charakterisiert, sowie seine Raum-Zeit-Konstellation im Divan bewertet. Den Orient als Kunstprodukt bei Goethe entlarvt, soll abschließend anhand einiger lyrischer Beispiele jene Darstellung einer morgenländischen Welt im Divan beschrieben werden.
Ob sich ins Goethes Gedichtsammlung am Ende tatsächlich jene charakteristischen unterschiedlichen Merkmale einer östlichen Welt wiederfinden lassen, soll im Anschluss daran bewertet werden.
Inhaltsverzeichnis
- EINLEITUNG
- 1. Edward W. Said als Protagonist der Orientalismusforschung
- 1.1 Linguistic Turn und Cultural Turn – Kurzer historischer Abriss des Orientalismus
- 1.2 Edward W. Saids Orientalismustheorie
- 2. Der West-östliche Divan als imaginäre Reise in den Orient
- 2.1 Goethes Interesse an einer morgenländischen Welt
- 2.2 Flucht in den Orient als Grenzerweiterung – Die Raum-Zeit-Konstellation im Divan als poetologisches Konzept
- 3. Die Ästhetik der Poesie – Der Orient als Kunstprodukt bei Goethe
- 3.1 Die Ost-West-Dichotomie in Goethes West-östlichem Divan
- 3.2 Das Morgenland als Projektionsfläche dichterischer Verjüngung
- 3.3 Der Divan als ein Versuch der Domestizierung des Exotischen
- ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht Goethes West-östlichen Divan im Kontext von Edward W. Saids Orientalismustheorie. Dabei wird die Frage gestellt, inwiefern Goethes Werk tatsächlich in der Literatur von Relevanz war, als dass der Begriff Orientalismus und dessen vermeintliches Verständnis ab dem 19. Jahrhundert an Bedeutung erlangte.
- Edward W. Saids Orientalismustheorie und ihre Anwendung auf Goethes Werk
- Goethes Interesse am Orient und seine Darstellung in der Lyrik
- Die Konstruktion einer fiktiven Morgenländischen Welt in Goethes Divan
- Die Rolle des Orients als Projektionsfläche für dichterische Verjüngung
- Der Versuch der Domestizierung des Exotischen in Goethes Werk
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die grundlegende These der Arbeit dar, dass Goethes West-östlicher Divan eine spezifische Sichtweise des Orients präsentiert, die sich im Kontext von Saids Orientalismustheorie untersuchen lässt. Der erste Teil behandelt Edward W. Saids Theorie des Orientalismus und zeichnet einen kurzen historischen Abriss des Orientalismus als Forschungsfeld nach. Der zweite Teil befasst sich mit Goethes Interesse am Orient, der Flucht in den Orient als Grenzerweiterung im Divan und der Raum-Zeit-Konstellation im Werk. Im dritten Teil wird die Ästhetik der Poesie in Goethes West-östlichem Divan beleuchtet, insbesondere die Ost-West-Dichotomie, das Morgenland als Projektionsfläche dichterischer Verjüngung sowie der Versuch der Domestizierung des Exotischen.
Schlüsselwörter
Orientalismus, Edward W. Said, West-östlicher Divan, Goethe, Morgenland, Exotik, Domestizierung, Literaturgeschichte, Kulturgeschichte, Interkulturelle Kommunikation, Dichotomie, Ost-West-Beziehung, Kunstprodukt, Lyrik, Gedicht, Projektionsfläche, Raum-Zeit-Konstellation.
- Arbeit zitieren
- Lisa Lindner (Autor:in), 2016, Goethes Skizzierung einer morgenländischen Welt im "West-östlichen Divan". Eine Betrachtung mit Edward W. Saids Orientalismustheorie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/350041