[...] Die Textstelle, die diesen Ausdruck enthält, stammt aus seiner
Autobiographie „Erinnerung, sprich“. Nabokov, der begeisterter Schmetterlingssammler war,
glaubte als neunjähriger Junge, einen neuen Nachtfalter entdeckt zu haben, erfuhr jedoch
durch einen Experten, dass das Tier längst von einem anderen beschrieben wurde. „Ich nahm
die traurige Nachricht (,,,)“, schrieb er, „mit größtem Stoizismus entgegen, doch viele Jahre
später rechnete ich mittels eines geglückten Stoßes (ich weiß, daß ich die Leute nicht auf
diese Rosinen aufmerksam machen sollte), mit dem Entdecker meines Nachtfalters ab, indem
ich einem Blinden in einem Roman seinen Namen gab.“ (Nabokov 1995: 179)
Bei der Beschäftigung mit dem erzählerischen Werk von Jorge Luis Borges wurde ich an
dieses Zitat erinnert, da ich auch in seinen Erzählungen auf solche „Rosinen“ zu stoßen
glaubte. Um welche Anspielungen es sich handelt und was sie zum Verstehen der Geschichte
beitragen, möchte ich in dieser Arbeit untersuchen. Ich beschäftige mich dabei nicht mit dem
gesamten erzählerischen Werk von Borges, sondern wähle als Betrachtungsobjekt eine
Geschichte, mit deren Deutung ich mich unter Beachtung der in ihr enthaltenen „Rosinen“
auseinandersetze.
Ich habe „La Lotería en Babilonia“ gewählt, weil ich sie für ein besonders schönes Beispiel
für Borges` Auseinandersetzung mit der Metaphysik halte. Dieses Auswahlkriterium ist
natürlich nicht wissenschaftlich, sondern persönliche Präferenz, doch ich werde in meiner
Wahl unterstützt durch die Tatsache, dass ich in der von mir konsultierten Literatur nicht sehr
viel über diese Erzählung gefunden habe und ich daher glaube, dass es sich lohnt, sie einer
näheren Betrachtung zu unterziehen.
Nach einer kurzen Einführung in die Geschichte werde ich die in ihr auftretenden Namen und
Begriffe erklären und der Frage nachgehen, warum sie in Babylon spielt. Ich beginne dabei
bewusst mit der Geschichte selbst und sage erst danach etwas zu ihrer Entstehung. 1 In einem
weiteren Kapitel behandele ich ihre philosophischen Aspekte, wobei ich auch andere
Erzählungen des Autors in meine Betrachtungen mit einbeziehe.
1 Um besser auf Textstellen hinweisen zu können, habe ich die Erzählung jeweils seitenweise mit
Zeilennummern versehen, die sich auf die Madrider Ausgabe der „Ficciones“ im Verlag Alianza Editorial von
1997 beziehen. Ich kürze sie im Folgenden mit „BF“ ab.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die vier Stufen der Lotterie
- Die Erklärungsversuche in der Erzählung
- Die „Rosinen“
- Das Problem der Existenz
- Schluss
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die „Rosinen“, also Anspielungen und Referenzen, die sich in Jorge Luis Borges' Erzählung „La Lotería en Babilonia“ finden. Sie soll beleuchten, wie diese Anspielungen die Interpretation und das Verständnis der Geschichte beeinflussen und welche Bedeutung sie für die philosophischen Aspekte des Werkes haben.
- Die Entwicklung der Lotterie in vier Stufen und ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft in Babylon
- Die philosophischen Aspekte der Erzählung, insbesondere in Bezug auf Zufall, Determinismus und Metaphysik
- Die Rolle von Namen und Begriffen in der Geschichte und deren Bedeutung für die Interpretation
- Die Auseinandersetzung mit der „Gesellschaft“ als organisatorischer und zugleich geheimnisvoller Kraft
- Die Relevanz von intertextuellen Bezügen und Anspielungen für die Interpretation von Borges' Werk
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung erläutert den Titel der Arbeit und die Bedeutung des Begriffs „Rosinen“ im Sinne von Vladimir Nabokov. Die Geschichte „La Lotería en Babilonia“ wird als Beispiel für Borges' Auseinandersetzung mit der Metaphysik vorgestellt.
Das erste Kapitel analysiert die Entwicklung der Lotterie in Babylon. Es beschreibt die vier Stufen der Lotterie, von der einfachen Lotterie bis zur allumfassenden, die das gesamte Leben der Babylonier bestimmt.
Das zweite Kapitel befasst sich mit den philosophischen Aspekten der Erzählung. Es untersucht die Frage nach Zufall und Determinismus und die Bedeutung von Namen und Begriffen in der Geschichte.
Schlüsselwörter
Die wichtigsten Schlüsselwörter dieser Arbeit sind: Jorge Luis Borges, „La Lotería en Babilonia“, Lotterie, Zufall, Determinismus, Metaphysik, Gesellschaft, Anspielungen, „Rosinen“, Intertextualität.
- Arbeit zitieren
- Dinah Stratenwerth (Autor:in), 2001, Borges' Rosinen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/35073