Benötigen Lehrer mehr sozialpädagogische Kompetenzen? Alltägliche Probleme beim Unterrichten von Flüchtlingskindern


Bachelorarbeit, 2015

200 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Benötigen unsere Lehrer mehr sozialpädagogische Kompetenzen?
Eine Einschätzung unter besonderer Berücksichtigung der Probleme bei der
Unterrichtung von Flüchtlingskindern
1. Einleitung
... 1
2. Analytische Begriffsdefinition der pädagogisch-didaktischen
Kompetenz von Lehrkräften
... 7
2.1 Die drei Segmente der pädagogisch-didaktischen Kompetenz von
Lehrkräften ... 8
2.1.1 Segment 1 - Das reine Fachwissen ... 8
2.1.2 Segment 2 - Das theoretische pädagogisch-didaktische Wissen... 8
2.1.3 Segment 3 - Die handlungsorientierte Fähigkeit, das Wissen aus
Segment 2 im Unterricht umzusetzen... 9
3. Analyse und Gewichtung der einzelnen Segmente in der
Lehrerausbildung
... 11
3.1 Soll-Ist Status der drei Segmente in der Lehrerausbildung ... 11
3.1.1 Soll-Ist Status des reinen Fachwissens ... 11
3.1.2 Soll-Ist Status des theoretischen, pädagogisch-didaktischen
Wissens ... 12
3.1.3 Soll-Ist Status der handlungsorientierten Fähigkeit, das Wissen
aus Segment 2 im Unterricht umzusetzen ...13
4. Können sozialpädagogische Kompetenzen eine Hilfe bei den
in Kapitel 3.1.3 beschriebenen Defiziten sein?
... 23
4.1 Kategorisierung der konkreten Probleme in der Unterrichtspraxis ... 24
4.1.1 Sozialisationsprobleme ... 24
4.1.1.1 Sozialisationsprobleme speziell bei Flüchtlingen ... 29
4.1.2
Sprachprobleme ... 31
4.1.2.1 Sprachprobleme speziell bei Migranten/Flüchtlingen ... 35
4.1.3
Migrationsprobleme ... 41
4.1.3.1 Migrationsprobleme speziell bei Flüchtlingen ... 45
4.1.4
Probleme mit Mobbing... 48
4.1.5.
Psychologische und psychiatrische Probleme ... 52
4.1.5.1 Psychologische und psychiatrische Probleme speziell bei
Flüchtlingen ... 56
4.1.6. Suchtprobleme ... 59
4.1.6.1 Stoffgebundene Süchte ... 59
4.1.6.2 Nicht-Stoffgebundene Süchte ... 63
4.1.7
Probleme mit religiösem/politischem Fanatismus ...65

4.1.8 Probleme mit delinquenten/gewalttätigen Schülern ... 70
4.1.8.1 Probleme mit delinquenten/gewalttätigen Schülern mit
Migrationshintergrund ... 72
4.1.8.2 Probleme mit Jugendgangs ... 73
4.1.9 Probleme mit sexuellem Missbrauch von Schülern ... 76
4.2 Optionen, die in 4.1 genannten Probleme anzugehen ... 78
4.2.1 Optionen, Sozialisationsprobleme anzugehen ... 78
4.2.1.1 Optionen, mit Sozialisationsproblemen speziell bei
Flüchtlingen umzugehen ... 83
4.2.2 Optionen, Sprachprobleme anzugehen
...
88
4.2.2.1 Optionen, mit Sprachproblemen speziell bei Migranten/
Flüchtlingen umzugehen ... 94
4.2.3 Optionen, mit Migrationsproblemen umzugehen ... 101
4.2.4 Optionen, gegen Mobbing vorzugehen ... 108
4.2.5 Optionen, mit psychologischen und psychiatrischen
Problemen umzugehen ... 110
4.2.5.1 Optionen, mit psychologischen und psychiatrischen
Problemen speziell bei Flüchtlingen umzugehen ... 116
4.2.6 Optionen, gegen Suchtprobleme vorzugehen ... 118
4.2.7 Optionen, gegen religiösen/politischen Fanatismus
vorzugehen ... 121
4.2.8 Optionen, mit gewalttätigen Schülern umzugehen ... 125
4.2.8.1 Optionen, um gegen Gangbildung vorzugehen ... 130
4.2.9 Optionen, sexuell missbrauchten Schülern zu helfen ... 136
4.3 Ansätze zur Entwicklung eines Konzepts, die speziellen
sozialpädagogischen Probleme bei Flüchtlingskindern und
jugendlichen Flüchtlingen anzugehen ... 137
5. Welche konkreten Veränderungen wären in Schulalltag und
Lehramtsausbildung erforderlich, um die in 4.2 und 4.3
gefundenen sozialpädagogischen Ansätze einzuführen
... 153
6. Fazit
... 173
7. Literatur
... 181


1
Hinweis zur Formalität des Genderings: Um die Lesbarkeit dieser Arbeit zu gewährleisten, wird beim Schrei-
ben auf die übliche Genderingform (zum Beispiel Lehrer_innen, Schüler_innen) verzichtet, da diese die
Lesbarkeit zerstören würde. Die Verwendung der maskulinen Form schließt in dieser Arbeit auch immer
zugleich die feminine Form mit ein.
1.
Einleitung
Seit Jahren wird in den Medien von unzufriedenen, überforderten und/oder frustrierten
Lehrern und Schülern berichtet. Bei den Lehrern äußert sich diese Überforderung bei-
spielsweise in den hohen Zahlen bei Krankenstand und Frühpensionierungen. Bei den
Schülern äußern sich Unzufriedenheit und Überforderung durch abnehmendes Interesse
an der Schule und extrem zunehmenden Bedarf an privater Nachhilfe. Einige der Schüler
und Lehrkräfte berichten in den Medien, mit großer Angst zur Schule zu gehen.
Als extremes Beispiel sei hier genannt, dass vor 12 Neuköllner Schulen jeweils zwei
Wachschützer postiert sind (vgl. Der Tagesspiegel Berlin 2012). Darunter die aus nega-
tiven Medienberichten besonders bekannte Rütli-Schule, die wegen sozialpädagogischer
Probleme geschlossen werden sollte (vgl. Süddeutsche 07.07.2014). Mit dem derzeitigen
Bildungssystem scheint keiner der Beteiligten wirklich zufrieden zu sein. Diese Diskus-
sion hat zur Wahl des Themas und der Fragestellung im Titel der Arbeit geführt. Als
Ergebnis der Medienberichte und erster Recherchen lautet die Hypothese dieser Arbeit:
Unsere Lehrer brauchen mehr sozialpädagogische Kompetenzen.
Die Ursachen dieser Probleme sollen im Folgenden analysiert und einige Lösungsansätze
vorgestellt werden. Es wird der Frage nachgegangen, ob und wenn ja, wie es möglich ist,
die theoretische Ausbildung der Universität dadurch zu ergänzen, dass den Lehramtsstu-
dierenden mehr praktische, handlungsorientierte Kompetenzen vermittelt werden. Viele
dieser Probleme sind sozialpädagogischer Art, weswegen die Frage naheliegt, ob unsere
Lehrkräfte zur Lösung dieser Probleme mehr sozialpädagogische Kompetenzen benöti-
gen. Es besteht Anlass zur Vermutung, dass sich letztendlich nur durch eine Ausweitung
des Lehramtsstudiums auf die Vermittlung zusätzlicher sozialpädagogischer Kompeten-
zen Lehrer mit der heute notwendigen beruflichen Qualifikation ausbilden lassen.

2
Die beschriebenen Probleme werden im Moment dadurch erheblich verschärft, dass in
vielen Schulen hohe Zahlen von Flüchtlingskindern- und Jugendlichen in die Klassen
fluten, die zusätzliche flüchtlingsspezifische Probleme hereinbringen.
In dieser Arbeit können nicht alle Problembereiche, die von sozialer Relevanz sind, er-
läutert werden, so dass nur die erläutert werden, die der Verfasserin subjektiv am wich-
tigsten erscheinen. Die Liste der in dieser Arbeit genannten sozialpädagogischen Prob-
leme erhebt somit keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Der unzureichend qualifizierte Umgang von Lehrkräften mit sozialpädagogischen Prob-
lemen kann weitreichende negative Konsequenzen für die gesamte Gesellschaft haben.
Die folgenden Daten und Fakten sind Indizien dafür, dass deutschen Lehrkräften Kom-
petenzen fehlen, um den Anforderungen ihres Berufes im ausreichenden Maße gewach-
sen zu sein.
-
Wie Untersuchungen zeigen, stieg die Frühpensionierung von Lehrkräften seit 1993
kontinuierlich an. Im Jahr 2000 erreichte die Zahl frühpensionierter Lehrer ihr Ma-
ximum mit circa 64 Prozent (vgl.
Statistisches Bundesamt 2011). Nach dem Jahr
2000 nahm die Anzahl der Frühpensionierungen zwar wieder ab. Dieser Abfall war
allerdings nicht auf einen Wegfall der ursprünglichen Ursachen für die Frühpensio-
nierungen zurück zu führen, sondern vielmehr auf eine gesetzliche Neuregelung aus
dem Jahr 2001, die zu erheblichen Versorgungsabschlägen bei frühpensionierten
Lehrern führte, so dass viele Lehrkräfte trotz der vorliegenden Gründe für eine Früh-
pensionierung bis zur regulären Pensionsgrenze weiterarbeiten. Die scheinbare
Trendumkehr ist prinzipiell auf die gleiche Ursache zurückzuführen wie beispiels-
weise die Abnahme der Arztbesuche durch die Einführung der Praxisgebühr (vgl.
Schaarschmidt 2007: 28; 81-98). Frühpensionierungen und hoher Krankenstand kön-
nen als Anzeichen mangelnder Kompetenz von Lehrkräften angesehen werden. Bei
Lehrern, die den beruflichen Belastungen aufgrund mangelnder oder fehlender
Handlungskompetenz nicht standhalten können, ist die Wahrscheinlichkeit zu er-
kranken und deswegen im schlimmsten Fall früher aus dem Beruf auszuscheiden,
hoch (vgl. Studie zur Lehrergesundheit 2011: 3).
- Lehrer sind häufiger Patienten psychosomatischer Praxen und Kliniken als Vertreter
anderer Berufsgruppen (vgl. Hillert et al. 1999: 375-380).

3
- Die Quote der Schüler, die Nachhilfe in Anspruch nehmen, liegt in Deutschland bei
circa 26 Prozent und ist damit mehr als zehnmal höher als die Quote in beispielsweise
skandinavischen Ländern (2,4 Prozent) (vgl. Prenzel et al. 2004: 288).
- Obwohl grundgesetzlich festgelegt ist, dass alle Kinder die gleichen Chancen auf Bil-
dung haben sollen, bleibt Kindern aus beispielsweise Arbeiterfamilien der Zugang
zur Universität oftmals verschlossen. So ergab die Sozialerhebung im Jahre 2010,
dass ein erheblicher Teil der Studierenden aus gehobenen, bildungsnahen Schichten
stammt (22 Prozent), wohingegen nur 9 Prozent der Studierenden aus bildungsferne-
ren Schichten stammen (vgl. Isserstedt et al. 2010: 100). Dadurch, dass höhere Bil-
dung immer mehr auch mit guter und kontinuierlicher Nachhilfe in Verbindung steht,
welche sich bildungsferne Schichten seltener leisten können, bleibt vielen Schülern
aus bildungsferneren Familien die Chance auf höhere Bildung und somit auch der
Zugang zur Universität verwehrt.
- Eine Befragung von bereits in der Schule tätigen Lehrkräften ergab, dass sich von
ihnen nur knapp 20 Prozent von der Universität ausreichend auf ihren Beruf vorbe-
reitet fühlten. Über ein Drittel der Befragten bewertete die Vorbereitung als mangel-
haft oder sogar ungenügend (vgl. Ramm & Lind 2000: 4).
Schon Kant stellte fest, ,,dass zwischen der Theorie und Praxis noch ein Mittelglied der
Verknüpfung und des Überganges von der einen zur anderen erfordert werde, die Theorie
mag auch so vollständig sein, wie sie wolle, fällt in die Augen; denn zu dem Verstandes-
begriffe, welcher die Regel enthält, muß ein Actus der Urteilskraft hinzukommen,
wodurch der Praktiker unterscheidet, ob etwas der Fall der Regel sei oder nicht [...] und
da für die Urteilskraft nicht immer wiederum Regeln gegeben werden können, wonach
sie sich in der Subsumtion zu richten habe (weil das ins Unendliche gehen würde), so
kann es Theoretiker geben, die in ihrem Leben nie praktisch werden können, weil es
ihnen an Urteilskraft fehlt [...].Wo aber diese Naturgabe auch angetroffen wird, da kann
es doch noch einen Mangel an Prämissen geben; d. i. die Theorie kann unvollständig und
die Ergänzung derselben vielleicht nur durch noch anzustellende Versuche und Erfah-

4
rungen geschehen, von denen der aus seiner Schule kommende Arzt, Landwirt oder Ka-
meralist sich neue Regeln abstrahieren und seine Theorie vollständig machen kann und
soll" (Kant AA XIII: 275).
Kant hat Theorie als einen ,,Inbegriff von praktischen Regeln" (Kant AA XIII: 127)
be-
zeichnet. Diese Regeln müssen in einer ,,gewissen Allgemeinheit gedacht" (Kant AA
XIII: 127) werden, wobei allerdings zugleich von einer ,,Menge Bedingungen abstra-
hiert" werden müsse, die aber doch auf die praktische Anwendung der Theorie ,,notwen-
dig Einfluss haben" (Kant AA XIII: 127)
.
Also hatte Kant schon 1793 erkannt, dass die beste theoretische Ausbildung kein Ersatz
für gute handlungsorientierte Kompetenzen ist. Kant weist dabei darauf hin, dass die in
der Theorie aufgestellten praktischen Regeln von der konkreten Situation abstrahiert
werden müssen, dadurch also nicht unmittelbar auf die Realität übertragbar sind. In die-
ser Differenz zwischen Theorie und Praxis könnte eines der Probleme liegen, weswegen
Lehrkräfte selbst bei bester theoretischer Ausbildung handlungsorientierte sozialpädago-
gische Kompetenzen fehlen können.
Bezogen auf die Kompetenzvermittlung in der Lehrerausbildung bedeutet diese Erkennt-
nis, dass die theoretische Ausbildung für die Praxis des Lehrens notwendige und hilfrei-
che Regeln liefern kann. Aber die derzeitige rein abstrakt-theoretische Wissensvermitt-
lung allein reicht derzeit aber nicht aus, um Lehrkräfte auszubilden, die sozialpädagogi-
sche Probleme von Schülern kompetent lösen können, da diese zu theorielastig ist. Der
Fähigkeit zur Lösung von sozialpädagogischen Problemen wird in der Lehramtsausbil-
dung zu wenig Bedeutung zugemessen.
Alle aufgezählten Punkte sind Indizien dafür, dass Lehrer die beruflichen Anforderungen
nicht befriedigend erfüllen können, weil ihnen notwendige Kompetenzen während der
Ausbildung nicht im ausreichendem Maße vermittelt wurden oder zumindest, dass in
diesem Punkt Verbesserungsbedarf besteht.
Zunächst soll definitorisch geklärt werden, welche einzelnen pädagogisch-didaktischen
Kompetenzen den Lehrerberuf ausmachen.
Anschließend wird darauf eingegangen, welche Relevanz die einzelnen Segmente der
pädagogisch-didaktischen Kompetenzen für erfolgreichen Unterricht haben. Danach

5
folgt eine Analyse wie derzeit die einzelnen Segmente der pädagogisch-didaktischen Ge-
samtkompetenz in der deutschen Lehrerausbildung vermittelt werden im Vergleich dazu,
wie sie vermittelt werden sollten.
Im Kapitel 4 wird an konkreten, von der Verfasserin subjektiv als am wichtigsten emp-
fundenen, sozialpädagogischen Problemkreisen beispielhaft untersucht, welchen Proble-
men Lehrer im Schulalltag begegnen. Dabei wird auch auf die aktuellen sozialpädagogi-
schen Probleme von Schülern mit Fluchthintergrund eingegangen und ein Ansatz eines
Konzeptes zur Unterrichtung dieser Schüler entwickelt.
Kapitel 5 befasst sich mit den konkreten Veränderungen, die sowohl im Schulalltag als
auch in der Lehramtsausbildung erforderlich erscheinen, um die in 4.2 und 4.3 gefunde-
nen sozialpädagogischen Ansätze umzusetzen.
Abschließend erfolgt eine reflektierende Zusammenfassung und Auswertung der im Ver-
lauf der Arbeit gewonnenen Erkenntnisse.

6

7
2.
Analytische Begriffsdefinition der pädagogisch-
didaktischen Kompetenz von Lehrern/Lehrerinnen
Wie bereits in der Einleitung erläutert, liegen bestimmte Dinge in der Ausbildung zu-
künftiger Lehrer im Argen. Hinweise hierauf geben beispielsweise hohe Quoten früh-
pensionierter Lehrer, hohe Krankheitsraten von Lehrern, schlechte Pisa-Resultate, ein
ständig wachsender Anteil von Schülern, die ohne private Nachhilfe in der Schule nicht
mehr mitkommen, schlechte Quote von Arbeiterkindern, die Abitur machen beziehungs-
weise nach dem Abitur ein Hochschulstudium aufnehmen und vieles mehr.
Es stellt sich die Frage, ob, zumindest ein Teil, dieser negativen Phänomene auf Defizite
in der Lehrerausbildung zurückzuführen ist. Grob kann man sagen, dass sich die univer-
sitäre Lehrerausbildung in einen theoretischen und einen praktischen Studienabschnitt
gliedert. Fraglich ist, ob die Gewichtung dieser Elemente in der universitären Lehreraus-
bildung so verläuft, dass sie die Studierenden letztendlich auch dazu befähigt, den Beruf
kompetent auszuüben. Um diesen Beruf kompetent auszuüben, müssen zukünftige Lehr-
kräfte dazu in der Lage sein, sozialpädagogische Probleme zu erkennen und anzugehen.
Beispielsweise angesichts der immer größer werdenden Heterogenität der Gesellschaft
(auch oder vor allem durch die aktuelle Flüchtlingszuwanderung) sollte angehende Lehr-
kräfte mit verschiedenen sozialpädagogischen Problemen vertraut sein und mit ihnen
umgehen können.
Um dieser Frage nachzugehen, versuche ich die einzelnen Segmente, die in der Lehrer-
ausbildung gelehrt werden, so weit wie möglich zu analysieren. Analysieren im Sinne
der griechischen Grundbedeutung, nämlich: auseinander zu lesen. Dazu genügt nicht die
übliche Zweiteilung der Ausbildungsabschnitte in der Lehrerbildung (fachwissenschaft-
liches Wissen, erziehungswissenschaftliches Wissen), die in der Fachliteratur zu finden
ist. In dieser Arbeit nehme ich eine weitere Einteilung vor, indem ich das erziehungswis-
senschaftliche Wissen nochmal in theoretisches und praktisches Wissen unterteile. Im
Folgenden werden die drei Segmente, die in der Lehramtsausbildung unterrichtet wer-
den, definiert.

8
2.1
Die drei Segmente der pädagogisch-didaktischen Kompetenz-
vermittlung in der Lehramtsausbildung
2.1.1 Segment 1 ­ das reine Fachwissen
Beim reinen Fachwissen handelt es sich um das Wissen eines Fachmannes auf einem
bestimmten Gebiet. Es handelt sich um Wissen, das in der Fakultät des jeweiligen Faches
unterrichtet wird (zum Beispiel Chemie). Lehramtsstudierende des jeweiligen Faches be-
suchen dabei dieselben Vorlesungen wie die Fachstudenten. Reines Fachwissen enthält
dabei keine didaktischen Elemente. Es geht hier um die Einarbeitung in ein bestimmtes,
fachbezogenes Wissenschaftsgebiet. In diesem Segment der Ausbildung erfahren zu-
künftige Lehrkräfte exemplarisch, was Wissenschaft ausmacht. Lehramtsstudierende ler-
nen in diesem Segment, wie wissenschaftlich gearbeitet und wie kritisch mit Wissen-
schaft umgegangen wird (vgl. Bayer et al. 2000: 30).
2.1.2 Segment 2 - das theoretische pädagogisch-didaktische Wissen
Eine wesentliche Aufgabe der Lehrerausbildung liegt in der Vermittlung professioneller
und berufsbezogener Reflektionskompetenzen. Darunter ist die Fähigkeit, sich schon
vorhandenes theoretisches und methodisches Wissen nicht nur anzueignen, sondern es
auch immer wieder auf seine Angemessenheit im Blick auf konkrete Adressaten und Si-
tuationen hin zu prüfen und gegebenenfalls weiterzuentwickeln, zu verstehen.
Diese Aufgabe innerhalb der Lehramtsausbildung geschieht durch die theoretische päda-
gogische Didaktik, das heißt, in diesem Segment handelt es sich um theoretische Kon-
strukte. Es werden Entwürfe beziehungsweise Abbilder und Rekonstruktionen der Un-
terrichtswirklichkeit gelehrt. Die Didaktik ist die wissenschaftliche Reflexion von orga-
nisierten Lehr- und Lernprozessen, etymologisch von ( = didáskein = lehren)
oder (didaktike techne = Lehrkunst oder die Theorie und Praxis des Lehrens und Ler-
nens).

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Die Fachdidaktik in der Lehrerbildung lehrt die Methoden der Vermittlung und die Ver-
fahren der Leistungsmessung, die Weiterentwicklung und Konkretisierung von Lernzie-
len in Lehrplänen, sowie die kritische Überprüfung von Lehrerwissen in der Unterrichts-
wirklichkeit (vgl. Wissenschaftsrat 2001: 12).
Bezogen auf einen Schwimmunterricht würde der Schwimmlehrer in diesem Segment
die erforderlichen Kompetenzen beispielsweise mithilfe eines Schwimmlehrbuches bei-
gebracht bekommen. Dabei erlernt er rein theoretisch, wie er seinen Schwimmschülern
das Wissen aus Segment 1 - und dessen praktische Anwendung - beibringen kann. In
diesem Segment plant der Schwimmlehrer die Durchführung des praktischen Unterrichts
anhand einer bis ins Kleinste detaillierten Unterrichtsplanung, in der er theoretisch fest-
legt, wie er den Schüler das Wissen aus Segment 1 und dessen Anwendung vermittelt.
Durch die theoretischen Grundlagen im Lehrbuch weiß er genau, welche Bewegungen
und Körperhaltungen (beispielsweise geschlossene Fingerhaltung, die optimale Haltung
des Kopfes) ein Schwimmer im Wasser machen muss, um nicht unterzugehen und mög-
lichst schnell vorwärts zu kommen. Der Schwimmlehrer würde hier beispielsweise the-
oretisch lernen, dass er Schwimmschülern zunächst an kleinen physikalischen Experi-
menten das archimedische Prinzip (zum Beispiel Würfel mit unterschiedlichen spezifi-
schen Gewichten) erläutern kann, um ihnen die Angst zu nehmen. Dann würde er sie mit
Trockenübungen auf das Schwimmen im Wasser vorbereiten.
2.1.3 Segment 3 - Die handlungsorientierte Fähigkeit, das Wissen aus Segment 2
im Unterricht umzusetzen
Lehrkräfte sind ,,Fachleute für das Lehren und Lernen" (KMK 2004: 3), deren ,,Kernauf-
gabe die gezielte und nach wissenschaftlichen Erkenntnissen gestaltete Planung, Orga-
nisation und Reflexion von Lehr- und Lernprozessen, sowie ihre individuelle Bewertung
und systematische Evaluation ist" (ebd.) (theoretisches pädagogisch-didaktisches Wis-
sen ­ vgl. Kapitel 2.1.2).
Segment 3 bezeichnet die Handlungskompetenz, beispielsweise erzieherische Haltungen
zu reflektieren und diagnostische Fähigkeiten bei Lerndefiziten oder Problemen anderer
Art der Schüler zu erkennen. Hier zeigt sich, dass gute Lehrerarbeit erst entsteht, wenn

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Lehrer die Fähigkeit entwickeln, ihre theoretischen pädagogisch-didaktischen Kompe-
tenzen situationsgerecht abzurufen und adaptiv auf den schulischen Kontext anzuwenden
(vgl. Veith & Schmidt 2010:
9).
Das grundsätzliche Theorie-Praxis-Problem lässt sich wieder anhand des bereits mehr-
fach genutzten Beispiels der Schwimmlehrer verdeutlichen: Ein Schwimmlehrer, der
fachwissenschaftlichen Grundlagen des Schwimmens (Hydrostatik, Hydrodynamik etc.)
und die theoretische Didaktik des Schwimmens wie zum Beispiel die Techniken des
Schwimmunterrichts (Trockenübungen etc.) aus Büchern perfekt erlernt hat, benötigt für
die praktische Umsetzung zusätzliche Kompetenzen.
Er steht in seiner ersten Unterrichtsstunde mit seiner Klasse vor völlig neuen Problemen,
auf die ihn die Ausbildung in den Segmenten 1 und 2 in keiner Weise vorbereitet hat. Es
ist nicht gesagt, dass er allein mit der theoretischen pädagogisch didaktischen Kompetenz
dazu in der Lage ist, Schülern auch tatsächlich das Schwimmen beizubringen.
Eine beispielhafte, unvollständige Liste möglicher Probleme: Bevor der Schwimmlehrer
seiner Klasse das tatsächliche Schwimmen beibringen kann, muss er dafür sorgen, dass
die Klasse konzentriert und motiviert ist. Er muss vorausschauend jederzeit mit unbe-
dachtem Verhalten der Schüler rechnen. Einzelne Schüler können keinerlei Erfahrungen
mit tiefem Wasser haben und panisch reagieren, wenn sie ins Wasser gehen sollen oder
es könnte sein, dass Schülerinnen mit muslimischem Hintergrund sich weigern, mit
männlichen Schülern gemeinsam am Schwimm - oder Sportunterricht teilzunehmen oder
einen Badeanzug anzuziehen etc., worauf der Lehrer in der Lehramtsausbildung nicht
vorbereitet wurde.
Auf all diese Herausforderungen muss der Lehrer kompetent eingehen können. Solange
die Klasse nicht konzentriert mitarbeitet, ist das Schwimmenlernen, insbesondere bei
problematischen Schülern, zum Scheitern verurteilt. Bei Schwimmlehrern besteht zwi-
schen dem Verfügen über theoretisches Wissen und dessen praktischer Umsetzung kein
zwingender, direkter Zusammenhang. Die handlungsorientierte Fähigkeit, das Wissen
aus Segment 2 umzusetzen, stellt also ein völlig eigenständiges, essentielles Segment der
Kompetenz dar, das genauso wichtig ist wie die Segmente 1 und 2. Eine noch so gute
Ausbildung in den Segmenten 1 und 2 ersetzt in keiner Weise eine mindestens ausrei-
chende Kompetenz im Segment 3.

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3.
Analyse und Gewichtung der einzelnen Segmente in der
Lehrerausbildung
3.1. Soll-Ist Status der drei Segmente in der Lehrerausbildung
Im folgenden Kapitel werden die einzelnen Segmente der Kompetenzvermittlung in der
Lehramtsausbildung im Hinblick auf ihre Soll-Ist-Status analysiert, um aufzuzeigen, wo
Defizite vorhanden sind.
3.1.1 Soll-Ist Status des reinen Fachwissens
Wie bereits in Kapitel 2.1.1 erläutert, hat das reine Fachwissen in der Lehrerausbildung
die Funktion, das für die Unterrichtung eines Schulfaches erforderliche fachwissen-
schaftliche Fachwissen zu vermitteln.
In der deutschen Lehramtsausbildung kann die Vermittlung des Fachwissens als gut und
das vermittelte Wissen als ausreichend für den Schulunterricht bezeichnet werden. Dies
ergibt sich aus der Tatsache, dass Lehramtsstudierende ihre Fächer im Regelfall mit den
Fachstudenten zusammen vermittelt bekommen und überwiegend auch von den Profes-
soren, die die Fachstudenten prüfen, geprüft werden. Dies spricht dafür, dass Lehramts-
studierende die bestmögliche Fachwissensvermittlung in ihren jeweiligen Fächern erhal-
ten. Auch der Wissenschaftsrat erklärt in seiner Empfehlung zur künftigen Lehrerbil-
dung, dass die Ausbildungsinhalte zum Beispiel von Lehramtsstudierenden in Geistes-
und Gesellschaftswissenschaften vergleichbar mit denen von Magisterstudiengängen
seien (vgl. Wissenschaftsrat 2001: 13).
Um beim Schwimmbeispiel aus der Einführung zu bleiben: In diesem Segment würde
dem Schwimmlehrer theoretisches Wissen (physikalische Grundlagen) des Schwimmens
wie beispielsweise das archimedische Prinzip oder die Strömungslehre beigebracht.

12
3.1.2 Soll-Ist Status des theoretischen, pädagogisch-didaktischen Wissens
Das erziehungswissenschaftliche Studium in der Lehrerbildung setzt sich aus mehreren
beteiligten Fächern zusammen (Erziehungswissenschaft, Psychologie, Soziologie). Es
hat in der Lehrerbildung die Funktion der wissenschaftlichen pädagogischen Identitäts-
bildung und der Fundierung pädagogischer Professionalität (vgl. Roters 2012: 46).
Die Anteile der Vermittlung dieses Segmentes innerhalb der deutschen Lehrerbildung
sind sehr unterschiedlich. Im Vergleich zu der Vermittlung des Wissens aus Segment 1,
das als einheitlich angesehen werden kann, ist die Vermittlung des Wissens im Segment
2 nicht einheitlich und dadurch zum Teil auch unzureichend.
Die einzelnen Bundesländer legen fest, wie hoch der Anteil des theoretischen pädago-
gisch-didaktischen Wissens in der Lehrerausbildung sein soll. Hier lassen sich erhebliche
Unterschiede innerhalb der deutschen Lehramtsausbildung erkennen.
In einzelnen Ländern wie zum Beispiel Berlin besteht ein großer Anteil des Studiums
fachübergreifend aus Erziehungswissenschaften. Unterschiede in den Vermittlungsantei-
len des Kompetenzsegmentes 2 ergeben sich vor allem im Hinblick auf das angestrebte
Lehramt (vgl. Wissenschaftsrat 2001: 6).
Die Ausbildungsordnungen für Lehrer an Grund- und Hauptschulen und an Realschulen
(bzw. Primarstufe/Sekundarstufe I) sind im Allgemeinen stärker strukturiert und sehen
einen deutlich höheren Anteil an pädagogisch-psychologischen und fachdidaktischen
Pflichtveranstaltungen vor.
Die Lehramtsausbildung für Gymnasien beziehungsweise für die Sekundarstufe II hin-
gegen misst den Fachwissenschaften ein höheres Gewicht bei und bietet vergleichsweise
große Spielräume für individuelle Schwerpunktsetzungen (vgl. ebd.). Überschlägig ge-
schätzt ergibt sich, dass, gemessen an dem in den Prüfungsordnungen festgelegten fach-
didaktischen Ausbildungsanteil, im bundesweiten Durchschnitt insgesamt ein Überhang
an fachwissenschaftlicher Lehrkapazität zu bestehen scheint. Insgesamt werden Mängel
eher in der pädagogisch-didaktischen Ausbildung als im Fachstudium gesehen (vgl.
Terhart 2000: 14).

13
3.1.3 Der Soll-Ist Status der handlungsorientierten Fähigkeit, das Wissen aus
Segment 2 im Unterricht umzusetzen
Selbst gute Kompetenzvermittlung in den Segmenten 1 und 2 gewährleisten nicht
zwangsläufig ausreichende sozialpädagogische Kompetenz im Segment 3.
Anhand des Schwimmunterrichts kann dies folgendermaßen verdeutlicht werden:
Ein Schwimmlehrer hat im Segment 1 der Ausbildung alle Grundprinzipien der Hydro-
statik und Hydrodynamik perfekt erlernt, so dass er theoretisch genau weiß, wieso und
wodurch ein Mensch im Wasser schwimmt oder untergeht. Selbst wenn er dies genau bis
ins Detail beherrscht, macht ihn dies noch nicht zu einem guten Schwimmlehrer.
In der theoretischen Didaktikausbildung während des Studiums lernen Studierende, Un-
terrichtsstunden genau bis ins Kleinste und auf die Minute durchzuplanen.
An dieser Stelle zeigt sich, ob die Wissensvermittlung, die in Segment 2 stattfand, auch
in die Praxis umgesetzt werden kann. Diese Handlungskompetenz befähigt eine Person,
auftretende Probleme und Aufgaben verantwortungsvoll zu bewältigen und ihre Hand-
lungen zu reflektieren und zu optimieren (vgl. Frey 2006: 30-46).
Im Segment 3 kommt der Lehrer nun zum ersten Mal mit seiner Klasse in die Schwimm-
halle. Hier könnte es beispielsweise passieren, dass die Kinder sehr laut sind und der
Lärmpegel auf 100 Dezibel ansteigt (dies ist zu vergleichen mit dem Lärmpegel, den eine
Kettensäge verursacht). Auch könnten die Kinder unerlaubt ins Wasser springen oder
sich gegenseitig ins Wasser stoßen (es kann also zum Beispiel zu unvorhergesehenen
Notsituationen kommen). Auf diese unter Umständen auftretenden Probleme und Bedin-
gungen wurde der Lehrer während des Studiums nicht vorbereitet.
Diese Beispiele können eine Lehrer stark unter Stress setzen und wenn er die stressver-
ursachenden Faktoren nicht innerhalb kürzester Zeit unter Kontrolle bringt, kann dies zu
starken, dauerhaften physischen und psychischen Gesundheitsschädigungen oder lang-
fristig zu Burn-outs führen. Diese Gesundheitsschädigungen, die sich mit der Zeit immer
weiter aufbauen, enden irgendwann in einer Dekompensation, wenn der Lehrer es nicht
schafft, die drohende Dekompensation in seiner Freizeit durch einen geeigneten Aus-
gleich abzuwenden. Schaarschmidt beweist mit einer repräsentativen Längsschnittstudie

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an deutschen Lehrern, dass der Lehrberuf für sie ein Gesundheitsrisiko darstellt. Er un-
terscheidet zwischen zwei unterschiedlichen Risikogruppen bei den Lehrern (diejenigen,
die sich selbst überfordern, und diejenigen, die bereits resigniert haben). Den Übergang
von Selbstüberforderung zu Resignation bezeichnet Schaarschmidt als Burnout. Nach
seiner repräsentativen Längsschnittstudie zeigen 28 Prozent der Lehrer ausgeprägte
Symptome eines Burn-outs. Zudem zeigten Vergleiche, dass Lehrer stärker als andere
Berufsgruppen zu Selbstüberforderung und Resignation neigen, während gesunde Hal-
tungen bei Lehrern relativ selten sind (vgl. Schaarschmidt 2006: 3). Nur Lehrer, die über
Stress-Resilienz verfügen, sind im Stande, den Belastungen im Beruf standzuhalten.
Im Segment 3, den handlungsorientierten Kompetenzen, befindet sich der Großteil der
Defizite innerhalb der deutschen Lehrerausbildung. Diese Defizite wirken sich auf die
Eltern, die Lehrer sowie den Schüler aus. Eltern erwarten von Lehrern, dass diese ihren
Kindern kompetenten Unterricht erteilen. Die meisten Schüler möchten einen anregen-
den und spannenden Unterricht haben und dabei, wenn möglich, Spaß haben, was nur
durch einen handlungskompetenten Lehrer geleistet werden kann. Überforderte, chro-
nisch gestresste Lehrer können diesem Anspruch nicht gerecht werden.
Lehrer, die sich beispielsweise durch Dinge, wie sie in dem Schwimmunterricht-Beispiel
geschildert wurden, permanent gestresst und überfordert fühlen, tragen ein hohes gesund-
heitliches Risiko.
Alle Beteiligten (Schüler, Lehrer, Eltern, Steuerzahler, Schulverwaltung und Staat) lei-
den darunter, wenn ein Lehrer im Segment 3 versagt. Auch der Staat leidet darunter, da
überforderte Lehrer oft krank werden beziehungsweise früh aus dem Berufsleben aus-
scheiden, so dass Vertretungslehrer respektive zusätzliche Lehrer eingestellt werden
müssen. Da für Vertretungslehrer und für zusätzliche Lehrer in der Regel kein Geld vor-
handen ist, fallen viele Unterrichtsstunden aus, was wiederrum Rückwirkungen auf die
Schulleistungen der Schüler hat, so dass dadurch letztendlich auch die Eltern unzufrieden
werden.
Da die oben erläuterte Stressresilienz zwischen Individuen stark variiert und zum Teil
auch genetisch festgelegt ist, ist sie individuell auch nur begrenzt antrainierbar. Daraus
folgt, dass für bestimmte Lehramtsanwärter auch durch umfangreiches Training keine
für 40 Berufsjahre ausreichende Resilienz erreichbar ist.

15
In Deutschland besonders bekannt geworden sind die berufsbiografischen Lehrerbelas-
tungsstudien von Uwe Schaarschmidt (2006). Dieser hatte in einer groß angelegten Be-
fragung festgestellt, dass Lehrpersonen in ihrem Beruf kontinuierlich hohen Beanspru-
chungen ausgesetzt sind. Nach dieser Studie verfügt die Mehrheit der Lehrer nicht über
die psychischen Bewältigungsmechanismen, die erforderlich sind, um dauerhaft den An-
forderungen des Berufslebens gewachsen zu sein.
Nur diejenigen, die in der Lage sind, sich von ihrer Arbeit, die sie in der Regel mit hohem
Engagement ausüben, innerlich zu distanzieren, haben vergleichsweise gute Wider-
standskräfte gegen Burnout und andere in der Berufsgruppe verbreitete Verschleißer-
scheinungen. Schaarschmidt stellt fest, dass viele Lehrer deshalb bei ihrer Arbeit ,,aus-
brennen", weil sie in einem Beruf arbeiteten, für den sie von Anfang an nicht geeignet
waren, weil ihnen die psychischen Ressourcen (Engagement, Widerstandskraft und
Emotionalität) für eine adäquate Stressbewältigung fehlen (vgl. Schaarschmidt 2006: 3).
Gegen diesen Forschungsansatz und die dazugehörenden Befunde wird eingewendet,
dass in fast allen bisherigen Belastungsstudien keine umfassende Faktorenanalyse unter
Einbeziehung der konkreten Arbeitsplatzbedingungen der Lehrer gemacht wurde. Statt
die tatsächlich vorliegenden strukturellen Anforderungen zu benennen, hätte man in un-
zulässiger Weise vor allem die administrativen Vorgaben, mit denen sich die Lehrer im
Berufsalltag beständig konfrontiert sehen, psychologisiert (vgl. Rothland 2009: 115).
Diesem Einwand kann man allerdings wieder entgegensetzen, dass Lehrer an real exis-
tierenden Schulen unterrichten, in denen optimale Arbeitsbedingungen so gut wie nie
gegeben sind. Lehrer müssen aber gerade lernen, mit realistischen Bedingungen, die in
der Schule vorherrschen, umzugehen.
Auch Persönlichkeitseigenschaften von Lehrern dürfen nicht außer Acht gelassen wer-
den: Unter Bezugnahme auf das sogenannte Fünf-Faktoren-Modell (,,The Big Five") von
Costa und McCrae wird davon ausgegangen, dass es ein relativ stabiles Set von persön-
lichen, das menschliche Verhalten berechenbar und nachhaltig organisierenden Eigen-
schaften gibt, die in ihrem Zusammenspiel die Persönlichkeit eines Menschen bestim-

16
men. Als besonders günstig für die Ausübung des Lehrerberufs erscheinen dabei Eigen-
schaften wie Verlässlichkeit, Gewissenhaftigkeit und Offenheit (vgl.
Hanfstingl & Mayr
2007: 48-56).
Während psychische Haltungen wie Extraversion und Introvertiertheit als gering bedeut-
sam für eine erfolgreiche Berufsausübung betrachtet werden können, gilt hingegen die
Eigenschaft der emotionalen Instabilität (Neurotizismus) als problematisch, da sie in der
Regel mit Beeinträchtigungen der sozialen und personalen Handlungsfähigkeit verbun-
den ist. Guter Unterricht wird von Lehrern erteilt, die in der Lage sind, ,,auf eine sehr
unterschiedliche, aber nicht beliebige Art und Weise" (Weinert 1996: 143) mit Schülern
zusammenzuarbeiten und es dabei verstehen, diese für die unterrichtlichen Sachfragen
zu interessieren.
Schaarschmidt fand in einer Studie, in der er die Persönlichkeitsstruktur von Lehrern und
Lehramtsstudierenden mit den Persönlichkeitsstrukturen anderer Berufsgruppen
vergleicht, heraus, dass (potentielle) Lehrer die ungünstigsten Persönlichkeitsstrukturen
aufweisen. Auf der einen Seite ist der Anteil der wünschenswerten
Persönlichkeitsstrukturen sehr gering (17 Prozent), auf der anderen kommen ungünstige
Persönlichkeitsstrukturen außerordentlich häufig vor (mit je 30 Prozent) (vgl.
Schaarschmidt 2006: 3).
Aus den eben genannten Studien lässt sich schlussfolgern, dass potentielle Lehramtsstu-
dierende in drei Gruppen unterteilt werden können. In Gruppe eins befinden sich dieje-
nigen Studierenden, die aufgrund ihrer genetischen Disposition und der während ihrer
Sozialisation erworbenen Persönlichkeitsstruktur schon a priori die meisten für den Lehr-
beruf erforderlichen Kompetenzen besitzen, die dann nur noch sowohl in der Praxis als
auch in der Theorie vervollkommnet werden müssen.
Gruppe zwei setzt sich aus Lehramtsstudierenden zusammen, die die erforderlichen Vo-
raussetzungen zum Erwerb dieser Kompetenzen besitzen, doch diese müssen im Gegen-
satz zu den Kompetenzen der Gruppe eins durch Praxiserfahrungen erst aufgebaut und
dann gefestigt werden.
In der dritten Gruppe befinden sich die Lehramtsstudierenden, die von ihrer Persönlich-
keitsstruktur her nicht für ein Lehramtsstudium geeignet sind.

17
Die große Mehrheit der (potentiellen) Lehrer befindet sich im Mittelfeld beziehungs-
weise in der Gruppe zwei. Die Lehramtsstudierenden, die sich im Mittelfeld befinden,
können von ihrer Persönlichkeitsstruktur her später gut im Beruf zurechtkommen, doch
auf die speziellen Voraussetzungen hierfür wird im folgenden Kapitel eingegangen.
Die fehlende Einbindung der schulpraktischen Anteile in der derzeitigen Lehramtsaus-
bildung ist als defizitär zu bezeichnen (vgl. Terhart 2000: 28), denn diese Defizite führen
zu chronischer Überlastung während des gesamten Berufslebens. Aus dieser chronischen
Überlastung wiederum resultieren die zahlreichen Schwierigkeiten, die in der Einfüh-
rung erläutert wurden wie beispielsweise Frühpensionierungen, hohe Krankenstände von
Lehrern usw..
In vielen Studien wird nicht nur eine mangelhafte Verknüpfung mit dem theoretischen
Studium, sondern eine generelle ,,Randständigkeit der schulpraktischen Ausbildungsan-
teile" (Terhart 2000: 107) attestiert. Diese hätten ,,bestenfalls Alibifunktion" (Gemein-
same Kommission für die Studienreform im Land Nordrhein-Westfalen 1996: 63) und
seien ,,meist weder tauglich für eine erste Selbstüberprüfung von Eignung und Neigung
für den Lehrerberuf, noch böten sie hinreichend Gelegenheit zur Reflexion von Praxiser-
fahrungen" (Gemeinsame Kommission für die Studienreform im Land Nordrhein-West-
falen 1996: 63).
Auch die Universität gibt in ihrem Leitfaden für das Kernpraktikums für Lehramtsstu-
dierende zu verstehen, dass ,,[es] Ziel des Kernpraktikums (KP) [ist], durch forschendes
Lernen im Handlungsfeld Schule und im Zusammenspiel von Theorie und Praxis die im
Orientierungspraktikum gemachten ersten berufsrelevanten Erfahrungen zu vertiefen
und in einem dem Ausbildungsstand angemessenen Rahmen zu reflektieren. Über die im
Orientierungspraktikum gemachten Erfahrungen hinaus sollen im Kernpraktikum die
bisherigen Erfahrungen und das Einbringen von im Studium erworbener didaktischer und
fachlicher Kompetenzen verstärkt werden" (Walke 2008:4).
Diese Aussage zeigt, dass die praktischen Kenntnisse, die die Universität vermittelt, nicht
mit dem übereinstimmen, was Lehramtsstudierende erwarten, weil es selbst im Leitfaden

18
für Praktika nur darum geht, erste berufsrelevante Erfahrungen zu sammeln. Die Richt-
linien des Leitfadens beinhalten nicht, handlungsorientierte Kompetenzen im Praktikum
zu vermitteln, um auf real auftretende Probleme im Schulalltag vorzubereiten. Die Uni-
versität versteht unter "Praxis" offensichtlich mehr eine theoretische Analyse der Praxis
als ,,Praxis" im Sinne von Fähigkeiten, um den Schulalltag in all seinen Facetten prak-
tisch zu bewältigen.
Alltägliche Probleme, mit denen Lehrer im Schulalltag konfrontiert werden, könnten sich
im Beispiel Schwimmunterricht wie folgt darstellen: Der Lehrer könnte beispielsweise
mit streng konservativ erzogenen Muslimas, die sich weigern, einen Badeanzug anziehen
oder mit Schülern, die sich aufgrund schlechter Erfahrungen bei Schwimmversuchen
weigern, ins Wasser zu gehen, konfrontiert werden.
Das theoretische Erforschen einer idealisierten Praxis hilft Lehramtsanwärtern wenig da-
bei, im realen Schulalltag kompetent mit konfliktbehafteten sozialpädagogischen Prob-
lemen beziehungsweise Gegebenheiten, die nicht wie in der theoretischen Analyse einer
Praxis idealisiert vereinfacht ohne störende Begleitumstände auftreten, umgehen zu kön-
nen. Zwar werden an der Universität beispielsweise auch interkulturelle Konflikte wie
im eben genannten Beispiel und der Umgang mit diesen theoretisch behandelt, doch die
Konflikte, wie sie im realen Schulalltag auftreten, sind in jedem Fall unterschiedlich und
so extrem individuell, dass sie sich nicht zu einem theoretischem Schema, wie es an der
Universität unterrichtet wird, abstrahieren lassen.
Um aber eine tatsächliche Handlungskompetenz zu erreichen, genügt es nicht, sich mit
theoretischen, abstrakten Problemschemata auseinanderzusetzen, sondern diese sozial-
pädagogische Problemlösekompetenz kann nur in der Realität erworben werden. Die the-
oretische Analyse der ,,Praxis" wie die Universität sie praktiziert, ist nicht die Art von
Praxis, mit der Lehramtsstudierende sich konfrontiert sehen und zu deren Bewältigung
sie sich mehr Hilfe und Beratung erhoffen.
Die Potsdamer Lehramtsstudie unterstützt diese These, indem sie feststellte, dass Lehr-
amtsstudierende mit dem Bezug ihres Studiums zur beruflichen Praxis unzufrieden sind.
Dies gilt unabhängig von den jeweiligen Fächern und unabhängig davon, ob es sich um

19
eine Universität oder eine Pädagogische Akademie handelt (vgl. Giest 2007: 11). Offen-
sichtlich haben Universitäten eine andere Auffassung von ,,Praxis" als ihre Lehramtsstu-
denten.
Vor diesem Hintergrund verwundert es wenig, dass Oelkers feststellt, dass es sich beim
Praxis- und Berufsbezug um äußerst unscharfe Begriffe handelt (vgl. Oelkers 1999: 69).
Sie lassen unterschiedliche inhaltliche Interpretationen und kommunikative Verwendun-
gen und auch emotionale Besetzungen zu und ,,oszillieren zwischen Erlösungsmythos
und Leerformel" (Fried 1997:39). Fried möchte dabei mit ,,Erlösungsmythos" zum Aus-
druck bringen, dass manche meinen, sämtliche Probleme des Lehramtsstudiums würden
gelöst, wenn endlich ein wirklich guter und durchdachter Praxisbezug hergestellt würde.
Während andere den Ausdruck als Leerformel benutzen, das heißt dieser Ausdruck hat
für sie keine relevante Bedeutung mehr, sondern für sie ist dieser Begriff eher eine Art
,,Buzz-Word", mit dem zu operieren schick ist. Es wird deutlich, dass das Wort Praxis-
bezug ein weites Spektrum an Sichtweisen zulässt. Für die einen ist so viel Praxisbezug
wie möglich die Lösung aller Probleme, für die anderen ist die Verwendung des Wortes
eine politisch korrekte Pflichtübung.
Auch Terhart konstatiert, dass ,,Praxisbezug oder Berufsorientierung die Eigenschaften
haben, immer knapp zu sein" (Terhart 2000: 107). Kaum jemand würde behaupten, dass
dieser einen zu großen Anteil des Studiums ausmacht. Dies zeigt sich auch dadurch, dass
von den Studenten seit Jahrzehnten immer mehr Praxisbezug gefordert wird, während
die Universitäten behaupten, ausreichend Praxisbezug zu bieten (allerdings im Sinne der
oben beschriebenen theoretischen Analyse der Praxis).
Zwar wurden sowohl national als auch international viele Studien durchgeführt, die den
Einfluss der Lehrerkompetenz auf den Unterrichtserfolg untersuchen, doch Studien, die
speziell den Einfluss einer frühen Praxisorientierung auf den Kompetenzerwerb von Leh-
rern untersuchen, sind rar. Trotz umfangreicher Recherche ließen sich keine Studien fin-
den, die den Nutzen frühestmöglicher handlungsorientierter Trainings untersuchen.
Eine empirische Prüfung der handlungsorientierten Fähigkeiten, das Wissen aus Seg-
ment 2 im Unterricht anzuwenden, wird bei Referendaren nur ungenügend und viel zu
spät vorgenommen. Studien zu den eben genannten Fähigkeiten werden zudem nicht un-
ter realen Unterrichtsbedingungen durchgeführt.

20
Um handlungsorientierte Kompetenzen zu überprüfen, sind realistische, praktische Be-
dingungen unerlässlich.
Auch Hedke ist der Meinung,
dass ,,sowohl bei Lehrveranstaltungen als auch bei institu-
tionalisierten Praxisformen wie Praktika Praxisbezug im Wissenschaftssystem mehr oder
weniger begründet behauptet werden kann, ohne jemals nachgewiesen werden zu müs-
sen" (Hedke 2000: 4).
Hedke erklärt weiter, dass ,,Instrumente zur Überprüfung vorgenommener Praxisbezüge
nicht existieren, Forderungen nach empirischer Evaluation behaupteter Praxisbezüge sel-
ten und Reklamationen von Absolventen noch seltener und auch aussichtslos sind, denn
Sanktionen für nicht eingelöste Relevanzversprechen gibt es schon gar nicht. Auch muss
die Qualität des Praxisbezuges niemals einem empirischen Test der Praxisrelevanz und
Praxistauglichkeit ausgesetzt werden (wie sollte der auch aussehen?)" (Hedke 2000: 4).
Ersatzweise greift man gerne auf die Zufriedenheit der Kurs- oder Praktikumsteilnehmer
zurück; daraus kann aber weder auf Relevanz noch auf Transfer geschlossen werden, auf
einen reflektierten Transfer schon gar nicht (vgl.
Oelkers 1999: 69)
.
Die entscheidende Überprüfung der Eignung dieser für den Lehrberuf essentiellen Hand-
lungskompetenz wird durch maximal 12 Unterrichtsbesuche während des Referendariats
überprüft (vgl. Daschner & Drews 2007).
Somit ergibt sich der Praxisbezug zum großen Teil ,,aus dem kommunikativ hergestellten
Urteil der Theoretiker ersten (Dozenten) und zweiten (Studierende) Grades, wodurch
Praxis zu einem diskursiven Produkt der Theorie wird" (Hedtke 2000: 4).
Ein völlig anderer Aspekt des Problems sind Kompetenzdefizite, die in der Persönlich-
keit des Lehramtskandidaten begründet sind.
In Deutschland können Lehramtsanwärter erst im Referendariat feststellen, ob sie die
notwendige sozialpädagogische Handlungskompetenz beziehungsweise Problemlöse-
kompetenz gemäß dem definierten Segment 3 in Kapitel 2.1.3 besitzen oder nicht: Es
gibt Lehramtskandidaten, die aufgrund ihrer Persönlichkeitsstruktur ungeeignet für den
Lehrberuf sind.
Es könnte sich im Laufe des Referendariats beispielsweise herausstellen, dass ein Stu-
dent auf Grundschullehramt studiert und er erst während der Referendariatszeit feststellt,

21
dass ihm das Arbeiten mit Kindern nicht liegt, da ihm die Stressresilienz fehlt und er zum
Beispiel mit der Geräuschkulisse an der Grundschule nicht klarkommt.
Es könnte auch sein, dass ein Lehramtsanwärter der Sekundarstufe 1 oder 2 während des
Referendariats merkt, dass er zum Beispiel nicht mit pubertierenden Jugendlichen, die
sich nicht für das Unterrichtsgeschehen interessieren, umgehen kann. Ihm könnte wäh-
rend dieser Zeit klar werden, dass es ihm schwerfällt, den Schülern ein Thema immer
wieder und mit verschiedenen Ansätzen nahezubringen. Viele Lehramtsanwärter machen
sich kaum Gedanken darüber beziehungsweise haben kaum Erfahrungen damit, ob sie
von ihrer Persönlichkeitsstruktur her dazu in der Lage sind, eine gute Handlungskompe-
tenz zur Wissensvermittlung an Schüler zu entwickeln.
Es könnte beispielsweise sein, dass ihnen die natürliche Autorität fehlt, was auch Schüler
schnell bemerken und dann ausnutzen könnten. Während des Studiums konnten Lehr-
amtsanwärter nicht testen, ob die für den Lehrberuf essentiellen sozialpädagogischen
Handlungskompetenzen, die in der Persönlichkeit verankert sind, bei ihnen vorhanden
sind, da die theoretische Analyse der Praxis wie sie an der Universität gelehrt wird, nicht
die Realität an einer Schule wiederspiegelt.
Die Überprüfung der sozialpädagogischen Handlungskompetenz erfolgt zu wenig und zu
spät und nur unter Aufsicht. Alle anderen Fähigkeiten, wie beispielsweise spezifische
Fachkenntnisse und theoretisches pädagogisch-didaktisches Wissen, wurden schon wäh-
rend des Studiums frühzeitig in Prüfungen abgeprüft. Das einzige, was bis zum Referen-
dariat nicht oder zu wenig überprüft wurde, sind sozialpädagogische, handlungsorien-
tierte Kompetenzen, die in der Persönlichkeit begründet sind. Es gibt keine statistische
Evaluation, ob ein Student, der gutes theoretisches pädagogisch-didaktisches Wissen an
der Universität erworben hat, als Lehrer auch tatsächlich eine gute Handlungskompetenz
hat.
Fehlende Handlungskompetenz führt zu chronischem Stress, der dann zwangsläufig frü-
her oder später zum Dekompensieren der Stressresilienz führt.
Nach Lenzen muss die
fehlende Stressresilienz vieler Lehrer als Folge fehlender Professionalität gesehen wer-
den (vgl. Lenzen 2003: 482).

22
Um die sozialpädagogischen Fähigkeiten von Lehrkräften zu verbessern, erscheint eine
Reformierung der Lehramtsausbildung mit besonderem Augenmerk auf die Verbesse-
rung handlungsorientierter, sozialpädagogischer Fähigkeiten unerlässlich.
Die Praxisorientierung der Lehramtsausbildung ist bisher ausschließlich im § 12 des Leh-
rerausbildungsgesetzes gesetzlich geregelt. Doch selbst, wenn diese Regelungen einge-
halten werden, reichen diese nicht mal ansatzweise aus, um die in dieser Arbeit gefor-
derten sozialpädagogischen Kompetenzen zu vermitteln (vgl. LABG §12).

23
4.
Können sozialpädagogische Kompetenzen eine Hilfe bei
den in Kapitel 3.1.3 beschriebenen Defiziten sein?
,,Sozialpädagogische Theorie heute scheint gewissermaßen an den Rändern und Schnitt-
stellen von Soziologie, Psychologie und Pädagogik angesiedelt zu sein. Das hat sicher
mit ihrer Problembezogenheit zu tun; mit dem Bemühen, misslungene oder vom Schei-
tern bedrohte Entwicklung zum verantwortlichen Subjekt kompensierend oder prophy-
laktisch aufzufangen und in korrigierender Intervention Schutzräume nachholenden Ler-
nens zu schaffen [...].
Pädagogik, die es derart mit krisenhaften Prozessen und Situationen zu tun hat, ist in
besonderer Weise auf die Reflexion der subjektiven und sozialen Bedingungen, mit denen
ihr Wirken zu rechnen hat, und damit eben auf die Ergebnisse der Nachbardisziplinen
Soziologie und Psychologie verwiesen. Sie hat zuallererst zu erforschen, was eigentlich
das Gelingen individueller Entwicklungsprozesse immer wieder in Frage stellt. Dies ist
in der Tat ein Aspekt, auf den sich alle Pädagogik etwa unter dem Titel Sozialisations-
theorie verwiesen sieht. Die Reflexion auf die inneren und äußeren Bedingungen von
Erziehung ist eine elementare Voraussetzung pädagogischer Theorie und Praxis.
Das heißt auch, dass in Krisensituationen, die das Gelingen von Erziehung und Bildung
in breiterem Umfang in Frage stellen, der sozialpädagogische Gesichtspunkt besondere
Aktualität gewinnt. Sozialpädagogik wird dann gewissermaßen zum Normalfall der Pä-
dagogik was sie selbst nicht unberührt lässt.
In einer solchen Krisensituation befinden wir uns heute. Das ist nicht im Sinne einer dra-
matisierenden Zusammenbruchsprognose zu verstehen. Ernste Dysfunktionen im Bereich
privater und institutionalisierter Bildungs-bemühungen, die ihren Erfolg prinzipiell in
Frage stellen und den Individuen ernste Probleme schaffen, gibt es aber in der Tat.
Bildung wird heute zum sozialpädagogischen Problem und das ausgerechnet durch eine
Entwicklung, die zunächst einmal den Anschein erweckte, neue Chancen für die Entwick-
lung und Betätigung von Subjektivität zu bieten" (Schönweiss 2000:243 ff).

24
Im folgenden Kapitel 4.1 werden neun sozialpädagogische Problemkreise, wie sie in der
Unterrichtspraxis eines jeden Lehrers auftreten, vorgestellt. Diese sozialpädagogischen
Probleme sollen erklären, wieso es für Lehrkräfte unerlässlich ist, sich mit Nachbardis-
ziplinen wie der Sozialpädagogik, der Soziologie und der Psychologie auseinanderzuset-
zen. In Kapitel 4.2 werden dann die zu den jeweiligen sozialpädagogischen Problemen
gehörenden Lösungsmöglichkeiten behandelt.
4.1 Kategorisierung der konkreten Probleme in der Unterrichtspraxis
4.1.1 Sozialisationsprobleme
Die heutige Schülerschaft ist gekennzeichnet durch einen hohen Grad an Heterogenität.
Der größere Teil der Schüler stammt aus nicht-akademischen Familien. Darauf lassen
die Zahlen von Middendorff et al. schließen. Wie bereits in der Einführung erläutert,
beginnen von Kindern aus einer nicht-akademischen Herkunftsfamilie 23 Prozent ein
Studium, wohingegen dieser Anteil bei den Kindern von Akademikern mit 77 Prozent
3,3 Mal so hoch ist (vgl. Middendorff et al. 2012). Und das obwohl nur 16% der Deut-
schen einen Hochschulabschluss haben (vgl. Statistisches Bundesamt 2014).
Lehrkräfte werden in ihren Klassen mit durchschnittlich 30 Schülern auf jeden Fall mit
Schülern aus unterschiedlichen sozialen Schichten konfrontiert.
Gerade, weil ein Großteil der Schüler aus nicht-akademiker Haushalten stammt, ist es
wichtig, dass Lehrkräfte mit den verschiedenen sozialen Gegebenheiten vertraut sind,
diese bei ihren Schülern wiedererkennen und darauf Rücksicht nehmen können. Lehr-
kräfte müssen wissen, dass Schüler aus nicht-akademischen Familien beispielsweise zu
Hause mit ganz anderen Problemen konfrontiert sein können als es bei Schülern aus Fa-
milien, in denen mindestens ein Elternteil eine akademische Ausbildung genossen hat,
der Fall ist.

25
Auch sollten Lehrkräfte sich zum Beispiel darüber bewusst sein, dass Kindern aus bil-
dungsferneren Schichten zu Hause nicht immer Bücher oder Nachschlagewerke zur Ver-
fügung stehen und dass solche Kinder es zum Beispiel auch nicht von den Eltern gelernt
haben, bei Bedarf eine Bibliothek aufzusuchen. Wobei dies durch das Internet immer
weniger ein Problem darstellt. Vorausgesetzt die Familien verfügen über einen Computer
mit Internetanschluss und können mit diesem auch so umgehen, dass sie bestehende Wis-
sensfragen damit lösen können.
Bei allen sozialisationsbedingten Problemen, die bei bestimmten Schülern auftreten kön-
nen, müssen die Lehrkräfte im Hinterkopf haben, dass bestimmte Probleme aufgrund des
sozialen Backgrounds und aufgrund der immer stärker werdenden Pauperisierung auf-
treten. Dazu brauchen Lehrkräfte mehr sozialpädagogische Kompetenzen. Kinder und
Jugendliche aus Nichtakademikerhaushalten verfügen nur über einen limitierten Wort-
schatz, mit dem sie zwangsläufig auch im Unterricht kommunizieren. Aufgrund fehlen-
der sozialpädagogischer Kompetenzen werden dadurch ihre intellektuellen Fähigkeiten
von vielen Lehrkräften falsch eingeschätzt. Schüler aus Familien mit akademischem Hin-
tergrund hingegen können bei Bedarf von einem (jugendtypischen) Slang zu einer geho-
beneren Bildungssprache umschalten. Lehrkräften, die sich dessen nicht bewusst sind,
können die Schüler aus nicht-akademischen Haushalten dann eher für ungebildet oder
sogar lernunfähig halten und ihnen im schlimmsten Fall eine Empfehlung für die falsche
Schulform geben. Hat ein Schüler erst einmal die ,,falsche" beziehungsweise für ihn un-
passende, Schulform eingeschlagen, schlägt er dadurch gezwungenermaßen eine niedrig
qualifizierte berufliche Laufbahn ein, auch wenn er intellektuell oder von seiner Bega-
bung her viel besser für eine höher qualifizierte Laufbahn oder Studium geeignet gewe-
sen wäre.
Haben Schüler beispielsweise kein eigenes Zimmer und müssen ihre Hausaufgaben an
einem Küchentisch, an dem sie sich nicht konzentrieren können, erledigen und bringen
deswegen schlechtere Leistungen in der Schule, so sollten sozialpädagogisch kompetente
Lehrkräfte dies zum einen mitbekommen und zum anderen versuchen zu analysieren, ob
eine eventuell vorliegende Leistungsschwäche des Kindes nur an der familiären Situation
liegt. Falls sich der Verdacht der Lehrkräfte bestätigt, könnten frühzeitig weitere Schritte

26
eingeleitet werden, die das Kind womöglich vor einer falschen Lebensrichtung bewah-
ren.
Ein sozialpädagogisch ausgebildeter Lehrer müsste beispielsweise erkennen, dass es,
falls beispielsweise kein geeigneter Arbeitsplatz bei einzelnen Schülern zu Hause vor-
handen sein sollte, keinen Sinn macht, den Schüler mit den Hausaufgaben sich selbst zu
überlassen.
Lehrer müssen sowohl bei der Aufgabenstellung, in ihrem Unterricht als auch bei der
Benotung berücksichtigen, dass ihre Schüler unterschiedliche soziale Voraussetzungen
haben. Das heißt, Lehrer müssen Schüler mit unterschiedlichen sozialen Backgrounds
auch individuell dort abholen, wo sie sind und nicht dort, wo sie sein sollten.
Laut Schroeder konnte das ,,schulpädagogische Spannungsverhältnis nur selten und auch
nur halbwegs befriedigend aufgehoben werden. Vielmehr gilt bis heute: Die Pauperisie-
rung der sozialen Verhältnisse und die Sicherung des Zugangs, Verbleibs und erfolgrei-
chen Abschlusses ,für alle` im Schulsystem stehen in einem grundlegenden Widerspruch
zueinander.
Dass es nach einer langen Phase relativer wirtschaftlicher Prosperität und wohlfahrts-
staatlicher Integration in Europa nun eine ,neue soziale Frage` gibt, mit einer Rückkehr
der Massenarmut und mit überaus dramatischen sozialen Spaltungen, nötigt folglich auch
der Erziehungswissenschaft eine Reformulierung der ,Pauperisierungsfrage` als jene
nach dem Wechselverhältnis von Bildung, Schule und sozialer Ungleichheit ab [...]. Die
notorisch geübte Kritik, dass die soziale Peripherie schulpädagogisch oftmals sehr ver-
nachlässigt werde, ist sicherlich in Teilen berechtigt; umso wichtiger ist es deshalb zur
Kenntnis zur nehmen, dass - gerade in den letzten Jahrzehnten - etliche schulische Kon-
zepte entwickelt worden sind, die sich in erster Linie an sozial ausgegrenzte und kulturell
diskriminierte Milieus richten, aber in der Erziehungswissenschaft nur selten jene Auf-
merksamkeit erhalten, die sie meines Erachtens verdienen würden" (Schroeder 2012:
13).
Dazu kommt, dass die Anforderungen an Bildung sich so verändert haben, dass Schüler,
die sozial nicht mithalten (können), schnell aus dem schulischen System gefiltert werden.
"Wenn im Elternhaus ein solcher 'Mangel am Notwendigsten' herrsche, dann müsse den

27
Kindern in den Erziehungs- und Bildungseinrichtungen die grundlegende Sicherheit ver-
mittelt werden, ,dass entgegen ihren bisherigen Erfahrungen zu Hause, in der Schule von
allem stets genug da ist` (Bettelheim 1980: 154). An vielen klinischen Beispielen zeigt
Bettelheim jedoch, wie unfähig die Schule oftmals ist, dieses ,Notwendigste` zu bieten,
und wie die Kinder und Jugendlichen zunehmend in den Schulen in die ,Zwangslage`
gebracht werden, darauf erneut mit Lernhemmungen, Lernstörungen, Lernverweigerun-
gen und schließlich mit dem ,Entschluss zu scheitern` (ebd.,160) reagieren und sich voll-
ends von der Schule abwenden" (Schroeder 2012: 175f).
So gibt es heute beispielsweise schon vermehrt Schulen für Schulverweigerer. Sie ,,sind
der Versuch, den Ausschluss aus dem Bildungssystem gleichsam wieder rückgängig zu
machen, indem schulische Strukturen geschaffen werden, die sich konsequent auf das
Extreme der Lebenssituationen beziehen, die das Scheitern- aufgrund eines "Mangels am
Notwendigsten"- mit verursacht haben: Obdachlosigkeit oder Arbeitslosigkeit, Drogen-
abhängigkeit oder Misshandlung, Straffälligkeit oder Prostitution; Zwangslagen also, die
überdies oftmals in einem Verweisungszusammenhang stehen" (ebd).
,,Es ist ein lebenslagenorientiertes Schulkonzept, das das Spannungsverhältnis zwischen
universaler emanzipatorisch-reflexiver Grundbildung auf der einen und Bildung in und
für prekäre soziale Lebenswelten auf der anderen Seite" (Schroeder 2012: 455) berück-
sichtigt, vonnöten. Erst soll das Überleben junger Menschen gesichert und erträglich ge-
macht werden und erst dann können ihnen geeignete Bildungsgüter erfolgreich vermittelt
werden.
An dieser Stelle kann auch auf Brechts Ballade ,,Wovon lebt der Mensch?" aus der Drei-
groschenoper verwiesen werden, in der es heißt, erst komme das ,,Fressen", also die ba-
salen Bedürfnisse, die einen Menschen überhaupt am Leben erhalten und erst dann
komme die Moral, also alle höheren kulturwärtigen Sachen, wie zum Beispiel das Schul-
wissen.
Kinder aus sozial prekären Verhältnissen haben a priori ein anderes Verhältnis zu höherer
Bildung als Kinder aus bildungsnäheren Schichte. Kinder und Jugendliche, die in prekä-
ren Lebensverhältnissen aufwachsen, wissen beispielsweise, dass ihre Eltern kein Geld
haben und dass, bevor man beispielsweise ein Theater besucht, der Einkauf gesichert

28
werden muss. Alle kulturellen Bedürfnisse stehen hinter den basalen Bedürfnissen wie
zum Beispiel das rechtzeitige Zahlen der Miete oder dem Befüllen des Kühlschrankes.
Es ist wichtig, ,,diese Antinomie stets in einer Balance zu halten, zumal in einer Gesell-
schaft, die durch soziale beziehungsweise kulturelle Vielfalt und eine dramatische res-
sourcen- und Chancenungleichheit gekennzeichnet ist [...] folglich jeder zumindest tem-
porär in prekäre Lebenslagen geraten kann" (Schroeder 2012: 455).
Lehrkräfte wollen nicht mehr Aufgaben haben, da sie sich mit der schulischen Alltagssi-
tuation überfordert fühlen, so dass sie den außerschulischen Bereich ihrer Schüler völlig
ausklammern und schulischer und außerschulischer Bereich zwei voneinander getrennte
Einheiten zu sein scheinen.
Aufgrund des geänderten Bildungs- und Sozialisationsideals ist es aber wichtig, die ver-
meintliche Dichotomie von Schule und Sozialpädagogik konstruktiv aufzulösen.
Da, wo Lehrkräfte beziehungsweise Sozialarbeiter besser sind, sollen die jeweiligen Auf-
gaben auch von den ,,Besseren" übernommen werden. Es soll in dieser Arbeit nicht darum
gehen, aufzuzeigen, dass Lehrkräfte zusätzlich auch Sozialpädagogen werden sollen. Da
Lehrkräfte im täglichen Kontakt mit Schülern stehen, können sie einige sozialpädagogi-
sche Probleme von Schülern frühzeitig erkennen, so dass anschließend Professionelle bei
Bedarf tätig werden könnten.
Anforderungen an Lehrkräfte haben sich verändert. Sie müssen beispielsweise Schüler
viel massiver selektieren. Der Druck auf Lehrkräfte steigt, da engagierte Eltern von den
Lehrern ihrer Kinder erwarten, dass diese ihren Kindern Gymnasialempfehlungen aus-
sprechen. Da die Anforderungen an Bildung sich verändert haben, müssen auch Lehr-
kräfte über diese Veränderungen Bescheid wissen. Lehrkräfte müssen sozusagen im In-
teresse ihrer Schüler politisch engagiert sein. Politisches Engagement stellt eine Kompe-
tenz dar, die in der derzeitigen universitären Lehramtsausbildung eher eine untergeord-
nete Rolle spielt.
Lehrer haben in ihrem Alltag zwangsläufig mit Schülern zu tun, die sich während der
Pubertät in einer wichtigen und - zum Teil schwierigen - Entwicklungsphase befinden.

29
Während der Pubertät kann es durchaus vorkommen, dass Schüler kein Interesse am Un-
terricht haben, da sie andere Dinge beschäftigen. Deswegen ist auch Basiswissen zur Ent-
wicklungspsychologie ein enorm wichtiger Bestandteil der sozialpädagogischen Kompe-
tenz, über die Lehrkräfte verfügen sollten. Sind Lehrkräfte in diesem Punkt nicht richtig
ausgebildet, kann dies fatale Folgen für die Schüler nach sich ziehen. Aufgrund fehlender
oder falscher Einschätzungen von Verhaltensauffälligkeiten können Schüler beispiels-
weise zu einem Schulwechsel gezwungen werden, der ihnen ihr späteres Leben erschwe-
ren könnte.
,,Das Leistungspotential von Individuen entwickelt sich im Verlauf von Sozialisations-
prozessen, die im jungen Alter insbesondere in den Herkunftsfamilien und in den (vor-
)schulischen Einrichtungen ablaufen. Dabei sind junge Menschen ungleichen familialen
und schulischen Sozialisations- und Lernbedingungen ausgesetzt, die unter anderem mit
ihrem sozioökonomischen Status und ihrer ethnischen Herkunft zusammenhängen. In ei-
nigen Gruppen wird die Entwicklung des Leistungspotentials begünstigt, in anderen ge-
hemmt. Der Zusatz "sozialisationbeachtend" soll verdeutlichen, dass wir bei unserer Ana-
lyse auch die ungleichen Entwicklungschancen des Leistungspotentials im Auge behal-
ten" (Geißler & Weber-Menges 2008: 15).
4.1.1.1 Sozialisationsprobleme speziell bei Flüchtlingen
Lehrkräfte, die bereits Flüchtlinge in ihren Klassen haben, fühlen sich mit den psychi-
schen Problemen der Flüchtlinge und dem adäquaten Umgang mit diesen Problemen
überfordert. "Kinder, die noch nie in der Schule waren, sitzen neben Kindern, die Tolstoi
auf Russisch lesen" (Süddeutsche 24.10.2014). Es besteht die Notwendigkeit, die Schüler
sehr differenziert zu behandeln, denn einerseits haben sie noch niemals im Leben eine
Schule besucht und deshalb das System Schule nicht kennengelernt, andererseits gäbe es
aber auch Flüchtlingskinder, die in ihrer Heimat eine gute schulische Ausbildung genos-
sen hätten (vgl. Südwest Presse 27.01.2015).
Kinder und Jugendliche mit Fluchthintergrund sind oft hochmotiviert und bildungsorien-
tiert. Sprachliche Defizite gleichen sie mit Fleiß und Engagement wieder aus. Je nach
Herkunft bringen sie eine gute Wissensbasis mit. Die Bildungsbiographie kann jedoch

30
durch den Fluchtgrund Unterbrechungen aufweisen oder rudimentär sein. Traumatisie-
rungen können zu Blockaden geführt haben; erneute negative Erfahrungen (beispiels-
weise das Scheitern des Asylverfahrens oder auch Ablehnungen im Aufnahmeland) ver-
stärken Rückzüge und depressive Reaktionen (vgl. GEW Berlin 2013: 24).
Auch die eben erwähnte hohe Motivation kann in manchen Fällen nicht darüber hinweg
helfen, dass aus Gründen der Traumatisierung Probleme im (Schul-)Alltag auftreten. Zu-
dem sprechen viele der Kinder und Jugendlichen gar kein Deutsch, so dass sie sich "na-
hezu isoliert in einem völlig fremden Land wiederfinden" (Süddeutsche 24.10.2014).
Siehe Kapitel 4.2.5.1 (Optionen, um gegen psychologische und psychiatrische Probleme
speziell bei Flüchtlingen anzugehen).
Für Lehrkräfte stellen die unterschiedlichen Schüler mit ihren unterschiedlichen Bedürf-
nissen eine Herausforderung, wenn nicht sogar eine Überforderung, dar. Laut Udo Beck-
mann, dem Vorsitzenden des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) Nordrhein-West-
falen, stammen die Kinder und Jugendlichen aus unterschiedlichen Kulturkreisen mit
unterschiedlichen Erziehungsstilen. Lehrer sind auf diese Aufgabe nicht genügend vor-
bereitet und brauchten Unterstützung: durch Dolmetscher, Psychologen und Sozialarbei-
ter. Deshalb fordern Experten, vermehrt Lehrkräfte auszubilden, die auch die rechtliche
und soziale Situation der Asylbewerber besser verstehen und sozialpädagogische Hilfe
anbieten können (vgl. Goethe-Institut Mannheim-Heidelberg 2015).
Wenn Lehrkräfte vermehrt allgemeine sozialpädagogische Fähigkeiten während der Aus-
bildung vermittelt bekämen, könnte ihnen diese dabei behilflich sein, besser mit der
Flüchtlingssituation an der Schule umgehen zu können und sich schneller auf die ver-
schiedenen Bedürfnisse der Flüchtlinge einzustellen.
Um mit dieser Heterogenität umgehen zu können, werden den Lehrkräften neben den
fachlichen und didaktischen auch hohe sozialpädagogische Leistungen abverlangt.
,,Die Lebenswelt von Flüchtlingen sind von besonderen Herausforderungen geprägt:
Etwa den oft hohen Erwartungen der Familien im Heimatland oder dem Zwang,
Schulden (für den Transport nach Deutschland) zurückzuzahlen" (BayernForum 2014).

31
Bei Kindern und Jugendlichen mit Fluchthintergrund würde immer wieder festgestellt,
dass viele unter einem enormen Leistungsdruck stehen. Nicht nur sie selbst, sondern oft
auch die in der Heimat gebliebenen Familien, stellten hohe Forderungen an sie. Das er-
zeuge zwar zum einen die immer wieder zu beobachtende hohe Lernmotivation, die im-
mer wieder zu kaum fassbaren Bildungskarrieren führe. Zum anderen führe dieser Leis-
tungsdruck aber auch zu einer weiteren, starken psychischen Belastung. Die Jugendlichen
forderten oft mehr von sich selbst und der Schule, als sie bewerkstelligen könnten. Es ist
eine paradoxe Situation, in der sie sich befanden, denn Lernen brauche gerade bei Flücht-
lingen Zeit (vgl. Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung 2014: 8).
Für die Jugendlichen selbst hat Bildungserfolg eine weitreichende Bedeutung: Die posi-
tiven Folgen eines erfolgreichen Bildungsabschlusses im Rahmen von Bleiberechtsver-
fahren, bei Härtefallkommissionen, etc. sind für viele Flüchtlingskinder Ansporn und
Druck zugleich, möglichst schnell in Deutschland einen Abschluss zu erlangen.
,,Ansporn, weil es für viele nach einem gescheiterten Asylverfahren die Möglichkeit bie-
tet, einen Beitrag zu einer weiteren Chance auf einen sicheren Verbleib zu leisten. Und
Druck, weil die Bildungskarrieren der Flüchtlingskinder unter Umständen den Aufenthalt
der Eltern sichern" (UNICEF 2014: 51).
4.1.2 Sprachprobleme
Aus dem Heilmittelbericht 2014 des Wissenschaftlichen Instituts der AOK, der die Heil-
mittelverordnungen der gesamten GKV ­ teilweise mit Patientenbezug - und die Trends
der Inanspruchnahme durch die Versicherten aufzeigt, geht hervor, dass in Kindergarten
und Grundschule circa 20 Prozent aller Kinder eine sprachtherapeutische Behandlung
verordnet bekamen, wobei der Gipfel bei der Einschulung im Alter von sechs Jahren liegt
(vgl. Wissenschaftliches Institut der AOK 2014: 36).
Statistisch bedeutet dies, dass, geht man von einer Grundschulklasse mit 30 Schülern aus,
im statistischen Mittel sechs Schüler innerhalb eines Jahres eine sprachtherapeutische Be-
handlung in Anspruch nehmen. Selbst, wenn nur einer von diesen sechs Schülern unter
ernsthaften Sprachproblemen leidet, ist es wichtig, dass Lehrkräfte dies erkennen und

32
adäquat darauf reagieren.
Zwar geht aus dem Heilmittelbericht nicht hervor, wie intensiv die Sprachtherapie der
Schüler war, so dass man auch davon ausgehen könnte, dass die Prävalenzrate nur so
hoch ist, weil Logopädie beim gesamten Fachpersonal, das professionell mit Kindern und
Jugendlichen arbeitet, zur Modebehandlung geworden ist. In jedem Fall aber besagt die
Zahl, dass im statistischen Mittel 20 Prozent der Kinder irgendwann während ihrer Kin-
dergarten- beziehungsweise Grundschulzeit eine sprachtherapeutische Behandlung in
Anspruch nehmen und die Anzahl der Behandlungen somit so hoch wie nie zuvor ist.
Von Sprachproblemen betroffene Schüler bekommen zwangsläufig auch in anderen als
nur den sprachlichen Fächern Probleme. Sie können dem Unterricht nicht gut folgen oder
sie trauen sich aufgrund ihrer sprachlichen Defizite nicht, sich im Unterricht aktiv einzu-
bringen. Wenn Lehrkräfte nicht darin geschult sind, diese Defizite zu erkennen, führt dies
in vielen Fällen dazu, dass Schulempfehlungen für falsche Schulformen erteilt werden
und dass diese Kinder und Jugendlichen nur aufgrund sprachlicher Defizite unterhalb ih-
res intellektuellen Potentials eingestuft werden. Kinder beziehungsweise Jugendliche, die
aufgrund mangelnder Kompetenz von Lehrkräften auf zu anspruchslose Schulformen ge-
schickt werden, sind unterfordert. Zudem könnten diese Kinder während der Berufsori-
entierung merken, dass diese Schullaufbahn nicht dazu geeignet ist, den Berufswunsch
des jeweiligen Kindes zu erfüllen. Die Unterforderung und das Platzen von Berufswün-
schen führen zwangsläufig zur Demotivation, aus welcher letztendlich Resignation resul-
tiert.
Schüler, die merken, dass ihnen die Schule nicht die gewünschte Berufsperspektive bieten
kann, sind unmotiviert und sehen keinen Sinn darin, jeden Tag zur Schule zu gehen. Schü-
ler, die unmotiviert sind und keinen Sinn im Schulbesuch sehen, fangen an, unentschul-
digt vom Unterricht fernzubleiben. Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, ist es not-
wendig, dass Lehrkräfte die sozialpädagogische Kompetenz besitzen, frühzeitig Sprach-
probleme zu erkennen, richtig einzuschätzen und gegebenenfalls die notwendigen Maß-
nahmen einleiten, die diese Sprachdefizite möglichst beseitigen (siehe Kapitel 4.2.2).
Eine spezielle Form von Sprachproblemen stellt die Legasthenie dar. Aktuelle nationale
und internationale Studien belegen, dass Legasthenie und Dyskalkulie mit einer Häufig-
keit von 5­6 Prozent bei Schülern über die gesamte Schulzeit und unabhängig von der
Schulform auftreten (vgl. Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie e.V. 2014: 5).

33
Diese Zahlen lassen erkennen, dass jede Lehrkraft einer durchschnittlich 30-köpfigen
Schulklasse durchschnittlich mit ein bis zwei Schülern, die an Legasthenie leiden, kon-
frontiert wird.
Der Langzeitverlauf unbehandelter Kinder mit Legasthenie zeigt deutliche Beeinträchti-
gungen bis ins Erwachsenenalter. Neben einer stark erhöhten Rate psychischer Störungen
einschließlich eines häufigen Substanzmissbrauchs ist die Teilhabe am täglichen Leben
beeinträchtigt. So weisen Erwachsene mit der im Kindesalter gestellten Diagnose Lese-
Rechtschreibstörung eine geringere berufliche Anpassung, schlechtere Beziehungen zu
Gleichaltrigen sowie zur Herkunftsfamilie auf (vgl. Bundesverband Legasthenie und
Dyskalkulie e.V. 2014: 26). Legasthenie und Dyskalkulie verlaufen oft chronisch mit ei-
ner erhöhten Anfälligkeit für psychische Probleme.
25 Prozent der nichterkannten Legastheniker oder Menschen mit einer Lese-, Recht-
schreibschwäche, die nie eine gezielte Förderung erhalten haben, werden im Alter von 18
Jahren strafauffällig. Diese Auffälligkeiten drücken sich hauptsächlich in Schuleschwän-
zen, Lügen, Weglaufen, Nikotin-, Alkohol-, Drogenmissbrauch und Zerstören fremden
Eigentums aus (vgl. Austrian Legasthenie News Dyslexia 2003: 11).
Dagegen werden nur 5,3 Prozent der Menschen, die nicht unter einem Lese- und Recht-
schreibproblem leiden, straffällig (ebd.).
Natürlich kann nicht verlangt werden, dass Lehrer klinisch exakte Diagnosen stellen und
somit die Aufgabe von Therapeuten und Ärzten übernehmen, aber Lehrkräfte sollten dazu
in der Lage sein, Verdachts-Diagnosen zu stellen, um einer Chronifizierung der Legas-
thenie so früh wie möglich mit geeigneten Gegenmaßnahmen, wie beispielsweise dem
Einschalten von professionellem Fachpersonal, entgegenwirken zu können. Wie genau
so eine Einschaltung von geeignetem Fachpersonal aussehen könnte, wird in Kapitel 5
weiter erläutert (sozialpädagogische Plattform).
Lehrkräfte müssen die Symptome der Legasthenie bei ihren Schülern frühzeitig erkennen,
da nur so verhindert werden kann, dass Schülern Empfehlungen für Schulformen ausge-
sprochen werden, die den intellektuellen Kapazitäten des jeweiligen Schülers nicht ange-
messen sind. Zudem muss ihnen bewusst sein, dass es sich dabei um ein Problem handelt,
das lediglich die Schriftsprache betrifft und nicht die intellektuellen Fähigkeiten im All-
gemeinen
.

34
Wie bei fast allen vorgestellten Problemen gilt auch hier, dass Früherkennung gerade und
am besten durch Lehrkräfte erfolgen kann, da sie meist täglichen Umgang mit ihren Schü-
lern haben und ihre Stärken und Schwächen kennen und diese somit eher als anderes
Fachpersonal wie beispielsweise Sprachtherapeuten einschätzen können. Lehrkräfte wür-
den eine Sonderstellung unter den Personen, die mit Schülern mit Sprachproblemen kon-
frontiert werden können wie beispielsweise die Eltern der Kinder selbst oder deren Kin-
derarzt, einnehmen. Viele Eltern sind nicht dazu in der Lage, Legasthenie bei ihren Kin-
dern zu erkennen, da sie nicht die notwendige Kompetenz besitzen. Auch ein Kinderarzt
muss zunächst von der Familie auf schlechte Schulleistungen aufmerksam gemacht wer-
den, damit er auf die Idee kommt, einen Schüler auf Legasthenie zu testen. Falls die Eltern
der betroffenen Schüler keinen Verdacht beim Kinderarzt äußern, ist es schwer für diesen,
bei 5-10-minütigen Routineuntersuchungen diese Verdachtsdiagnose zu stellen. Lehrern
mit entsprechend in der Ausbildung erworbenen Zusatzkompetenzen kommt die Aufgabe
zu, den Verdacht auf Legasthenie möglichst früh zu äußern. Probleme müssen frühzeitig
angegangen werden, da eine zu späte Behandlung einen viel schwierigeren und langfris-
tigeren Verlauf haben würde. Der Arbeitskreis Legasthenie Bayern e.V. gibt außerdem
zu verstehen, dass gerade bei Früherkennung gute Behandlungsmöglichkeiten bestehen,
da alle Kinder bis circa im zweiten Schuljahr noch Lese- und Schreibanfänger sind und
Defizite schneller ausgleichen können (vgl. Arbeitskreis Legasthenie Bayern e.V.). Wel-
che Optionen es gibt, um mit legasthenen Kindern und Jugendlichen umzugehen, wird in
Kapitel 4.2.2 erläutert.
Sprachprobleme bei Schülern beeinträchtigen den Lernerfolg und damit auch die Lern-
motivation und demzufolge auch das ganze Leben. Durch Sprachprobleme können
schnell auch weitere schulische Probleme hervorgerufen werden, da sich die Wahrschein-
lichkeit, dass unter Sprachproblemen leidende Schüler den Anschluss im gesamten Fach-
unterricht verlieren, erhöht. Misserfolge und schlechte Bewertungen von Lehrkräften wir-
ken sich zusätzlich demotivierend und/oder frustrierend auf die Schüler aus und können
zu psychischen und physischen Problemen führen. Die gesamte Integration - sei es in der
Schule, in der Arbeitswelt oder in der Gesellschaft- wird durch Sprachprobleme erschwert
oder sogar unmöglich gemacht. Dadurch wiederum können soziale Probleme wie bei-
spielsweise politische oder religiöse Radikalisierung entstehen. Schüler, die sich minder-
wertig oder ausgeschlossen fühlen, neigen eher dazu, sich radikalen Gruppierungen an-
zuschließen. Alle sozialen Probleme werden durch Sprachprobleme gefördert.

35
Sprachprobleme bei Schülern können auch negative Folgen für Lehrkräfte nach sich zie-
hen. Wenn aufgrund von Sprachproblemen wenig vom vermittelten Stoff bei den Schü-
lern ankommt und diese sich - bewusst oder unbewusst ­ mit anderen Dingen beschäfti-
gen, kann dies die Lehrkräfte demotivieren oder frustrieren. Dauerhaft demotivierte Lehr-
kräfte wiederum sind nicht dazu in der Lage, befriedigenden Unterricht zu erteilen und
demotivieren dadurch wieder die Schüler. Womit ein Teufelskreis entsteht, der frühzeitig
durchbrochen werden muss.
Sprachprobleme haben großen Einfluss auf das gesamte Schulklima und die Lebensbio-
grafie von Schülern allgemein, so dass es sinnvoll ist, angehende Lehrkräfte frühestmög-
lich während ihre Ausbildung darin zu schulen, diese Probleme zu erkennen und mit die-
sen umzugehen und passende Gegenmaßnahmen zu veranlassen. Näheres dazu in Kapitel
4.2.2.
4.1.2.1 Sprachprobleme speziell bei Migranten/Flüchtlingen
Das möglichst gute Beherrschen der deutschen Sprache wird allgemein für Kinder mit
Migrationshintergrund als Schlüsselfaktor für viele Dimensionen der Integration angese-
hen. So bestehe zwischen Sprachkenntnissen und der schulischen Leistung von Migran-
ten ein gut belegter Zusammenhang. Zudem zeigen verschiedene Studien positive Effekte
der Kenntnisse der Sprache des Aufnahmelandes auf die Arbeitsmarktintegration (vgl.
Esser 2006: 318/414ff).
Da durch den Schlüsselfaktor Sprache die Integration im sozialen Umfeld verbessert
wird, kann so ein ungesteuerter, vertiefter Erwerb von Deutschkenntnissen durch Gele-
genheit zum Sprechen und dem Zugang zur Alltagssprache ermöglicht werden (vgl. Bei-
senherz 2006: 39-69.: 40).

36
Laut Perreira et al. holen Kinder von Migranten bildungsmäßig gegenüber Nicht-Migran-
ten zwar auf, die nächste Generation nähert sich allerdings tendenziell wieder dem Niveau
ihrer ethnischen Kommune an. Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund, die
wenig oder schlecht Deutsch sprechen, werden sich in der Gesellschaft nicht gut integ-
rieren können und damit steigt das Risiko der Ghettoisierung an. Das Nichtbeherrschen
der Landessprache verhindert die Akkulturation und führt zur Segregation. D
as heißt die
Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund behalten die eigene Kultur bei und
haben dadurch wenig oder gar keinen Kontakt zur gesellschaftlichen Mehrheit.
Neben
vielen anderen Effekten kann dadurch auch das Risiko der Dauerarbeitslosigkeit und der
Gangbildung (Kapitel 4.1.8.1) ansteigen.
Die Entwicklung eines spezifischen Migranten-Deutschs wird dadurch erklärt, dass die
dritte Einwanderergeneration nicht mehr die hohe Motivation zeigt, sich perfekt zu integ-
rieren wie dies bei deren Eltern und Großeltern der Fall gewesen ist (vgl. Perreira 2006:
511-536).
Wie in der Einleitung des Kapitels erwähnt, kann es an mangelnder Motivation nicht lie-
gen, dass Heranwachsende türkischer Herkunft so viel schwächer abschneiden als Schü-
lerinnen und Schüler ohne Migrationshintergrund. ,,Gerade auch diese Jugendlichen und
ihre Eltern berichten, hohe bildungsbezogene Aspirationen zu haben. Diese Aspirationen
sind allerdings teilweise so hoch, dass sie sich kaum einlösen lassen werden ­ etwa wenn
Eltern von fünfzehnjährigen Hauptschülerinnen und Hauptschülern angeben, dass ihr
Kind ein Hochschulstudium absolvieren soll. Es wäre denkbar, dass dies einen Mangel
an Information darüber widerspiegelt, welche Voraussetzungen im deutschen Bildungs-
system erfüllt werden müssen, um ein bestimmtes Bildungsziel zu erreichen. Ob und in-
wieweit dies tatsächlich der Fall ist, kann anhand der vorliegenden Daten allerdings nicht
geklärt werden (vgl. Stanat et al. 2010: 227).
Der prozentuale Anteil von fünfzehnjährigen Schülerinnen und Schülern mit Migrationshinter-
grund der ersten bis dritten Generation, die zu Hause die Sprache des Einwanderungslandes spre-
chen, beträgt in Deutschland nur
rund 60 Prozent. Noch niedrigere Anteile sind nur in den
Vereinigten Staaten, Luxemburg, Norwegen und Österreich zu beobachten. In allen an-
deren Staaten liegen die Werte bei über 60 Prozent. Aus den gefundenen Daten und den
theoretischen Annahmen zu Assimilationsprozessen ist zu erwarten, dass der Anteil der

37
Jugendlichen, in deren Familien die Sprache des Einwanderungslandes gesprochen wird,
von der ersten zur zweiten Generation ansteigen wird. (vgl. Stanat et al. 2010: 209).
,,Insgesamt steigt der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die in den Familien am häu-
figsten die Sprache des Einwanderungslandes sprechen, in Deutschland von etwa 26 Pro-
zent in der ersten Generation auf fast 50 Prozent in der zweiten Generation an" (ebd.:
225).
Je größer die ,,Ghettos" werden, desto weniger Gründe gibt es für eine Akkulturation an
die Mehrheitsgesellschaft. So entwickelt sich ein Teufelskreis aus mangelnden Sprach ­
beziehungsweise Deutschkenntnissen. Innerhalb des Teufelskreises verschwindet der
Antrieb zu einem perfekten deutschen Spracherwerb zunehmend, da die Kinder innerhalb
ihres Ghettos gut mit einem sprachlichen Gemisch aus ihrer Heimatsprache und einem
verballhornten Deutsch auskommen. Diese mangelnden Sprachkenntnisse führen wiede-
rum zur Ghettoisierung. Andersherum kann es auch passieren, dass eine Nivellierung an
das Migranten-Deutsch stattfindet wie beispielsweise in Nachbarschaften in Berlin wie
Neukölln oder Wedding. Die Schüler, die durch ihre soziale Herkunft fehlerfreies
Deutsch sprechen können müssten, passen sich sprachlich dem Migranten-Deutsch an.
"Schon wenn der Anteil von Kindern nicht deutscher Muttersprache bei 30 Prozent liegt,
setzt ein Leistungsabfall ein. Dieser wird ab 50 Prozent dramatisch", so Meidinger, Vor-
sitzender des
Philologenverbandes (vgl. Neue Osnabrücker Zeitung 2015).
Bildungsforscherin Petra Stanat wertete Pisa-Daten für Hauptschulen aus dem Jahr 2000
aus und hat für den Leistungsabfall eine andere Erklärung. Sie bestätigt zwar auch, ,,dass
die Leistungen der ganzen Klasse bei einem Migrantenanteil von 40 Prozent [...] sinken,
doch dies habe nicht mit dem Migrationshintergrund, sondern mit dem niedrigen Berufs-
status und Bildungsstand vieler Zuwandererfamilien zu tun. Die Nachteile scheinen je-
denfalls ,nicht spezifisch an den Migrantenanteil gekoppelt zu sein`"(Spiegel-Online
16.10.2015).
,,In Schulen mit hohem Anteil von Heranwachsenden mit Migrationshintergrund bezie-
hungsweise von Heranwachsenden nichtdeutscher Herkunftssprache wurden tendenziell

38
geringere Kompetenzniveaus erreicht. Bei Kontrolle des sozioökonomischen Hinter-
grunds der Schülerschaft reduzierte sich dieser Effekt jedoch in der Regel erheblich, bei
Kontrolle von Indikatoren für das Vorwissen der Gruppe verschwand er meist vollstän-
dig" (Stanat et al. 2010: 202). Das heißt, dass der Sprachstatus an den Sozial- beziehungs-
weise Berufsstatus gekoppelt ist.
Zu dem notwendigen Wissen von Lehrern gehört, dass sie diese sozialpädagogischen
Hintergründe kennen und entsprechend gegensteuern. Wie so eine Gegensteuerung aus-
sehen könnte, wird im Kapitel 4.2.2 ausführlicher erläutert.
Kinder mit Migrationshintergrund, die beispielsweise nicht in einen Kindergarten mit
überwiegend deutschen Kindern gegangen sind, lernen oftmals ein gebrochenes, migran-
tenspezifisches Deutsch. Sie wachsen bei ihren Familien und Peergroups, die sich aus
Kindern aus ihrem Heimatland zusammensetzen, auf, die oftmals selbst über stark be-
grenzte Deutschkenntnisse verfügen. Zudem neigen zum Beispiel türkischstämmigen
Migranten im Vergleich mit anderen Herkunftsgruppen am stärksten zur Nutzung mut-
tersprachiger Medien. Für sie gibt es auch das größte entsprechende Angebot, besonders
bei Fernsehen und Printmedien. Hingegen scheinen insbesondere Migranten aus dem ehe-
maligen Jugoslawien und aus Polen eine Affinität zu deutschsprachigen Medien zu haben
(vgl. BAMF 2010: 5). Studien zeigen, dass die Schulleistungen negativ beeinflusst wer-
den, wenn das Kind zu Hause vornehmlich eine andere Sprache spricht beziehungsweise
ausschließlich von der Muttersprache umgeben ist (vgl. Ammermüller 2007: 215­230).
Solche Kinder hören grammatikalisch richtiges, akzentfreies Deutsch zum ersten Mal in
der Grundschule. Solche sozialpädagogischen Besonderheiten bei Migrantenkindern-
und Jugendlichen müssen Lehrkräften bewusst sein. Lehrkräfte müssen sich ständig wie-
der bewusst machen, unter welchen Bedingungen ihre Schüler aufwachsen und was sie
deswegen können beziehungsweise nicht können. Das heißt, Lehrkräfte brauchen inter-
kulturelle Kompetenzen, zu denen auch die umfassende Kenntnis der Lebens- und Erzie-
hungsbedingungen ihrer Schüler gehört. Welche Maßnahmen sie in solchen Fällen ein-
leiten können, wird in Kapitel 4.2.2 weiter erläutert.
Das BAMF gibt im Integrationsreport aus dem Jahr 2008 an, dass unter den sprachförde-
rungsbedürftigen Kindern tendenziell die Mehrzahl Migrationshintergrund haben und un-
ter den Kindern mit Migrationshintergrund ein relativ hoher Anteil einen Förderbedarf

39
hat. Laut Sprachstandserhebung 2007 lag der Förderbedarf im Durchschnitt bei 17 Pro-
zent aller Kinder (vgl. BAMF 2008: 19 f).
,,In Berlin wird das Diagnoseinstrument ,Deutsch plus` zur Feststellung des Sprachstan-
des vor dem Eintritt in die Schule bei allen Kindern verwendet. Dort waren im Herbst
2006 bei der Messung für das Schuljahr 2006/07 6.068 (24,1%) der getesteten Kinder
sprachförderungsbedürftig. Unter diesen Kindern waren 4.117 (67,8 Prozent) Kinder
nichtdeutscher Herkunftssprache. 11,1% der Kinder mit deutscher Herkunftssprache
(1.951) und 54,4% der Kinder mit nichtdeutscher Herkunftssprache (4.117) hatten bei der
Erhebung 2006 einen Sprachförderbedarf in Deutsch" (ebd. 18).
,,In Hamburg wird zur Feststellung des Sprachstandes das ,Hamburger Verfahren zur
Analyse des Sprachstands Fünfjähriger (HAVAS 5)` verwendet. 2005 haben 96,5% der
schulpflichtigen Kinder (rund 14.800) die Untersuchung absolviert. Dabei betrug der För-
derbedarf hinsichtlich deutscher Sprachkenntnisse bei allen Kindern rund 20 %. Bei den
einsprachig deutschen Kindern lag der Sprachförderbedarf bei knapp 4%, bei zweispra-
chigen Kindern mit Migrationshintergrund jedoch bei rund 51%. Zudem differierte der
Förderbedarf sehr stark nach Stadtteilen, zwischen 10% und knapp 40%" (Behörde für
Bildung und Sport Hamburg 2004).
Aus der mangelnden Sprachkompetenz bei Kindern mit Migrationshintergrund ist zu
schließen, dass auch die Sprachvermittlung durch die Lehrkräfte defizitär verläuft. Die
Ursachen dieser Defizite können in dieser Arbeit jedoch nicht weiter erläutert werden.
Dies muss Gegenstand einer tiefergreifenden Arbeit zu dieser Thematik sein. Es müsste
zunächst festgestellt werden, ob Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund den
erforderlichen Sprachunterricht erhalten und wenn sie dann trotz erhaltenem Unterricht
keine gleichwertige Sprachkompetenz wie Kinder und Jugendliche ohne Migrationshin-
tergrund aufweisen, kann man daraus schließen, dass Defizite auch innerhalb der Lehr-
amtsamtsausbildung vorhanden sind.
Diese Befunde zeigen deutlich, dass es gerade angesichts der immer heterogener werden-
den Schülerschaft wichtig ist, dass Lehrkräfte um die Wichtigkeit der Sprache als Schlüs-

40
selfaktor und die sozialpädagogischen Umstände, unter denen einige Kinder und Jugend-
liche Deutsch lernen, wissen. Nur mit sozialpädagogisch ausgebildeten Lehrkräften kann
gewährleistet werden, dass Schüler mit Migrationshintergrund sprachlich optimal geför-
dert werden. Lehrkräfte sollten wissen, dass einige Kinder und Jugendliche mit Migrati-
onshintergrund migrantenspezifische Probleme beim Spracherwerb haben. Lehrern muss
klar sein, dass einige Kinder oft mit circa sechs Jahren das erste Mal fehlerfreies Deutsch
hören. Nur, weil in der Schulakte eines Kindes ein deutscher Geburtsort steht, heißt dies
nicht, dass es auch deutsch sozialisiert wurde. Je früher sprachliche Probleme auffallen
und an diesen gearbeitet wird, desto leichter wird Schülern mit solchen Problemen der
weitere Lebensweg gemacht.
Eine besondere Gruppe von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund sind
Kinder und Jugendliche von Flüchtlingen. Oftmals sind Kinder und Jugendliche mit
Fluchthintergrund bereits mehrsprachig und bringen, je nach sozialer Herkunft, eine gute
Wissensbasis mit. Diese flüchtlingsspezifischen Sprachkenntnisse können jedoch oft in
der deutschen Schule nicht weiter genutzt werden (vgl. GEW Berlin 2013: 24).
Für Lehrkräfte sind die unterschiedlichen Deutschkenntnisse der Flüchtlingskinder eine
Herausforderung. ,,Einige sprechen ein paar Brocken Deutsch, andere nicht. Einige sind
Analphabeten, andere fürs Gymnasium geeignet. Die Kinder lernten ganz unterschiedli-
che Laut- und Schriftsysteme", erläutert Udo Beckmann, Vorsitzender des Verbandes
Bildung und Erziehung (VBE) Nordrhein-Westfalen. Besonders schwierig sei die Arbeit
mit Flüchtlingskindern, die überhaupt nicht alphabetisiert sind. Lehrer seien auf diese
Aufgabe nicht genügend vorbereitet und bräuchten Unterstützung: durch Dolmetscher,
Psychologen und Sozialarbeiter (vgl. Goethe-Institut Mannheim-Heidelberg 2015). Nä-
heres dazu im Kapitel 4.3.
Gerade das Erlernen der Sprache hat größte Priorität bei Schülern mit Fluchthintergrund.
Die gesamte Zeit, die diese Schüler ohne Sprachkenntnissen in der Schule verbringen, ist
in Bezug auf den Wissenserwerb verlorene Zeit
.
Wie ein flüchtlingsspezifisches Schul-
beziehungsweise Unterrichtskonzept aussehen könnte, um mit solchen Schülern umzuge-
hen, wird in Kapitel 4.3 erläutert.
Da die Zahl der Kinder und Jugendlichen mit Fluchthintergrund immer weiter ansteigt,

41
müssen Lehrer dazu in der Lage sein, Unterricht eigenständig für relativ heterogene Grup-
pen zu organisieren. Lehrkräfte, die es niemals gelernt haben, sozialpädagogische Prob-
leme eigenständig zu lösen, werden beim Unterrichten solcher Gruppen/Klassen überfor-
dert sein.
Für die Lehrer ist die Arbeit mit den Flüchtlingskindern eine große Herausforderung und
eine enorme Belastung. Es fehlen geeignete Unterrichtsmaterialien und Dolmetscher.
Laut Schleswig-Holsteinischer Landeszeitung gibt es für einige Sprachen nicht einmal
Wörterbücher und die Stundenzahl der Lehrkräfte reiche für die große Gruppe schon
lange nicht mehr aus (vgl. Schleswig-Holsteinische Landeszeitung 08.12.2014).
4.1.3 Migrationsprobleme
Das Statistische Bundesamt gab 2015 als Ergebnis des Mikrozensus an, dass von knapp
14 Millionen Schülern in Deutschland insgesamt 4 Millionen einen Migrationshinter-
grund haben (vgl. Statistisches Bundesamt 2015:56). Statistisch bedeutet dies, dass Lehr-
kräfte in einer durchschnittlich aus 30 Schülern bestehenden Klasse durchschnittlich acht
Schüler mit Migrationshintergrund haben.
Wie die Zahlen des statistischen Bundesamtes belegen, gewinnt Heterogenität in
Deutschland - und somit auch in den Schulen - immer mehr an Bedeutung. Kinder und
Jugendliche mit Migrationshintergrund besitzen ihre eigene dem Ursprungsland entspre-
chende kulturelle Sozialisation und Lebensart. Dies gilt auch für den Unterricht und den
gesamten Schulalltag.
Die Zahl der vier Millionen Schüler mit Migrationshintergrund zeigt, dass interkulturelle
Kompetenz und die Fähigkeit, mit kultureller Vielfalt umzugehen, unerlässlich für Lehr-
kräfte ist. Um Schülern kompetente Hilfe geben zu können, müssen Lehrer um die ver-
schiedenen Probleme, die bei in Deutschland lebenden Schülern mit Migrationshinter-
grund auftrete können, wissen. Es könnte beispielsweise sein, dass Sportlehrer mit Mus-
limas konfrontiert werden, die ihr Kopftuch auch während des Unterrichts tragen möchten

42
oder müssen. Damit Lehrkräfte auf solche Situationen vorbereitet sind und in diesen Si-
tuationen kompetent handeln können, ist der Erwerb interkultureller Kompetenzen von-
nöten.
Innerhalb der Gruppe der Schüler mit Migrationshintergrund gibt es große Unterschiede
in Bezug auf den Schulerfolg. Schüler aus bestimmten Herkunftsländern schneiden
durchschnittlich sogar besser ab als deutsche Kinder ohne Migrationshintergrund. So
wird zum Beispiel davon gesprochen, dass der männliche ,,Hartz-IV-Migrantensohn" das
,,katholische Mädchen vom Lande" als Sinnbild der Bildungsverlierer abgelöst hat (vgl.
Allmendinger et al. 2008: 218). Lehrer müssen sich selbst deshalb jeden Tag in der tägli-
chen Praxis wieder bewusst machen, dass Kinder und Jugendliche mit Migrationshinter-
grund grundsätzlich dieselben intellektuellen Fähigkeiten besitzen wie Kinder und Ju-
gendliche ohne Migrationshintergrund.
Es kann beispielsweise auch vorkommen, dass solche Schüler zu Hause keinen ruhigen
Arbeitsplatz besitzen und ihre Hausaufgaben deswegen in der Küche bearbeiten müssen,
in der zum Beispiel immer das Radio oder der Fernseher läuft. Wenn diese Schüler dann
noch regelmäßig ihre Bücher vergessen, kann es passieren, dass der Lehrer so einen Schü-
ler als chancenlos aufgibt, weil eventuell vorhandenes theoretisches Wissen über die Le-
bensbedingungen dieser Schüler in der täglichen Schulpraxis verdrängt wird. Dann wer-
den Lehrkräfte solche Schüler mit gutem Potential schlechter einschätzen und bewerten
als sie diese Schüler bei sozialpädagogisch optimierten Umgang bewerten würden.
Wenn Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund sich im "Einwanderungsland"
nicht akzeptiert und integriert fühlen, erhöht dies das Risiko, dass sie sich beispielsweise
Jugendgangs oder radikalen Gruppierungen anschließen. Migrationsprobleme von Kin-
dern und Jugendlichen prädestinieren zur Gangbildung oder zum Anschluss an radikale
Gruppierungen. Näheres zur Gangbildung im Kapitel 4.1.8.1, zu radikalen und religiösen
Gruppierungen in Kapitel 4.1.7.
Nur Lehrkräfte mit sozialpädagogische Awareness (siehe Kapitel 4.1.5) für die besonde-
ren Probleme von Schülern mit Migrationshintergrund können so auf diese Schüler ein-
gehen, dass diese sich auch ernstgenommen fühlen. Dies kann am ehesten erreicht wer-

43
den, indem Lehrer den Schülern Wissen vermitteln, was diesen Schülern in ihrem alltäg-
lichen Leben auch weiterhilft. Lehrkräfte sollten solchen Schülern erklären können, an
wen sich solche Schüler bei bestimmten Problemen wenden können. Lehrer sollten ihren
Schülern immer wieder klar machen, dass es keine Schande ist, sich bei Bedarf bei Bera-
tungsstellen Hilfe zu holen.
Schüler wie sie hier im Kapitel erläutert wurden, haben früher als Kinder ohne Migrati-
onshintergrund lebenspraktische Probleme, da ein höherer Prozentsatz von ihnen direkt
nach der Schule entweder ins Arbeitsleben oder die Arbeitslosigkeit übergeht. Nach An-
gaben der Bundesagentur für Arbeit sind Arbeitslose ohne Migrationsuntergrund eher in
den höheren Altersklassen, Arbeitslose mit Migrationshintergrund dagegen eher in den
jüngeren Altersklassen zu finden (vgl. Bundesagentur für Arbeit 2014: 9). Die Altersver-
teilung der Arbeitslosen ohne Migrationshintergrund scheint eher auf den Trend der Ar-
beitgeber zurückzuführen zu sein, lieber jüngere Menschen einzustellen, so dass im hö-
heren Alter dann die Zahl der Arbeitslosen steigt. Viele Migranten hingegen schaffen es
schon in jüngeren Jahren nicht, einen sozialversicherungspflichten Dauerarbeitsplatz zu
finden. Die Annahme ist berechtigt, dass diese Schüler in der Schule nicht die dafür not-
wendigen Qualifikationen vermittelt bekamen, die ihnen dabei helfen, einen Arbeitsplatz
zu finden. Daraus kann man schließen, dass die Lehrer offensichtlich nicht die sozialpä-
dagogischen Kompetenzen hatten, ihnen diese notwendigen Qualifikationen zu vermit-
teln.
Wenn solche Schüler dann in der Schule den Eindruck haben, dass sie nichts vermittelt
bekommen, was ihnen in ihrem realen Leben helfen kann, schalten sie ab und verfolgen
den Unterricht nicht mehr.
Schlechte Bildungschancen von Schülern mit Migrationshintergrund sind nur teilweise
auf ihre Kompetenzdefizite zurückzuführen und hängen auch mit unzureichender Förde-
rung und Diskriminierungen in den Schulen zusammen. Der migrationsspezifische Strang
weist auf Integrationsprobleme hin, die - unabhängig vom sozioökonomischen Status -
bei der Wanderung in eine fremde Kultur mit einer anderen Verkehrs- und Unterrichts-
sprache, einem anderen Bildungssystem und teilweise anderen Werten und Normen ent-
stehen.
Geißler und Weber-Menges sprechen gar von einer ,,tickenden Zeitbombe". Sie sind der
Meinung, dass, wenn dieser ,,verlorenen Generation" nicht geholfen wird, ,,der Weg für

44
viele von ihnen in die Arbeitslosigkeit und Randständigkeit und für einige auch in die
Kriminalität vorprogrammiert" ist (vgl. Geißler 2008).
,,Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund sind im Vergleich zu ihren Mit-
schülern ohne Migrationshintergrund sozioökonomisch benachteiligt; nach Berücksichti-
gung des sozioökonomischen Hintergrunds sinkt der Leistungsvorsprung der Schüler
ohne Migrationshintergrund zwar auf weniger als die Hälfte (25 Punkte) [...]. Dennoch
ist der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund, der Kompetenz-
stufe 2 in Mathematik nicht erreicht mit 31% mehr als doppelt so hoch wie jener von
Schülern ohne Migrationshintergrund (14%). Etwa 39% der Schüler mit Migrationshin-
tergrund der ersten Generation und rd. 29% der Schüler mit Migrationshintergrund der
zweiten Generation liegen unter Stufe 2. Türkische Jugendliche sind gegenüber Schülern
aus deutschen Familien in Mathematik durchschnittlich knapp zwei Jahre im Rückstand"
(PISA 2012: 6).
Die Zugangschancen zu höherer Bildung für Kinder aus Einwandererfamilien sind in
Deutschland besonders schlecht. In Ländern wie Frankreich, Kanada oder den Nieder-
landen gelingt die Integration wesentlich besser. Die deutschen Hauptprobleme,
schlechte Deutschkenntnisse und Zugehörigkeit zur bildungsfernen Schicht, kommen
häufig zusammen. Migrantenkinder brauchen daher besonders intensive Förderung, be-
kommen sie aber nur selten (vgl. Spiegel-Online 20.02.2005).
,,Während ihrer Schulkarriere müssen Migrantenkinder insbesondere in den unteren
Klassen erheblich häufiger die Klasse wiederholen, in den ersten bis dritten Klassen blei-
ben sie viermal häufiger sitzen als Einheimische. Sie müssen auch häufiger das Gymna-
sium wieder verlassen und steigen doppelt so häufig in die Hauptschule ab. Auch das
Risiko, auf eine Sonderschule für Lernbehinderte überwiesen zu werden, ist doppelt so
hoch wie bei Deutschen" (Geißler 2008).
Vor der Immigration konnten diese Eltern ihren Kindern zumindest noch theoretisch bei
Schulproblemen aller Art helfen. Nach der Immigration ist häufig keinerlei schulische
Unterstützung mehr möglich, weil grundlegende Sprachkenntnisse fehlen und die schuli-
schen Anforderungen nicht mit denen des Herkunftslandes vergleichbar sind. Durch
Sprachbarriere und Kontakthemmungen entsteht zwischen Schule und Elternhaus eine

45
Distanz. Dadurch erhalten die Eltern keinen Einblick in die schulischen Lernbedingungen
der Kinder. Die Unterrichtsanforderungen und ­methoden sind ihnen unbekannt, was die
Unterstützung weitgehend unmöglich macht (vgl. Miedaner 2004: 39-46)
Auch wenn die Eltern die deutsche Sprache beherrschen, fühlen sie sich den schulischen
Anforderungen oft nicht gewachsen. Das kann daran liegen, dass vor allem immigrierte
Mütter selbst kaum schulisches Wissen und schulische Erfahrungen besitzen. Türkische
Mütter besitzen zum Beispiel oft nicht mal eine dem Hauptschulabschluss vergleichbare
Qualifikation. Zwischen Eltern und Kindern kann so ein teilweise massives Bildungsge-
fälle entstehen, das Unterstützung seitens der Eltern unmöglich macht (vgl. Sacher 2008).
4.1.3.1 Migrationsprobleme speziell bei Flüchtlingen
,,Die Entscheidung nach Deutschland zu kommen, ist ein Vorgang, in dem ein Migrant
aus einem (relativ) stabilen sozialen Umfeld herausgenommen und in ein anderes System
'eingefügt' wird" (Amt für Wohnen und Migration 2013:16). Bei ,,normalen" Wirtschafts-
migranten fällt diese Migrationsentscheidung relativ freiwillig und entspringt ausschließ-
lich dem Wunsch nach Verbesserung der eigenen Lebensbedingungen, während diese
Entscheidung bei Flüchtlingen nicht freiwillig erfolgt.
Bei Flüchtlingen ist die Entscheidung zur Migration, die bei ihm eine Flucht ist, aufge-
zwungen durch die Gefährdung von Leib und Leben. Ein Wirtschaftsflüchtling hingegen
leidet ,,nur" unter einem Leben unter schweren ökonomischen Bedingungen. Zudem tref-
fen Flüchtlinge die Entscheidung zur Flucht spontan beziehungsweise sie treffen gar
keine Entscheidung, sondern fliehen einfach, weil sie ihr Leben akut in Gefahr sehen.
Wirtschaftsflüchtlinge können sich auf die Migration vorbereiten.
Jugendliche beziehungsweise junge Flüchtlinge kommen oft auf Verlangen der eigenen
Familie nach Deutschland (vgl. Amt für Wohnen und Migration 2013:16).

46
Zusätzlich problematisch ist, dass der Großteil von ihnen kein Deutsch spricht. Wirt-
schaftsflüchtlingen ist es grundsätzlich möglich, die Sprache des Einwanderungslandes
schon in ihrem Herkunftsland, zumindest in Grundzügen, zu erlernen. Da eine Flucht
zeitlich kaum oder gar nicht geplant werden kann, kommen viele Flüchtlinge ohne die
Kenntnis eines einzigen Wortes des Einwanderungslandes in das neue Land. Hierdurch
wird die Unterrichtung dieser Kinder und Jugendlichen besonders am Anfang extrem er-
schwert. Ein weiteres Hindernis ist, dass sogar die Anwendung von Zeichensprache häu-
fig zu Missverständnissen führen kann, weil Gesten und Handzeichen in den Fluchtlän-
dern häufig ganz andere Bedeutungen als im Einwanderungsland haben.
Auf die speziellen Sprachprobleme bei Migranten/Flüchtlingen wurde in Kapitel 4.1.2.1
eingegangen.
Nano berichtet am 07.09.2015, dass viele Kinder in ihren Heimatländern entweder nur
mit großer Angst zur Schule gingen, da sie nie wussten, wann der nächste Bombenan-
schlag anstand oder dass sie erst gar nicht zur Schule gehen konnten, da diese zerstört
wurde (vgl. nano 07.09.2015 min.: 08:49ff).
Aufgrund solcher Erfahrungen aus den Heimatländern ist es natürlich, dass einige der
Kinder Verhaltensauffälligkeiten zeigen. Sie müssen zunächst lernen, dass die Schule im
neuen Land ein sicherer Raum ist und dass sie sich angstfrei auf den Unterricht konzent-
rieren können. Viele der Kinder und Jugendlichen sehen Lehrkräfte als große angstein-
flößende Respektpersonen an. Es könnte deshalb beispielsweise sein, dass diese Kinder
und Jugendlichen nicht dazu in der Lage sind, dem Unterricht zu folgen, sich aber den-
noch nicht trauen, sich aktiv zu beteiligen oder Fragen zu stellen, obwohl sie nichts ver-
stehen, da sie denken, dass Lehrer diese als illegitime Kritik an ihrem Unterrichtsstil
wahrnehmen könnten. Eher werden die Schüler auf die Erklärungen und Verständnisfra-
gen mit einem Nicken reagieren, auch wenn sie nur wenig bis gar nichts verstanden haben
(vgl. Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung 2015:11).
Schüler mit Fluchthintergrund haben in ihren Heimatländern meist nur autoritären Fron-
talunterricht erlebt, der es den Schülern nicht erlaubte, sich aktiv einzubringen.
Viele gin-
gen zum Beispiel mit Angst vor autoritären Lehrern, die auch vor körperlichen Züchti-
gungen nicht zurückschreckten, oder mit Angst vor Bombenangriffen zur Schule. In Ko-
ranschulen oder allgemein islamistischen Schulen gehört oft schwere körperliche Züch-
tigung zum normalen Schulalltag (vgl. Süddeutsche 09.03.2015).

47
Eine Besonderheit beim Unterricht von Flüchtlingen ist, dass häufig große kulturelle Un-
terschiede zwischen der deutschen Schulkultur und der Schulkultur in den Herkunftslän-
dern bestehen. In den Heimatländern der Kinder und Jugendlichen herrschten zwischen
Schülern und Lehrern große Autoritätsgefälle. Wenn deutsche Schüler dann zum Beispiel
Witze über Lehrer machen oder mit diesen gemeinsam lachen, kann dies Kinder und Ju-
gendlichen mit Fluchthintergrund extrem irritieren. Andererseits kann es aber auch sein,
dass sich in der Pubertät befindliche Flüchtlinge Lehrkräfte, die locker mit den Schülern
umgehen, nicht mehr als Respektsperson ernst nehmen.
Schüler mit Fluchthintergrund müssen deswegen von den Lehrkräften langsam darauf
vorbereitet werden, dass sie sich im neuen Land aktiv in den Unterricht einbringen dürfen
und sollen und dass Lehrkräfte keine bedrohlichen Autoritäten darstellen. Es ist durchaus
denkbar, dass einige dieser Schüler in ihren Heimatländern von ihren Lehrern bei ,,unan-
gemessenem" Verhalten geschlagen wurden.
Solche Kinder und Jugendlichen haben oft große Angst vor Strafen oder Zurückweisung
entwickelt, welche sie extrem verunsichert. Diese Verunsicherung kann dazu führen, dass
sich diese Kinder und Jugendlichen nicht trauen, mitzuteilen, wenn sie dem Unterricht
nicht folgen können und somit den Anschluss verlieren. In vielen Fällen ist das An-
schlussverlieren in der Schule auch gleichzeitig ein Hindernis für die gesamte Integration
im neuen Land. Ohne schulische Bildung und die daraus resultierenden Deutschkennt-
nisse wird Integration fast unmöglich.
Lehrkräfte, die sich niemals mit den Bedingungen aus den verschieden Fluchtländern
auseinandergesetzt haben, können nicht verstehen, dass diese Kinder und Jugendlichen
viel psychologischen Ballast und Erfahrungen mitbringen, die sie zunächst daran hindern
können, den Unterricht konzentriert zu verfolgen und sich aktiv im Unterricht einzubrin-
gen. Lehrkräfte, die es nicht gelernt haben, auf diese Besonderheiten Rücksicht zu neh-
men und deswegen falsch mit diesen Kindern und Jugendlichen umgehen, können die
Kinder und Jugendlichen gerade in der Anfangszeit im neuen Land verunsichern.
Am 29.09.2015 berichtete Professor Klaus Spenlem, Sozialwissenschaftler und Experte
für Integrationsfragen der Universität Düsseldorf, in nano über spezielle Sozialisations-
probleme von Flüchtlingen. So ist vielen Männern mit Fluchthintergrund beispielsweise

48
nicht klar, dass Frauen in Deutschland gleichberechtigt und kein ,,Freiwild" sind. Allein
das Flüchtlingslager Gießen berichtet schon von 15 Vergewaltigungen. Viele der Flücht-
linge hätten zum Beispiel ein archaisches Weltbild und ein anderes Verständnis im Um-
gang mit Geschlechterrollen. Diesen Problemen mit Flüchtlingen aus speziellen Her-
kunftsländern müsse so schnell wie möglich entgegengewirkt werden, so Prof. Spenlem
(vgl. nano 29.09.2015 min.:07:13ff).
Lehrkräfte, die tagtäglich mit solchen Kindern und Jugendlichen zusammen arbeiten,
müssen mit all diesen Besonderheiten umgehen können. Sie dürfen keine Verunsicherun-
gen zeigen und müssen trotzdem einfühlsam mit diesen Kindern und Jugendlichen um-
gehen. Lehrer, die solche Schüler unterrichten, müssen hinter den Werten, Normen und
der Alltagskultur des eigenen Landes stehen und diese auch den Kindern und Jugendli-
chen vermitteln können. Nur so kann Schülern mit einer anderen Schulkultur durch Vor-
bildverhalten verdeutlicht werden, dass es in Deutschland beispielsweise normal ist, mit
Lehrern gleichberechtigt zu kommunizieren, aber auch Frauen und Mädchen gleichbe-
rechtigt sind, was im Heimatland einiger Flüchtlingskinder nicht der Fall war.
4.1.4 Probleme mit Mobbing
Unter Mobbing wird eine konfliktbelastete Kommunikation am Arbeitsplatz unter Kol-
legen, zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern, unter Schülern oder zwischen Lehrern
und Schülern verstanden. Alltägliche Konflikte, ausgelöst durch einzelne Bosheiten, Un-
gerechtigkeiten oder Spannungen, sind im Schul- und Arbeitsalltag oft unvermeidlich
und haben mit gezieltem Psychoterror nichts gemein" (Huber 1993: 11).
Mobbing läuft meistens auf die Einschränkung der freien Entfaltung der Persönlichkeit
hinaus. Gerade unter Schülern kommt Mobbing häufig vor, denn Mobben funktioniert
nur in Situationen, in denen der Gemobbte dauerhaft anwesend ist. Da Schüler unter
Schulpflicht stehen und sich somit nicht der Situation entziehen können, ermöglicht die
Schule das Mobbing (vgl. Graf 2007: 66 f).

49
Mobbing unter Schülern ist ein ernstzunehmendes Problem. Studien aus unterschiedli-
chen Ländern zeigen, dass etwa 4 bis 7 Prozent der 12 bis 18-jährigen als Opfer identifi-
ziert werden (vgl. Huber 2007: 7). Statistisch bedeutet dies, dass in einer durchschnittlich
30-köpfigen Klasse durchschnittlich zwei Schüler (1,65) Mobbingopfer sind. ,,Laut einer
Untersuchung der Entwicklungspsychologin Mechthild Schäfer der Münchner Ludwig-
Maximilian-Universität hat eins von 25 Schulkindern ein- oder mehrmals in der Woche
unter Mobbingangriffen zu leiden (vgl. Schäfer 1996).
,,Auf die gesamte Schülerzahl
Deutschlands bezogen gibt es rund 500.000 Mobbingopfer. Diese Zahl an Mobbingop-
fern unter deutschen Schülern wird auch von dem Vorsitzenden des Deutschen Philo-
logenverbandes, Heinz-Peter Meidinger, bestätigt" (Graf 2007: 67)
Es ist kaum möglich, einheitliche Zahlen zu finden, die aufzeigen, wie viele Schüler Op-
fer von Mobbing werden, da Mobbingopfer in der Realität oft gar nicht erkannt werden
und jede Studie das ,,Opfersein" unterschiedlich definiert. Man kann aber aus den ver-
schiedenen Studien erkennen
,
dass Mobbing unter deutschen Schülern ein großes Prob-
lem ist.
Lehrkräfte, die während der Lehramtsausbildung keinerlei sozialpädagogische Ausbil-
dung im Bereich des Mobbings erhalten haben, fehlt die Sensibilisierung, um Mobbing
als solches zu erkennen. Falls Lehrkräfte Mobbing trotzdem erkennen, aber keine sozial-
pädagogische Schulung zum richtigen Umgang mit Mobbing erhalten haben, sind sie eher
geneigt, wegzuschauen, da sie unsicher im Umgang mit dieser Problematik sind.
Studien belegen allerdings, dass ein Nichteingreifen in diese Problematik verheerende
Folgen sowohl für das Mobbing-Opfer, als auch den Mobber selbst haben kann. Mob-
bing-Opfer leiden oftmals an Unkonzentriertheit, psychosomatischen Beschwerden (zum
Beispiel Essstörungen), Leistungsabfall, Verlust des Selbstwertgefühls und/oder sozialer
Isolation. Im schlimmsten Fall kann Mobbing bei den Opfern bis hin zu erhöhten Angst-
und Depressionsraten und Suizidgefährdung reichen (vgl. Gasteiger & Klicpera 2001:
99-111). Auch bei den ,,Mobbern" selbst liegen erhöhte Risikobelastungen wie erhöhte
Chancen, im Erwachsenenalter eine Depression zu entwickeln, geringere Emotionalität,

50
sowie Beziehungsprobleme oder die Gefahr, delinquent zu werden, vor (vgl. Whitney &
Smith 1993: 3-25).
In einer Studie mit dem Titel "Survival of the Fittest and the Sexiest: Evolutionary Origins
of Adolescent Bullying" der Simon Fraser University Vancouver, die im Journal of Inter-
personal Violence erschien, wurden in einer Highschool 135 Schüler zwischen 13 und 16
Jahren nach ihren Erfahrungen bezüglich des Mobbings befragt. Oft vermutet man, dass
hinter Mobbern im Wesentlichen psychisch kranke oder auffällige Menschen stecken.
Eine aktuelle Studie aus Kanada widerlegt diese Vermutung jedoch. Die Daten wurden
aus einem evolutionspsychologischen Hintergrund,
der sogenannten Evolutionary psy-
chology theory (EPT), bewertet. Danach dient jede Verhaltensweise dazu, sich in der ei-
genen sozialen Umwelt hochzuarbeiten. Die oberen sozialen Ränge sichern das Überle-
ben und die Möglichkeiten der Fortpflanzung am besten (vgl. Süddeutsche 13.08.2015).
Nach der klassischen Psychologie sind Mobber eher diejenigen, die selbst verhängnis-
volle Kindheitserfahrungen gemacht haben und zu Mobbern würden, um ihre innerlichen
Aggressionen an Schwächeren auszulassen. Die Studienergebnisse der eben genannten
Studie stehen aber im diametralen Gegensatz zu der klassischen Interpretation von Mob-
bern. Da diese Ergebnisse diametral entgegengesetzt zur Lehrmeinung sind, müssen
Lehrkräfte auch sozial-psychologisch beziehungsweise pädagogisch in Forschungsmei-
nungen immer up to date ausgebildet sein, damit sie Missstände und/oder deliktische Ver-
haltensweisen ihrer Schüler richtig einschätzen können.
Lehrkräfte müssen also erkennen, dass es dieses ,,Phänomen" gibt und wissen, dass Mob-
bing ein angeborenes Verhalten ist. Die Zahlen der Mobbingopfer belegen trotz Schwan-
kungen durch verschiedene Erhebungsmethoden, dass eine verbesserte Aufklärung so-
wohl der Schüler als auch der Lehrer im Hinblick auf die Mobbingprävention und -inter-
vention erforderlich ist. Gerade sich wiederholende Gewalterfahrungen (sowohl physi-
sche als auch psychische) können sowohl für Täter als auch Opfer erhebliche gesundheit-
liche Folgen haben. Mobbing macht den Schulbesuch für die Opfer oft zur Qual und kann
in drastischen Fällen zum Schulabbruch führen (vgl. Carney 2000: 213-223).
,,Laut einer Studie des Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) variiert das Konfliktpo-
tenzial nach Schultypen, nicht nach Herkunftsländern. Am wenigsten Mobbing gibt es in

51
Klassen mit 16 bis 35 Prozent Migrantenanteil. Eine Studie des Österreichischen Integ-
rationsfonds (ÖIF) belegt, dass es keinen signifikanten Zusammenhang zwischen hohem
Migrantenanteil und schlechtem Klassenklima gibt. Konflikte innerhalb der Klassenge-
meinschaft treten zudem nicht zwischen Schülern mit und ohne Migrationshintergrund
auf, sondern spielen sich vor allem innerhalb der Migrantengruppen ab. Mobbing und
Gewalt kommen demnach in Klassen mit relativ hohem Migrantenanteil (67 bis 80 Pro-
zent) oder keinem bzw. sehr geringem Anteil (0 bis 15 Prozent) häufiger vor. Die ideale
Situation scheint in Klassen mit einem Migrantenanteil von 16 bis 35 Prozent zu herr-
schen. Mögliche Gründe nennt die Studie nicht.
Signifikante Unterschiede sehen die befragten Lehrkräfte nicht zwischen den Herkunfts-
ländern, sondern den Schultypen: So sind Schüler mit Migrationshintergrund in AHS en-
gagierter und fleißiger als ihre österreichischen Klassenkollegen, während sie in Haupt-
schulen oftmals negativ auffallen und schlechtere schulische Leistungen erbringen. Das-
selbe Bild zeichnet sich auch bezüglich des Elternhauses. Suchen Eltern mit Migrations-
hintergrund an AHS öfter den Kontakt mit Lehrern als österreichische Eltern, meiden sie
diesen an Hauptschulen. Als Grund dafür nennen Lehrer das Sprachproblem, wonach
viele Mütter keine Gespräche auf Deutsch führen können, während sich Väter tendenziell
aus dem Schulleben heraushalten" (Die Presse 2011).
Nur Lehrkräfte, die ein sozialpädagogisches Training auf dem Gebiet des Mobbings ab-
solviert haben, können mobbingspezifische Verhaltensweisen bei Tätern und Opfern er-
kennen und haben zudem die notwendige handlungsorientierte Kompetenz erworben,
Mobbing entgegenzuwirken. Lehrkräfte, die über solch ein Wissen verfügen, könnten
dann zum Beispiel daran denken, dass Kinder und/oder Jugendliche plötzlich der Schule
fernbleiben, obwohl sie vorher verlässliche Schüler waren, eventuell zu Mobbing-Opfern
geworden sind. Gerade Lehrer sind dafür prädestiniert, auf solche Anzeichen zu achten,
weil sie ihre Schüler, im Gegensatz zu allen anderen Berufsgruppen, die mit Schülern zu
tun haben wie beispielsweise professionellen Sozialpädagogen, über einen längeren Zeit-
raum kontinuierlich beobachten.
Frühzeitiges Erkennen kann auch beim Mobben verhindern, dass sich solch ein Verhal-
ten in der Klasse festsetzt. Das frühe Erkennen und Unterbinden von Mobbing kann Op-
fer vor psychischen und physischen Belastungen, Erkrankungen und vielleicht einem

52
Schulabbruch schützen. Bei Mobbing-Tätern kann eine Frühintervention verhindern,
dass sich deren sozialschädliches Verhalten verfestigt und sie beispielsweise früh delin-
quent werden. Lehrer, die nicht mit der Mobbing-Thematik vertraut sind, halten sich
vielleicht eher zurück, da sie nicht wissen, welche Maßnahmen zu ergreifen sind.
4.1.5 Psychologische und psychiatrische Probleme
Die Rate der körperlichen, akuten Krankheiten bei Jugendlichen nahm in den letzten Jah-
ren ab, dafür sind jedoch chronische und psychosomatische Erkrankungen und psychi-
sche Störungen in den Vordergrund getreten. Dies wird unter dem Begriff "neue Morbi-
dität" diskutiert
(vgl. American Academy of Pediatrics 1993: 731-733).
Die Ein-Jahres-Prävalenz psychischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen liegt zwi-
schen 22 und 27 Prozent. Für bis zu 17 Prozent der Kinder konnte irgendeine psychische
Störung ermittelt werden. Auch 50 Prozent der Depressionen beginnen im Kindes und
Jugendalter (vgl. Petermann 2000: 46ff).
Kindern aus der Allgemeinbevölkerung mit deutlichem Problemverhalten nehmen oft
keine psychosozialen Hilfen (wie zum Beispiel Beratungsstellen, Psychiater, Psychothe-
rapeuten) in Anspruch. Schätzungen zufolge bekommen lediglich circa 5 bis 10 Prozent
der Kinder mit psychischen Störungen professionelle Hilfe (vgl. Verhulst & van der Ende
1997: 901-909).
Eine Studie zur ,,Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland" (KiGGS),
die vom Robert Koch-Institut durchgeführt wurde, kommt zu dem Ergebnis, dass 14,7
Prozent der Kinder und Jugendlichen (3-17 Jahre) Hinweise auf psychische Auffälligkei-
ten aufzeigen (vgl. Schlack et al. 2008: 245).
Bei circa 20 Prozent der Kinder und Jugend-
lichen mit psychischen Störungen heißt dies, dass in jeder 30-köpfigen Klasse durch-
schnittlich vier bis fünf Schüler mit psychischen Problemen sitzen. Um pädagogisch an-
gemessen mit diesen Problemen umgehen zu können, ist Wissen über die Prävalenz psy-
chischer Probleme bei den Lehrern erforderlich.

53
Ein aktuelles Thema zu psychiatrischen Störungen bei Kindern und Jugendlichen ist bei-
spielsweise das
Aufmerksamkeitsdefizit Hyperaktivitäts Syndrom
. ADHS wird ätiolo-
gisch primär auf genetische Ursachen zurückgeführt und ,,ist mit erheblichen Einschrän-
kungen der psychischen und sozialen Funktionsfähigkeit und auch mit einer erheblichen
psychosozialen Belastung für die Familien und das soziale Umfeld, insbesondere auch
für das schulische Umfeld, verbunden" (Schlack et al. 2008: 252).
,,Insgesamt wurde bei 4,8 Prozent der Kinder und Jugendlichen jemals eine Aufmerksam-
keitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung diagnostiziert. Weitere 4,9 Prozent können als Ver-
dachtsfälle gelten" (Schlack et al. 2007: 830).
Bei ADHS ist zu bedenken, dass diese Symptomatik gerade im Kindesalter schwer von
entwicklungsbedingter Rastlosigkeit abzugrenzen ist (vgl. Bundesärztekammer 2005).
Umso wichtiger und essentieller erscheint eine bessere Ausbildung von Lehrkräften,
ADHS frühzeitig zu erkennen. Das frühzeitige Erkennen der Anzeichen dieser Entwick-
lungsstörung kann gerade durch Lehrkräfte erfolgen. Sie erleben die Kinder und Jugend-
lichen länger in Situationen, in denen diese still sitzen und sich konzentrieren müssen als
deren Familien und/oder andere Fachkräfte, die ohnehin meistens erst dann eingeschaltet
werden, wenn massive Symptome eintreten. Unterrichtssituationen bieten sich dazu an,
auf solche Anzeichen zu achten.
Es ist bekannt, dass gerade die Pubertät krisenhafte Entwicklungsphasen mit sich bringen
kann und ,,dass es in der Adoleszenz eine Reihe krisenhafter Entwicklungsabläufe gibt,
bei denen schwer zu entscheiden ist, ob es sich schon um psychopathologische Zustände
handelt, oder ob sie noch Ausdruck sehr stürmischer aber physiologischer Abläufe sind"
(Stolle 2001:11).
Gerade Lehrkräfte sollten deshalb über Basiswissen über Entwicklungspsychologie und
die speziellen psychologische Probleme Heranwachsender verfügen. Lehrer müssen in-
soweit trainiert werden, dass sie ,,normale" Entwicklungsvorgänge der Gehirnreifung
während bei der Pubertät von psychopathologischen Symptomen beziehungsweise Fehl-
entwicklungen, die ein psychotherapeutisches Eingreifen nötig machen, unterscheiden
können. Nur so ist es möglich, Anzeichen frühzeitig zu erkennen und bei Notwendigkeit

54
rechtzeitig Fachpersonal einzuschalten. Die Fachkenntnisse sind auch dafür notwendig,
um ein überflüssiges Einschalten von Fachpersonal ohne ernsthafte Notwendigkeit zu
vermeiden. Jeder Jugendliche kommt zwar in die Pubertät, aber nicht jeder Jugendliche
macht Probleme in der Pubertät in einem solchen Umfang durch, dass diese den Schul-
alltag (die Lehrtätigkeit der Lehrkraft und die Lerntätigkeit der gesamten Klasse) bezie-
hungsweise das gesellschaftliche Leben und die Teilhabe des Jugendlichen an diesem, in
einem Maße stören, dass ein psychotherapeutisches Eingreifen erforderlich ist.
Einerseits gibt es Eltern, die ihre Kinder schon bei kleinsten Anzeichen psychischer Auf-
fälligkeiten einem Arzt vorstellen beziehungsweise die jedes aufmüpfige Verhalten ihrer
Kinder schon als psychopathologisch auffassen.
Andererseits gibt es aber viel häufiger Eltern, die sich bei schwer problematischem Ver-
halten ihrer Kinder die Möglichkeit, dass das Verhalten ihres Kindes womöglich psycho-
pathologisch ist, ungern oder schwer eingestehen. Bei diesen Eltern kann es vorkommen,
dass sie auch erkennbar psychopathologisches Verhalten ihres Kindes eher der Pubertät
als irgendeiner psychischen Störung zuschreiben. Dies liegt daran, dass die meisten Eltern
den Wunsch haben, ,,normale" Kinder zu haben. Diese Eltern schalten bei auffälligem
Verhalten ihrer Kinder ungerne ärztliches Fahrpersonal ein, was sich daraus schließen
lässt, dass viele Kinder viel zu spät mit den entsprechenden Hilfeeinrichtungen in Kontakt
kommen (vgl. Petermann 2000: 51). Diese Eltern können aufgrund ihres eigenen Selbst-
bildes nicht (gut) akzeptieren, dass ihre Kinder psychopathologisch auffällig sind. Zum
einen dadurch bedingt, dass sie bewusst oder unterbewusst sich bewusst sind, dass das
Kind die eigenen Gene trägt und ein psychisch erkranktes Kind impliziert, dass auch die
Eltern selbst diese Gene in sich tragen. Zum anderen dadurch bedingt, dass sie den An-
spruch haben, dass ihre eigenen Kinder ,,normale" Kinder sind, die keine Fehler aufwei-
sen. Das Eingeständnis, dass das eigene Kind eine psychische Erkrankung hat, fällt eini-
gen Eltern nicht leicht. Zum Dritten haben sie das Gefühl, dass die Art und Weise, wie
sie ihre Kinder erzogen haben, eine Rolle bei psychopathologischem Auffälligkeiten spie-
len könnte, so dass dies noch ein Grund dafür sein könnte, dass sie sich solche Probleme
bei ihren Kindern nicht eingestehen. Näheres dazu wird im Kapitel 4.2.5 erläutert.
Lehrer müssen beide Extreme des Elternverhaltens erkennen, um bei Handlungsbedarf
sozialpädagogisch angemessen reagieren zu können. Zu späte Intervention bei psychi-
schen Auffälligkeiten kann immense Folgen haben und das Leben eines Schülers negativ

55
beeinflussen. Die Prävalenzrate psychischer Auffälligkeiten bei Kindern und Jugendli-
chen von knapp 20 Prozent belegt, dass psychische Erkrankungen im Kindes- und Ju-
gendalter keineswegs als Randprobleme anzusehen sind.
Zweisprachigkeit bedeutet meistens auch, dass diese Schüler zwei Kulturen in sich tragen
beziehungsweise dass sie zwei Kulturen erlebt haben. Der innere Widerstreit dieser zwei
Kulturen löst psychische Probleme aus. Der Konflikt kann bei türkischen Mädchen zum
Beispiel darin bestehen, dass sie einerseits gehorsame und "züchtige" Mädchen sein
möchten, die so leben wie der Koran es (angeblich) vorschreibt. Andererseits wünschen
sie sich genauso zu sein wie ihre westlichen Klassenkameradinnen. Sie möchten genauso
sexuell selbstbewusst und frei leben wie sie. Dieser Konflikt zwischen ihren sexuellen
Bedürfnissen als Mädchen (ihrem ,,Es") und den Koranvorschriften (ihrem ,,Über-Ich")
löst dann neurotisches Verhalten aus. Dieses neurotische Verhalten kann natürlich von
Mitschülern und Lehrern nicht verstanden werden, da der Konflikt sich innerhalb der Per-
son im Unterbewusstsein abspielt, also nicht äußerlich erkennbar. Es kann zu Unverständ-
nis bei den Mitschülern führen, weil diese nicht die Ursachen des ,,komischen" Verhal-
tens erkennen können. Eine Folge ist, dass die Mitschüler solche Mädchen dann aus der
Klassengemeinschaft ausschließen, was wiederum zu Mobbing führen kann. Auf der an-
deren Seiten führt dieses neurotische Verhalten auch zu Hilfelosigkeit und Unverständnis
bei den Lehrern, wenn diese keine sozialpädagogische Kompetenz haben.
Suizid ist bei Kindern und Jugendlichen nach Verkehrsunfällen die häufigste Todesursa-
che. 183 Kinder und Jugendliche bis 20 Jahre haben sich 2013 in Deutschland erfolgreich
umgebracht (Statistisches Bundesamt 2013)
"Psychische Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen nehmen enorm zu, die Unter-
suchungen des Gesundheitsamtes zeigen das seit einigen Jahren. Die beiden Kinder- und
Jugendpsychiatriehäuser der Stadt an der Uniklinik und in Holweide werden täglich mit
den dramatischen Folgen dieser Entwicklung konfrontiert. Jede Nacht werden ein bis drei
Kinder und Jugendliche in die Notaufnahme gebracht, die sich umbringen wollen. 'Wir
zählen inzwischen im Monat zwischen 50 und 60 solcher Suizidversuche', sagt Professor
Gerd Lehmkuhl und erinnert sich: 'Vor zwanzig Jahren gab es einen pro Woche.' Nicht
nur die Zahl der Suizidversuche habe sich erhöht, sondern auch der Altersdurchschnitt sei

56
gesunken, berichtet sein Holweider Kollege Professor Christoph Wewetzer: 'Schon ver-
zweifelte Zehnjährige versuchen, sich umzubringen.'
'Es gibt sicher viel mehr Fälle und die Dunkelziffer ist vermutlich viel höher', schätzt Dr.
Peter Melchers, Chefarzt der Kinder- und Jugendpsychiatrie am Kreiskrankenhaus Gum-
mersbach die Lage ein" (Lehmkuhl 2010).
4.1.5.1 Psychologische und psychiatrische Probleme speziell bei Flüchtlingen
,,Die Flüchtlinge haben oftmals traumatische Erlebnisse, die mit Krieg, Flucht und Ver-
treibung zu tun haben, hinter sich. Viele Frauen haben sexualisierte Gewalt erlebt. Hinzu
kommt bei einigen der Verlust wichtiger Bezugspersonen und auch der kulturellen Iden-
tität", berichtet Schouler-Ocak, die auch Leiterin des Fachreferats für Interkulturelle Psy-
chiatrie und Psychotherapie, Migration der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psy-
chotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde ist, anlässlich des Welttages für Sui-
zidprävention am 10. September 2015 (Ärzteblatt 07.09.2015).
,,Ausländische Studien wiesen darauf hin, dass die Rate an Posttraumatischen Belas-
tungsstörungen (PTBS) bei Flüchtlingen und Asylbewerbern um das Zehnfache höher ist
als in der Allgemeinbevölkerung. ,Leider gibt es keine repräsentative Untersuchung über
die psychische Gesundheit von Flüchtlingen in Deutschland`, sagte Schouler-Ocak. Da-
bei sei die Erfassung von Daten beziehungsweise Forschung gerade auch zur Suizidprä-
vention besonders wichtig" (ebd.).
Viele Lehrkräfte, die mit Kindern und Jugendlichen mit Fluchthintergrund zu tun haben,
stellen fest, dass einige dieser Schüler über Kopf- oder Bauchschmerzen klagen. Viele
Kinder und Jugendliche mit Fluchthintergrund haben, manchmal über Jahre anhaltende
Schlafstörungen. Diese körperlichen Beschwerden bleiben aber bei ärztlichen Untersu-
chungen meistens ohne organischen Befund und verweisen in den meisten Fällen auf in
der Vergangenheit entstandene Traumata, die in jedem Fall ernst zu nehmen
sind
(vgl.
Framhein 2009: 141 ­ 163).

57
Jugendliche wie auch andere Personen, die unter Traumafolgen leiden, wirken nach au-
ßen hin oft stabil und versuchen, eine positive Fassade vorzuspiegeln
(vgl. Heemann et
al. 1998: 129-142). Deshalb brauchen Lehrkräfte eine Traumafolgen-Awareness, damit
sie erkennen können, ob bei ihren Schülern Traumafolgen vorliegen, damit sie angemes-
sen darauf reagieren können.
Viele der Kinder aus den Kriegs- und Krisengebieten des Nahen Ostens sind traumatisiert
und depressiv, einige sogar suizidgefährdet (vgl. WDR Westpol 24.10.2014).
Der Alltag dieser Kinder und Jugendlichen in Deutschland ist zu einem großen Teil ge-
prägt durch die Erfahrungen vor und während der Flucht, sowie durch ihren rechtlichen
und sozialen Status. Orientierungslosigkeit und Zukunftsängste sind ständige Begleiter
der Kinder und Jugendlichen
(
vgl. Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung
2014: 6).
Die Unterrichtssituation mit Kindern und Jugendlichen mit Fluchthintergrund über viele
Stunden und Tage ist dazu prädestiniert, solche psychischen Störungen zu erkennen,
wenn der Lehrer die entsprechende Ausbildung hat. Vielleicht sogar noch eher als ein
durchschnittlich fünf- bis zehnminütiger Besuch beim Arzt oder Schulpsychologen.
Eine Vorbedingung, mit diesen Problemen umzugehen, ist, dass Lehrer sozialpädagogi-
sche Achtsamkeit, in dem Sinne des englischen Begriffs Awareness, entwickeln. Das
heißt, sie müssen eine ständige Achtsamkeit für die spezifischen Sozialisationsbedingun-
gen der Schüler, die komplett unterschiedlich zu denen sind, die sie bislang kennen ge-
lernt haben, entwickeln. Das Unterrichten traumatisierter Kinder und Jugendlicher ist eine
große Herausforderung und erfordert diese Awareness. Wenn Lehrkräfte mit solchen
Schülern arbeiten und diese in irgendeiner Form auffällig werden, müssen Lehrkräfte sich
immer wieder bewusst machen, was diese Schüler erlebt haben, welche Sozialisation
diese Schüler hatten und dass dies völlig unterschiedlich zu dem ist, was deutsche Kinder
im gleichen Alter erlebt haben.
Es könnte beispielsweise sein, dass Schüler tödliche Gewalt erlebt haben. Im schlimmsten
Fall haben diese Schüler sogar gesehen, wie Familienangehörige oder Freunde getötet
wurden. Dies kann zum einen zur Folge haben, dass diese Schüler verängstigt sind, weil
sie ständig mit extremer Gewalt rechnen, die ihnen von anderen angetan werden könnte.
Zum anderen müssen Lehrer aber auch damit rechnen, dass einige dieser Schüler extreme

58
Gewalt als einzigen Konfliktlösungsmechanismus kennen gelernt haben. Dadurch könnte
es sein, dass sie annehmen, dass ihre Mitschüler ihre Konflikte auch gewaltsam lösen.
Ein sozialpädagogisch kompetenter Lehrer muss seinen Schülern dabei behilflich sein,
Konfliktlösungsmechanismen zu entwickeln, die nicht auf Gewalt beruhen. Sozialpäda-
gogisch geschulte Lehrer könnten dann beispielsweise erkennen, dass einige Schüler in
bestimmten Situationen extrem verängstigt reagieren, weil sie beispielsweise bei verbalen
Auseinandersetzungen damit rechnen, dass sie körperlich angegriffen werden. Wie Leh-
rer mit solchen Schülern umgehen könnten, wird in Kapitel 4.2.8 näher erläutert.
Untersuchungen oder Auswertungen zum gelingenden Unterricht mit traumatisierten
Kindern und Jugendlichen mit Fluchthintergrund liegen zurzeit noch nicht vor. Das allei-
nige Verfolgen des ,,Lehrplans", der ja schließlich nur für deutsche Schüler entwickelt
wurde, erscheint in solchen Fällen nicht den Anforderungen angemessen und ist zum
Scheitern verurteilt.
Lehrkräfte sollten psychiatrische Auffälligkeiten bei ihren Schülern erkennen und not-
wendige Maßnahmen einleiten können. Es könnte beispielsweise sein, dass einzelne
Schüler dauerhaft müde sind und/oder vielleicht sogar während des Unterrichts einschla-
fen. Solche Auffälligkeiten können Warnsingale für verschiedene sozialpädagogische
Probleme wie beispielsweise Albträume, sexuellen Missbrauch oder ein permanentes Un-
sicherheitsgefühl als Folge von Gewalterfahrungen sein oder allgemein eine Lebenssitu-
ation, in der der Schüler nicht zum Schlafen kommt. Natürlich kann ein Lehrer solche
Probleme nicht behandeln, aber er kann sie dennoch frühzeitig erkennen, um dann Maß-
nahmen einzuleiten, damit sich Fachleute darum kümmern können.
Zudem
müssen Lehrkräfte, die mit solchen Schülern arbeiten, die Kompetenz besitzen,
ihren Schülern eine angstfreie Atmosphäre zu schaffen. Die Schule als solche könnte,
unabhängig von kriegerischen Auseinandersetzungen, für einige dieser Kinder durch au-
toritäre - gewaltsame Lehrer mit Angst besetzt gewesen sein. Viele der Kinder und Ju-
gendlichen bringen mit Schule etwas Anderes in Verbindung als es in Deutschland der
Fall ist. Siehe Kapitel 4.1.3.1.

59
Das frühzeitige Erkennen von Traumafolgestörungen beziehungsweise speziell einer
posttraumatischen Belastungsstörung, spielt bei der Unterrichtung von Kindern und Ju-
gendlichen mit Fluchthintergrund eine zentrale Rolle.
Die erste Untersuchung zur psychischen Gesundheit von Flüchtlingen wurde an der TU
München mit 100 syrischen Kindern in München durchgeführt. Die Studie ergab, dass
etwa ein Drittel der Kinder von schweren psychischen Störungen betroffen ist und jedes
fünfte Kind sogar an einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet. Die schweren
psychischen Störungen seien größtenteils darauf zurückzuführen, dass die Kinder unter
ständiger Bedrohung und Angst lebten. Laut der Studie sind die Kinder durchschnittlich
10 Monate auf der Flucht und sind dort täglich mit dem Tod konfrontiert. Die Eindrücke
aus dem Heimatland und zusätzlich die der Flucht zu verarbeiten, ist für die meisten Kin-
der und Jugendlichen sehr schwer (vgl. ärzteball.de 01.09.2015).
Mit hoch traumatisierten Kindern und Jugendlichen umzugehen, stellt eine immense Her-
ausforderung und Belastung für Lehrkräfte dar. Lehrer müssen neben der ,,normalen"
Lehramtsausbildung auf genau die Probleme vorbereitet werden, die Schüler mit Flucht-
hintergrund haben und es muss thematisiert werden, wie Lehrer mit diesen Problemen
dann umzugehen haben. Nur ein spezielles sozialpädagogisches Training für den Umgang
mit Schülern mit Fluchthintergrund würde hier Abhilfe schaffen. Näheres dazu in Kapitel
4.2.5.
4.1.6 Suchtprobleme
4.1.6.1 Stoffgebundene Süchte
Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung führt regelmäßig Repräsentativbefra-
gung zum Alkoholkonsum junger Menschen in Deutschland durch. Die zuletzt veröffent-
lichten Ergebnisse beruhen auf einer Befragung aus dem Jahr 2012, an der insgesamt
5.000 Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 12 bis 25 Jahren teilgenommen
haben (vgl. Drogen- und Suchtbericht 2015:18).

60
Die Verbreitung riskanten Alkoholkonsumverhaltens (der reale, tägliche Konsum ist hö-
her als der empfohlene) bei Kindern und Jugendlichen liegt bei circa 12 Prozent zwischen
12 und 17 Jahren. Er ist im Vergleich zu 2007 gesunken (2007: 12,7 Prozent der männli-
chen und 11,1 Prozent der weiblichen Jugendlichen), die Anteile im Jahr 2012 sind aber
mit 6,3 Prozent der männlichen und 3,9 Prozent der weiblichen Jugendlichen noch immer
viel zu hoch.
Gemessen an der Gesamtzahl der Fälle von Alkoholintoxikationen im Jahr 2000 (insge-
samt 9.514 Fälle) ist der Wert von 2013 immer noch etwa anderthalbfach erhöht (144,6
Prozent). Damals wurden mit insgesamt 101 alkoholvergifteten Kinder und Jugendlichen
pro 100.000 Einwohner etwa ein Drittel der entsprechenden Fallzahl von 2013 dokumen-
tiert (Drogen- und Suchtbericht 2915: 23).
Die akuten Alkoholvergiftungen bei Jugendlichen sind nur die Spitze des Eisbergs. Die
Fälle eines schweren Alkoholmissbrauchs sind um ein Vielfaches höher, so dass es sich
hierbei nicht um Ausnahmefälle handelt. Fälle schweren Alkoholmissbrauchs kommen
praktisch in jeder Klasse vor.
Rauschtrinken (auch als Komasaufen oder binge drinking bekannt) ist ein Bestandteil der
Jugendkultur und stellt ebenfalls ein ernstzunehmendes Problem dar. Von Rauschtrinken
wird dann gesprochen, wenn Jugendliche mindestens einmal im Monat sechs oder mehr
alkoholische Getränke bei einer Gelegenheit getrunken haben. Der Anteil der 11- bis 17-
Jährigen, die regelmäßiges Rauschtrinken praktizieren, liegt insgesamt bei 11,5 Prozent
(vgl.
Drogen- und Suchtbericht 2015:20). Der Begriff ,,Komasaufen" dokumentiert, dass
das Koma nicht als ein ungewollter Nebeneffekt, sondern als beabsichtigtes oder zumin-
dest einkalkuliertes Ziel der Freizeitaktivität angesehen werden muss.
Aus den Zahlen des Drogen- und Suchtberichtes geht hervor, dass auch schon einige 11-
Jährige in relevanter Größenordnung Alkohol trinken, so dass das Problem tendenziell
sogar schon fast Grundschullehrer betrifft.
Mit zunehmendem Alter steigt zudem der regelmäßige Alkoholkonsum, das heißt, min-
destens einmal die Woche Alkohol zu trinken, bei den 18-24-Jährigen auf circa 40 Pro-
zent an (vgl. Drogen- und Suchtbericht 2015:19).

61
Das zentrale Nervensystem ist bei Jugendlichen noch in der Entwicklung und weitaus
empfindlicher als bei Erwachsenen. Es wird extrem geschädigt mit unter Umständen le-
benslangen Folgen. Die Ausbildung des Hippocampus wird nachhaltig beeinträchtigt.
Das führt zu Depressionen und Wahnvorstellungen, Nachlassen des sexuellen Verlangens
und Sprachstörungen. In einem jungen Organismus entwickelt sich auch sehr schnell eine
körperliche Abhängigkeit. Alkoholmissbrauch führt bei Jugendlichen fast immer zu ei-
nem erheblichen Leistungsabfall in der Schule (vgl. Spiegel Online 10.11.2009).
Auch der Medikamentenmissbrauch ist ein Thema, das nicht unmittelbar mit Kindern und
Jugendlichen in Verbindung gebracht wird und mit welchem Lehrkräfte sich in der Regel
nicht auseinandersetzen. Schätzungen, wie viele Menschen in Deutschland tatsächlich
medikamentenabhängig sind, gehen weit auseinander. Eine Medikamentenabhängigkeit
ist durch Befragungen schwer zu erheben, allerdings ist es in Deutschland durch die ge-
setzlichen Krankenkassen möglich, an verwendbare Zahlen zu kommen, da die Kranken-
kassen Statistiken zu den Verordnungszahlen von Medikamenten erheben. Diese Statis-
tiken lassen erkennen, dass gerade Kinder und Jugendliche bestimmte Medikamente re-
gelmäßig verordnet bekommen.
Hier lassen sich hohe Verordnungszahlen bei Kindern und Jugendlichen in Bezug auf
methylphenidathaltige Medikamente erkennen. Mehr als 1,5 Prozent aller Kinder und
Jugendlichen in Deutschland wird mit Methylphenidat behandelt. Die höchsten Verord-
nungszahlen liegen bei den 9 bis 11 Jährigen (vgl. Kraut et al. 2013).
,,Im Jahr 2009 wurde Methylphenidat in Deutschland 184 mal [!] häufiger verschrieben
als 20 Jahre zuvor, berichtet das Team um Edeltraut Garbe vom Leibniz-Institut für Prä-
ventionsforschung und Epidemiologie in Bremen (BIPS), das die pharmakoepidemiolo-
gische Forschungsdatenbank des Instituts für das Jahre 2004 bis 2006 ausgewertet hat.
Die BIPS-Datenbank speist sich aus den Daten von vier gesetzlichen Krankenkassen mit
deutschlandweit 18 Millionen Mitgliedern" (ebd. / siehe auch Ärzteblatt.de 11.02.2013).
Auch härtere und harte Drogen spielen im Alltag vieler Jugendlicher eine Rolle. Laut
Drogen - und Suchtbericht 2015 hat im Jahr 2012 in Deutschland jeder dreizehnte Ju-
gendliche im Alter von zwölf bis 17 Jahren (7,8 Prozent) mindestens schon einmal im

62
Leben Cannabis zu sich genommen (Lebenszeitprävalenz) (vgl. Drogen- und Suchtbe-
richt 2015: 39) und 5,6 Prozent der 12- bis 17-Jährigen konsumierten in den letzten zwölf
Monaten vor der Befragung Cannabis (Zwölf-Monats-Prävalenz), 1,3 Prozent davon re-
gelmäßig (vgl. Drogen- und Suchtbericht 2015: 40). Bezogen auf alle jungen Erwachse-
nen beträgt die Zwölf-Monats-Prävalenz im Jahr 2012 15,8 Prozent (vgl. Drogen- und
Suchtbericht 2015: 43).
Zudem geht aus dem Drogen - und Suchtbericht hervor, dass ,,Cannabiskonsum bei den
unter 25-Jährigen mittlerweile der Hauptgrund für eine ambulante und stationäre Behand-
lung, sowie die Inanspruchnahme von Einrichtungen der Suchthilfe bei Problemen mit
illegalen Drogen ist" (ebd.). Diese Zahlen und Fakten zeigen, dass der Cannabiskonsum
kein Randphänomen ist, sondern längst zum Alltag vieler Jugendlicher gehört.
Lehrkräfte können durch den täglichen, kontinuierlichen Umgang am ehesten feststellen,
ob Anzeichen von regelmäßigem Cannabiskonsum, der dann beispielsweise auch die
Schulleistungen, den regelmäßigen Schulbesuch oder die Erledigung von Schulpflichten
negativ beeinflusst, vorliegen.
Hier gilt genau wie bei den zuvor erläuterten psychischen Problemen, dass Erziehungs-
berechtigte es unter Umständen nicht wahrhaben möchten oder nicht sehen, dass ihr Kind
unter einer Suchterkrankung leidet.
Lehrkräfte, die anstatt eine Suchterkrankung zu erkennen, dem Schüler beispielsweise
Faulheit und Undiszipliniertheit unterstellen und ihn immer wieder (sinnlos) ermahnen
und sanktionieren, könnten den betroffenen Schüler so zusätzlich demotivieren. Die Lehr-
kräfte greifen dann also nicht kausal an den Ursachen an. Auch hier gilt, dass ein Nicht-
erkennen beziehungsweise ein zu spätes Erkennen, schwerwiegende Folgen für den be-
troffenen Schüler haben kann.
Studien deuten darauf hin, dass ein früher Einstieg und beispielsweise regelmäßiger Al-
koholkonsum in jungen Jahren die Wahrscheinlichkeit beispielsweise problematischen
Konsums von Substanzen im späteren Leben und das Risiko für eine Abhängigkeit erhöht
(vgl. Kuntz et al. 2014: 1).

63
Es ist also wichtig, dass Lehrkräfte die basalen Symptome von Suchtverhaltens qualifi-
ziert erkennen. Je später Sucht erkannt wird, desto schwerer ist es, wieder davon loszu-
kommen. Dabei muss auch berücksichtigt werden, dass ein junges Gehirn schneller eine
Abhängigkeit entwickeln kann. Hier zeigt sich wieder einmal, dass sozialpädagogisch
besser ausgebildete Lehrkräfte zu der so wichtigen Früherkennung und Frühintervention
prädestiniert sind (siehe hierzu Kapitel 4.2.6).
4.1.6.2 Nicht-Stoffgebundene Süchte
Auch nicht-stoffgebundene Süchte, wie beispielsweise die Kauf- und/oder die Spielsucht,
werden immer häufiger. Mit der Differenzierung zwischen stoff- und nicht stoffgebunde-
nen Abhängigkeiten soll zum Ausdruck gebracht werden, dass Menschen auch von pa-
thologischen Verhaltensmustern derartig bestimmt werden können, dass diese einer Ab-
hängigkeit von Substanzen gleichkommen.
So ist heute beispielsweise auch die Computerspiel- und Internetabhängigkeit bei Schü-
lern ein sich immer weiter verbreitendes Problem. Bei dieser Abhängigkeit handelt es
sich um internet-und mediennutzungsbezogene Verhaltensweisen, die für das Individuum
tatsächlich oder potenziell schädliche Konsequenzen haben (vgl. Drogen- und Suchtbe-
richt 2015: 61).
Der Drogen- und Suchtbericht gibt zu verstehen, dass die PINTA-Studie für die Inter-
netabhängigkeit als wichtigste Referenzstudie angesehen werden kann, da sie bundes-
weite Repräsentativität beansprucht. So zeigen in der Altersgruppe der 14- bis 24-Jähri-
gen etwa 2,4 Prozent Anzeichen einer Abhängigkeit, unter den 14- bis 16-Jährigen sogar
4 Prozent. Unter ihnen sind etwa 100.000 14 bis 16-Jahre alt (vgl. Rumpf et al. 2011).
Auch die 2013 veröffentlichte Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
zur ,,Drogenaffinität Jugendlicher in der Bundesrepublik" in Bezug auf die Nutzung von
Computerspielen und Internet zeigt, dass 2,5 Prozent der 12- bis 25-jährigen Jugendlichen
und jungen Erwachsenen nach der ,,Compulsive Internet Use Scale" als exzessive Inter-
netnutzende beziehungsweise exzessive Computerspielende einzustufen. Dabei gibt es

64
keine Geschlechtsunterschiede. Bei den 12- bis 17-jährigen Jugendlichen ist mit drei Pro-
zent ein etwas größerer Anteil als bei den 18- bis 25-jährigen Erwachsenen (2 Prozent)
betroffen (vgl. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung 2013:10).
Das bedeutet, dass jede Lehrkraft im statistischen Mittel nahezu einen Schüler (0,75) in
seiner 30-köpfigen Klasse hat, der schädliche mediennutzungsbezogene Verhaltenswei-
sen aufweisen. Lehrkräfte könnten gerade Anzeichen, die schädliches mediennutzungs-
bezogenes Verhalten betrifft, gut während des Unterrichts beobachten. Aufmerksamen
Lehrkräften könnten Symptome für eine solche Sucht auffallen. Als wichtigstes Symptom
sollte dem Lehrer auffallen, dass ein Schüler, der beispielsweise gute Leistungen in der
Schule erbrachte und immer zuverlässig war, vermehrt seine Hausaufgaben nicht erledigt.
Weitere Symptome könnten beispielsweise Müdigkeit oder Abgelenktheit sein. Im wei-
teren Verlauf der Sucht kann es sein, dass der Schüler mehr und mehr in einer virtuellen
Parallelwelt lebt und er kaum noch dem Unterricht folgt. Als letztes Symptom folgt dann
das Fernblieben vom Unterricht.
Lehrkräfte, die solch ein Verhalten nicht richtig einschätzen können, werden mit ihrem
üblichem pädagogischem Standardarsenal an ihre Grenzen stoßen. Sie werden bei sol-
chen Schülern mit üblichen Sanktionen nicht weiterkommen. Hier würden sozialpädago-
gische Kompetenzen helfen. Lehrkräfte, die schon während ihrer Lehramtsausbildung auf
solche Problematiken vorbereitet wurden, können diese Probleme erkennen.
In verschiedenen neurowissenschaftlichen Studien wurde bewiesen, dass beim Training
beziehungsweise Spielen am Computer kein Ferntransfer innerhalb des Gehirns stattfin-
det, sondern es werden nur die Hirnareale trainiert, die man beim Spielen wirklich nutzt.
Die speziellen Fähigkeiten, die man beim Umgang mit den digitalen Medien erwirbt,
werden nicht mit anderen Regionen vernetzt. Es werden nur die spezifischen Hirnareale
trainiert, die man beim Umgang mit dem Computer, sei es beim Spielen oder beim Um-
gang mit sozialen Medien, nutzt. Das heißt, exzessives Computerspielen und Internetak-
tivitäten führen zu einem ausschließlich spezifischen Training des Gehirns, bei dem viele
andere Hirnfunktionen, die für das reale Leben wichtig sind, verkümmern. Dazu gehören
sämtliche motorischen Gehirnfunktionen wie zum Beispiel Körperbalance, aber auch so-
ziale Kompetenzen im realen Leben (vgl. Max-Planck-Institut 2013)..

65
4.1.7 Probleme mit religiösem/politischem Fanatismus
Exakte Angaben bezüglich der Mitgliederzahlen von sogenannten Sekten und Kulten ste-
hen nicht zur Verfügung. Allein für die Bundesrepublik Deutschland lassen sich unter-
schiedliche Zahlenangaben zur Prävalenz finden. Viele Mitglieder solcher Gruppierun-
gen sehen sich selbst nicht als Sektenmitglieder an und ,,outen" sich somit auch nicht als
solche. Zudem wird der Begriff Sekte unterschiedlich definiert.
Laut Endbericht der Enquete - Kommission ,,Sogenannte Sekten und Psychogruppen" des
Deutschen Bundestages, der am 19.06.1998 der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, wach-
sen in der Bundesrepublik Deutschland etwa 100.000 bis 200.000 Kinder und Jugendliche
unter 18 Jahren bei Eltern auf, die einer neuen religiösen Gemeinschaft oder Psycho-
gruppe angehören. Statistisch bedeutet dies, dass in jeder dritten 30­köpfigen Schulklasse
durchschnittlich ein Schüler (0,34) ist, dessen Eltern einer Sekte oder einer religiösen
Gemeinschaft angehören. Ein kleiner Teil dieser Kinder und Jugendlichen besucht eine
religiös ausgerichtete Privatschule, der größere Teil nimmt am Unterricht einer staatli-
chen Schule teil (vgl. Deutscher Bundestag 1998).
Es gibt eine nicht unerhebliche Anzahl kleiner, wenig bekannter Gruppierungen mit kon-
fliktträchtigen Strukturen. Ihre Zahl nimmt ständig zu, ebenso wie die Anzahl unseriöser
Angebote auf dem alternativem Gesundheitsmarkt, sowie dem esoterischem Lebenshil-
femarkt (vgl. Grotepass & Riede 2015).
Laut Sekten-Info NRW nahmen 1.302 Menschen an den Schulungen des Sekten-Info
Nordrhein-Westfalen e. V. teil. Der größte Teil der Veranstaltungen (33 Stück) fand für
Jugendliche statt. Auf Fachtagungen für Lehrer fanden sieben Informationsveranstaltun-
gen des Sekten-Info Nordrhein-Westfalen e.V. statt. Weitere elf Vorträge fanden der
Sekten-Info fanden in der Erwachsenenbildung (Volkshochschulen, Gemeinden, Eltern-
kreise) statt. ,,Die statistische Auswertung der Beratungsarbeit zeigt zwar nicht, wie viele
Kinder und Jugendliche tatsächlich Mitglieder einer Sekte sind, doch die Auswertung
zeigt, dass weltanschauliche Angebote in der Gesellschaft immer vielfältiger werden".
(ebd.). Die Anzahl an Fortbildungen zeigt, dass offensichtlich ein gesellschaftliches

66
Problem besteht, das einen Beratungsbedarf erzeugt, die eine entsprechende Informa-
tionsnachfrage mit sich bringt (vgl. Sekten-Info NRW 2015).
Der Umfang an Beratungsbedarf zeigt, dass immer mehr verschiedene weltanschauliche
und zum Teil auch radikale Gruppierungen auf dem Markt erscheinen. Lehrer sind prä-
destiniert dafür, dies abzufangen und den Schülern zu helfen, mit dem immer größer
werdenden Markt weltanschaulicher Angebote umzugehen. Der Lehrer ist auch hier der
einzige, der den Schülern als Ansprechpartner zur Verfügung steht (näher erläutert in
Kapitel 4.2.7).
Schüler aus Familien, deren Eltern sich ausschließlich in solchen Gruppierungen bewe-
gen, bekommen unter Umständen Akzeptanzprobleme mit ihren Mitschülern, da solche
Schüler oft völlig andere Lebensstile und Einstellungen haben, so dass sie schneller zu
Außenseitern werden. Sie haben es schwerer, sich in die Schulgemeinschaft zu integrie-
ren, da sie oftmals einen konträren Lebensstil ­ sei es das Essen, die Kleidung oder die
Sprache- zu dem der Klassenkammeraden haben. Aus dieser Andersartigkeit resultiert ein
Außenseitersein, das im schlimmsten Fall in handfestem Mobbing mit all den im Mob-
bing-Kapitel genannten Folgen enden kann. Gerade solche Schüler, die einen völlig an-
deren Lebensstil (beispielsweise kommen solche Schüler in konservativer respektive alt-
modischer Kleidung zur Schule) und völlig andere Ansichten haben, sind dazu prädesti-
niert, Mobbing-Opfer zu werden.
Ein Schüler, der zu Hause Weltansichten vermittelt bekommt, die nicht mit denen der
anderen Schüler übereinstimmen, wird von der Klassengemeinschaft ausgeschlossen und
wird dadurch zum Außenseiter. Diese Rolle des Außenseiters kann sich im Laufe der Zeit
verfestigen und im gesamten Leben zu psychosozialen Problemen führen.
Probleme können sich beispielsweise aus den Bildungszielen einer Gemeinschaft mit al-
ternativen Weltanschauungen ergeben. In Sekten wie beispielsweise den Zeugen Jehovas
stehen deren religiöse Lehren und Weltuntergangsprophezeiungen im totalen Gegensatz
zu den Naturwissenschaften. Bei den Schülern kann dies dann erhebliche Verwirrungen
und Hemmungen der Lernmotivation zur Folge haben. Die Bildung verliert ihren Stellen-
wert, da in naher Zukunft ohnehin das ,,Harmageddon" erwartet wird und somit eine neue
Welt hereinbreche (vgl. Thiede 1995: 224ff).
Kinder und auch Jugendliche, die diese

67
Weltanschauung von Kleinkindesalter von ihren engsten Bezugspersonen, denen sie ver-
trauen, vermittelt bekommen, glauben beispielsweise an einen kurz bevorstehenden Welt-
untergang.
Diese Kinder und Jugendlichen zeigen weniger Interesse am Unterricht, da schulischer
Unterricht nicht zum Erreichen ihrer religiösen, radikalen oder sogar fanatischen Ziele
beiträgt (vgl. Sekten-Info NRW 2015).
In kreativen Schulfächern kann es sein, dass solche Schüler völlig versagen, da selbst-
ständiges Denken und eigene Gedanken, die kreativ und phantasievoll sind, von deren
Familien und/oder Lebensgemeinschaften abgelehnt werden.
Die Autorität des Lehrers in der Schule steht oftmals in einem ständigen Konflikt zu der
Autorität der Eltern beziehungsweise zur Autorität der radikalen Lebensgemeinschaft, in
der die Schüler die meiste Zeit ihres außerschulischen Lebens verbringen.
Es kann zum Beispiel auch vorkommen, dass Schüler durch ihre Eltern dazu angehalten
werden, in der Schule zu missionieren, was zur Verstärkung der Außenseiterrolle führt
und demzufolge das Mobbing und die Konflikte mit der Klasse verschärft.
Außerdem werden einige Eltern von beispielsweise Zeugen Jehovas Schülern versuchen,
Einfluss auf den Unterricht des Lehrers zu nehmen (vgl. Sekten-Info NRW 2015). Lehrer
sollten während ihrer Ausbildung lernen, wie mit derartigen Versuchen, Einfluss zu neh-
men, umzugehen ist und wie diese abzuwehren sind.
Gerade Lehrkräfte können ,,nebenbei" im Unterricht, ohne eine künstliche Gesprächsat-
mosphäre erschaffen zu müssen, wie dies beispielsweise bei Psychologen der Fall ist,
durch Äußerungen und Einstellungen, die ihre Schüler während des Unterrichtes machen,
gut erkennen, ob Schüler in ihrem Umfeld durch massive Indoktrination gefährdet sind.
Auch hier ist wieder Früherkennung und Frühintervention entscheidend, um die schädli-
chen Auswirkungen von beispielsweise Radikalisierungen möglichst gering zu halten.
Man kann von den meisten Lehrern nicht erwarten, dass sie die dafür notwendigen Kom-
petenzen von alleine entwickeln, sondern es müssen entsprechende Ausbildungs- bezie-
hungsweise Fortbildungsangebote gemacht werden.

68
Ohne Kurse und Seminare können Lehrer ihre Schüler nicht vor gefährlicher Indoktrina-
tion schützen, da sie so spezifische Probleme (wie beispielsweise den Konflikt mit El-
ternrechten) nicht ohne juristische Kenntnisse lösen können. Schüler, die beispielsweise
während der Pubertät bemerken, dass die Weltanschauungen ihrer Sekte, nicht mehr ver-
tretbar für sie sind, schaffen es nicht, alleine auszusteigen, da zum Beispiel die Schwelle,
zu Informationsveranstaltungen von sogenannten Ausstiegshelfern zu gehen, sehr hoch
ist. Denn dies setzt voraus, dass der betroffene Schüler sich gegen seine Eltern stellt. So-
mit könnte gerade in der Schule Aufklärungs- und Beratungsarbeit geleistet werden be-
ziehungsweise der Lehrer als erster Ansprechpartner mit einer niedrigen Schwelle ver-
fügbar sein.
Neben Sekten gibt es auch Gruppierungen, die politisch/religiös fanatisch eingestellt sind
(die zum Beispiel ein Kalifat wollen). So berichtet Spiegel Online am 19.06.2014 bei-
spielsweise, dass ,,allein 320 Deutsche inzwischen nach Angaben des Verfassungsschut-
zes nach Syrien gereist [seien, um dort zu kämpfen]" (Spiegel Online 19.06.2014). Mitt-
lerweile dürfte diese Zahl erheblich angestiegen sein. Es handelt sich bei diesen Personen
um junge Erwachsene, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind. Das heißt, sie
wurden in Deutschland sozialisiert und sind auch ausschließlich in Deutschland zur
Schule gegangen.
Es scheint, als ob sie in Deutschland so schlecht integriert wurden, dass sie es vorziehen,
sich einer Massenmörderorganisation wie beispielsweise der ISIS anzuschließen und sich
dort, in einem Dritte-Welt-Land, besser integriert und dazugehörig fühlen als in Deutsch-
land. Die Tatsache, dass eine relevante Anzahl solcher Schüler sich solchen Organisatio-
nen anschließt, obwohl viele von ihnen dort bei ihrem Vorhaben schon umgekommen
sind, beweist, dass die Lehrer es nicht geschafft haben, die Schüler in mindestens 10 Jah-
ren Schulbesuch zu integrieren.
Christoph Grotepass, Sektenexperte in Nordrhein-Westfalen, erklärt in einem Interview
im Kölner Stadtanzeiger am 17.10.2014, dass religiöser Fanatismus entsteht, ,,indem er
[der Schüler] bestimmte Werte als absolut setzt und seine Wahrheit über alles andere
stellt. Das ist ein durchgängiges Merkmal von religiösen Fanatikern, dass sie ihrer Wahr-

69
heit alles andere unterordnen [...], da sie ja meinen, den einzig wahren Islam zu verkör-
pern. Das wiederum ­ dass man im Besitz der einzigen Wahrheit ist ­ hören wir auch von
anderen konfliktträchtigen Weltanschauungsgemeinschaften bzw. sogenannten Sekten".
Zudem erklärt der Sektenexperte, dass ,,autoritäre Strukturen, Schwarz-Weiß-Bilder, das
Ausnutzen des jugendlichen Idealismus, die Abschottung von der angeblich bösen Au-
ßenwelt und die Feindbilder" Merkmale religiöser Fanatiker sind.
Problematisch sei es, dass gerade Jugendliche idealistisch seien, so dass sie ,,sich für eine
höhere Sache einsetzen. Bei den Islamisten erleben sie erstmals das Gefühl, wichtig zu
sein. Ihr islamischer Hintergrund wird nicht wie sonst als problematisch erlebt, sondern
wird geradezu verklärt. Sie bekommen die Botschaft, dass sie gebraucht werden. Dass sie
Teil der Lösung sind, nicht des Problems" (Kölner Stadtanzeiger 17.10.2014).
Es kann der Politik nicht egal sein, wenn ein wachsender Anteil der Schülerschaft sich
durch religiöse/politische Indoktrination in fanatischen Lebensgemeinschaften aus der
freiheitlich demokratischen Grundordnung verabschiedet. Deshalb kommt auch hier den
Lehrern als Vertreter der Politik wieder die wichtige Aufgabe der Früherkennung und
Frühintervention zu.
Frühes Erkennen schädlicher Indoktrination durch die Familie beziehungsweise aus der
Lebensgemeinschaft solcher Schüler kann ein Abgleiten in radikale oder fanatische Le-
bensstile verhindern. Schülern aus politisch-religiös fanatischen Lebensgemeinschaften
verschließen sich einem breiten Bildungserwerb in der Schule, so dass ihnen der Zugang
zu einem ihrem Intellekt angemessenem Schulabschluss verwehrt bleibt. Es ist auch hier
wichtig, dass schon in den Anfängen gegengesteuert wird, denn je länger eine radikali-
sierende oder sogar fanatisierende Indoktrination anhält, desto schwerer ist es, ihre Aus-
wirkungen rückgängig zu machen.
Welche Folgen die Mitgliedschaft Jugendlicher in extremistischen politisch/religiösen
Sekten haben kann zeigte der Terroranschlag in Frankreich im November 2015. Hier ließ
sich drastisch erkennen was passieren kann, wenn Lehrer nicht über die notwendigen
sozialpädagogischen Kompetenzen verfügen, die Kinder von Migranten von Anfang an
in die Mehrheitsgesellschaft zu integrieren. Aus den Ereignissen ist zu schließen, dass
diese Kompetenzen bei der Mehrzahl von Lehrern nicht vorhanden waren und sind. Ohne

70
vermehrte sozialpädagogische Kompetenzen bei den Lehrern scheinen aber alle Integra-
tionsbemühungen meist zu scheitern.
Lehrer müssen sich darüber bewusst werden, dass eine möglichst schnelle, frühzeitige
und vollständige Integration von Schülern mit Migrations- und Fluchthintergrund zum
wesentlichen Bestandteil ihres Aufgabenfeldes werden muss. Die aktuellen Ereignisse in
Frankreich zeigen sehr deutlich, was geschieht, wenn Integration nicht gelingt. In den
60er Jahren fand dort praktisch die gleiche Masseneinwanderung statt, wie sie derzeit in
Deutschland stattfindet. In den 60er Jahren kamen arabische Migranten nach den kriege-
rischen Auseinandersetzungen in den ehemaligen französischen Kolonien in Nordafrika
nach Frankreich. Diese konnten sich in Frankreich nicht integrieren, so dass sich Schritt
für Schritt in den Pariser Banlieues Ghettos bildeten, die eine Parallelkultur ausbildeten.
Solchen Parallelkulturen sind ein idealer Nährboden für radikale und fanatische Einstel-
lungen wegen ihrer Abneigung der Mehrheitskultur.
Die Jugendlichen, die an diesem Terroranschlag beteiligt waren, wurden alle in Frank-
reich geboren. Diese Situation, in der Radikale aus solchen Banlieues einen Terrroran-
schlag auf die Mehrheitsgesellschaft ausübten, ist ein Beispiel dafür, dass Integration
nicht von alleine passiert, nur weil Menschen lange genug in einem Land leben, sondern
dass die Integration fachmännisch angegangen werden muss.
Zudem müssen Lehrer wissen, dass ein Großteil der Radikalisierung über das Internet
läuft. So haben beispielsweise die französischen Attentäter Frankreich niemals verlassen.
Trotzdem fühlten sie sich durch das Internet dem IS mehr zugehörig als Frankreich.
4.1.8 Probleme mit delinquenten/ gewalttätigen Schülern
Die Delinquenzverbreitung unter Schülern ist im Dunkelfeld deutlich höher als im
Hellfeld. Schon nach den von dem Münsteraner Kriminologen Professor Boers ermittel-
ten Jahresprävalenzraten, die auf in jährlichem Abstand wiederholten schriftlichen Befra-

71
gungen von Schülerin im Klassenverband beruhen, hat bis zu einem Fünftel der Befrag-
ten, in den letzten 12 Monaten ein Bagatelldelikt wie Ladendiebstahl begangen. Die Prä-
valenzrate für Körperverletzung ohne Waffen betrug in Münster bis zu 12 Prozent und in
Duisburg bis zu 17 Prozent, bei den einzelnen Sachbeschädigungsdelikten bis zu 14 Pro-
zent (vgl. Boers et al. 2006: 6).
Doch Lehrer sollten auch wissen, dass es nicht nur generell delinquente Schüler, sondern
auch Schüler gibt, die als Mehrfachtäter gelten. Mehrfachtäter bilden seit langem die ei-
gentliche kriminologische und kriminalpolitische Problemgruppe. Unter Mehrfachtäter
sind circa 6 Prozent der Schüler, die fünf und mehr (schwere) Delikte beziehungsweise
mit rund der Hälfte aller Straftaten sowie den meisten Gewaltdelikten auffallen, zu
verstehen. Als Beispiel sei genannt, dass in Duisburg 9 Prozent aller befragten Jungen
und 4 Prozent aller Mädchen mehrfach Gewaltdelikte begangen haben. Bei schweren Ge-
waltdelikten, also bei Körperverletzung mit Waffen, betrug die maximale Quote in einer
achten Klasse 4,3 beziehungsweise 0,9 Prozent (vgl. Boers et al. 2006: 11).
Rund 14 Prozent aller Schüler sind also delinquent, das heißt, in jeder statistisch durch-
schnittlichen Klasse von 30 Schülern sind im letzten Jahr also durchschnittlich vier bis
fünf Schüler delinquent gewesen. Es ist notwendig, dass sich Lehrer dieser hohen Zahl
bewusst sind und dass sie über die notwendige Kompetenz verfügen, damit sozialpäda-
gogisch adäquat umzugehen.
Im bundesweit repräsentativen Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS) wurden
Gewalterfahrungen von Kindern und Jugendlichen untersucht, da diese im schulischen
Bereich häufig vorkommen. Zwar ist mit den KiGGS-Daten keine konkrete Aussage zum
Ort des Gewaltereignisses möglich, es lässt sich jedoch die Verteilung der Gewalterfah-
rungen nach besuchter Schulform des Kindes/Jugendlichen untersuchen. Hier waren vor
allem Hauptschüler als Gruppe mit der höchsten Rate an Tätern und mit der stärksten
Gewaltbefürwortung und die Gesamtschüler als die Gruppe mit den höchsten Anteilen an
Opfern und den psychosozial besonders belasteten Täter/Opfern besonders stark betrof-
fen (vgl.
Schlack et al. 2008: 246).
Diese Zahlen belegen, dass Gewalterfahrungen und Ge-
waltanwendung zum Alltag vieler Schüler gehören, so dass es deshalb unzulässig ist,
wenn Lehrer diesen Problembereich aus ihrem beruflichen Aufmerksamkeitsbereich aus-
blenden beziehungsweise als nicht zu ihrem beruflichen Aufgabenbereich zugehörig

72
empfinden. Jugendkriminologisches beziehungsweise kriminologisches Basiswissen ist
wichtig für alle Lehrkräfte, um Kompetenzen für einen pädagogisch angemessenen Um-
gang damit zu entwickeln. Delinquenz ist ein Thema, dem jede Lehrkraft im täglichen
Berufsleben begegnen wird.
4.1.8.1 Probleme mit delinquenten/gewalttätigen Schülern mit Migrationshintergrund
Jugendliche mit Migrationshintergrund fallen durch erhöhte Delinquenzraten auf und gel-
ten seit geraumer Zeit als die eigentliche kriminologische Problemgruppe (vgl. Kaiser
1996, S. 668; Geißler 2003, S. 28ff), manche sprechen sogar von ,,tickenden sozialen
Zeitbomben" und haben im Kopf das Bild des ,,Machotürken" oder des ,,gewalttätigen
Russlanddeutschen" (vgl. Kaiser 1996: 662; Steffen et al. 2001: 251).
Die Befundlage zur selbstberichteten Delinquenz unter jugendlichen Migranten ist nicht
ganz einheitlich, aber einige neuere Untersuchungen deuten auf überdurchschnittlich
hohe Täterraten etwa unter türkischstämmigen Jugendlichen und jungen Migranten aus
dem ehemaligen Jugoslawien, vor allem im Bereich der Gewaltdelinquenz, hin (vgl. Na-
plava 2002:7).
Enzmann et al. haben die Delinquenzverbreitung unter jugendlichen Mig-
ranten untersucht und halten eine höhere Delinquenzrate unter ihnen für ,,empirisch ge-
klärt" (vgl. Enzmann et al. 2004: 264).
Zur Erklärung wird oft auf verstärkte Sozialisationsprobleme von Migrantenkindern
verwiesen, die auf Orientierungsschwierigkeiten als Folge eines ,,inneren Kulturkonflik-
tes", größere innerfamiliäre Belastungen (bis hin zu vermehrter elterlicher Gewalt) oder
auch auf Ausgrenzungs- und Ablehnungserfahrungen zurückgeführt werden. In jüngerer
Zeit ist besonders die Bedeutung einer (möglicherweise aus den genannten Faktoren
resultierenden) größeren Verbreitung problematischer Normorientierungen hervorgeho-
ben worden, bei denen patriarchale Rollenvorstellungen und als vormodern eingestufte
Gewalteinstellungen im Vordergrund stehen (vgl. Enzmann et al. 2004: 276).

73
Lehrkräfte, die über dieses Wissen nicht verfügen, werden Schwierigkeiten damit haben,
angemessen auf solche Schüler einzugehen. Durch reine Sanktionierung, die wenig ge-
schulte Lehrkräfte unter Umständen vermehrt anwenden, ist solchen Schülern nicht ge-
holfen. Eher im Gegenteil: Falsche Behandlung durch Lehrkräfte kann das Abrutschen
solcher Schüler in Kriminalität noch fördern. Lehrkräfte, die sich dieser Problematik be-
wusst sind und es gelernt haben, angemessen mit dieser Problematik umzugehen, können
sinnvolle Interventionen veranlassen (siehe auch Kapitel 4.2.8).
Jugendkriminologisches Wissen ist beispielsweise auch wichtig, damit Lehrkräfte sich
immer vor Augen halten, dass Ausländer keine homogene Gruppe sind. So ist es für Lehr-
kräfte auch von Bedeutung zu wissen, dass es beispielsweise auch Gruppierungen unter
den Migranten gibt, die bessere Schulabschlüsse als deutsche Schüler besitzen können
und dass türkische Mädchen zum Beispiel oftmals weniger kriminell als deutsche sind
(vgl. Boers et al. 2006:19).
Eine mögliche Interpretation wäre, dass türkische Mädchen eher zur Passivität und Sub-
missivität in der Familie und Gesellschaft und türkische Jungen eher zur Dominanz in der
Familie und Gesellschaft (,,Machotum") erzogen werden. Die Erziehung zur Dominanz
führt zu einer erhöhten Aggressivität. Diese erhöhte Aggressivität wiederum bedingt eine
höhere Neigung zu kriminellem Verhalten. Gleichzeitig kann erhöhte Aggressivität be-
dingen, dass Bildung eine geringere Wertigkeit besitzt, weil sie von männlichen Schülern
mit Migrationshintergrund als unmännlich angesehen wird. Dies wiederum führt dann zu
niedrigeren Bildungsabschlüssen.
4.1.8.2 Probleme mit Jugendgangs
Gangs oder andere Gruppen, in denen gleiche Interessen oder Werte vorherrschen, geben
sich unwillkommen fühlenden Jugendlichen Halt und eine Form von Geborgenheit. Um
solch einem Abgleiten in beispielsweise radikale Gruppierungen entgegenzuwirken, müs-
sen Lehrkräfte um die Bedürfnisse solcher Jugendlicher wissen.
Sämtliche Elemente der Jugendkultur, sowohl positive als auch negative, aus den USA

74
kommen mit gewisser Wahrscheinlichkeit und Verzögerung auch in Deutschland an. Un-
ter dem Vorbehalt, dass Prognosen immer falsch sein können, zeigen bisherige Erfahrun-
gen, dass Gangs oder zumindest gangähnliche Gruppierungen, auch zunehmend in
Deutschland auftreten.
Die Forschung zeigt, dass organisierte Banden mit festen Mitgliedern und Territorien wie
zum Beispiel in den USA, in Deutschland eher nicht vorkommen. Bis 1991 nahm man
an, dass der Trend aus den USA sich bald auch in Deutschland zeigen und dann etablieren
würde (vgl. Rolinski 1983: 465ff). In Deutschland entwickelt sich der Trend jedoch eher
zur losen, namenlosen Spontan-oder Zufallsgruppen (vgl. Wöbke-Ekert 1998: 31).
Die Mitglieder dieser Gruppen treffen sich zum gemeinsamen "Spaß, Konsum und Erle-
ben" (vgl. Steinert & Kersten 1997: 79) meist an einem festen Treffpunkt und ,,begehen
von dort aus unter wechselnder Beteiligung insbesondere Diebstahls- und Raubdelikte,
Körperverletzungen und Sachbeschädigungen" (Förtig 2002: 37).
Im Gegensatz zu den USA ,,haben sie keinen Bandennamen, keine interne Hierarchie und
keine festgelegten Mitgliedschaften, Rollen und Regelungen"
(Kräupl et al. 1995: 12f).
Das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) führt seit 1998 wiederholt
Dunkelfeldbefragungen von Neuntklässlern in verschiedenen Städten durch, um Daten
über das Gesamtausmaß von Kriminalität und Abweichung zu erfassen.
In diesen Befragungen wurden insgesamt 2960 Neuntklässler- und Zehntklässler aus
Rostock und Delmenhorst zu den thematische Schwerpunkten Jugendgewalt in Opfer-
und Täterperspektive, weiteres delinquentes Verhalten, abweichendes Verhalten (Dro-
genkonsum, Schulschwänzen), Bedingungsfaktoren (z.B. elterliche Gewalt), Kriminali-
tätsfurcht, Ausländerfeindlichkeit und stadtteilbezogene Auswertungen befragt.
Die Forschungsergebnisse des KFN zeigen, dass gewaltbefürwortende Einstellungen
häufiger bei Jugendlichen in Jugendbanden beziehungsweise Cliquen als bei sonstigen
Jugendlichen vorkommen. Von den Befragten sind die Jugendlichen aus Jugendbanden
für 57,3 Prozent der berichteten Gewalthandlungen verantwortlich.
Zu den devianten Cliquen gehören 10,6 Prozent aller Jugendlichen, wobei der Anteil bei
den Jungen bei 14,5 Prozent, der Anteil der Mädchen hingegen bei 6,6 Prozent liegt.
Aus der genannten Zahl von 10,6 Prozent aller Jugendlichen, die in devianten Gangs sind,
ergibt sich für den Lehrer einer statistisch durchschnittlichen Klasse von 30 Schülern,

75
dass ihn in jeder Klasse durchschnittlich 3 Schüler gegenüber sitzen, die Mitglieder in
devianten Jugendgruppen sind. Es handelt sich also auch hierbei keinesfalls um ein Aus-
nahmeproblem.
Unter den Jugendlichen ausländischer Abstammung ist die Rate der Jugendlichen in de-
vianten Cliquen bei den eingebürgerten Jugendlichen, die sich am längsten in Deutsch-
land aufhalten, mit 23,6 Prozent am höchsten. Junge Ausländer kommen auf eine Rate
von 20,3 Prozent (vgl. Wetzels & Enzmann 1999: 121ff).
Bei fehlender Akkulturation steigt das Risiko der Segregation an.
Gerade jugendliche Flüchtlinge, die nicht gut integriert sind, laufen Gefahr, Mitglied ei-
ner solchen Gruppe zu werden oder sich zu solchen Gruppierungen zusammenzuschlie-
ßen. Lehrkräfte brauchen dieses Wissen, um einen Blick dafür zu entwickeln, wer gefähr-
det ist.
Die polizeiliche Kriminalstatistik scheint nicht geeignet, um die Delinquenz durch Ju-
gendbanden darzustellen, da sie meist nur Erwachsene erfasst und grundsätzlich über die
Begehung der erfassten Delikte in Gangs nichts aussagt. Laut polizeilicher Begriffsbe-
stimmung liegt schon dann eine Gruppe vor, wenn es sich bei einer Tatbegehung nicht
um einen Alleintäter handelt
(vgl. Förtig 2002: 59).
Die Problematik der Jugendgangs kann bedeutenden Einfluss auf das Lern- und Schul-
klima haben, wenn diese Gangs beispielsweise gewalttätig gegen schwächere Schüler
werden.
Lehrkräfte müssen zentrale Kennzeichnen, die auf Gangmitgliedschaft hindeuten, zu-
nächst erkennen können. Diese Aufgabe stellt keinen Mehraufwand dar, da sie durch ih-
ren Job dazu gezwungen sind, Jugendliche den ganzen Tag beziehungsweise Vormittag,
zu beobachten. Sie sind meist täglich mit den Schülern zusammen und würden solche
Anzeichen eher bemerken als zum Beispiel Schulsozialarbeiter, die erst einschreiten,
wenn es schon "zu spät" ist, das heißt, wenn diese Schüler schon kriminell geworden oder
zumindest in Berührung mit der Justiz gekommen sind.
Lehrkräfte mit den entsprechenden Kompetenzen wären dafür prädestiniert, früher als

76
alle anderen damit befassten Berufsgruppen solche Probleme zu erkennen, um die not-
wendigen pädagogischen Maßnahmen beziehungsweise Gegenmaßnahmen einzuleiten.
Lehrkräfte eignen sich für die Früherkennung besser als andere Fachleute, die sich nor-
malerweise mit solchen Jugendlichen befassen, da vieles, was Gangs beziehungsweise
Cliquen planen eher im Verborgenen geschieht. Zum Beispiel wird sich per Handy dar-
über ausgetauscht, wann und wo sich die Gruppe trifft, um Straftaten zu begehen. Dieser
Austausch findet oft in der Schule oder auf dem Schulhof statt, also in Räumen, in denen
Lehrkräfte erste Anzeichen bemerken könnten. Wenn jemand überhaupt eine Chance hat,
diese beiläufigen Dinge zu erkennen, dann sind es die Lehrkräfte.
Es sind subtile Anzeichen, die die Lehrkräfte erkennen und beurteilen können sollten, wie
zum Beispiel einen bestimmten Slang mit bestimmten Codes oder bestimmte, sich wie-
derholende Äußerungen und Einstellungen zu kriminellen Handlungen im Unterricht.
Eine vermehrte sozialpädagogische Ausbildung ist hierzu unerlässlich.
Wenn Lehrer es in ihrer Ausbildung gelernt haben, solche Anzeichen richtig einzuordnen,
können gerade Lehrkräfte besser als jede andere sozialpädagogisch aktive Berufsgruppe
diese Früherkennung mit einer nachfolgenden Frühintervention zu leisten. Sie sind dazu
prädestiniert, weil sie beruflich Jugendliche durchschnittlich fünf Stunden am Tag be-
obachten.
4.1.9 Probleme mit sexuellem Missbrauch von Schülern
Jedes Jahr werden in Deutschland laut Statistik des Bundeskriminalamtes über 15.000
Kinder unter 14 Jahren sexuell misshandelt (vgl. Bundeskriminalamt 2015).
Diese Hellfeldzahlen zeigen nur einen winzigen Bruchteil der tatsächlichen Missbräuche
im Dunkelfeld, da sich ein großer Teil der Missbräuche von Kindern im innerfamiliären
Umfeld abspielt. In einer Befragung des Jahres 1992 gaben die Missbrauchsopfer der
innerfamiliären Taten an, dass sie die Missbräuche nur zu 0,5 Prozent polizeilich ange-
zeigt hatten. Bei den außerhalb der Familie vorliegenden Missbrauchsfällen war zwar zu

77
11,4 Prozent eine Anzeige erfolgt, was aber immer noch ein riesiges Dunkelfeld anzeigt.
Im Durchschnitt ergab sich 1992 für Missbrauchsfälle mit Körperkontakt durch erwach-
sene Täter eine Anzeigequote von 7,4 Prozent (vgl. Zietlow 2010).
Der Bundesverband der deutschen Frauenärzte warnte auf seiner Website, dass Kindes-
missbrauch so häufig vorkommt, dass man davon ausgehen kann, dass in jeder Kinder-
gartengruppe, in jeder Schulklasse, in jeder Nachbarschaft oder Verwandtschaft, miss-
handelte Kinder zu finden sind. Fast immer handelt es sich dabei um einen sexuellen
Missbrauch.
Lange Zeit wurde dieses Thema kaum öffentlich diskutiert und sogar heimlich gebilligt.
Da die Täter häufig aus dem unmittelbaren familiären Umfeld der Kinder stammen, wer-
den viele Fälle gar nicht oder erst sehr viel später angezeigt, wenn die Kinder das Eltern-
haus verlassen haben (vgl. Bundesverband der Frauenärzte e.V. 2015).
Die extrem hohen Dunkelfeldzahlen beweisen, dass die primär zuständige Familie ihre
Schutzfunktion für die Kinder offensichtlich viel zu häufig nicht erfüllt, was nicht zuletzt
damit zusammenhängt, dass der Missbrauch oft unter Beteiligung von Familienmitglie-
dern erfolgt. Polizei, Sozialarbeiter und Jugendbehörden werden aber erst nach einer An-
zeige tätig, aber diese Anzeige erfolgt - wie oben ausgeführt - meist entweder gar nicht
oder viel zu spät.
Die wichtige Funktion der Früherkennung und Frühintervention kann deshalb auch bei
diesem Problemkreis wieder einmal nur durch entsprechend sozialpädagogisch geschulte
Lehrer erfüllt werden, weil diese die einzigen außenstehenden, unbefangenen und nur
dem Kindeswohl verpflichteten Personen sind, die das Kind lange genug sehen, um die
subtilen Anzeichen eines sexuellen Missbrauchs zu erkennen und um das unerlässliche
Vertrauensverhältnis zu dem Kind aufbauen zu können.

78
4.2 Optionen die in 4.1 genannten Probleme anzugehen
Es ist zwar damit zu rechnen, dass sich viele Lehrkräfte dagegen wehren werden, wenn
man ihnen zusätzliche sozialpädagogische Kompetenzen abverlangt, doch die Darstel-
lung der Prävalenz und Relevanz in Kapitel 4.1 hat aufgezeigt, dass Lehrkräfte sich dieser
Aufgabe nicht entziehen können, wenn sie verantwortungsbewusst ihrer gesellschaftli-
chen Funktion nachkommen möchten.
Der Lehrer muss die Schüler als Individuen sehen. Das heißt, er darf seine Schüler nicht
als eine amorphe, zu beschulende Masse ansehen, sondern er muss sie als individuelle
Personen mit unterschiedlichen sozialpädagogischen Hintergründen, Problemen und Be-
dürfnissen ansehen. Bisher erscheint Unterricht eher für eine amorphe Masse von Schü-
lern betrieben zu werden, in der wenig Zeit für den Schüler mit seinen individuellen Be-
dürfnissen und Problemen bleibt. Indem Lehrer sich Freiräume schaffen, können sie auf
ihre Schüler als Individuen mit individuellen Bedürfnissen und Problemen eingehen.
Wie in der Einleitung beschrieben, soll es in diesem Kapitel darum gehen, Optionen auf-
zuzeigen, wie Lehrkräfte mit den in Kapitel 4.1 vorgestellten sozialpädagogischen Prob-
lemen umgehen könnten.
Es erscheint sinnvoll, neben der reinen Wissensvermittlung, den Erziehungsauftrag der
Schule stärker zu akzentuieren. Hierfür wären feste Klassenlehrer anstelle wechselnder
Fachlehrer sinnvoll, weil diese ihre Schüler besser kennen und so die Chance haben, An-
zeichen auffälligen Verhaltens zu erkennen. Sie könnten so eine engere Beziehung zu
ihren Schülern aufbauen und besser auf sie und ihre Probleme eingehen (vgl. Schneider
1992: 773).
4.2.1 Optionen, Sozialisationsprobleme anzugehen
In Kapitel 4.1.1 wurde erklärt, dass intellektuell leistungsfähige Schüler aufgrund
schlechter individueller, sozialer Rahmenbedingungen schlechtere schulische Leistungen
erbringen als es ihren intellektuellen Fähigkeiten entspricht.

79
Es ist beispielsweise möglich, dass ein Lehrer Schüler in seiner Klasse hat, die zu Hause
von einer alleinerziehenden Mutter großgezogen werden, die sich um mehrere Kinder
kümmern muss, eventuell auch noch berufstätig ist und dabei lebt die ganze Familie auch
noch in einer zu kleinen Wohnung. Wenn solch ein Schüler seine Hausaufgaben aufgrund
des Lärmpegels und mangelnder Privatsphäre nicht zu Hause erledigen kann, erledigt er
seine Hausaufgaben entweder an einem ungeeigneten Ort, an dem er nicht konzentriert
arbeiten kann, oder gar nicht.
Deswegen sollte ein Lehrer die sozialpädagogischen Ursachen einer schulischen Fehl-
leistung korrekt erkennen. Er sollte also eine Art pädagogische Achtsamkeit im Sinne des
englischen Begriffs Awareness entwickeln. Das heißt, Lehrkräfte müssen sich über die
sozialen Gegebenheiten ihrer Schüler bei allem, was sie tun, ständig im Klaren sein. Des-
wegen sollte ein Lehrer über einen Katalog von Hilfsmöglichkeiten verfügen, von denen
er dann die jeweils passende für eine bestimmte Problematik, die er bei seinen Schülern
feststellt, heraussuchen kann. Eine Option wäre beispielsweise, dass er sich bei einem
Schüler wie den im oben genannten Beispiel mit Sanktionen zurückhält und stattdessen
mit diesem Schüler bespricht, wie er es schaffen kann, seine Hausaufgaben zufriedenstel-
lend zu erledigen. Er könnte dem Schüler zum Beispiel dazu raten, seine Hausaufgaben
in der Stadtbibliothek zu erledigen. Diese Option klingt zunächst banal, doch viele, ge-
rade jüngere Schüler aus bildungsferneren Schichten, kommen von alleine nicht auf die
Idee, eine Bibliothek aufzusuchen, um die Hausarbeiten zu erledigen. Der Lehrer könnte
dem Schüler auch die Möglichkeit aufzeigen, sich um eine - im besten Fall kostenfreie -
Hausaufgabenbetreuung zu bemühen.
Sozialpädagogisch geschulte Lehrer könnten zum Beispiel im Internet Gruppen zusam-
menstellen, in denen sie eigenständig beispielsweise die Hausaufgabenbetreuung solcher
Schüler organisieren. Im besten Fall könnte die Hausaufgabenbetreuung dann von einem
Team aus älteren Schülern, engagierten Eltern und/oder Ehrenamtlichen, wie beispiels-
weise qualifizierten Pensionären, die ihre Qualifikation weiterhin nutzen wollen, (siehe
dazu ,,Ehrenamtlichen-Tandems" in Kapitel 5) erfolgen.

80
Auch für das Bereitstellen und Organisieren von Räumlichkeiten für Schüler, die, wie
oben beschrieben, zu Hause keinen ruhigen Raum für eine konzentrierte Erledigung der
Hausarbeiten haben, könnten sozialpädagogisch geschulte Lehrer sich einsetzen.
Die Schule sollte den Schülern auch nachmittags einige Räume außerhalb der Unter-
richtszeit zur Verfügung stellen.
Auch für solche organisatorischen Tätigkeiten würde sich die in Kapitel 5 erläuterte so-
zialpädagogische Plattform anbieten.
Wenn Lehrer zukünftig sozialpädagogisch besser ausgebildet werden, können sie ihren
Schülern lebenspraktische Hilfestellungen während des regulären Unterrichts geben. In
allen Fächern sollte sich ein gewisser Prozentsatz des Unterrichtes an der praktischen
Lebenswelt dieser Schüler orientieren, weil die Schüler dadurch vermutlich mehr moti-
viert werden und diese Aufgabe ansonsten von keinem übernommen wird. Falls solche
Schüler solche lebenspraktischen Fähigkeiten weder von ihren Eltern, noch von ihren
Lehrern erwerben, steigt das Risiko, dass sie ihre einzige lebenspraktische Ausbildung
auf der ,,Straße" erwerben, die weniger dazu geeignet ist, sich in die Gesellschaft zu in-
tegrieren.
Ziel sollte sein, dass Schüler durch die Hilfestellung ihrer Lehrer lernen, ihre alltäglichen
Probleme allmählich selbstständig zu lösen. Gerade Schüler aus sozial schwächeren Um-
feldern haben oftmals nur in der Schule die Möglichkeit, solch lebenspraktisches Wissen
zu erwerben, weil deren Eltern in der Regel nicht über Wissen verfügen, das Eltern aus
sozial stärkeren, bildungsnäheren Umfeldern zur Verfügung steht.
Diejenigen Eltern, die selbst noch sehr jung sind, haben viele Lebenserfahrungen selbst
noch nicht gemacht, so dass sie diese auch nicht an ihre Kinder weitergeben können wie
dies beispielsweise oft bei Kindern aus Akademikerfamilien der Fall ist. Wenn dort die
Lehrer die Aufgaben von lebenspraktisch erfahrenen Eltern nicht übernehmen, wird diese
mangelnde soziale Kompetenz über mehrere Generationen perpetuiert. Gerade einige
junge Mütter werden durch die Schwangerschaft dazu gezwungen, die Schule vorzeitig
ohne Abschluss verlassen, so dass sie ihren Kindern bei den Hausaufgaben oft kaum oder
gar nicht helfen können.
Das Handicap dieser Schüler könnten Lehrkräfte dadurch ausgleichen, dass sie diesen
Schülern solche lebenspraktische Kompetenzen im Unterricht vermitteln oder ihnen

81
Hilfsangebote, wie beispielsweise Beratungsstellen, vermitteln könnten. Sozialpädago-
gisch kompetente Lehrer übernehmen damit zumindest einige Funktionen von kompeten-
ten Eltern.
Lehrer könnten beispielsweise auch zusammen mit ihren Schülern Internetforen einrich-
ten, in denen ihre Klasse sich gegenseitig bei verschiedenen Problemen helfen kann.
Hilfebedürftige Schüler würden von sich aus nur in Ausnahmefällen solche Wissensforen
selbstständig einrichten und verwalten können, da sie nicht über die entsprechenden IT-
Kenntnisse verfügen, um solche Foren aufzubauen und zu pflegen. Deswegen ist es wich-
tig, dass (zukünftige) Lehrer die entsprechenden Kenntnisse in ihrer Lehramtsausbildung
beziehungsweise in Fortbildungsveranstaltungen, vermittelt bekommen. Solch ein Inter-
netforum kann als Chancenausgleich gegenüber den Schülern, die solch eine Unterstüt-
zung durch ihre Eltern bekommen, angesehen werden. Solch ein Forum kann zur Not
auch über das Smartphone erreicht werden. Dies ist von Bedeutung, da man davon aus-
gehen kann, dass heute fast alle Schüler über ein Smartphone verfügen.
Kinder von sehr jungen Müttern bekommen lebenspraktisches Wissen nicht vermittelt,
weil diese Mütter dieses Wissen aufgrund ihres Alters und der häufig fehlenden Schul-
bildung selbst nicht haben, so dass dieses Wissen in irgendeiner anderen Form an solche
Schüler herangebracht werden muss. Das eben genannte Forum würde sich anbieten, um
die Chancengleichheit bei diesen unterprivilegierten Schülern kostengünstig zu erhöhen.
Bei Schülern, die von zu Hause aus das lebenspraktische Wissen vermittelt bekommen,
könnte der Lehrer an den Zusammenhalt unter Schülern appellieren, so dass diese ihr
Wissen im Forum mit zur Verfügung stellen können.
Während des Lehramtsstudiums sollten Lehrer beispielsweise die sozialpädagogischen
Kompetenzen erwerben, Schüler so zu motivieren, dass sie sich gegenseitig helfen und
zum Beispiel unter Anleitung solche Wissensforen organisieren und verwalten. Zwar
könnten solche Foren auch in Form von Arbeitsgruppen in Schulräumlichkeiten stattfin-
den, doch der Zeitaufwand wäre zu groß und es wäre zu viel verlangt, Schüler, die selbst
über viel Wissen verfügen, nachmittags nochmal zur Schule zu bekommen, damit sie
schwächeren Schülern bei der Lösung verschiedener Probleme helfen. Im Gegensatz dazu
wäre es für Schüler mit viel Wissen kein großer Aufwand, ein solidarisches Hilfeforum
im Internet aufzusuchen. Die Schüler würden dort dann eine Führungs- beziehungsweise

82
Alphafunktion übernehmen können, in welcher sie sich gebraucht und wertvoll in der
Peergroup fühlen. Die Kenntnis solcher gruppendynamischer Prozesse müsste auch Teil
der Lehramtsausbildung werden.
Das Nutzen des Computers beziehungsweise des Internets zu Bildungszwecken aller Art
kriegen Schüler aus bildungsnäheren Schichten meistens von klein auf von ihren Eltern
nahegebracht und sie haben dadurch einen erheblichen Vorteil gegenüber allen Schülern,
bei denen dies nicht der Fall ist. Ein Lehrer muss sich darüber im Klaren sein, dass er
diese Aufgabe bei einigen Schülern aus bildungsferneren Schichten übernehmen muss,
damit diese Schüler nicht von den Schülern aus bildungsnäheren Schichten abgehängt
werden. Schüler aus bildungsnäheren Schichten werden an all diese Fähigkeiten praktisch
mühelos durch ihre Eltern von Kindesalter an herangeführt, wohingegen Schüler aus bil-
dungsferneren Schichten sich solche Fähigkeiten mühsam in Eigeninitiative erarbeiten
müssten. Dies erfolgt jedoch eher selten, da die notwendigen Voraussetzungen, wie bei-
spielsweise ein funktionstüchtiger Computer entweder gar nicht vorhanden ist oder eher
für Aktivitäten wie Spiele oder der sozialen Kommunikation beziehungsweise dem Chat-
ten in sozialen Plattformen genutzt wird. Also für Aktivitäten, die nicht primär einem
Bildungszweck oder dem Lösen von lebenspraktischen Problemen dienen.
In IT-bezogenen Fächern könnte den Schülern die Installation von Computerhard- und
software, sowie der richtige Umgang mit dem Internet und den verschiedenen Suchfunk-
tionen beigebracht werden. Sie könnten dort beispielsweise vermittelt bekommen wie sie
mit Suchmaschinen so suchen, dass sie ihnen im Unterricht oder bei Schularbeiten auch
wirklich weiter helfen.
Im Deutschunterricht könnten Texte zum Thema Sozialisation und in gesellschaftlichen
Fächern verschiedene sozialpolitische Themen besprochen werden (die Schüler könnten
dort beispielsweise lernen, worauf sie achten müssen, wenn sie sich um eine eigene Kran-
kenversicherung kümmern, wie sie mit Behörden aller Art selbstständig und selbstbe-
wusst umgehen oder wieso Gewerkschaften und Tarifverträgen für ihr Leben eine Bedeu-
tung haben). Generell sollte sich der Unterricht mehr an der Lebenswirklichkeit der Schü-
ler orientieren und ihnen die Fähigkeit vermitteln, anspruchsvolle, lebenspraktische Prob-
leme zu lösen.

83
4.2.1.1 Optionen, mit Sozialisationsproblemen speziell bei Migranten/Flüchtlingen
umzugehen
Wie in Kapitel 4.1 schon erläutert, ist der wichtigste Baustein für die Integration von
Schülern mit Fluchthintergrund die Sprache.
In Bergisch-Gladbach sitzen Schüler mit Fluchthintergrund beispielsweise in ,,kleinen
Gruppen in einem von der Stadt angemieteten Haus mit ihren Lehrern zusammen, üben
in rustikalem Ambiente mit bunten Schautafeln Vokabeln oder Grammatik" (Deutsche
Welle 2015). Allerdings geht es in jedem Unterricht von Flüchtlingen um mehr als nur
um das ,,bloße" Sprachelernen.
Um Sozialisationsprobleme bei Schülern mit Fluchthintergrund angehen zu können, ist
es wichtig, dass diese möglichst schnell selbstständig in ihrem Alltag zurechtkommen.
Schüler aus Ländern mit hohen kulturellen Unterschieden zu Deutschland wie Syrien,
Armenien, Eritrea, Nigeria oder Afghanistan müssen möglichst schnell lernen, ihren All-
tag im neuen Land zu meistern, damit sie beispielsweise selbstständig einkaufen oder
nach dem Weg fragen können (vgl. ebd.).
Schon hier zeigt sich, dass eine rein theoretisch didaktische Ausbildung von Lehrern, die
mit Flüchtlingen arbeiten, keineswegs ausreicht. Um solchen Schülern handlungsorien-
tierten Unterricht geben zu können, brauchen Lehrkräfte zunächst selbst verstärkt sozial-
pädagogische Kompetenzen.
Wie in Kapitel 4.1.1.1 erläutert, ist kaum möglich, so verschiedenen Schüler mit so un-
terschiedlichen Kenntnissen und Bedürfnissen in einer Gruppe zu unterrichten. Es handelt
sich bei Schülern mit Fluchthintergrund um eine sehr heterogene Gruppe.
Auch Experten fordern, vermehrt Lehrkräfte auszubilden, die auch die rechtliche und so-
ziale Situation der Asylbewerber einschätzen und sodann sozialpädagogische Hilfe an-
bieten können (vgl. Goethe-Institut Mannheim-Heidelberg 2015).

84
Es wäre wünschenswert, dass Lehrkräfte die notwendigen Kompetenzen besitzen, eigen-
ständig möglichst homogene Klassen zusammenstellen, indem sie beispielsweise Schüler
mit gleichen oder ähnlichen soziokulturellen Hintergründen erkennen und die Bildungs-
stände dieser Schüler richtig einschätzen. Somit würde gewährleistet, dass möglichst ho-
mogene Lerngruppen entstehen. Das Zusammenstellen homogener Klassen hängt auch
von materiellen Rahmenbedingungen ab. Ein sozialpädagogisch kompetenter Lehrer
sollte wissen, wie man die erforderlichen finanziellen Mittel zur Organisation solcher
Aktivitäten politisch einfordern kann (siehe Kapitel 5).
Eine sozialpädagogische Kompetenz wäre es zum Beispiel auch zu lernen, eigenständig
über das Arbeitsamt oder über Flüchtlingsräte in Kontakt mit gebildeten und/oder bilin-
gualen Menschen zu kommen, die auch selbst einen Fluchthintergrund haben sollten.
Diese könnten eine Dolmetscherrolle in der Klasse übernehmen und diese Klassen in der
ersten Schulzeit begleiten.
Eine weitere Option, um mit Sozialisationsproblemen speziell bei Flüchtlingen umzuge-
hen, ist die Zusammenarbeit mit Ehrenamtlichen (Einzelheiten hierzu in Kapitel 5). Eh-
renamtliche könnten das im theoretischen Unterricht Gelernte mit den Schülern im Alltag
anwenden (zum Beispiel beim Einkauf), damit es sich möglichst schnell verfestigt. Die
Vermittlung von sozialpädagogischen Kompetenzen sollte beinhalten, dass (zukünftigen)
Lehrern beigebracht wird, die Kooperation mit Ehrenamtlichen zu organisieren.
Durch vermehrte sozialpädagogische Kompetenzen könnten Lehrkräfte sich so organi-
sieren, dass ein bestimmter Lehrer möglichst viel Zeit mit einer bestimmten Gruppe ver-
bringt. Gerade wenn es darum geht, intimere oder psychische Probleme zu besprechen,
ist es wichtig, dass eine Lehrkraft für eine bestimmte Gruppe als fester Ansprechpartner
fungiert, damit sich Vertrauen aufbauen kann.
Der Lehrer ist nämlich nicht nur in seiner fachlichen Kompetenz gefragt, sondern auch
als zwischenmenschlicher Ansprechpartner. Wenn von Seiten der Schüler Vertrauen zur
Lehrkraft aufgebaut wurde, werden sie eher mit ihm über Belastungssituationen wie Kon-
flikte in der Familie oder Geschehnisse im Herkunftsland sprechen. Der Lehrer sollte sich
hier die entsprechende Zeit für die Jugendlichen nehmen (vgl. Staatsinstitut für Schul-

85
qualität und Bildungsforschung 2014: 11ff). Auch hier wird deutlich, dass das pure Ab-
arbeiten von Lehrplänen gerade bei der Arbeit mit solchen Schülern kaum möglich und
auch kaum hilfreich ist.
,,Wesentlich ist dabei das Vertrauen der Jugendlichen in die eigene Handlungsfähigkeit.
Es gilt einen geschützten Raum des angstfreien Miteinanders zu schaffen. Der Unterricht
bietet den Jugendlichen damit nicht nur die Möglichkeit, sich sprachlich und fachlich zu
entwickeln, sondern vor allem auch persönlich. Dazu gehören neben verschiedenen For-
men der Zusammenarbeit auch Konfliktmanagement, Zuverlässigkeit und die Weiterent-
wicklung eigener Fähigkeiten und Interessen" (Staatsinstitut für Schulqualität und Bil-
dungsforschung 2014:6). Gerade Kinder, die in ein völlig fremdes Land kommen, in dem
sie nicht ein einziges Wort der neuen Sprache verstehen oder beherrschen, benötigen ei-
nen emotionalen Ansprechpartner und nicht nur jemanden, der ihnen fachliches Wissen
vermittelt. Falls ein Kind verunsichert ist, kann es schon helfen, wenn das Kind mal in
den Arm genommen oder angelächelt wird. Das heißt, eine gewisse emotionale Sensibi-
lität ist hier von den Lehrern gefordert.
,,Neben Bezugsbetreuern und Vormündern werden die Lehrkräfte in den meisten Fällen
innerhalb kurzer Zeit zu engen Vertrauten der Schüler. Es darf daher nicht wundern, wenn
der Lehrer für Übersetzungen von amtlichen Formularen genauso zu Rate gezogen wird
wie für private Probleme" (vgl. Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung
2014: 9).
Stehen Lehrkräfte ihren Schülern beispielsweise bei den verschiedenen Fragen (zum Bei-
spiel beim Ausfüllen von Anträgen) nicht zur Verfügung, wirkt sich dies negativ auf den
schulischen Erfolg und somit auf die gesamte Integration im neuen Land aus.
Schüler, die mit vielen verschiedenen Problemen, die sie sowohl noch aus ihrer Heimat
mitbringen und die im neuen Einreiseland auf sie zukommen, beschäftigt sind, sind kaum
dazu in der Lage, dem Unterricht zu folgen. Die Lösung von Alltagsproblemen und die
schulische Bildung muss hier von sozialpädagogisch geschulten Lehrkräften vernetzt
werden.
Gerade in Bezug auf Kinder und Jugendliche mit Fluchthintergrund sollte jedes Fach von
der ersten Unterrichtseinheit an kultursensibel strukturiert sein (vgl. Staatsinstitut für

86
Schulqualität und Bildungsforschung 2014:10).
,,Unter Kultur verstehen wir in einem kulturwissenschaftlichem Sinn individuelle und
kollektive Werte und Normensysteme, die angewandt werden, um den Alltag zu struktu-
rieren, die aber nicht mit nationalen Territorien gleichzusetzen sind" (Kalpaka & Meche-
ril 2010: 96).
,,Kultur ist damit letztlich alles, was uns umgibt ­ das kann die Art und Weise sein,
Schule zu gestalten, Essen zuzubereiten, mit Gesundheit und Krankheit umzugehen oder
über Geschlechterrollen zu sprechen. In der Arbeit mit den Schülerinnen und Schülern
wird man immer wieder feststellen, dass diese Werte- und Normensysteme untereinander
stark differieren und sich manchmal auch gänzlich entgegenstehen" (Staatsinstitut für
Schulqualität und Bildungsforschung 2014:10).
Um der Forderung beziehungsweise der Empfehlung eines kultursensiblen Unterrichts
nachzukommen, müssen Lehrkräfte zunächst über die verschiedenen kulturellen Werte
und Normen ihrer potentiellen oder tatsächlichen Schüler Bescheid wissen. Eine ernste
Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Kulturen für den routinierten Umgang damit
im Schulalltag sollte deshalb schon während der Lehramtsausbildung erfolgen. Von einer
verbesserten interkulturellen Ausbildung während der Lehramtsausbildung würden so-
wohl die Schüler als auch die Lehrkräfte selbst profitieren.
Schüler aus verschiedenen Ländern oder Kulturkreisen werden an Aufgabenstellungen
auch unterschiedlich herangehen. Beispielsweise deutsche Lehrer legen viel Wert auf die
Interpretation und individuellen Gedanken eines Schülers, während insbesondere in mus-
limischen Ländern eigene Interpretationen und eigene Gedanken der Schüler uner-
wünscht sind und/oder sogar bestraft werden.
,,Mit Kultur allein ist es allerdings nicht getan. Denn auf die unterschiedlichen Alltags-
kulturen jedes und jeder Einzelnen wirken ebenso wie soziale Klasse [und] Geschlecht,
[auch] Religion oder Ethnizität als weitere gesellschaftliche Strukturvariablen. Insgesamt
sollte es dabei immer um Möglichkeiten eines gleichberechtigten Miteinanders gehen,
nicht um eine Angleichung der Werte- und Normensysteme der Jugendlichen an das der

87
Lehrkräfte. Außerdem sollte, wenn es schulisch möglich ist, Rücksicht auf religiöse Fei-
ertage, Fastenzeiten oder besondere Tageszeiten genommen werden" (Staatsinstitut für
Schulqualität und Bildungsforschung 2014:10f).
,,Kultursensibel zu unterrichten bedeutet weiter, dass die meisten der Schülerinnen
und Schüler in Lernkulturen groß geworden sind, die sich von der Praxis des deutschen
Schulsystems unterscheiden" (ebd.).
Von Schülern mit Fluchthintergrund wird Lehrkräften oft eine hohe Autorität beigemes-
sen. Zum Beispiel haben sie oft nur Frontalunterricht und extrem autoritäre Lehrer ken-
nengelernt (vgl. auch Kapitel 4.1.3.1).
Als Option, um Vertrauen zwischen Schülern und ,,Lehrautorität" aufzubauen, empfiehlt
das Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung Einzelgespräche. Sie sollen
die Möglichkeit eröffnen, ,,mit den Jugendlichen über individuelle Schwierigkeiten in ei-
nem geschützten Raum" (Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung 2014:
11) zu sprechen. Auch Einzelgespräche, in denen es um heikle Themen gehen kann, müs-
sen von Lehrkräften eintrainiert werden. Es könnte beispielsweise sein, dass Lehrkräfte
im Gespräch mit frauenfeindlichen Einstellungen konfrontiert werden, auf welche sie an-
gemessen reagieren können müssen.
Gerade für Schüler mit Fluchthintergrund, die ohne oder mit nur wenig Schulerfahrungen
in die Schule kommen, rät das Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung zu
Lernorientierungsphasen, in denen solche Schüler beispielsweise lernen, wie Lernen von-
stattengeht, wozu ein Vokabelheft benötigt wird und wie Fehler sinnvoll korrigiert wer-
den (vgl. Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung 2014:11). Auch solche
Lernorientierungsphasen können nur von sozialpädagogisch ausgebildeten Lehrkräften
angemessen durchgeführt werden.
Eine große Chance ist, dass Schüler, die Extremes erlebt haben, sich aufgrund der Plasti-
zität eines jungen Gehirns außerordentlich schnell an neue Situationen anpassen können.
Ebenso können sie häufig besser negative Erlebnisse verarbeiten als Erwachsene (siehe

88
auch Kapitel 4.2.5.1). Dadurch fallen die zusätzlichen sozialpädagogischen Aktivitäten
des Lehrers auf fruchtbaren Boden.
4.2.2 Optionen, Sprachprobleme anzugehen
Wie bereits in Kapitel 4.1.2 beschrieben, kommt Lehrkräften gerade in der Früherken-
nung von sprachlichen Defiziten eine besonders wichtige Aufgabe zu. An dieser Stelle
soll nochmals betont werden, dass Lehrer lediglich für das Erkennen von Sprachstörun-
gen sensibilisiert werden sollten. Sie können und sollen keine Diagnosen stellen. Ihre
Aufgabe besteht lediglich darin, wenn sie einen kompetenten Verdacht haben, dass eine
relevante Sprachstörung bei einem Schüler vorliegt, den Schüler professionellen Fach-
leuten zuzuführen, damit diese den Verdacht überprüfen und gegebenenfalls so früh wie
möglich Therapiemaßnahmen einleiten.
In einigen Schulen herrscht diese sozialpädagogische Sensibilität bereits vor. Als positi-
ves Beispiel sei das Heinrich-von-Gagern Gymnasium in Frankfurt erwähnt. So schreibt
beispielsweise diese Schule in einem Informationsschreiben für Eltern, dass ,,Lehrer [...]
nicht dafür ausgebildet [sind], eine LRS oder Legasthenie zu diagnostizieren und zu be-
handeln. Eine LRS oder Legasthenie kann nur durch dafür ausgebildete Fachkräfte (z.B.
Kinderpsychologen) diagnostiziert werden. Lehrkräfte können jedoch Fachkräfte für Te-
stungen empfehlen, damit Ihrem Kind frühzeitig (auch vonseiten der Schule) entspre-
chend geholfen werden kann" (Heinrich-von-Gagern-Gymnasium:1).
Als Beispiel für eine medizinisch begründete Sprachstörung wird im Folgenden auf die
schon im Kapitel 4.1.2 geschilderte Legasthenie eingegangen. Auch der Umgang mit
Schülern mit beispielsweise dieser Sprachstörung muss Lehrern während der Ausbildung
oder während Fortbildungsmaßnahmen vermittelt werden.
Um diese Krankheit so früh wie möglich erkennen zu können, ist es von großer Bedeu-
tung, dass Lehrkräfte über ein gewisses Fachwissen zur Legasthenie verfügen. Zum Bei-

89
spiel sollten Lehrer wissen, dass, wenn Schüler die gleichen Worte in einem Text unter-
schiedlich falsch schreiben, dies ein Anzeichen auf Legasthenie sein kann (vgl. Wendling
2008).
Bei dem Verdacht auf Legasthenie könnten Lehrer den Eltern einen vorgefertigten Brief
zukommen lassen, den die Eltern des jeweiligen Schülers bei der nächsten Routine-Un-
tersuchung dem Kinderarzt vorzeigen sollten. Falls sich die Verdachtsdiagnose des Leh-
rers dann bewahrheitet, könnte der Kinderarzt viel früher als ohne die Hilfe des sozialpä-
dagogisch geschulten Lehrers Therapiemaßnahmen einleiten.
Dem Beobachten der Schüler kommt gerade in den ersten Jahren der Grundschulzeit eine
große Bedeutung zu (vgl. Arbeitskreis Legasthenie Bayern e.V.). Durch ein frühzeitiges
Erkennen und Behandeln der Legasthenie kann den Schülern eine Menge Leid, beispiels-
weise durch schlechte Schulnoten, erspart werden.
Der Arbeitskreis Legasthenie Bayern sieht Kontakte der Klassenlehrer zu außerschuli-
schen Diagnose- und Therapieeinrichtungen, Schulpsychologen oder Jugendämtern als
besonders förderlich an (vgl. Arbeitskreis Legasthenie Bayern).Um möglichst schnell in
Kontakt mit Fachleuten zu treten, bietet sich die in Kapitel 5 näher erläuterte sozialpäda-
gogische Plattform an.
Gerade Lehrer können durch ihre persönliche Erfahrung mit den Schülern und durch ihre
Berichte an zuständige Stellen wesentlich dazu beitragen, Umwege und Verzögerungen
zu vermeiden. Durch das kompetente Beobachten der Kinder durch Lehrkräfte wäre effi-
ziente und frühestmögliche Hilfe für legasthene Kinder gewährleistet (vgl. Arbeitskreis
Legasthenie Bayern e.V.).
Gerade den Klassenlehrern der zweiten Grundschulklasse kommt die Aufgabe der Be-
obachtung und Früherkennung von Legasthenie bei ihren Schülern zu. Schüler, ,,die jetzt
noch nicht lesen können und vielleicht andere Entwicklungsrückstände im Bereich der
Sprache oder der Feinmotorik zeigen, müssen jetzt einer Diagnostik zugeführt und den
Ergebnissen entsprechend gezielt betreut werden. Jetzt sind der Lesestoff und die Zahl
der zu verschriftenden Wörter noch überschaubar und alle Schüler sind noch Anfänger;

90
da ist die Kluft zwischen den üblichen und den speziellen Übungen nicht so offensicht-
lich; der Abstand zwischen den Leistungen der Kinder mit oder ohne Lernstörung fällt zu
wenig auf, um von den Kindern jetzt schon als blamabel empfunden zu werden. Die Ge-
fahr der Sekundärsymptomatik ist noch sehr gering" (ebd.).
Der Arbeitskreis Legasthenie Bayern empfiehlt Lehrkräften zudem, sich mit den Bestim-
mungen des Kultusministeriums bezüglich des Nachteilsausgleichs vertraut machen, da
dieser zur Entlastung der betroffenen beitragen kann (vgl. ebd.). Der Nachteilsausgleich
besagt, dass Schülern mit Behinderung oder Beeinträchtigung beim schulischen Lernen
kein Nachteil entstehen darf (vgl. Von Zimmermann & Wachtel 2013).
Aufgrund der großen Anzahl an legasthenen Schülern wäre eine vermehrte Ausbildung
und Schulung zum Umgang von Lehrkräften mit Legasthenie sinnvoll. Eventuelle Mehr-
ausgaben durch die Vermittlung dieser erforderlichen Kompetenzen und für diesbezügli-
che Fortbildungsmaßnahmen würden sich später durch Einsparungen für Therapiemaß-
nahmen amortisieren, denn eine Legastheniebehandlung im fortgeschrittenen Alter ist er-
heblich teurer und langwieriger.
Der wesentliche Grund dafür, dass Lehrer diese sozialpädagogischen Kompetenzen er-
werben müssen, liegt auch hier darin, dass sie aufgrund ihrer ohnehin erfolgenden beruf-
lichen Tätigkeit zur Früherkennung in der Lage wären. Der Verdacht auf eine Sprachstö-
rung würde dann praktisch als Nebenprodukt der beruflichen Tätigkeit abfallen.
So gibt beispielsweise auch Gerhard Haberland, Lehrer und Legasthenie-Experte, zu ver-
stehen, dass ,,die alleinige Zuständigkeit der Fachleute [unproduktiv sei]: Wenn Eltern
und Lehrer mit einem einfachen, aber systematischen Training ihre legasthenischen Kin-
der schon im Vorschulalter begleiten und fördern würden, könnte das LRS-Syndrom
"zum Auslaufmodell werden"" (Haberland in: Der Spiegel 1995:183). Da Lehrer zur The-
rapie von Sprachstörungen nicht qualifiziert sind, besteht die Frühintervention darin, die
betroffenen Schüler möglichst früh in Kontakt zu Fachpersonal wie Ärzte und/oder Lo-
gopäden zu bringen.
Auch bei Schülern mit Migrationshintergrund sind Sprachprobleme ein relevantes
Thema, mit dem sich Lehrkräfte auseinandersetzen sollten.

91
Sprachprobleme bei Schülern, wie sie in Kapitel 4.1.2 beschrieben wurden, entstehen bei
Schülern ohne Migrationshintergrund vornehmlich in bildungsferneren Familien, in de-
nen kein gutes, fehlerfreies Deutsch gesprochen wird oder bei Schülern, die in einem
sozialen Umfeld unter vielen Migranten, die eine Mischung aus Deutsch und ihrer Hei-
matsprache sprechen, aufwachsen.
Wenn beispielsweise Schüler mit Migrationshintergrund weder die Grammatik des Her-
kunftslandes, noch die des Einwanderungslandes beherrschen, kommt es zur Verballhor-
nung beider Sprache. Lehrkräfte sollten der Tendenz zur Verballhornung der Sprache von
Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund und/oder aus bildungsfernen
Schichten so früh wie möglich entgegenwirken.
Für die Schüler, die sich in der schulfreien Zeit nur in Peergroups oder Familien bewegen,
in denen schlechtes oder fehlerhaftes Deutsch gesprochen wird, ist es umso wichtiger,
dass sie, zumindest in der Schule, so oft wie möglich fehlerfreies Deutsch hören und spre-
chen.
Um Sprachproblemen entgegenzuwirken, müssen Lehrkräfte, soweit sie darauf Einfluss
haben, dafür sorgen, dass beispielsweise in Arbeitsgemeinschaften immer möglichst viele
Kinder und Jugendliche verschiedener Sprachniveaus zusammenarbeiten. Bei der Zusam-
mensetzung solcher Arbeitsgruppen sollten Lehrer Wert darauf legen, dass in diesen Ar-
beitsgemeinschaften immer möglichst viele Schüler sind, die gutes, fehlerfreies Deutsch
sprechen. Es gehört zum sozialpädagogischen Basiswissen, dass für die Erziehung und
Sozialisation der Schüler der Einfluss der Peergroup von größter Bedeutung ist.
Ziel sollte es sein, dass die Gruppe zu mindestens 50 Prozent aus Schülern besteht, die
ein hohes Sprachniveau haben. Wie bereits in Kapitel 4.1.2.1 beschrieben, steigt bei einer
geringeren Anzahl das Risiko, dass die Sprachvermittlung negativ verläuft. Das heißt, in
Klassen, in denen ein hoher Anteil der Schülern einen Migrationshintergrund hat und
zusätzlich schlechtes Deutsch spricht, sinkt das Niveau der gesamten Klasse in dem
Sinne, dass die Schüler, die von zu Hause aus gutes Deutsch sprechen, das Sprachgemisch
der Migranten annehmen. Wie bereits in Kapitel 4.1.2.1 erläutert, gehen die Meinungen
darüber, wieso dies der Fall ist, weit auseinander.

92
In Berlin beispielsweise existieren Schulen, in denen der Anteil der Schüler mit Migrati-
onshintergrund, die kein gutes Deutsch sprechen, so hoch ist, dass einige Schüler ohne
Migrationshintergrund ebenfalls anfangen, ein Deutsch-Fremdsprachengemisch zu spre-
chen. Dies liegt daran, dass sich in Peergroups die Sprache an die Sprache der Mehrheit
der Gruppenmitglieder angleicht. Dies gilt sowohl für die positive als auch in die negative
Richtung.
Wenn Lehrer keinen sozialpädagogischen Einfluss auf die Zusammensetzung von Peer-
groups nehmen, soweit es ihnen, wie oben geschildert, während der Schulzeit und des
Unterrichtes möglich ist, werden sich in den Peergroups meist Schüler zusammentun, die
die gleiche Herkunftssprache und ein ähnliches Sprachniveau haben. Dieses ist für den
Erwerb eines fehlerfreien Deutschs absolut hinderlich.
Diese Auffassung vertritt auch Öczan Mutlu, Bildungspolitiker, indem er erklärt, dass
,,ein hoher Ausländeranteil [zwar] nicht zwangsläufig zu unüberwindbaren Schwierigkei-
ten [führt]. Aber wenn eine der Sprachen in einer Schule dominiere, 'ziehen sich die Kin-
der in ihre ethnischen Nischen zurück`, und Lehrer hätten keinen Zugang mehr
"
(Spiegel
Online 20.02.2005).
In der Realität wird es dem Lehrer kaum möglich sein, immer Gruppen zusammenzustel-
len, die diesen Anforderungen entsprechen, doch eine Zusammensetzung, die dem Er-
werb eines hohen Sprachniveaus förderlich ist, sollte immer angestrebt werden.
Aus langen Erfahrungen im intensiven Spracherlernen (Berlitz School) ist bekannt, dass
,,Total Immersion" die beste, natürlichste und einfachste Art des Spracherwerbs ist. Diese
Sprachlernsituation der Total Immersion sollte deswegen im Schulalltag soweit wie mög-
lich emuliert werden. Lehrer sollten ihre Schüler ständig im perfekten Deutsch anspre-
chen und sie dazu anhalten, auch ausschließlich in möglichst fehlerfreiem Deutsch zu
antworten.
Damit Schüler, die in ihrem Spracherwerb benachteiligt sind, weil in ihren Familien und
Peergroups nicht oder nur selten gelesen wird, die gleichen Voraussetzung haben wie
Kinder aus Familien, in denen viel gelesen wird (was ein gutes Deutsch begünstigt), soll-
ten Lehrer ihre Schüler immer wieder dazu anhalten, Bücher zu lesen. Lehrer könnten
beispielsweise auch dafür sorgen, dass ausrangierte aus der Schulbibliothek oder gespen-
dete Bücher aus Nachlässen nicht einfach auf einem Tisch zur Mitnahme liegen bleiben.

93
Sie könnten im Unterricht mit ihren Schülern über diese ausrangierten Bücher sprechen,
um dadurch die Neugierde bei ihnen zu wecken, diese Bücher zu lesen. In vielen Fällen
geht es nur darum, das grundsätzliche Interesse fürs Lesen zu wecken, wobei es eine un-
tergeordnete Rolle spielt, um welche Art von Literatur es sich handelt, solange die Schü-
ler nur überhaupt so viel wie möglich lesen. Ein gutes Beispiel dafür sind die ,,Harry
Potter" Bücher. Viele Schüler, die mit Harry Potter die Erfahrung gemacht haben, dass
das Lesen auch von sehr dicken Büchern Spaß machen und spannend sein kann, wurden
dem Lesen so grundsätzlich näher gebracht.
Falls Lehrer in irgendeiner Form zu günstigen oder kostenfreien Büchern (beispielsweise
durch Bibliotheksauflösungen) kommen, sollten sie Schüler, von denen sie das Gefühl
haben, dass sie kaum aus eigenem Antrieb lesen würden, zum Lesen dieser Bücher moti-
vieren. Lehrer könnten die Schüler zum Beispiel motivieren, indem sie ihnen erklären,
dass die Protagonisten im Buch die gleichen Probleme im Leben haben wie sie selbst und
ihnen mögliche Lösungen für diese Probleme aufzeigen können. Falls solche Schüler
dann Interesse an dem Buch zeigen, könnte der Lehrer es dem Schüler mit nach Hause
geben.
Oftmals geht es einfach darum, Schwellenängste abzubauen. Wenn Schüler es von zu
Hause aus nicht vermittelt bekommen haben, in eine Bücherei zu gehen, werden sie diese
eher als nicht zu ihrem Leben gehörig empfinden und meiden. Lehrer könnten diesen
Schüler sozialpädagogisch dabei behilflich sein, diese Schwelle zu überwinden.
Ziel muss sein, dass Lesen zum festen Bestandteil des Alltags aller Schüler wird. Und
zwar nicht nur für die Schule, sondern auch aus eigenem Interesse. Und deshalb muss es
vom Lehrer so vermittelt werden, dass Lesen von den Schülern nicht als reine Schul-
pflicht, sondern auch als Bestandteil der Freizeit aus eigenem Antrieb angesehen wird.
Der Spracherwerb ist auch die wichtigste Grundlage für die notwendige Akkulturation.
Lehrkräfte müssen ihre Schüler im Unterricht in Fächern wie beispielsweise Geschichte
oder Gemeinschaftskunde auf die Unverzichtbarkeit der Akkulturation aufmerksam ma-
chen. Dies ist aus vielen Gründen wichtig. Ein ganz simpler Grund ist zum Beispiel, dass
man mit einem guten Deutsch viel eher bei einem Bewerbungsgespräch angenommen

94
wird als mit gebrochenem Deutsch. Das heißt, das Thema ,,die Notwendigkeit von Ak-
kulturation" muss in der gesamten Lehrtätigkeit direkt und/oder indirekt eine Rolle spie-
len. Um dies vernünftig machen zu können, braucht ein Lehrer sozialpädagogische Kom-
petenzen.
Es besteht beispielsweise die Möglichkeit, den Lernserver der Universität Münster zu
nutzen. Diese Plattform bietet die Möglichkeit, individuelle Tests und Diagnosen in Be-
zug auf die Rechtschreibkompetenzen beziehungsweise auf Sprachprobleme der Schüler
durchzuführen. Lehrer können so ohne großen Zeitverlust passendes, sprachtherapeuti-
sches Arbeitsmaterial für ihre Schüler mit Sprachdefiziten bekommen, um diese ange-
messen zu fördern (vgl. Schönweiss 2013: 8). Damit Lehrkräfte von der Existenz solcher
Plattformen/Hilfsangebote wissen, bietet sich eine allgemeine sozialpädagogische Platt-
form an. Auf Einzelheiten zur Plattform wird im Kapitel 5 näher eingegangen.
4.2.2.1 Optionen, mit Sprachproblemen speziell bei Migranten/Flüchtlingen um-
zugehen
Da ,,sprachliches Handeln immer in kulturell geprägte soziale Kontexte eingebunden ist,
ist es wichtig, dass der Unterricht Lernsituationen schafft, in denen die Lernenden die
kulturelle Prägung kommunikativer Handlungen in der Fremdsprache erfahren können.
Dabei werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede zum eigenen kommunikativen Han-
deln wahrnehmbar. Im besten Fall erwerben die Lernenden Kenntnisse und kommunika-
tive Strategien, damit sie sich in der Lebenswirklichkeit der deutschsprachigen Umge-
bung orientieren können" (Barkowski et al. 2014: 11ff).
"Da Sprache nicht nur Mitteilung ist, sondern auch Ausdruck und Wertung von Weltsicht,
bietet die Konfrontation mit einer neuen Sprache auch die Möglichkeit, die eigene, bis-
lang meist als einzige Norm empfundene, Sprach- und Werthaltung zu überprüfen, zu
erweitern und abzubauen und fördert Sensibilität, Verstehen und persönliche Weiterent-
wicklung. Bei diesem Prozess ist die Präsenz und Akzeptanz der Erstsprache im Unter-
richt ein wichtiger Faktor, der den Zweitsprachenerwerb fördert. Mehrsprachigkeit erhält
unter den gegebenen Bedingungen in einem effizienten Sprachunterricht eine besondere
Bedeutung" (BAMF 2005: 13).

95
Da Sprache in kulturellen Kontexten eingebunden ist, bedeutet dies für den Lehrer, dass
er Lernsituationen schaffen muss, die sich an der deutschen Lebenswirklichkeit orientie-
ren. Dies könnte er beispielsweise tun, indem er seinen Schülern einen deutschen Film
vorspielt und Situationen im Film, die charakteristisch für dieses Land und die Sprache
sind, mit den Schülern diskutiert oder, in besonderen Fällen, von ihnen nachspielen lässt.
Er könnte mit seinen Schülern auch landestypische Filmpassagen analysieren, damit die
Schüler sehen, wie sich Deutsche im realen Leben verhalten und hören, wie dabei gespro-
chen wird. Je mehr Ebenen (Sprache, Bilder und das Verhalten) dem Schüler fürs Spra-
chelernen zur Verfügen stehen, desto besser und schneller prägt die Sprache sich ein. Das
Nachspielen von bestimmten Filmpassagen bietet sich besonders an, da realistische und
emotionale Lernsituationen viel besser memoriert werden als abstraktes Vokabellernen.
Nachdem im Sprachunterricht beispielsweise der Einkauf theoretisch durchgenommen
wurde, könnte danach der Einkauf in einem richtigen Laden geschehen. Diese Aufgabe
könnte von Ehrenamtlichen übernommen werden.
Da der Besuch in einem Laden sich zeitlich nicht unbegrenzt ausdehnen lässt, sollten
Lehrer die Schüler dazu anhalten, beispielsweise Verpackungen von deutschen Waren
mit in den Unterricht zu bringen. Im Unterricht könnte der Lehrer die Beschriftungen der
Verpackungen dann gemeinsam mit den Schülern am konkreten Beispiel durchsprechen.
Eine solche Art des Spracherwerbs setzt mehr Mnemonics als rein theoretisches Voka-
bellernen.
Als Querverweis sei darauf hingewiesen, dass der Lehrer Lebensmittelverpackungen ne-
ben dem Spracherwerb zusätzlich einsetzen könnte, um diesen Schülern von Anfang eine
gesunde Ernährung im Einwanderungsland näher zu bringen. Gerade in Ländern des Na-
hen Ostens ernähren viele Menschen sich sehr gesund vornehmlich von Früchten und
Gemüse, weil sie im Heimatland vornehmlich auf Bauernmärkten eingekauft haben und
Supermärkte eher selten sind. Auf diesen Märkten gilt grundsätzlich, dass alles, was at-
traktiv aussieht, auch gesund ist. Im Gegensatz dazu müssen sie sich hier aus Supermärk-
ten ernähren. In westlichen Supermärkten sind sie mit werbewirksamen Verpackungen
konfrontiert, von denen sie wissen müssen, dass, nur weil Verpackungen auf werbewirk-
same Weise attraktiv aussehen, dies nicht heißt, dass der Inhalt gesund ist.

96
Um mit Sprachproblemen bei Schülern mit Fluchthintergrund umgehen zu können, sollte
Lehrkräften zunächst klar sein, dass sie zu Anfang (circa für das erste Sprachlernjahr)
einen Dolmetscher benötigen. Professionelle Dolmetscher können im Regelfall nicht be-
zahlt werden, da sie einen viel zu hohen Stundenlohn fordern. Somit sollten Lehrer die
Kompetenz vermittelt bekommen, eigenständig Übersetzer zu organisieren. Sie könnten
sich zum Beispiel mit dem Arbeitsamt in Verbindung setzen und darum bitten, beispiels-
weise im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, bilinguale Menschen mit Flucht-
hintergrund vermittelt zu bekommen, die die gleiche Muttersprache wie ihre Schüler ha-
ben. Solche Übersetzer könnten den Schülern im Unterricht alles, was der Lehrer sagt,
sofort perfekt verständlich übersetzen.
Ein Übersetzer wird in der Regel nicht in der Lage sein, mehrere Fremdsprachen zu spre-
chen. Deswegen ist es neben dem Organisieren von Übersetzern von großer Bedeutung,
dass Lehrer homogene Klassen in Bezug auf Sprachniveaus und Landessprachen zusam-
mensetzen können, denn wenn eine solche Klasse, so wie es zurzeit noch der Fall ist, aus
Schülern verschiedener Herkunftsländer, verschiedener Schriftsprachsysteme und ver-
schiedener Sprachstandsniveaus besteht, wird ein Lehrer selbst mit Unterstützung eines
Übersetzers an seine Grenzen stoßen oder sogar scheitern.
Um homogene Klassen zusammenzustellen, werden in der Anfangszeit wahrscheinlich
Schüler aus mehreren Schulen zusammengeführt werden müssen. Dies müsste von den
Lehrern selbstständig organisiert werden. Jede Schule würde dann den Unterricht für eine
homogene Sprachgruppe übernehmen.
Gerade (angehenden) Deutschlehrer, die mit Schülern arbeiten (werden), die ohne
Deutschkenntnisse ganz plötzlich aus ihrem Heimatlandland herausgerissen wurden,
könnte durch verpflichtende Teilnahmen an Seminaren zu ,,Deutsch als Fremdsprache"
schon innerhalb der Lehramtsausbildung ganz konkret vermittelt werden, wie man Schü-
ler, die mit einer ganz anderen Muttersprache nach Deutschland kommen und kein Wort
der Sprache aus dem neuen Land kennen, möglichst effektiv korrektes Deutsch beibrin-
gen kann. Wenn Schüler kein einziges Wort Deutsch sprechen, ist der Einstieg in das
Spracherlernen nicht einfach.

97
Auch für diese Option ist es wichtig, dass Lehrkräfte eigenständig Teams bilden können.
In diesen Teams sollten sinnvollerweise auch Muttersprachler der Schüler ohne Deutsch-
kenntnisse mitwirken, die schon gutes Deutsch sprechen. Diese Dolmetscherrolle könnte
beispielsweise von arbeitslosen Flüchtlingen übernommen werden, die schon über gute
Deutschkenntnisse verfügen, die aber trotzdem die Muttersprache der Schüler mit Flucht-
hintergrund sprechen. Im Idealfall sollte es sich um einen Flüchtling handeln, der schon
ein paar Jahre im neuen Land ist, schon gutes Deutsch spricht und sich schon integriert
hat. Dies wäre auch eine gute Starthilfe in der Anfangszeit für die mithelfenden Flücht-
linge selbst. Zukünftigen Lehrern sollte beispielsweise beigebracht werden, wie sie bei-
spielsweise für diesen Fall bestimmte Mittel vom Staat oder Kultusministerium einfor-
dern können.
Es erscheint unbedacht und sinnlos, Lehrkräfte ohne besondere sozialpädagogische Qua-
lifikationen mit Schülern ohne Deutschkenntnisse sich selbst zu überlassen. Es müssten
spezielle Klassen mit einem Deutschlehrer, der Kurse in DaZ (wenn möglich DaZ speziell
für Schüler mit Fluchthintergrund) absolviert hat, eingerichtet werden. Normale Lehrer,
die Germanistik studiert haben, wissen vielleicht, wie Gedichtinterpretationen geschrie-
ben werden und kennen sich mit deutscher Literaturgeschichte aus, doch diese Kenntnisse
bringen ihm bei solchen Schülern nicht viel. Die Unterrichtung von Deutsch bei solchen
Schülern muss effizient und praxisorientiert erfolgen.
Wie bereits in Kapitel 4.2.1.1 beschrieben kann die Organisation fester, möglichst homo-
gener Gruppen durch die Lehrkräfte dazu beitragen, dass sich solche Schüler schneller
auf den kulturell womöglich völlig anderen deutschen Schulunterricht einstellen können.
Sie können in vertrauensvoller Atmosphäre am besten erleben, dass Arbeitsgruppen und
innovativer Unterricht sowie das Einbringen der eigenen Kreativität und Person in den
Unterricht etwas Positives sind, was nicht als Disziplinlosigkeit bestraft wird. In kleineren
Gruppen ist es solchen Schülern auch eher möglich, Nicht-Verstandenes durch Nachfra-
gen zu verstehen. Das Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung rät Lehr-
kräften dazu, Gruppenarbeiten und deutsche - beziehungsweise für solche Schüler ,,inno-
vative"- Unterrichtsmethoden" besonnen einzuführen. Auf diesem Weg werden die Ju-
gendlichen bald erkennen, dass es Freude macht, auch einmal anders zu lernen. Zudem

98
förderten solche Methoden die Autonomie der Schüler, die sie für ihren weiteren Werde-
gang dringend benötigen würden (vgl. Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsfor-
schung 2015:11).
Der Förderschwerpunkt ,,Entwicklung der Bewusstheit für Unterschiede in Sprachge-
brauch und Bedeutung in verschiedenen kulturellen Kontexten" wird in seiner Wichtig-
keit in Deutschförderkursen von nur wenigen Schulleitern hoch eingeschätzt. Dies ist ein
äußerst bedenkenswerter Befund angesichts der steigenden Heterogenität der Schüler-
schaft. Entsprechend belegen die Antworten von Schulleitern, die an einer solchen Befra-
gung teilnahmen, eine kritische Einschätzung der Förderkonzepte und der methodisch-
didaktischen Kompetenz der Lehrer. Dieser Befund verweist auf die Qualität der Lehrer-
ausbildung an den Universitäten (vgl.
Bender-Szymanski et al. 2002: 239).
Laut Bender-Szymanski ließe sich ,,am Beispiel Hessens [...] zeigen, dass Deutsch als
Fremdsprache (DaZ) auch im neuen Lehrerbildungsgesetz nicht verbindlich vorgesehen
ist: Für die Lehrämter an Hauptschulen, Realschulen und Förderschulen kann DaZ aus
einem Kanon von 21 Fächern gewählt werden. Für die Lehrämter an Grundschulen und
Gymnasien kann ,,mit Genehmigung durch das Kultusministerium" nach Beendigung des
ersten Staatsexamens und weiteren Studien eine Erweiterungsprüfung für DaZ abgelegt
werden; für das Lehramt an beruflichen Schulen findet sich DaZ gar nicht. Weder in den
Zielen und Inhalten der Lehrerbildung noch in den Grundqualifikationen und dem Nach-
weis der Qualifizierung wird ein expliziter Bezug zur sprachlichen Heterogenität von
Schule hergestellt" (Bender-Szymanski 2008:170).
Eine Option, um mit Sprachproblemen speziell bei Schülern mit Fluchthintergrund (aber
auch nur mit Migrationshintergrund) umzugehen, könnte ein spezielles Unterrichtsfach
Deutsch als Fremdsprache (DaZ) darstellen. Dies könnte obligatorisch in die Lehramts-
ausbildung integriert werden. So könnte sichergestellt werden, dass sich alle Lehramts-
anwärter schon vor Eintritt in den eigentlichen Schulalltag mit sprachlicher Heterogenität
auseinandersetzen müssten.
Eine Untersuchung bei Schulleitern aus Frankfurt zeigte, dass Förderangebote der deut-
schen Sprache von Deutschlehrern meist ohne spezielle Ausbildung und ohne Unterstüt-
zung von ­ auch vorhandenen ­ Herkunftssprachenlehrern durchgeführt werden (Bender-

99
Szymanski et al. 2002: 238). Das ist eine Katastrophe, denn selbst eine exzellent in
Deutsch als Fremdsprache geschulte Lehrkraft, kann solche (zum großen Teil organisa-
torischen) Aufgaben ohne sozialpädagogische Kompetenzen nicht zufriedenstellend er-
ledigen.
Wie in Kapitel 4.1.2.1 beschrieben, ist häufig selbst mit Gesten und Handzeichen eine
Verständigung nicht möglich. Wenn Lehrkräfte die Sprache dieser Schüler nicht verste-
hen und von den Schülern auch nichts vom dem verstanden wird, was die Lehrkraft sagt,
ist solch ein Unterricht zum Scheitern verurteilt. Die Zeit, die solche Schüler ohne jedes
Sprachverständnis in der Schule verbringen, ist vergeudet - genauso wie die Zeit, die der
Lehrer in solch einer Klasse verbringt. Wenn es keine sozialpädagogisch kompetenten
Lehrer gibt, die solche Dinge wie das Zusammenstellen homogener Klassen mit passen-
dem Übersetzer eigenständig organisieren, macht dies keiner. Wenn man derartige Prob-
leme auf den üblichen Dienstweg schiebt, indem man hofft, dass beispielsweise das Kul-
tusministerium solche Innovationen einführt, vergehen mehrere Jahre bis zur Umsetzung,
falls sie denn überhaupt eingeführt werden.
Auch Michael Becker-Mrotzek, Direktor des Mercator Instituts, gibt zu verstehen, dass
die Integration von Schülern mit Migrations- und/oder sogar Fluchthintergrund in Zu-
kunft zur Daueraufgabe für Lehrer wird und dass die Schulen schon jetzt an ihre Grenzen
kommen, da ,,mehr Willkommens- und Deutsch-Klassen eingerichtet werden müssten als
Lehrer vorhanden sind. Eine Empfehlung für ein bestimmtes Unterrichtsmodell wollte
Becker-Mrotzek nicht geben. Ausgeschlossen werden müsse nur, dass Kinder ohne
Sprachförderung direkt in Regelklassen kämen" (nano 03.11.2015).
Bei Schülern, die schon über gewisse Sprachkenntnisse verfügen, rät das Bundesamt für
Migration und Flüchtlinge zu möglichst offenem Unterricht, da ,,ein solcher Prozess die
Anwendung bereits erworbener Handlungsmuster [erlaubt] und [er] ermöglicht den Er-
werb neuer Muster, wenn der Lernende eine seinen Lernvoraussetzungen und Lernstra-
tegien gemäße sprachliche und pädagogische Förderung und Lernanleitung erhält"
(BAMF 2005: 7).
So könnten ,,die eigene Identität, möglichst auch die eigene Muttersprache, die eigenen
Vorerfahrungen, Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten [...] in den Lernprozess ein-
bezogen und nutzbar gemacht [werden]"
(BAMF 2005: 7).

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Eine weitere Option, um gegen Sprachprobleme bei Schülern mit Migrationshintergrund
anzugehen, stellte die Wissenschaftsredaktion von nano vor. Am 03.11.2015 erklären sie
in der Sendung, dass bilingualer Unterricht durch bilinguale Lehrer besser für die bilin-
guale Hirnentwicklung ist und schneller zum Erfolg führt (vgl. nano 03.11.2015 min.:
5:56ff).
Die gleiche Option des bilingualen Unterrichts stellt das Konzept ,,Zweisprachige Erzie-
hung Deutsch-Türkisch an Berliner Grundschulen" (ZWERZ) dar. Hier lernen Schüler
aus Berliner Schulen Deutsch und Türkisch gleichberechtigt im Unterricht. Fünf Berliner
Schulen beteiligen sich an diesem Konzept. ,,Die Achtung und Aufrechterhaltung der
Heimatsprache sei elementar, um ,Halbsprachigkeit` zu vermeiden", so Grundschulpäda-
gogin Petra Wieler (nano 03.11.2015) (vgl. dazu auch Bildungsserver Berlin Branden-
burg).
,,Für das sorgfältige Erlernen der Herkunftssprache spreche nicht nur die Sprachentwick-
lung der Kinder. Wenn die Schulen die erste Sprache der Kinder anerkennen, habe das
für die Eltern wie für das Kind psychisches Wohlbefinden zur Folge. Das wiederum för-
dere den Lernprozess: 'Sprachliche Selbstkonzepte gelten als ganz wichtige Prädiktoren
für erfolgreiche Schulkarrieren', sagt Petra Wieler. Für die Integration von Flüchtlings-
kindern könnte das Modell ZWERZ Vorbildcharakter haben. Laut Schulleiterin Angelika
Suhr fehlen allerdings Lehrerinnen und Lehrer mit einer bilingualen Ausbildung - und die
dazugehörigen Studiengänge" (nano 03.11.2015).
Bikulturalität und Bilingualität kann den Unterricht auch für einheimische Schüler inte-
ressant und farbig machen.
,,Die eigene Lebenswelt der Lerner mit ihren Erfahrungen wird [...] in den Unterricht
einbezogen. Dies muss beispielsweise seinen Niederschlag in der Themen- und Textsor-
tenauswahl finden (möglichst unter Beteiligung der Lerner), in einer funktionalen an
Stelle einer formalen - Orientierung bei der Grammatikvermittlung, in der Ermöglichung
eigenständiger Regelfindung durch die Teilnehmer und im Einsatz von funktionalen
Übungen und Aufgabenstellungen. Dabei wird der individuelle Prozess des Zweitspra-
chenerwerbs durch positive Verstärkung in der Unterrichtssituation und in der außerun-
terrichtlichen Lernumgebung gefördert" (BAMF 2005: 13).

101
4.2.3 Optionen, mit Migrationsproblemen umzugehen
Da, wie in Kapitel 4.1.3 beschrieben, vier Millionen Schüler einen Migrationshintergrund
aufweisen und zu erwarten ist, dass die Zahl durch den nicht abreißenden Flüchtlings-
strom noch weiter ansteigen wird, ist sprachliche und kulturelle Vielfalt eine zwingende
Konsequenz und wird auch weiterhin zur Normalität gehören. Interkulturelles Wissen ist
deswegen eine Notwendigkeit für alle, die mit Schülern mit Migrationshintergrund arbei-
ten.
Wie bereits im Kapitel 4.1.3 erläutert, sind schlechte Deutschkenntnisse und die Zugehö-
rigkeit zu bildungsferneren Schichten die Hauptprobleme von Schülern mit Migrations-
hintergrund. Migrantenkinder brauchen daher besonders intensive Förderung, bekommen
sie aber nur selten.
Dass Bildung für eine gelungene Integration die entscheidende Rolle spielt, geht aus einer
aktuellen Studie der Körber-Stiftung hervor. ,,Migranten-, aber auch Arbeiterkinder filtert
das deutsche Schulsystem mit seinem geringen Maß an sozialer Durchlässigkeit noch im-
mer heraus", sagte der Grünen-Europaabgeordnete Cem Özdemir. Die Untersuchung
habe unter anderem ergeben, dass auch die Ignoranz von Lehrern über die Herkunftskul-
tur ihrer Schüler verantwortlich für deren Desinteresse sei.
An deutschen Schulen herr-
sche ein Mangel an interkultureller Kompetenz vor, sagte Özdemir. Zugleich müssten
aber auch türkische Familien lernen, dass ,,der entscheidende Punkt für die Akzeptanz in
der Gesellschaft die Bildungsfrage ist"
(Spiegel Online 20.02.2005).
Wie bereits in Kapitel 4.1.3 beschrieben, haben beispielsweise türkische Mütter oft kei-
nen oder wenn, dann einen niedrigen Schulabschluss, so dass es ihnen kaum möglich ist,
die Hausaufgaben ihrer Kinder zu betreuen. Lehrer sollten, wie bereits im Kapitel 4.2.1
beschrieben, auch hier eigenständig kompetente Gruppen und Räumlichkeiten organisie-
ren können, damit solche Kinder ihre Hausaufgaben in der Schule mit kompetenten Un-
terstützern erledigen können. Ganztagbetreuungen in der Schule können einen Beitrag
zur Verbesserung der Integration ausländischer Schüler leisten, da sie ,,Gelegenheits-
strukturen bieten, in denen Kontakte [zwischen Betreuern, Lehrern und Eltern] zustande
kommen können" (BMFSFJ 2006).

102
,,Erst, nachdem Lehrer interkulturelle Erfahrungen gemacht haben, erkennen sie die Not-
wendigkeit der stärkeren intranationalen Differenzierung und Individualisierung im
Schulunterricht: 'Auch in einer rein deutschen Klasse müsste man sich diese Gedanken
machen' (Oyserman & Hazel 1995). Die Folgen des `fundamentalen Attributionsfehlers`
sind bekannt. Explizit wird von Referendaren auf die Bedeutung eines Reizes hingewie-
sen, der Fremdheit und damit Unterschiede signalisiert, um mit größerer Bewusstheit,
aber auch kognitiver Anstrengung genau das zu realisieren, was für jegliche Art von Un-
terricht gefordert wird, und was erklärtes Ziel von Lehrertrainings ist: konstruktiv mit
Heterogenität umzugehen. Der `Umweg` über das `Fremde` schafft offensichtlich Bedin-
gungen" (Bender-Szymanski 2008:175).
Die Schüler sollten im Unterricht ihre eigene Lebenswelt, ihre kulturelle Sozialisation,
ihre Erlebnisse und Erfahrungen in der konkreten Wirklichkeit sprachlicher und kulturel-
ler Lebensart mit einfließen lassen dürfen.
Alleine das Wissen um die Andersartigkeit hilft Lehrkräften nicht dabei, sozialpädagogi-
sche Probleme, mit denen Schüler mit Migrationshintergrund konfrontiert sind, zu lösen
(vgl. Kapitel 4.1.3). Damit Lehrkräfte ihren Schülern interkulturelle Kompetenzen ver-
mitteln können, müssen sie zunächst selbst auf diesem Gebiet qualifiziert werden. Es
könnten beispielsweise Seminare in die Lehramtsausbildung integriert werden, die sich
mit Problemen von Migranten und deren sozialpädagogischer Lösung befassen. Es sind
mehr als profane Kenntnisse über verschiedene Kulturen notwendig, um Schülern ernst-
haft und kompetent bei migrationsbedingten Problemen helfen zu können.
Lehrer sollten an das kulturelle Vorwissen der Schüler anknüpfen. Wie in den anderen
Kapiteln erläutert, gilt auch hier, dass das Anknüpfen an die Lebenswelt der Schüler stär-
kere Emotionen als eine abstrakte Wissensvermittlung auslöst. Wissen, das mit Emotio-
nen verbunden ist, ist nachhaltigeres Wissen.
Gerade subjektive Erfahrungen und Einstellungen dieser Schüler können unproblema-
tisch in den Unterricht integriert und diskutiert werden und stehen damit gleich einer gan-
zen Klasse zur Verfügung. Durch die Thematisierung kultureller Gemeinsamkeiten oder
auch Unterschiede wird die ganze Klasse für diese Thematik sensibilisiert. So können

103
interkulturelle Missverständnisse ohne großen Aufwand abgebaut werden. Interkulturel-
les Lernen kann als Voraussetzungen für Integration angesehen werden (vgl.
BAMF
2005:13).
Mit der immer heterogener werdenden Schülerschaft müssen sich nicht nur Lehrer, son-
dern auch die deutschen Schüler zwingend auseinandersetzen, so dass eine vermehrte
Thematisierung und Diskussion interkultureller Gegebenheiten in der Schule unerlässlich
ist.
Sozialpädagogisch kompetente Lehrer können dafür sorgen, dass Bikulturalität zu einer
Bereicherung des Unterrichts auch für deutsche Schüler wird.
Sozialpädagogisch kompetente Lehrer müssen eine permanente Awareness dafür haben,
dass Zweisprachigkeit meistens auch bedeutet, dass diese Schüler zwei Kulturen in sich
tragen beziehungsweise dass sie zwei Kulturen erlebt haben. Diese Tatsache kann in ei-
nigen Fällen einen inneren Konflikt verursachen, der neurotisches Verhalten auslösen
kann. Beispielsweise sind viele türkische Mädchen ständig in so einem Konflikt in Bezug
auf ihr Rollenverständnis als Frau (Näheres dazu in Kapitel 4.1.5 und 4.2.5).
Der Konflikt kann bei türkischen Mädchen zum Beispiel darin bestehen, dass sie einer-
seits gehorsame und "züchtige" Mädchen sein möchten, die so leben wie der Koran es
ihnen vorschreibt. Andererseits wünschen sie sich genauso zu sein wie ihre westlichen
Klassenkameradinnen. Sie möchten genauso sexuell selbstbewusst und frei leben wie sie.
Dieser Konflikt zwischen ihren sexuellen Bedürfnissen als Mädchen (ihrem ,,Es") und
den Koranvorschriften (ihrem ,,Über-Ich") löst dann neurotisches Verhalten aus. Dieses
neurotische Verhalten kann natürlich von Mitschülern und Lehrern nicht verstanden wer-
den, da der Konflikt sich innerhalb der Person im Unterbewusstsein abspielt, also nicht
äußerlich erkennbar. Dies kann zu Unverständnis bei den Mitschülern führen, weil diese
nicht die Ursachen des ,,komischen" Verhaltens erkennen können. Eine Folge des Ver-
haltens ist dann unter Umständen der Ausschluss aus der Klassengemeinschaft und Mob-
bing. Auf der anderen Seiten führt dieses Verhalten auch zu Hilflosigkeit und Unver-
ständnis bei den Lehrern, wenn diese keine sozialpädagogische Kompetenz haben. Zu
einer sozialpädagogischen Ausbildung gehören deshalb auch gewisse Grundkenntnisse
in der Neurosenlehre. Nur wenn Lehrer diese Grundlagen beherrschen, können sie das
Verhalten von Schülern mit interkulturell bedingten Neurosen verstehen und eventuell

104
durch ein Gespräch helfen. Es ist daher keine Luxusforderung zu erwarten, dass Lehrer
sich mit den Grundlagen der Neurosenlehre beschäftigen. Auf Neurosen wurde in Kapitel
4.1.5 schon eingegangen.
Lehrer in Klassen mit hohem Migrationsanteil sollten im Unterricht auf Themen wie bei-
spielsweise Frauenrechte, Islamismus oder Homosexualität zu sprechen kommen. So
werden Schüler mit konträren Ansichten konfrontiert und dazu gezwungen, sich in einer
Gesprächssituation im Unterricht, in der Regeln eingehalten werden müssen, intellektuell
damit auseinanderzusetzen. ,,Auf der Straße" werden Schüler mit Migrationshintergrund
zwar auch mit Andersartigkeit wie Homosexualität oder mit der Freizügigkeit deutscher
Mädchen konfrontiert, doch dort findet dann aber eher keine intellektuelle Auseinander-
setzung mit der Thematik statt. Eher im Gegenteil. Wenn Schüler ,,auf der Straße" mit
Andersartigkeit konfrontiert werden und dann abfällige Sprüche in ihrer Peergroup abge-
ben, werden sie gerade für diese Sprüche bejubelt und bekommen Anerkennung, was
dann Vorurteile und Aggressivität bis hin zu Gewalttätigkeit noch verstärkt.
Ein spezielles Beispiel für den Umgang mit Interkulturalität mit reduzierter Akkulturation
ist die Johannesschule in Erfurt. Dort ,,[tragen] junge Musliminnen [...] im Unterricht
selbstverständlich Kopftuch und beim Schwimmen einen Ganzkörperanzug, zum Mittag
können die Kinder zwischen Huhn- und Schweinefleisch wählen. Und beim geplanten
Sommerfest "Bunte Vielfalt feiern" wollen Flüchtlingskinder aus dem Nahen Osten Schü-
ler eines Sprachengymnasiums in Arabisch unterrichten" (Spiegel Online 05.05.2015).
Andersherum sollen Schüler mit Migrationshintergrund nicht nur Themen aus ihrer Le-
benswelt, sondern auch Themen aus der deutschen Kultur nahegebracht werden. Auch
hier bietet Unterricht, der sozialpädagogisch fundiert ist, eine gute Option für interkultu-
relles Lernen. Der Unterricht bietet sich an, um aktuelle Anlässe (wie Karneval, Weih-
nachten, Ostern oder Silvester) zu behandeln. Ziel ist es, auf das Hintergrundwissen der
Schüler aufzubauen, es zu erweitern und in einen Dialog zu kommen. Es soll auch die
Möglichkeit für die Schüler geben, über die Feste in ihrem Land oder in ihrer Religion zu
erzählen (vgl. Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung 2015: 24).

105
Lehrkräfte könnten Projekttage planen, bei denen Themen wie Beruf oder Bewerbungs-
strategien behandelt werden. Durch eine sozialpädagogische Plattform (Kapitel 5) könn-
ten Lehrkräfte schnell Kontakt zu außerschulischen Partnern aufnehmen, die Schüler mit
realen, praxisnahen Gegebenheiten konfrontieren könnten.
Arbeitgeber könnten beispielsweise Bewerbungsgespräche mit den Schülern simulieren,
damit diese wissen, worauf es ankommt und wo ihre Stärken und Schwächen liegen. Ge-
rade Erfahrungen aus der Praxis machen den Unterricht für Schüler interessant oder kön-
nen Schüler auf Berufsideen bringen, an die sie vorher niemals gedacht hätten. Wenn
beispielsweise ein Arbeitgeber Schülern erzählt, dass er nur Schüler einstellt, die gutes
Deutsch sprechen, könnten Schüler eher Ehrgeiz entwickeln, als wenn ihnen dies nur the-
oretisch von Lehrkräften erzählt wird.
Auch andere Projekte, die beispielsweise Einzelhandel, Kochen, Migration, Sport, jah-
reszeitliche Feste, fremde Kulturen und Länder und Europa behandeln, bieten sich für
Projekttage an. Deutsche Schüler könnten Projekte zu der Kultur der Schüler mit Migra-
tionshintergrund bearbeiten und andersherum. Auch könnten die Schüler in ethnisch he-
terogenen Gruppen solche Projekte bearbeiten. Solche Projekte bieten sich auch dazu an,
fachübergreifend gestaltet und bearbeitet zu werden. So könnte im Gesellschaftsunter-
richt beispielsweise die indische Kultur oder die indische Politik behandelt und im Haus-
wirtschaftsunterricht indisches Essen zubereitet werden. Hierdurch würde Schülern kul-
turelles Wissen auf unterschiedlichen Ebenen nahegebracht, was wieder das Memorieren
fördert.
In Klassen mit hohem Migrantenanteil und hoher Heterogenität kann es beispielsweise
vorkommen, dass die Leistungen der Schüler in unterschiedlichen Fächern stark variie-
ren, denn es ist möglich, ,,dass vereinzelte Schüler in Fächern wie Mathematik sehr leis-
tungsstark, dafür aber im Sprachunterricht unterdurchschnittliche Leistungen erbringen,
da die mathematischen Kenntnisse [...] nicht automatisch mit den sprachlichen Kennt-
nissen korrelieren" (Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung 2015: 6).

106
Auch hier erscheint es sinnvoll, dass Lehrkräfte Lerngruppen gleicher Leistungsstände
eigenständig organisieren können. Auch das Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungs-
forschung empfiehlt eine ,,Gruppenteilungen zur inneren Differenzierung" (Staatsinstitut
für Schulqualität und Bildungsforschung 2015: 6). Um solch eine Differenzierung zu or-
ganisieren, ,,ist ein flexibel und kleinschrittig geplanter Unterricht[, sowie] didaktische
und emotionale Kompetenz des Lehrers wichtig" (ebd.).
Gerade bei Schülern mit Fluchthintergrund können sich große Leistungsunterschiede zei-
gen. Damit Lehrer sich möglichst schnell ein Bild über die jeweiligen Kenntnisse machen
können, bieten sich vorgefertigte Lernstandstests an. Derartige Tests müssten in naher
Zukunft an pädagogischen Hochschulen entwickelt werden und könnten dann auf der in
Kapitel 5 vorgestellten sozialpädagogischen Plattform zum Download angeboten werden.
Ergänzend empfiehlt das Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung ein per-
sönliches Gespräch zur Lernbiografie, soweit dies möglich ist. In diesem Gespräch sollte
unter anderem auch erfragt werden, ob eine Koranschule besucht wurde oder der Schüler
Privatunterricht und wenn ja, von wem erhalten hat. Damit Lehrkräfte auf die Lernbio-
grafie und die daraus resultierenden Bedürfnisse der Schüler eingehen können, sind
grundlegende Kenntnisse der Lernkultur des Herkunftslandes notwendig (vgl. Staatsin-
stitut für Schulqualität und Bildungsforschung 2015: 6ff). Wobei dem Lehrer zum Bei-
spiel auch bewusst sein muss, dass der jahrelange Besuch einer Koranschule die Grund-
lage zu einer religiös-politischen Radikalisierung gelegt haben kann. Auch hier sollte der
Lehrer eine Awareness entwickeln und beispielsweise auf bestimmte islamistische Äuße-
rungen im Unterricht achten.
Ein positives Beispiel, um mit Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund um-
zugehen, ist die in der Einleitung genannte Rütli-Schule. Um beispielsweise mit Eltern
kommunizieren zu können, wurden Sozialpädagogen eingestellt, die mit den Eltern bei-
spielsweise auf Arabisch kommunizieren können (vgl. Zeit.de 27.02.2014).
Sozialarbeiter sind teuer und deshalb werden im Regelfall keine Planstellen für sie ein-
gerichtet. Falls doch, dann steht oft nur einer für eine ganze Schule und das nur halbtags
zur Verfügung. Die Rütli-Schule in Berlin Neukölln stellte hier eine Ausnahme dar, da
sie Langzeitthema in den Medien und kurz vor dem ,,Umkippen" war. Die Rütli-Schule
ist ein Beweis dafür, dass eine Schule mit schwersten sozialpädagogischen Problemen

107
durch Einbringen von sozialpädagogischer Kompetenz vor dem ,,Umkippen" bewahrt
werden kann. Und das, obwohl von vielen Politikern schon gefordert wurde, diese Schule
zu schließen, weil sie nicht mehr zu retten sei. In diesem Fall wurde die sozialpädagogi-
sche Kompetenz durch Sozialarbeiter eingebracht, aber es besteht natürlich auch die
Möglichkeit, sozialpädagogische Kompetenz in den Schulalltag einzubringen, indem man
den Lehrern mehr sozialpädagogische Kompetenzen vermittelt.
Eine weitere Option, um sozialpädagogische Probleme von Schülern mit Migrationshin-
tergrund anzugehen, ist das Einbinden von solchen Eltern von Schülern mit Migrations-
hintergrund, die einen Integrationsvorsprung haben. Länger und besser integrierte Mig-
ranteneltern können kürzer und schlechter integrierten Migranteneltern beispielsweise bei
der Kommunikation mit der Schule und den Lehrern ihrer Kinder helfen. Das kann unter
Umständen sogar besser gelingen als eine Unterstützung durch Sozialarbeiter. Länger und
besser integrierte Eltern haben ganz spezifische subjektive Erfahrungen gemacht, die sie
dann in der Heimatsprache den ,,Neuen" weitergeben können. Ein Sozialarbeiter hinge-
gen hat solche migrationsspezifischen Erfahrungen meist nur theoretisch aus zweiter
Hand. Und im Regelfall kann er sein Wissen auch nicht in der Muttersprache der Mig-
ranten vermitteln. Sozialarbeiter haben gegenüber den länger integrierten Eltern nur den
Vorteil, dass sie über bessere fachliche Kenntnisse wie beispielsweise die gesetzliche
Lage oder den richtigen Umgang mit Bürokratie verfügen. Ehrenamtlich helfende Mig-
ranteneltern sind also eine wichtige zusätzliche Option zu Sozialarbeitern. Sie haben per-
sönlich die gleichen Erfahrungen gemacht wie die Neuangekommenen und können so
auch auf einer emotionalen Ebene mit ihnen in Kontakt treten und psychisches Wohlbe-
finden auslösen. Auf diese Art und Weise können sie auf einem hohen Vertrauensniveau
ihren Integrationsvorsprung an die Neuangekommenen weitergeben.
Die Einbindung von Eltern mit Integrationsvorsprung könnte über ein Internetforum statt-
finden. Da davon auszugehen ist, dass es aufgrund fehlender finanzieller Ressourcen in
näherer Zeit nicht dazu kommen wird, dass alle Schulen Sozialarbeiter bekommen, die
eine Fremdsprache aus den Heimatländern der Schüler mit Migrationshintergrund spre-
chen, ist die Option solcher ,,Laienhelfer" ohne Alternative.

108
Es ist notwendig, dass die Organisation solcher Laienhelfer durch die Lehrer übernom-
men wird, da Migranteneltern es in der Regel aus verschiedenen Gründen nicht schaffen,
sich selbst zu organisieren, so dass hier eine sozialpädagogische Unterstützung durch die
Lehrer erforderlich ist.
Kinder und Jugendliche mit Fluchthintergrund haben besondere migrationsspezifische
Probleme. Jungen mit Fluchthintergrund sehen beispielsweise Frauen und Mädchen in
vielen Fällen nicht als gleichwertige Menschen an. Um den Jungen frühestmöglich klar-
zumachen, dass Mädchen und Frauen im Einwanderungsland gleichberechtigt sind, könn-
ten Lehrer beispielsweise darauf achten, dass zum Beispiel auch weibliche Schülerinnen
Klassensprecherinnen werden oder dass diese die Leitung in Teamarbeiten übernehmen.
Lehrkräfte könnten sich dafür einsetzen, dass besonders Schülerinnen mit Flucht- und
Migrationshintergrund an nichtschulischen Aktivitäten teilnehmen, um zu erreichen, dass
Kinder und Jugendliche mit Fluchthintergrund möglichst viel über das soziale Leben und
Rollenverständnis ihres neuen Landes mitbekommen.
Laut Dr. Spenlem muss es Ziel sein, dass Schüler mit Fluchthintergrund im gleichen Um-
fang an gesellschaftlichen Aktivitäten teilnehmen wie Schüler ohne Migrations- und/oder
Fluchthintergrund. Ansonsten würde Integration misslingen (vgl. nano 29.09.2015
min.:11:41ff).
4.2.4 Optionen, gegen Mobbing vorzugehen
Wie in Kapitel 4.1.4 ausführlich geschildert, hat eins von 25 Schulkindern ein- oder mehr-
mals in der Woche unter Mobbingangriffen zu leiden (vgl. Schäfer 1996).
Mobbing macht den Schulalltag für die betroffenen Schüler oft zur Tortur und kann bis
zum Schulabbruch führen. Die Folgen des Mobbings können die Betroffenen das ganze
Leben begleiten. Eine gezielte universitäre Aus-/Fortbildung (zukünftiger) Lehrer darin,
Mobbing in allen Schüleraktivitäten zu erkennen und wirksam dagegen vorzugehen, ist
deshalb unbedingt notwendig.

109
Lehrer sollten im Schulalltag sensibel für Äußerungen sein, die auf Mobbing hinweisen.
Dabei spielt es keine Rolle, von wem diese Äußerungen stammen. Dies können Kollegen,
Eltern, Schüler oder außerschulische Kooperationspartner sein. Mobbing in allen Formen
sollte immer ernstgenommen werden.
Eine Möglichkeit wäre, in regelmäßigen Abständen anonyme Fragebögen an die Schüler
zu verteilen, um immer darüber im Bilde zu sein, in welchem Umfang Mobbing in der
Schule stattfindet und in welchem Umfang Schüler darunter leiden. Den dabei bekannt-
werdenden Fällen von Mobbing sollten Lehrkräfte deutliche Grenzen setzen. Diese Gren-
zen könnten darin bestehen, dass in der Schule zusammen mit den Schülern eindeutige,
verbindliche Regeln für den Umgang miteinander aufgestellt werden, in denen angekün-
digt wird, dass Mobbing in Zukunft empfindlich sanktioniert wird.
Lehrkräfte können heutzutage auf viele Methoden der Konfliktlösung zurückgreifen. Eine
der Methoden ist beispielsweise die Farsta-Methode. Bei dieser Methode geht es darum,
die Mobber für die Situation und die Gefühl des Mobbing-Opfers zu sensibilisieren. Nä-
here Informationen zu diversen Interventionsmaßnahmen lassen sich auf der Seite der
Bundeszentrale für politische Bildung finden (vgl. Sander et al. 2010).
Das Beispiel dieser Interventionsmethode soll verdeutlichen, dass schon während der
Lehramtsausbildung geübt werden sollte, mit Methoden zur Mobbingbekämpfung umzu-
gehen.
Ein geübter Umgang mit solchen Methoden könnte verhindern, dass Lehrer, wenn sie das
erste Mal im realen Schulalltag mit solchen Problemen konfrontiert werden, unsicher und
überfordert sind. In kompetenten Händen könnte diese Methode Mobbing verhindern o-
der zumindest abschwächen.
Falls eine Intervention wie beispielsweise nach der Farsta-Methode keine ausreichende
Wirkung zeigt, müssen Lehrer auf ein größeres Arsenal von weiteren Methoden zurück-
greifen können. In extremen Fällen kann Mobbing einen Straftatbestand erfüllen und in
diesen Fällen dürfen Lehrer auch nicht davor zurückschrecken, die Polizei einzuschalten.

110
Lehrer müssen sich bewusst sein, dass sich Mobbing nie von alleine regelt oder von al-
leine ausbrennt. Im Gegenteil: ohne Intervention verfestigt es sich in jeder Gruppe und
wird zu einer Art Ritual.
Mobber sind meistens keine Sadisten, sondern sie wollen mit dem Mobbing ihren sozia-
len Status in ihrer Gruppe stabilisieren oder erhöhen. Auch wenn, wie in Kapitel 4.1.4
beschrieben, Mobben ein angeborenes Verhalten ist, darf es nicht einfach akzeptiert wer-
den. Die Studienleiterin der in 4.1.4 vorgestellten Studie zum ,,Bullying" Wong ist davon
überzeugt, dass an den grundlegenden Funktionsweisen der Schule gearbeitet werden
muss, damit Mobber mit ihrem Verhalten keinen für sie positiven Effekt mehr erzielen
können (vgl. Süddeutsche 13.08.2015). Der erste Schritt dazu wäre, dass Lehrer sich dazu
verpflichtet fühlen, sich immer aktiv gegen das Mobbing einzusetzen.
4.2.5 Optionen, mit psychologischen und psychiatrischen Problemen umzugehen
Eltern erkennen und akzeptieren psychische Probleme ungern oder schwer (vgl. Peter-
mann 2000: 51), weil sie die Illusion oder den Wunsch haben, ihre Kinder seien ,,normal".
Deshalb muss es die Aufgabe der Lehrkräfte sein, psychische Auffälligkeiten zu erkennen
und Eltern anschließend für diese zu sensibilisieren. Sobald dem Lehrer psychische Auf-
fälligkeiten, die eventuell ein therapeutisches Eingreifen notwendig machen, auffallen,
sollte es zu den Aufgaben eines Lehrers gehören, dass er in solch einem Fall eine Ver-
mittlerrolle zwischen den Schülern und den Eltern und/oder einem Psychologen ein-
nimmt.
Dass Lehrer eine Vermittlerrolle einnehmen sollten, ist alleine schon deshalb notwendig,
weil, wie bereits in Kapitel 4.1.5 ausgeführt, die meisten Schüler mit psychischen Prob-
lemen keine psychologische Hilfe bekommen.
Kinder (und meist auch noch Jugendliche) treten, wie bereits in Kapitel 4.1.5 dargelegt,
in der Regel über ihre Eltern in Kontakt mit Hilfseinrichtungen. Eltern oder Personen im
näheren sozialen Umfeld des Kindes (zum Beispiel Lehrer oder Kindergärtner) entschei-
den also in der Regel, ob ein bestimmtes Verhalten des Kindes deviant ist oder nicht.

111
Somit bestimmt die Sensibilität der Eltern wesentlich darüber, ob therapeutische Hilfen
in Anspruch genommen werden.
Falls die Eltern diese Sensibilität besitzen, haben Lehrer immer auch einen Ansprechpart-
ner, mit dem sie dann über diese Probleme reden können. Falls diese Sensibilität nicht
vorhanden ist, haben es Lehrer viel schwerer. Denn Lehrer können nur in Ausnahmefäl-
len, wenn das Kindeswohl stark gefährdet ist, eigenständig Maßnahmen ergreifen.
Wenn Lehrkräfte sozialpädagogisch zu wenig geschult sind, sehen sie die Aufgabe, sich
mit psychischen Problemen ihrer Schüler zu beschäftigen, nur bei anderen Fachleuten
wie zum Beispiel Schulpsychologen, Sozialarbeitern und/oder Ärzten angesiedelt. Aber
da Lehrkräfte die einzigen sind, die Kinder und Jugendliche regelmäßig mehrere Stunden
am Tag im Unterricht erleben, fällt ihnen die Aufgabe der Früherkennung zu, ob es ihnen
recht ist oder nicht. Es ist daher notwendig, dass den Lehrkräften während ihrer Lehr-
amtsausbildung das hierfür notwendige Handwerkszeug beigebracht wird.
Haben Lehrer die notwendigen sozialpädagogischen Kompetenzen während ihrer Aus-
bildung erworben, können sie kompetente Gespräche mit psychisch auffälligen Schülern
führen. In solch einem Gespräch sollten Lehrer ihren Verdacht auf eine psychische Stö-
rung, die einer Therapie oder einer Behandlung bedarf, erhärten oder entkräften. Bei Er-
härtung des Verdachtes sollten Lehrkräfte weitere Maßnahmen wie beispielsweise das
Verfassen eines Briefes an die Eltern, das Hinzuziehen eines Schulpsychologen oder die
Zuweisung des betroffenen Schülers zu einer Beratungsstelle in die Wege leiten. In eini-
gen Fällen ist es vielleicht sogar notwendig, eine Jugendbehörde einzuschalten.
Darüber hinaus besteht die Aufgabe des Lehrers darin, zu überwachen, ob beispielsweise
die Beratungsstelle dann letztendlich vom betroffenen Schüler aufgesucht wurde. Im Mo-
ment geben Lehrer auffälligen Schülern vielleicht Adressen, damit die Schüler eigenstän-
dig zum Beispiel Beratungsstellen aufsuchen. Ob diese dann letztendlich aufgesucht
wurde und wenn ja, was bei dem Gespräch herausgekommen ist, empfindet der Lehrer
meistens nicht seinem Aufgabenbereich zugehörig. Falls Schüler nur die Adressen von
Beratungsstellen bekommen, ohne dass überprüft wird, ob sie dort hingehen, besuchen
sie die Beratungsstelle häufig erst gar nicht. In so einem Fall wäre eine Option, dass die
Lehrkraft zusammen mit dem Schüler einen telefonischen Termin bei beispielsweise ei-
ner Beratungsstelle vereinbart. Falls auch der gemeinsam vereinbarte Termin von dem

112
Schüler nicht wahrgenommen wird, sollte der Lehrer ein Gespräch mit den Eltern führen.
Falls auch die Eltern es nicht schaffen, dass der Schüler professionelle Hilfe in Anspruch
nimmt, muss der Lehrer gegebenenfalls auch das Jugendamt eingeschalten.
Die derzeitige Praxis, dass der Lehrer nur einmalig empfiehlt, eine Beratungsstelle auf-
zusuchen, hilft solchen Schülern meist nicht weiter und ist praktisch wirkungslos. Sie
kann nur ein erster Schritt sein, doch der Effekt muss unbedingt, wie eben geschildert,
durch den Lehrer überwacht werden. In Kapitel 5 wird geschildert, welche weiteren Maß-
nahmen ein sogenannter Vertrauenslehrer treffen könnte.
Wie schon in Kapitel 4.1.5 erläutert, sollte ein Lehrer auffälliges pubertätsspezifisches
Verhalten von psychopathologischen Auffälligkeiten unterscheiden können. Jeder Ju-
gendliche kommt zwar in die Pubertät, aber nicht jeder Jugendliche macht Probleme in
einem Umfang durch, die den Schulalltag und das soziale Leben des Jugendlichen negativ
beeinflussen. Für eine Auseinandersetzung mit pubertätsspezifischen Problemen brau-
chen Lehrkräfte auch ausreichende Grundkenntnisse über Entwicklungspsychologie. Die
Lehrkraft muss dann beispielsweise über das Wissen verfügen, dass manche Schüler mit
den physiologischen Umbauprozessen im Gehirn während der Pubertät besser zurecht-
kommen als andere. Dieses Wissen ist wichtig, da Lehrkräfte mit den pubertätsspezifi-
schen Problemen im Regelfall alleine zurechtkommen müssen und nur in Extremfällen
professionelle Hilfe holen können.
Wie in Kapitel 4.1.5 erläutert, gibt es zwei Extremtypen von Eltern: zum einen die Über-
vorsichten, die auch bei kleinsten Auffälligkeiten professionelle Hilfe suchen, und zum
anderen die Eltern, die ihre eigene Erziehungsleistung für unfehlbar und somit auch ihre
Kinder für perfekt halten.
Die Lehrer müssen die Eltern des ersten Typs über die normalen psychischen Vorgänge
während der Pubertät aufklären. Sie müssen diesen Eltern vermitteln können, dass mit
ihrem Kind alles in Ordnung ist und dass eventuell auffälliges Verhalten der Pubertät
geschuldet ist. Außerdem müssen sie diesen Eltern klarmachen, dass die Pubertät keine
Erkrankung, sondern eine normale Entwicklungsphase im Leben ihrer Kinder ist.
Den anderen Extremtyp der Eltern müssen Lehrer darauf hinweisen, dass sie den Ver-
dacht haben, dass ihr Kind psychopathologische Verhaltensauffälligkeiten zeigt. Lehrer
müssen in diesen Fällen veranlassen, dass die Eltern mit ihrem Kind einen Psychiater

113
oder Psychotherapeuten aufsuchen. Unter Umständen müssen die Lehrer bei diesen El-
tern sogar eine Vermittlerrolle zwischen dem Psychiater/Psychotherapeuten und den El-
tern einnehmen. Es ist möglich, dass einige Eltern Schwellenängste haben, eine therapeu-
tische Praxis zu betreten, die der Lehrer abzubauen versuchen sollte.
Lehrkräfte sind berufsbedingt die einzigen, die eine Art Screeningfunktion bei allen Schü-
lern einnehmen können, da beispielsweise Psychologen nicht jeden Schüler untersuchen
können. In den meisten Fällen, in denen das soziale Umfeld des Kindes oder des Jugend-
lichen psychologische Auffälligkeiten bei diesem feststellt, bedeutet dies nicht, dass the-
rapeutische Hilfe oder Beratung in Anspruch genommen wird. Deswegen ist es erforder-
lich, dass Lehrer ihre Schüler während des Unterrichts auf psychopathologische Auffäl-
ligkeiten ,,screenen". Wenn sie diese feststellen, müssen sie den Eltern kompetent ver-
mitteln, dass sie eine professionelle Hilfeeinrichtung mit ihrem Kind aufsuchen sollten.
Da juristisch das Recht, einen Schüler beispielsweise zum Arzt zu schicken, von Ausnah-
mefällen abgesehen, bei den Erziehungsberechtigten liegt, muss der Lehrer wissen, wie
er mit den Eltern reden muss, um sie zu überzeugen, dass der Schüler einem Psychothe-
rapeuten vorgestellt werden sollte.
Eine einfühlsame, sozialpädagogische Kompetenz ist wichtig, damit bei den Gesprächen
mit den Eltern keine Widerstandshaltung aufkommt. Beispielsweise dann, wenn ein
Schüler wiederholt handgreiflich oder extrem aggressiv wird. Oder wenn mutmaßlich pu-
bertäre Stimmungsschwankungen so extrem werden, dass der Verdacht auf eine manisch-
depressive Psychopathologie aufkommt.
Bei Lehrern sollte beispielsweise auch der Verdacht auf das Vorliegen einer klinischen
Depression aufkommen, wenn Schüler in verschiedenen Fächern bei verschiedenen Leh-
rern auffällig düstere Einstellungen und Gedanken äußern. Eine klinische Depression be-
inhaltet immer auch das Risiko von Suizidalität, so dass auch hier Früherkennung und
Frühintervention von entscheidender Bedeutung ist.
Wie bei allen in dieser Arbeit geschilderten sozialpädagogischen Problemkreisen müssen
Lehrkräfte auch eine bessere Awareness für die Möglichkeit einer Suizidalität bei ihren

114
Schülern in der Ausbildung vermittelt bekommen, weil sie auch hier in vielen Fällen als
einzige pädagogische Fachleute die Möglichkeit zur Früherkennung und Frühintervention
haben.
Lehrkräfte müssten deshalb während der Lehramtsausbildung oder in Fortbildungskursen
zum Beispiel lernen, eine auffällige Kombination folgender Warnsignale bei Schülern
sicher zu erkennen und richtig einzuordnen:
Konsum von Alkohol oder anderen Droge, Gewalttätigkeit, unübliche Vernachlässigung
der Kleidung, andauernde Langeweile, Konzentrationsschwierigkeiten und/oder Nach-
lassen der schulischen Leistungen, Rückzug aus dem Freundeskreis, Sportverein oder Ju-
gendgruppe, Desinteresse an gemeinsamen Aktivitäten, Abwehr von Lob und Anerken-
nung, Verschenken von geliebten Gegenständen oder Haustieren, Klagen über psychoso-
matische Beschwerden wie Kopfschmerzen, Magenschmerzen, Übelkeit und Müdigkeit.
Wenn Lehrkräfte mehrere dieser Warnsignale bei einem Schüler beobachten, sollten sie
das Gespräch mit dem Schüler suchen und bei Erhärtung des Verdachts einen Schulpsy-
chologen oder eine Jugendbehörde einschalten oder durch geeignete Maßnahmen sicher-
stellen, dass die Eltern den Schüler mit dem Verdacht auf Suizidalität einem Psychiater
oder Psychotherapeuten vorstellen.
Die Zahl der Selbsttötungen und Suizidversuche von Kindern und Jugendlichen ist alar-
mierend und zeigt Professor Gerd Lehmkuhl, Direktor der Kinder-und Jugendpsychiatrie
Köln, zufolge: ,,Wir müssen ein Frühwarnsystem etablieren. Alle, die mit Jugendlichen
umgehen, müssen hingucken, sensibilisiert werden für frühe Anzeichen. Die Kinder und
Jugendlichen quälen sich. Man kann sie aus ihrer speziellen Bedrohung herausholen,
ihnen helfen. Aber wenn das Problem nicht ernst genug genommen wird, kann das fatal
sein - und tödlich" (Mitteldeutsche Zeitung 13.07.2010).
Viele Lehrer werden es wahrscheinlich als Zumutung ansehen, dass ihnen die genannten
Aufgaben zugemessen werden, doch Lehrer sind die einzigen, die ihre Schüler berufsbe-
dingt täglich mehrere Stunden in verschiedenen Situationen, unter anderem auch in
Stresssituationen, beobachten. Dies sind perfekte Bedingungen, um eine Psychopatholo-
gie zu erkennen. Zwar sehen Eltern ihre Kinder in der Regel öfter als Lehrer, doch da sie

115
aus den schon genannten Gründen oft in der Früherkennung ausscheiden, sind die einzi-
gen, die sowohl die Kinder dauerhaft in unterschiedlichen Anforderungssituationen be-
obachten können und dabei auch noch objektiv sind,
Fachpersonal wie Sozialpädagogen, Schulpsychologen und/oder Ärzte, die sich auch mit
den Schülern befassen, können das Screening nicht übernehmen, da einige Eltern niemals
oder nur selten mit ihren Kindern beim Arzt vorstellig werden und Sozialpädagogen und
Psychologen meist erst hinzugezogen werden, wenn das Verhalten der Schüler schon zu
Konflikten mit der Schulleitung oder sogar mit Polizei und Justiz geführt hat oder wenn
bereits ein Suizidversuch unternommen wurde.
Beispielsweise bei der in Kapitel 4.1.5 erläuterten psychischen Erkrankung ADHS ist es
wichtig, dass Lehrkräfte darin ausgebildet werden, die Symptome dieser Krankheit zu
erkennen. Dabei müssen sie sich im Klaren sein, dass ADHS im Moment eine Modedi-
agnose ist. Häufig wird schon nur etwas unangepasstes Pubertätsverhalten von den mit
der Erziehung befassten oft als ADHS bezeichnet wird, weil man so eine Diagnose hat,
die man unproblematisch mit Tabletten behandeln kann. Auch hier gilt es, eine kritische
sozialpädagogische Awareness zu entwickeln.
Lehrkräfte sollten bei Anzeichen, die auf eine psychische Erkrankung deuten, einen An-
sprechpartner haben, der diesen Verdacht bestätigt oder entkräftet. Im besten Fall handelt
es sich um einen permanenten Ansprechpartner. Dies könnte durch die in Kapitel 5 be-
schriebene sozialpädagogische Online-Plattform gewährleistet werden.
Wie in Kapitel 4.1.5 beschrieben, kann es bei Schülern zu neurotischem Verhalten kom-
men. Zu einer sozialpädagogischen Ausbildung gehören deshalb auch gewisse Grund-
kenntnisse in der Neurosenlehre. Nur wenn Lehrer über ein psychologisches Grundlagen-
wissen verfügen, können sie das Verhalten von Schülern mit Neurosen verstehen und
eventuell durch ein Gespräch helfen. Es ist daher keine Luxusforderung, zu erwarten, dass
Lehrer sich mit den Grundlagen der Neurosenlehre beschäftigen.

116
4.2.5.1 Optionen, mit psychologischen und psychiatrischen Problemen speziell
bei Flüchtlingen umzugehen
Viele Schüler mit Fluchtintergrund sind aufgrund des Erlebten vor und während der
Flucht traumatisiert, so dass das Erlebte auch immer wieder Thema im Unterricht sein
wird
(vgl. Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung 2014: 10)
Lehrkräfte, die solche Schüler unterrichten, werden feststellen, dass einige ihrer Schüler
regelmäßig über Kopf- oder Bauchschmerzen klagen, sie bei ärztlichen Untersuchungen
jedoch ohne organischen Befund bleiben. Auch leiden diese Schüler oft an starken Schlaf-
störungen, die über Jahre anhalten (vgl. Framhein 2009: 19). All dies deutet auf Trauma-
tisierung hin und ist ernst zu nehmen.
Lehrkräfte sollten solche Schüler immer wieder mit dem anvisierten Ziel der Ausbildung
und einem geregelten Leben im neuen Land motivieren, denn ,,gerade die Möglichkeit,
die eigene Zukunft wieder mit Freude und Zuversicht gestalten zu können, ist ein wesent-
liches Element der psychischen Stabilisation der Jugendlichen, welche die Grundlage für
ihre nächsten Schritte ist" (Steinacher 2007: 10-27).
Das Wissen über zum Beispiel PTBS muss verfügbar sein, um angemessen darauf rea-
gieren zu können (siehe Kapitel 4.1.5.1).
So reagieren Schüler, die kriegs- und/oder fluchtbedingt traumatisiert sind, ,,bevorzugt
mit dem Leugnen des Traumas sowie mit Abwehrmechanismen in Form von beispiels-
weise Selbsthypnose und Dissoziation. Eine emotionale Abstumpfung bis hin zu Persön-
lichkeitsveränderungen ist möglich" (Petermann 2000: 239).
Wie im
Kapitel 4.1.5.1 erläutert, ist es deshalb für diese Schüler selbst ein großes Anlie-
gen, Stabilität und Routine in ihr Leben zu bekommen. Somit sollten Lehrer über eine
gewisse Routine wie beispielsweise typische Schulrituale eine schulische Umgebung
schaffen, die den Schülern das Gefühl der Sicherheit und Stabilität vermittelt.
Auch das Zusammenstellen homogener Schulklassen, wie in Kapitel 4.2.2.1 erläutert,
trägt zur Schaffung einer stabilen und vertrauten Umgebung, in der die Schüler sich sicher
und geborgen fühlen, bei. Diese Klassen sollten über einen längerfristigen Zeitraum in

117
gleicher Konstellation bestehen. Gerade für Schüler mit Fluchthintergrund ist es am An-
fang sehr wichtig, dass sie in einer Unterrichtssituation ohne Angst vor beispielsweise
Spott wegen ihrer mangelnden Sprachkenntnisse lernen können.
Auch hier gilt wieder wie bei vielen anderen Problemkreisen, dass, wenn sich die Lehrer
nicht selbst darum kümmern, dass diese homogenen Schulklassen eingerichtet werden,
sie sich nicht darauf verlassen können, dass übergeordnete Schulbehörden diese Aufga-
ben übernehmen. Die Ansicht vieler Lehrer, die so etwas nicht als ihrem Aufgabenbereich
zugehörig empfinden, geht an der derzeitigen Schulrealität vorbei.
Das Risiko der Ghettoisierung steigt rapide an, wenn diese Schüler keinen ihrem Leis-
tungsstand angemessenen Unterricht bekommen und keine ernsthafte Lebensperspektive
sehen.
Werden die in Kapitel 4.1.5.1 geschilderten, zum Teil traumatisierten Schüler, ,,einfach"
in den deutschen, regulären Unterricht geschickt, werden sie schnell Zweifel an sich be-
kommen. Dies liegt zum einen daran, dass sie dem Unterricht aufgrund sprachlicher Prob-
leme kaum folgen können. Zum anderen könnte es sein, dass vorher erlebte traumatische
Ereignisse die Konzentrationsfähigkeit dieser Schüler zusätzlich erschweren. Es ist daher
sehr wichtig, dass sie in einer stabilen Umgebung mit festen Bezugspersonen, zu denen
sie ein Vertrauensverhältnis aufbauen, unterrichtet werden. Falls dann beispielsweise
traumatische Ereignisse oder Zweifel im neuen Alltag aufkommen, kann ein als fester
Ansprechpartner fungierender Lehrer wirkungsvoller reagieren.
Es ist also essentiell, dass Lehrkräfte die Kompetenz besitzen, psychische Auffälligkeiten
zu erkennen, um dann einschätzen zu können, ob und inwiefern solche Schüler ,,beschul-
bar" sind oder ob zunächst andere Schritte wie beispielsweise die Psychotherapie einer
PTBS Priorität besitzen.
Wie eben bereits geschildert, ist es eine weitere spezielle Aufgabe von Lehrer, die mit
Flüchtlingskindern- und Jugendlichen arbeiten, ihnen in einer Zeit der Orientierungslo-
sigkeit das Gefühl der Sicherheit, Stabilität und Routine zu geben
.
Dies sind keine
Schlagworte, sondern in vielen verschiedenen Interviews und Berichten über Schüler mit

118
Fluchthintergrund erzählen diese selbst, dass eine angstfreie, stabile Atmosphäre für sie
eines der Dinge mit höchster Bedeutung im Einwanderungsland ist.
Wie in Kapitel 4.2.1.1 beschrieben, besteht gerade bei Kindern grundsätzlich der Vorteil
der noch bestehenden Plastizität des Gehirns. Das heißt, Lehrer, die wissen, wie sie diesen
Vorteil der noch bestehenden Plastizität nutzen können, haben gute Möglichkeiten, die
psychisch geistige Entwicklung der Kinder noch sehr positiv zu beeinflussen und die
möglichen negativen Folgen der traumatischen Erlebnisse der Kinder so weit wie möglich
zu minimieren.
Die hohe Plastizität endet jedoch mit Anfang 20. Gerade für Männer mit Fluchthinter-
grund dieses Alters stellt das Verarbeiten des Erlebten und das Anpassen an die neuen
Lebensumstände eine größere Herausforderung als für Kinder dar. Gerade in dem Zeit-
raum, in dem ihre Gehirne die höchste Plastizität besaßen, befanden sie sich im Krieg.
Das heißt, ihre charakterliche Prägung, ihre sozialen Fähigkeiten und ihre emotionale In-
telligenz haben sie unter Kriegsbedingungen entwickelt. Dessen müssen sich Lehrer, die
mit Schülern in dieser Altersgruppe zu tun haben, bewusst sein.
4.2.6 Optionen, gegen Suchtprobleme vorzugehen
Das Thema Cannabis und dessen Konsum ist ein wichtiges Thema in der Prävention un-
zulässiger Suchtmittel, was die Zahl der 15,8 Prozent jungen Erwachsenen, die regelmä-
ßig Cannabis konsumieren, zeigt. Lehrkräfte könnten Präventivmaßnahmen ergreifen und
Auffälligkeiten am ehesten bemerken. Laut Drogen- und Suchtbericht stellt es eine große
Herausforderung dar, die Zielgruppe der regelmäßigen Cannabiskonsumentinnen und -
konsumenten besser zu erreichen (vgl. Drogen- und Suchtbericht 2015: 40).
Das heißt, gerade Lehrkräfte sind dazu prädestiniert, diese Zielgruppe zu erreichen. Sie
sehen ihre Schüler meist täglich und könnten somit erkennen, ob ihre Schüler Anzeichen
von Suchtverhalten zeigen. Lehrkräfte können die Anzeichen dafür, ob ihre Schüler bei-
spielsweise Cannabis konsumieren, im Unterricht gut feststellen. Sie können nach einem
Anfangsverdacht beispielsweise durch Fernbleiben der Schüler vom Unterricht weitere

119
Maßnahmen einleiten. Sie könnten zum Beispiel gemeinsam mit dem betroffenen Schüler
einen Termin bei einer Suchtberatungsstelle vereinbaren. Wie bereits in Kapitel 4.2.5 ge-
schildert, gilt auch hier, dass der Lehrer verfolgen sollte, ob diese Beratungsstelle aufge-
sucht wurde und falls nicht, dass er den Schüler eventuell dabei unterstützen sollte.
Lehrkräfte können diese Thematik in verschiedenen Fachunterrichten einbringen. Prä-
ventionsarbeit kann in jedem Fach geleistet werden. Im Deutschunterricht beispielsweise
könnten die Schüler über Literatur wie ,,Die Kinder vom Bahnhof Zoo" für die Thematik
sensibilisiert werden oder im Biologieunterricht könnte die Gehirnreifung und deren Stö-
rung bei Drogenkonsum besprochen werden. Je mehr Fächer die Drogenthematik zum
Gegenstand des Unterrichtes machen, desto mehr kognitive Ebenen werden bei den Schü-
lern angeregt. Auch bei dieser Thematik gilt der Grundsatz, dass alles, was von den Schü-
lern mit vielen Emotionen verbunden wird, Mnemonics schafft.
Es ist wichtig, dass Lehrkräfte sich auch darüber bewusst sind, dass es nicht-stoffgebun-
dene Süchte gibt und dass sie sich dementsprechend auch mit diesen auseinandersetzen.
Nicht-stoffgebundene Süchte werden oftmals übersehen. Lehrkräften muss diese Proble-
matik bekannt und immer präsent sein. Sie sollten beispielsweise erkennen und daran
denken, dass durchschnittlich gute Schüler, die einen rapiden Leistungsabfall zu verzeich-
nen haben und die auf einmal dem Unterricht vermehrt fernblieben, vielleicht auch an
solch einer Art von Sucht leiden.
Eine weitere Option für Lehrkräfte, um Suchtprävention zu betreiben, könnte die sozial-
pädagogische Plattform darstellen, die in Kapitel 5 näher erläutert wird. Hier könnten
Lehrkräfte zu den verschiedenen Themen dieser Problematik schnell an seriöse Hinter-
grundinformationen kommen. Es könnte auch dort beispielsweise Unterrichtsmaterial zur
Verfügung gestellt werden, damit auch ,,fachfremde" Lehrer in ihrem Unterricht bei Be-
darf mit ihren Schülern über diese Thematik sprechen können. Die Hintergrundinforma-
tionen bringen Lehrkräften jedoch nur dann was, wenn sie schon während des Studiums
für diese Problematik und die dazugehörigen sozialpädagogischen Probleme sensibilisiert
werden und es auch als ihre Aufgabe ansehen, Suchtprävention in ihrem Unterricht zu
betreiben.

120
Sozialpädagogisch geschulte Lehrer sollten jede Möglichkeit im Unterricht nutzen, um
präventiv gegen Drogen vorzugehen. Sie sollten ihren Schülern klarmachen können, dass
jeder potentiell suchtgefährdet ist und ihnen verdeutlichen, dass jemand, der unter einer
Sucht leidet, zunächst keine Leistung mehr innerhalb der Schule und anschließend im
Rest des Leben bringen kann. Nur, wenn Schüler sich frühestmöglich über die Folgen,
die aus Drogenkonsum resultieren können, bewusst sind, können sie sich erfolgreich ra-
tional dagegen entscheiden.
Auch nicht-stoffgebundene Süchte wie beispielsweise die Internetsucht sollten Eingang
im Unterricht finden. Lehrer sollten sich mit den Schülern darüber unterhalten, ob es bei-
spielsweise wirklich sinnvoll und notwendig ist, sich über das Smartphone zu unterhalten
(vor allem dann, wenn man nebeneinander sitzt). Lehrer könnten beispielsweise themati-
sieren, was echte zwischenmenschliche Kommunikation ausmacht (die Stimme, das Mi-
nenspiel, man hört den anderen lachen oder sieht seine Reaktion).
Wenn die Zeit es zulässt, könnten hierzu auch Experimente durchgeführt werden, in de-
nen die gleiche Kommunikation einmal in der realen Welt und einmal in der Smartpho-
newelt geführt wird. Anschließend könnten die gemachten Erfahrungen im Klassenver-
bund analysiert werden. Schüler könnten so merken, dass die reale Kommunikation viel
mehr Möglichkeiten bietet und dass diese viel reicher ist.
Lehrer könnten mit ihren Schülern gemeinsam Regeln aufstellen, die beispielsweise das
Nutzen des Smartphones während des Unterrichtes untersagen und diese Regel auch kon-
sequent durchsetzen.
Stellt der Lehrer beispielsweise fest, dass ein Schüler auffällig oft die Hausaufgaben ver-
gisst, obwohl dieser zuvor ein zuverlässiger Schüler war oder dass er in freien Momenten
in der Schulzeit pausenlos über ein bestimmtes Computerspiel spricht, sollte beim Lehrer
der Verdacht aufkommen, dass sich möglicherweise eine Computersucht entwickelt.
Bei dem Verdacht könnte er dieses Thema zunächst im Unterricht behandeln. Während
er dieses Thema im Unterricht behandelt, kann er den Schüler, bei dem ihm der Verdacht
einer Computersucht aufgekommen ist, ganz bewusst und möglichst oft in die Diskussion
mit einbeziehen. So kann der Lehrer bestimmte Äußerungen und Einstellungen des be-
troffenen Schülers herauskriegen und sehen, ob dieser kritisch mit der Problematik um-
geht oder nicht.

121
Die Diskussion innerhalb des Klassenverbandes bietet sich zunächst an, um den Schüler
nicht direkt persönlich mit dem Verdacht auf eine Sucht konfrontieren zu müssen. Indem
allgemein und mit der ganzen Klasse über diese Problematik gesprochen wird, fühlt er
sich weniger angegriffen als dies vielleicht in einem persönlichen Gespräch der Fall wäre.
Falls der Lehrer das Problem im Unterricht thematisiert und sich am Suchtverhalten des
betroffenen Schülers nichts verändert, könnte er sich zum Beispiel in einer Freistunde mit
dem Schüler zusammensetzen und ein Einzelgespräch mit ihm führen, um den Schüler
nicht im oder unmittelbar nach dem Unterricht mit dem Verdacht auf eine aufkommende
Sucht konfrontieren zu müssen.
All die Optionen, die in diesem Kapitel vorgestellt wurden, können von Lehrkräften na-
türlich nur solange übernommen werden, wie es sich um Frühintervention handelt. Falls
es sich um eine schon verhärtete Sucht handelt, müssen andere Fachleute zu Rate gezogen
werden.
4.2.7 Optionen, gegen religiösen/politischen Fanatismus vorzugehen
Christoph Grotepass, Sektenexperte in Nordrhein-Westfalen, gibt im Kölner Stadtanzei-
ger am 17.10.2014 zu verstehen, dass gerade Schüler mit Migrationshintergrund von Ra-
dikalen leichter zu beeinflussen seien, da ,,sie von ihrer eigenen Kultur und dem Islam so
wenig wissen. Jemand, der in seiner Tradition und in seinem Glauben sicher ist, ist weni-
ger anfällig für radikale Ansichten. Es wäre auch ein Fehler zu glauben, dass nur eine
bestimmte Klientel anfällig für religiösen Extremismus ist. Das sind nicht nur Schwache.
Wir sind alle mal schwach, aber wir haben vielleicht ein besseres Netz von Familie und
Freunden, das uns auffängt. Wenn das aber fehlt und dann noch eine Krise kommt, wird
es schwierig. Das, in Kombination mit einer schwach ausgeprägten Identität, macht an-
fällig" (Kölner Stadtanzeiger 17.10.2014).

122
Zudem sind gerade Schüler mit Migrationshintergrund es ,,nicht gewohnt, sich bei Prob-
lemen an staatliche oder andere Beratungsstellen zu wenden. Im Moment sind es vor al-
lem Lehrer, die wissen wollen, wie sie das Thema im Unterricht behandeln sollen" (ebd.).
Wie bereits in Kapitel 4.1.7 geschildert, kann es im Fall einer schlechten oder gar nicht
erfolgten Integration zur Radikalisierung kommen.
Lehrer müssen über erweitertes Grundwissen zum Islam verfügen, damit sie islamistisch-
radikalisierten Schülern in Diskussionen mit korrekten Islamkenntnissen entgegentreten
können. Dabei geht es beispielsweise um bestimmte Suren, mit denen die Islamisten ihre
Gewalttaten rechtfertigen und/oder darum, die Bedeutung des Wortes ,,Dschihad" im Ko-
ran so kompetent mit solchen Schülern zu diskutieren, dass der Lehrer mit seinen Argu-
menten gegen die ideologische Manipulation auf den Webseiten der ISIS ankommen
kann.
Nur, wenn Lehrer über dieses Wissen über die Andersartigkeit des Aufwachsens in un-
terschiedlichen religiösen/politischen Gruppierungen verfügen, können sie Anzeichen
von aufkommendem religiösem und politischem Fanatismus bei ihren Schülern bemer-
ken. Lehrkräfte müssen wissen, welche Gruppierungen und Umgebungen Kinder poten-
ziell zu Fanatikern machen beziehungsweise aus welchen Quellen sie diesen Fanatismus
beziehen.
Falls Lehrkräfte dann solche Schüler unterrichten, sollten sie genau auf Äußerungen ach-
ten, aus denen sich erkennen lässt, dass sie beispielsweise Webseiten im Netz, die der
ISIS zuzuordnen sind, frequentieren. Falls der Lehrer bei dem Jugendlichen nicht alleine
weiterkommt und deshalb Beratungsbedarf bei dem Lehrer besteht, sollte es ihm auch
nicht peinlich sein, professionelle Unterstützung in Anspruch zu nehmen (zum Beispiel
über das Webportal der Sekteninfo).
Um gegen Fanatismus vorzugehen, sind konkrete Diskussionen nötig, indem der Lehrer
ganz detailliert darauf eingeht, welche Ursachen und welche Ziele beispielsweise der
Islamismus hat. Er könnte dazu mit seinen Schülern die politischen Pläne der Islamisten
und bestimmte, in den Diskussionen immer wieder aufkommende Koranverse, bespre-
chen, und diskutieren, ob diese von den Islamisten richtig oder falsch zitiert und/oder
interpretiert werden.

123
Wie bereits in Kapitel 4.1.7 erläutert, ist es für Lehrer wichtig zu wissen, dass eine Ra-
dikalisierung vieler Jugendlicher nicht mehr nur in Moscheen, sondern immer öfter durch
islamistische Webseiten stattfindet. Bisher war die Lesart des Verfassungsschutzes, dass
sogenannte Hassprediger in Moscheen für die Radikalisierung verantwortlich sind. Des-
wegen wäre es sinnvoll, dass auf der sozialpädagogischen Plattform (Kapitel 5) aktuelle
Links von den eben genannten radikalen Internetseiten gelistet werden. So könnten spe-
zialisierte Lehrer - wie beispielweise (Islam-)Religionslehrer - sich selbst darüber infor-
mieren, von welchen Seiten sich ihre Schüler möglicherweise radikale Ansichten ange-
eignet haben, um besser darauf reagieren zu können.
Bemerkt ein Lehrer, dass Schüler Schlagworte benutzen, die von solchen ISIS-Seiten
stammen und es stehen die nötigen Geräte zur Verfügung, bietet sich an, dass der Lehrer
gemeinsam mit diesen Schülern solche Internetseiten besucht, um sie dann mit ihm zu
diskutieren.
Gerade Lehrkräfte, die schon aus Berufsgründen viele Stunden in der Woche mit ihren
Schülern zusammen sind und mit ihnen über verschiedene Geschehnisse diskutieren,
sind dazu prädestiniert, in beispielsweise tagesaktuellen Diskussionen, islamistische Äu-
ßerungen und Ansichten zu erkennen. Dadurch kann der Lehrer so während des normalen
Unterrichts eine Screeningfunktion für Radikalisierung übernehmen.
Lehrkräfte, die sozialpädagogisch geschult wurden und sich nicht auf die rein akademi-
sche Wissensvermittlung beschränken, können dadurch besser Vertrauen zu ihren Schü-
lern aufbauen. Sehen Schüler, die zu potenziell gefährlichen religiös/politischen Grup-
pierungen Kontakt haben, ihre Lehrer erst einmal als Vertrauensperson an und nicht mehr
nur als Wissensvermittler, die nach dem Unterricht den Klassenraum verlassen, lassen
sie sich vielleicht eher auf Gespräche zu heiklen Themen ein beziehungsweise suchen
sogar das Gespräch mit ihnen.
Ein Schüler, der beispielsweise dabei ist, sich von einer Sekte wie den Zeugen Jehovas
gegen den Willen der Eltern, die auch Mitglieder der Sekte sind, zu trennen, befindet sich
in solch einer heiklen Situation. Heikel ist diese Situation, da der Schüler sich gegen

124
seine Eltern stellen muss, was in vielen Gruppierungen eine schwere Sünde darstellt. In
den meisten Fällen hat er keine Freunde, mit denen er über die Praktiken und Einstellun-
gen der Sekte sprechen kann. Mitglieder der Sekte scheiden auch für ein Gespräch aus,
da diese in der Regel keine Zweifel an der Sekte dulden, so dass ein objektives Gespräch
unmöglich ist. Für einen Schüler, der aus einer Sekte aussteigen will, könnte der Lehrer
deshalb der einzige sein, bei dem er seine Zweifel äußern und eine objektive Einschät-
zung bekommen kann.
Gerade in der Schule könnten solche heiklen Themen besprochen werden, wenn Lehrer
durch Fortbildungen vermittelt bekämen, wie sie mit radikalen Äußerungen von Schülern
umzugehen haben. Wie vom Sektenexperten Grotepass zu Anfang des Kapitels erläutert,
ist die Schwelle, zu Beratungsstellen zu gehen, gerade für Schüler mit Migrationshinter-
grund sehr hoch. Diese Schwelle fiele weg, wenn Lehrkräfte selbst Aufklärungsarbeit in
der Schule leisten könnten. Auch für Schüler, die durch die Familie in Sekten hineinge-
boren werden, erscheint die Schwelle, ,,hinter dem Rücken der Eltern" zu einer Sekten-
beratung zu gehen, sehr hoch.
Da gerade aus Sekten oder streng religiösen Familien stammende Schüler oft nicht ein-
schätzen können, ob die dort vermittelten Weltansichten unschädlich und akzeptabel
sind, sind die Lehrkräfte die einzigen, die ihnen von den Eltern beziehungsweise der
Sekte abweichende Ansichten vermitteln können.
Eine Voraussetzung dafür, dass Lehrkräfte diese Aufgaben übernehmen können, ist, dass
sie zunächst selbst eine Ausbildung und regelmäßige Fortbildungen zu Themen des po-
litischen und religiösen Fanatismus erhalten. Bei der Thematisierung dieser Probleme
mit ihren Schülern dürfen sie sich nicht nur auf die heimische Religion (Katholizismus,
Protestantismus) beschränken, sondern sie sollten mit ihnen vergleichend über viele an-
dere Religionen sprechen. So würden sowohl deutsche Schüler als auch Schüler mit Mig-
rationshintergrund lernen, Religionen aus einer gewissen kritischen beziehungsweise ob-
jektiven Distanz zu betrachten. Religionserziehung außerhalb der Schule erfolgt immer
ohne kritische Distanz und macht die Schüler so anfälliger für sektiererische und fanati-
sche Gedanken.

125
Bei Projekttagen können die Schüler dazu aufgefordert werden, in den Medien beispiels-
weise Berichte über den IS oder über andere radikale Gruppierungen zu sammeln und
diese in der Schule vorzustellen. Falls es technisch möglich ist, könnten diese Berichte
dann als MP4 mittels Beamer der gesamten Klasse vorgestellt und diskutiert werden.
Wichtig ist zudem, dass Lehrkräfte Sensibilität dafür entwickeln, ob ein Schüler Ge-
sprächsbedarf hat. Wenn ein Schüler beispielsweise aus einer solchen Gruppierung aus-
steigen möchte oder vielleicht nur Zweifel hat und keinen anderen Gesprächspartner fin-
det, ist der Lehrer häufig der einzig verfügbare Ansprechpartner, mit dem er über solche
schwierigen Themen objektiv sprechen kann.
4.2.8 Optionen, mit gewalttätigen Schülern umzugehen
Jugendliche haben das Grundbedürfnis, sich auszuleben. Dieses Ausleben kann auf ver-
schiedene Weisen erfolgen. Einige leben sich beispielsweise aus, indem sie sich künstle-
risch betätigen und malen, schneidern oder Musik machen. Andere leben sich körperlich
aus, indem sie zum Beispiel (extreme) Sportarten ausüben. Dieses individuelle Ausleben
ist extrem unterschiedlich, doch alle Formen des Auslebens haben gemein, dass Jugend-
liche sie ausüben, um etwas Individuelles und Besonderes zu machen, was sie auszeichnet
und worin sie sich selbst wiederfinden.
Jugendlichen reicht es nicht aus, vormittags zur Schule zu gehen und den Nachmittag mit
einer ähnlichen Routine mit Schularbeiten zu verbringen.
Für viele Jugendlichen werden die Möglichkeiten, sich in einer emotionalen, individuel-
len Form auszuleben, in der modernen Gesellschaft immer geringer. Jugendliche aus Fa-
milien mit finanziell begrenzten Mitteln haben sehr wenig Möglichkeit, sich dadurch zu
beweisen, dass sie etwas ,,Großartiges" machen. Für Jugendliche aus privilegierten Fa-
milien ist dies sehr viel weniger ein Problem.

126
Das Bedürfnis von Jugendlichen, sich und anderen in irgendeiner Form mit einer außer-
gewöhnlichen Leistung etwas zu beweisen, ist genetisch angeboren. Bei den Naturvöl-
kern erfolgte dieses Sichbeweisen zum Beispiel dadurch, dass ein Jugendlicher auf einen
riesigen Baum oder Fels stieg und aus einem Adlernest eine Feder holen musste, um zu
zeigen, dass er jetzt erwachsen war und etwas ,,Großes" vollbringen konnte.
Herausforderungen wie diese Initiationsriten fehlen in der modernen Gesellschaft. Das
kann zur Folge haben, dass Jugendliche als Ersatz dafür gewalttätig werden. Es geht hier
ähnlich wie beim Mobbing um eine Statusförderung beziehungsweise -stabilisierung (vgl.
Süddeutsche 13.08.2015). Und darüber hinaus geht es um ein stark emotionales Erlebnis,
also eine Art Abenteuer. Das heißt, die Jugendlichen leben sich in Gewalt aus beziehungs-
weise versuchen, ihren sozialen Status durch Gewalttätigkeit zu stabilisieren oder zu er-
höhen, weil sie sonst keine Möglichkeit haben, etwas ,,Großartiges" zu vollbringen, mit
dem dies ebenfalls möglich wäre. In finanziell schlechter gestellten Schichten stellt Ge-
walt für Jugendliche häufig das am einfachsten zu verwirklichende ,,Abenteuer" dar, das
obendrein auch noch kostenlos ist.
Für sozialpädagogisch kompetente Lehrer, die sich dem Gewaltproblem stellen wollen,
geht es also darum, den Schülern im Rahmen der Möglichkeiten der Schule andere Opti-
onen zu bieten, ihr Bedürfnis zu befriedigen, sich individuell auszuleben und den sozialen
Status in ihrer Peergroup zu erhöhen oder zu stabilisieren.
Dies könnte dadurch erfolgen, dass die Schule als öffentlicher Raum auch außerhalb der
Schulzeit geöffnet wird. Dort sollten Angebote gemacht werden, die den Schülern eine
ähnliche emotionale Erlebnisqualität bieten wie Gewalt, aber eben sozial verträglich.
Lehrer können Jugendlichen zum Beispiel die Möglichkeiten bieten, sich mit einer Rap-
Performance oder in einer Segelflug-Arbeitsgemeinschaft ihre ,,Adlerfeder" zu verdie-
nen. Dadurch bietet die Schule den Jugendlichen die Möglichkeiten, die sie in Urgesell-
schaften in der Natur gefunden haben. Wenn die Schule es nicht schafft, diese Urbedürf-
nisse der Jugendlichen zu befriedigen, und Jugendliche es selbst aufgrund mangelnder
finanzieller Mittel der Eltern auch nicht schaffen, werden sich einige dieser Jugendlichen
durch Gewalt als einfachstem und günstigstem Weg ähnliche emotionale Erlebnisse ver-
schaffen.

127
Jugendliche, deren Eltern über genug finanzielle Mittel verfügen, können dafür sorgen,
dass ihre Kinder diese ,,emotionalen Abenteuer" beispielsweise durch Motorcross fahren
oder Skiurlaub geboten werden.
Lehrer sollten die sozialpädagogische Kompetenz besitzen, das Grundbedürfnis der Ju-
gendlichen, sich emotionalen auszuleben, im Rahmen der Möglichkeiten der Schule zu
befriedigen.
Durch die Öffnung der Schule an Nachmittagen und Wochenenden könnten Schüler
sämtliche Schulsport ­ und Aktivitätsräume der Schule nutzen. Sie könnten beispiels-
weise den Werkraum nutzen, um eine eigene Halfpipe zu bauen das oder sich Kleidung
zu designen und zu schneidern. Auch ein schallisolierter Kellerraum könnte als Bandpro-
beraum genutzt werden, damit Jugendliche ohne großen Aufwand an einen Raum kom-
men, in dem sie mit Bühnenlautstärke proben können. Es bieten sich noch viele weitere
Räumlichkeiten wie Fotolabor, der Kunstraum, die Schulküche oder der Schulgarten an,
um emotionale Abenteuer in der Schule zu bieten. In Schulen mit großem Schulgelände
könnte zum Beispiel Schultiere gehalten und von Schülern betreut werden.
Dabei ist es wichtig, dass diese Aktivitäten selbstorganisiert und auf freiwilliger Basis
erfolgen, da sie von den Schülern sonst als Unterricht empfunden und eher abgelehnt
werden. Es sollte sich hierbei nicht um eine Fortsetzung des Lehrplans mit anderen Mit-
teln handeln.
Bevor Lehrer Schülern nachmittags Schulräume zur Verfügung stellen können, müssen
sie zahlreiche Sicherheitsvorkehrungen treffen (Aufsicht, Versicherung etc.). Lehrer
müssten während ihrer Aus- bzw. Fortbildung die handlungsorientierten Kompetenzen
vermittelt bekommen, die erforderlich sind, um solche administrativen, juristischen und
versicherungstechnischen Probleme zu lösen.
Im Rahmen des Unterrichts können Förderung von Eigeninitiative, Gruppenarbeit, indi-
viduelle Betreuung, Einbindung von Praktika und generell größere Anschaulichkeit und

128
Praxisnähe im Unterricht die Schule interessanter machen und unter Umständen verhin-
dern, dass Schüler sich von der Schule ab- und der Gewalttätigkeit zuwenden (vgl. Förtig
2002: 197).
Um beispielsweise sinnvolle Arbeitsgruppen zu bilden, die solchen Problemen wie ge-
waltbefürwortenden Einstellungen entgegenwirken, müssen Lehrkräfte wissen, auf wel-
che Besonderheiten sie bei der Zusammensetzung der Arbeitsgruppen zu achten haben.
Die Art der Zusammensetzung solcher Gruppen ist wichtig, damit sich Gruppen mit Schü-
lern bilden, die in ihrer sozialen, sprachlichen und/oder ethnischen Herkunft möglichst
heterogen sind. So könnte der Lehrer ein wenig steuern, dass sich Schüler zusammenfin-
den, die sich gegenseitig, sei es sozial oder rein wissensbedingt, weiterbringen.
Neben festen Klassenlehrern erscheint es sinnvoll, auch feste Vertrauenslehrer, die teil-
weise vom Unterricht freigestellt werden und so möglichst viele freiverfügbare Stunden
für die eben genannten Aufgabenbereiche haben, einzusetzen. Schüler, die Probleme ver-
schiedener Art haben, hätten so immer einen festen Ansprechpartner. Da der Klassenleh-
rer die Schüler auch wissensbedingt benoten muss oder es aus anderen Gründen sein
kann, dass der Schüler nicht mit ihm über Probleme reden möchte, bietet sich ein von den
Schülern selbstgewählter Vertrauenslehrer an. Dazu kommt, dass, wie in Kapitel 3.1.3
erläutert, es Lehrer gibt, die von ihrer Persönlichkeitsstruktur her nicht dazu geeignet sind,
sich um Schüler mit sozialpädagogischen Problemen zu kümmern.
Eine Zusammenarbeit beziehungsweise vermehrte Kooperation von Klassenlehrern und
Vertrauenslehrern wäre auch für die in dieser Arbeit immer wieder betonte Früherken-
nung in diesem Fall von gewalttätigen Tendenzen durch Lehrkräfte wichtig. Falls ein
Lehrer eine gewalttätige Tendenz bei einem Schüler feststellt, sollte er das Gespräch mit
ihm suchen und versuchen, die Gründe seiner gewaltbefürwortenden Einstellung zu er-
mitteln. Im Rahmen dieses Gespräches könnte er ihn in eine seiner nachmittäglichen Ak-
tivitäten einbinden, damit der Schüler seine Abenteuerbedürfnisse sozialverträglich aus-
leben kann.
Um Lehrkräfte beim Erziehen der Schüler zu entlasten, da ihre vornehmliche Aufgabe ja
nun mal in der Wissensvermittlung liegt, könnten auch hier beispielsweise ehrenamtliche,
feste Paten den Lehrer unterstützen (siehe Kapitel 5 ­ Ehrenamtlichen Tandems).

129
Auch als Ansprechpartner bei Problemen mit Polizei und Justiz sollten Lehrer den Schü-
lern zur Verfügung stehen. Dies trägt zur Früherkennung von gewalttätigen Tendenzen
bei, da, wie bereits beschrieben, Sozialarbeiter oder Sozialpädagogen meist erst dann hin-
zugezogen werden, wenn es schon zu einer Verurteilung gekommen ist, während Lehrer
schon im Vorfeld aktiv werden können. Hierzu sind gewisse juristische und kriminologi-
sche Kenntnisse nötig. Diese sollten deshalb auch Bestandteil einer sozialpädagogischen
Aus- oder Fortbildung sein. Auf erste Anzeichen für ein Abgleiten der Jugendlichen in
deviantes Verhalten (beispielsweise Schulschwänzen) sollten Lehrkräfte genau achten
und sofort mit Gesprächsangeboten und leichten Sanktionen reagieren. So merken diese
Schüler sofort, dass die Lehrkraft ihr Verhalten im Auge hat und dieses nicht einfach
duldet (vgl. Förtig 2002: 197).
Ist ein Schüler straffällig geworden, so ist es wichtig, dass er in der Schule nicht stigma-
tisiert oder gar ausgeschlossen wird, sondern dass ihm die Bezugsgruppe Schule erhalten
bleibt und er einen Abschluss macht (vgl. Förtig 2002: 198). Nicht nur Mitschüler, son-
dern auch Lehrkräfte müssen lernen, ,,besondere" beziehungsweise verhaltensauffällige
Schüler nicht zu stigmatisieren.
Die Lehrer sollten sich daher selbst und seitens der Klasse um einen vorurteilsfreien Um-
gang mit den Betreffenden bemühen und ihnen zeigen, dass das, was sie getan haben,
nicht richtig war, aber mit der verhängten Strafe erledigt ist (vgl. Steinmetz 1997:113).
Lehrkräfte, die sozialpädagogisch ausgebildet wurden, könnten beispielsweise Rollen-
spiele veranstalten, damit alle Schüler der Klasse gleichermaßen wissen, wie sich Täter
und Opfer von Gewalttaten fühlen.
Bei Flüchtlingen können Gewalterfahrungen (sowohl als Täter als auch als Opfer) eine
besondere Herausforderung für den Lehrer darstellen. Dadurch, dass viele Schüler mit
Fluchthintergrund (tödliche) Gewalt erlebt haben, ist hier ein ganz besonders kompetenter
Umgang mit dieser Thematik vonnöten (Näheres dazu in Kapitel 4.3).
In Konfliktsituationen muss ein Lehrer gezielt beobachten, ob Schüler mit Fluchthinter-
grund über friedliche Konfliktlösungsmechanismen verfügen. Falls solche friedlichen
Konfliktlösungsmechanismen nicht vorhanden sind, sollte der Lehrer diese mit seinen

130
Schülern einüben. Zudem müssen Lehrkräfte an kleinen Anzeichen merken, dass einige
Schüler den Impuls haben, aggressiv und gewaltsam auf Konflikte zu reagieren. Dies
muss der Lehrer bestenfalls merken, schon bevor ein Konflikt gewaltsam ausartet.
Lehrer müssen daran denken, dass gerade männliche Schüler mit Fluchthintergrund oft
gewaltsame Konfliktlösungsmechanismen kennen gelernt haben, die sie aus Gewohnheit
oder Angst in Einzelfällen vielleicht dazu verleiten, Messer oder Waffen mit in die Schule
zu bringen. Man muss daher befürchten, dass diese Schüler solche Gewohnheiten oft
nicht von einen auf den anderen Tag aufgeben können.
Wie bereits in Kapitel 4.2.5.1 geschildert, sollte Schülern mit Fluchthintergrund ein Ge-
fühl von Sicherheit vermittelt werden, damit diese Schüler merken, dass Selbstsiche-
rungsmaßnahmen mit Waffen oder anderen Gewaltmitteln nicht erforderlich sind und in
Deutschland nicht toleriert werden.
Vermehrte Gruppenarbeiten, in denen solche Schüler Funktionen und eventuell sogar die
Leitung übernehmen, ermöglichen es ihnen zu lernen, Probleme und kleine Konflikte
durch Gespräche zu lösen.
4.2.8.1 Optionen, um gegen Gangbildung vorzugehen
Lehrkräfte müssen spezifische Anzeichen, die auf Gangbildung hindeuten, erkennen kön-
nen. Dazu ist die sozialpädagogische Kompetenz, Anzeichen wie beispielsweise be-
stimmte Kleidung (zum Beispiel Jacken mit gruppenspezifischen Aufnähern), spezifische
Begrüßungsrituale, gangspezifische Sprache und Ausdrücke erkennen zu können, nötig.
Wie im vorherigen Kapitel erläutert, stellen beispielsweise nicht integrierte Flüchtlinge
eine Risikogruppe dar. Da die Zahl der Flüchtlinge derzeit schon so hoch ist (und ver-
mutlich noch weiter ansteigen wird), dass sie ihren Alltag ohne sich in Deutschland in-
tegrieren zu müssen, untereinander organisieren können, steigt die Gefahr, dass sie sich
zunächst innerhalb ihrer jeweiligen ethnischen Gruppen zusammenschließen, was die
besten Voraussetzungen für ethnische Gangs schafft. Aus der Geschichte ist bekannt, dass

131
die gefährlichsten und mächtigsten Gangs (wie zum Beispiel die italienische Mafia) ur-
sprünglich immer aus ethnisch und geografisch homogenen Gruppen hervorgegangen
sind.
Lehrer sind auch hier die prädestinierte Berufsgruppe für die Aufgabe der Früherkennung
und Prävention, die unbedingt von jemandem übernommen werden muss.
Wenn gewisse Grenzen von Gewalttätigkeit überschritten werden und Gespräche nicht
mehr helfen, dürfen Lehrer auch nicht davor zurückschrecken, mit Polizei, Jugendämtern
und Staatsanwaltschaft zusammenzuarbeiten, um Gewalt und Gangbildung einen Riegel
vorzuschieben. So wäre es möglich, Gangbildung als solche schneller zu erkennen und
durch das frühe Eingreifen eine Verfestigung krimineller Verhaltensweisen zu verhin-
dern. Wenn sich nach dem Einschalten dieser Stellen durch Lehrer alle mit delinquenten
Jugendlichen befassten Stellen (Polizei, Jugendamt, Schulen, Jugendstaatsanwaltschaft-
und Gericht) gegenseitig informieren und ihre Maßnahmen aufeinander abstimmen,
könnte man auf abweichendes Verhalten von Jugendgangs früher und effektiver reagieren
(vgl. Schmidt 1995: 551ff).
Auch hier sind Lehrkräfte dafür prädestiniert, da sie die Erwachsenen sind, die am längs-
ten mit den Jugendlichen zusammenarbeiten beziehungsweise den unmittelbarsten Kon-
takt zu den Jugendlichen haben. Schulische Präventionsmaßnahmen sind gerade deshalb
von Bedeutung, weil die Erziehung durch die Schule durch die Berufstätigkeit beider El-
tern oder unvollständige Familien immer mehr Gewicht bekommt.
Zwischen der im vorherigen Kapitel detailliert beschriebenen individuellen Gewalt und
gewalttätigen Gangs besteht ein Zusammenhang, denn die Faktoren, die zu individueller
Gewalt führen, spielen auch bei der Gewalt von Gangs eine Rolle. Als Ort des sozialen
Lernens und der Interaktion mit anderen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen scheint
die Schule besonders geeignet, zur gewaltfreien Konfliktlösung zu erziehen, alternative
Lösungsmöglichkeiten zu zeigen und individuell auf gefährdete Jugendliche einzuwir-
ken.
Präventionsmaßnahmen gegen Gangs in Schulen sind auch deshalb relevant, weil Jugend-

132
banden häufig in Schulen entstehen und dort aktiv werden, wie zum Beispiel durch Über-
griffe auf Mitschüler und/oder Lehrer oder Sachbeschädigungen (vgl. Förtig 2002: 196).
Die Anonymität der Schüler und die fehlende Zusammenarbeit von Schule und Eltern bei
der Erziehung der Jugendlichen können als wesentliche Voraussetzungen für das Versa-
gen bei der Erziehung gegen delinquentes Verhalten angesehen werden (vgl. Stürzbecher
1994: 81). Lehrkräfte sollten also auch den Umgang mit schwierigen Eltern lernen (vgl.
Förtig 2002: 197).
Um gegen Gangbildung in der Schule anzugehen, empfiehlt es sich, Lehrkräfte, Schüler
und Eltern an den Entscheidungsprozessen in der Schule verstärkt zu beteiligen. Größere
Mitbestimmungsrechte fördern einerseits eine Identifikation der Schüler mit ihrer Schule
und andererseits die Zusammenarbeit von Eltern und Lehrern (vgl. Förtig 2002: 197).
Sozialpädagogisch ausgebildete Lehrkräfte könnten solch eine Vernetzung aller in der
Schule beteiligten Akteure besser initiieren.
Eine weitere Option, um gegen Gangbildung anzugehen, ist die im vorherigen Kapitel
schon erläuterte Öffnung der Schule als öffentlicher Raum. Lehrkräfte müssen die Be-
dürfnisse der Schüler erkennen (können). Zum Erkennen und im Idealfall zur Analyse
von Schülerbedürfnissen sind Lehrkräfte theoretisch am ehesten in der Lage, da sie sehr
nah (näher als alle anderen Berufsgruppen, die mit Schülern zu tun haben) an und mit den
Schülern arbeiten und individuelle (das heißt nicht nur pauschale) sozialpädagogische
Probleme erkennen können.
Ein weiterer wichtiger Punkt bei der Präventionsarbeit in Schulen sowohl im Unterricht
als auch bei den schulischen Aktivitäten am Nachmittag außerhalb der Unterrichtsstunden
ist die im vorherigen Kapitel erwähnte gezielte Erziehung gegen Gewalt und Kriminalität.
Hierzu existieren bereits verschiedene Konzepte mit speziellen Unterrichtsbausteinen für
Schulen. In solchen Unterrichtsbausteinen werden Ursachen für gewalttätiges Verhalten,
Kriminalität und Bandenbildung und die Probleme besprochen, die durch delinquentes
Verhalten entstehen. Darüber hinaus werden alternative Lösungsmöglichkeiten aufge-
zeigt (vgl. Förtig 2002:198).
In den Schulen muss eine Null-Toleranz-Politik gegen Gewalt auch schon bei kleinsten

133
gewalttätigen Übergriffen vorherrschen. Lehrkräfte müssen bei jeglicher Form von Ge-
walt (sei es verbale oder körperliche) sofort konsequent einschreiten und vom Täter zum
Beispiel eine Entschuldigung beim Opfer einfordern. Bestenfalls sollte die Entschuldi-
gung oder Wiedergutmachung öffentlich erfolgen, damit alle Schüler das Gefühl bekom-
men, dass Gewalt nicht toleriert wird.
Schüler, die Opfer von Gewalt sind, wenden sich heute selten an ihre Lehrer, da sie nicht
erwarten, dass sie von ihnen Hilfe bekommen. Allen Schülern sollte klargemacht werden,
dass selbst Rempeln und leichtes und/oder einmaliges Boxen kein Spaß sind, sondern
eine Körperverletzung im Sinne des Strafgesetzbuches darstellen. So würden die Anfänge
von Gewalt und Gangbildung schon zu Anfang im Keim erstickt.
Aus der Kriminologie ist bekannt, dass für die Prävention die Höhe der Strafe nicht so
bedeutend wie die Wahrscheinlichkeit der Strafe ist. Das heißt, Schüler, die eine Tendenz
zu Gewalttätigkeit haben, müssen das Gefühl bekommen, dass sie mit höchster Wahr-
scheinlichkeit für jeden gewalttätigen Übergriff bestraft werden.
Auch hier zeigt sich, dass Lehrkräfte über ein Arsenal verschiedener Methoden verfügen
sollten, um angemessen auf solche Grenzüberschreitungen reagieren zu können. Es kann
sein, dass einige Schüler viele Erkenntnisse aus einem Rollenspiel ziehen, während an-
dere eher von einer Diskussion der Problematik profitieren. Rollenspiele, gerade zu solch
einer Thematik, können sinnvollerweise nicht von Lehrern ohne sozialpädagogische
Kompetenzen durchgeführt werden. Rollenspiele zur Gewaltproblematik bringen nur
dann was, wenn der Lehrer eine sozialpädagogische Ausbildung genossen hat, in der er
die gruppendynamischen und evolutionsbiologischen (im Folgenden weiter erläutert)
Grundlagen, sowie allgemeine Grundlagen der Gewaltpsychologie sowie Gewaltpsycho-
pathologie vermittelt bekommen hat. Nur so wissen Lehrer, welche Einsichten den Schü-
lern in Diskussionen und/oder Rollenspielen vermittelt werden müssen.
In Langzeitbeobachtungen von Schimpansen in freier Natur zeigte sich, dass "Gangbil-
dung" ein uraltes, genetisch fixiertes ethologisches Verhaltensmuster aller Primaten (also
auch des Menschen) ist: Schimpansen leben in Großgruppen von oft 150 oder mehr Mit-
gliedern (entsprechend beim Menschen Dörfern, Stadtteilen oder auch soziale Einheiten
wie Schulen), die sich jedoch oft in Untergruppen von 4 bis 23 Mitgliedern (entsprechend
beim Menschen Cliquen oder Gangs) aufspalten (vgl. Goodall 1971).

134
Insbesondere (aber nicht nur) junge männliche Schimpansen schließen sich zu solchen
"Gangs" zusammen. Jahrelange Beobachtung einer Großgruppe von Schimpansen in
Uganda hat ergeben, dass sie sich gelegentlich zu Banden zusammenschließen, um be-
nachbarten Großgruppen deren Territorium abzujagen, und dass diese "Gangs" bei derar-
tigen Angriffen auch Artgenossen töten. Diese Gangs veranstalten auch regelmäßig re-
gelrechte Jagden auf kleine Säugetiere, die vermutlich weniger der Deckung des Nah-
rungsbedarfs als der Stärkung der Position in der Gruppenhierarchie dienen (vgl. Mitani
et al. 2010).
Sozialpädagogisch kompetente Lehrer müssen sich der genetisch fixierten Gruppendyna-
mik von Cliquen oder Gangs bewusst sein, um nicht den zum Scheitern verurteilten Ver-
such zu unternehmen, Cliquenbildung einfach zu unterdrücken, sondern sie müssen ler-
nen, die in diesen Cliquen freigesetzte Energie zu kontrollieren. Ungesteuert wird diese
Energie oft destruktiv oder sozialschädlich und damit potentiell gewalttätig oder krimi-
nell eingesetzt.
Ein Lehrer, der in seiner Aus- und/oder Fortbildung gelernt hat, die Gruppendynamik von
Cliquen zu erkennen und zu nutzen, kann dafür sorgen, dass das biologisch fixierte Ur-
bedürfnis der Schüler, ein respektiertes Mitglied einer wichtigen Gruppe zu sein, auf eine
sozial verträgliche oder sogar sozial nützliche Weise befriedigt wird. Wie schon im vor-
herigen Kapitel beschrieben, muss der Lehrer dafür sorgen, dass auch in diesen sozial-
verträglichen Gruppen das Bedürfnis nach emotionalen Abenteuern und sozialem Status
befriedigt wird. Nur so kann die negative Entwicklung von normalen Schülercliquen zu
gewalttätigen und/oder kriminellen Gangs verhindert werden.
Die sozialpädagogische Arbeit mit Cliquen, die drohen, sich zu kriminellen Gangs zu
entwickeln, könnte dem Lehrer erleichtert werden, indem auf der in Kapitel 5 beschrie-
benen sozialpädagogischen Plattform immer wieder die aktuellsten Projekte, die bei-
spielsweise von Sozialarbeitern durchgeführt werden, vorgestellt würden.
Der Lehrer könnte seinen Schülergruppen, die abzugleiten drohen, so immer ganz kon-
krete Angebote machen und würde so eine Vermittlerfunktion zwischen potenziellen Ju-
gendgangs und Sozialarbeit einnehmen, da Lehrer häufig die einzigen Erwachsenen sind,
die in irgendeiner Form noch einen Gesprächskontakt zu solchen potenziellen Gangmit-

135
gliedern haben. Die potenziell produktive Energie einer Jugendgang könnte so beispiels-
weise dafür eingesetzt werden, sich am Umbau eines alten Hauses in einen Jugendclub
zu beteiligen. Betroffene Jugendliche würden den Kontakt zu solchen Projekten alleine
von sich aus niemals suchen. Deshalb muss ein Lehrer dazu in der Lage sein, sie von
solchen konstruktiven Projekten zu überzeugen.
In Kapitel 5 wird auf die Möglichkeit der Zusammenarbeit mit Ehrenamtlichen eingegan-
gen. Für die Arbeit mit potenziellen Jugendgangs brauchen diese Ehrenamtlichen aller-
dings ganz spezielle Kompetenzen und einen ganz spezifischen biografischen Hinter-
grund. In England und den USA, wo Jugendgangs ein großes Problem darstellen, gibt es
positive Beispiele, bei denen Aussteiger aus kriminellen Gangs, die gerade aus der Haft
entlassen wurden, in die Schulen gehen und dort Projekte mit gefährdeten Jugendlichen
durchführen. Dies funktioniert deshalb so gut, weil solche Männer für potenzielle Gang-
mitglieder eine Art Autorität darstellen und erheblich überzeugender wirken als Lehrer.
Solche Ehrenamtlichen müssten gezielt von sozialpädagogisch engagierten Lehrern, die
sich mit dieser Problematik befassen, gefunden und angeworben werden. Auch hier zeigt
sich, dass Lehrer für solche Aufgaben sozialpädagogische Kompetenzen benötigen, die
ihnen während des Studiums vermittelt werden müssten.
Es muss nicht extra betont werden, dass Lehrer der Bildung krimineller Gruppierungen
immer auch entgegenwirken können, indem sie den Schülern durchgehend vom Anfang
bis zum Ende der Schulzeit berufliche Perspektiven aufzeigen und ihnen dann zum Ende
der Schulzeit auch bei der Ausbildungsplatzsuche helfen.
Wie bereits in Kapitel 4.1.2.1 und 4.1.8.2 dargelegt, haben Kinder und Jugendliche mit
Migrationshintergrund, die sich beispielsweise aufgrund von Sprachproblemen nicht ak-
kulturieren, ein hohes Risiko der Segregation. Neben vielen anderen Faktoren ist die Ak-
kulturation also auch eine Prophylaxe gegen Gangbildung. Besteht kein oder nur wenig
Kontakt zur gesellschaftlichen Mehrheit, steigt das Risiko der Exklusion an. Es besteht
dann die Gefahr, dass sich ghettoähnliche Strukturen bilden, die sich aus Menschen zu-
sammensetzen, die zum großen Teil keine Lebensperspektive haben, was eine bekannte
Rahmenbedingung für Gangbildung ist. Der einzige Lebensinhalt dieser Gangmitglieder
besteht dann oft darin, ihre Identität als Mitglied einer ethnischen Gang zu finden, die ihr

136
Territorium verteidigt und aus diesem heraus kriminelle Aktivitäten zu verüben.
Ziel der Lehrkräfte sollte es daher sein, Schüler mit Migrationshintergrund möglichst früh
zu akkulturieren, um die Integration dieser Kinder und Jugendlichen von Anfang an stän-
dig voranzutreiben.
Lehrkräfte müssen die Akkulturationsstrategie der Assimilation und Inklusion verfolgen.
Das heißt, die eigene Kultur der Schüler mit Migrationshintergrund wird (zumindest teil-
weise) aufgegeben und durch intensiven Kontakt mit der Mehrheitsgesellschaft (zumin-
dest teilweise) durch die Kultur der Mehrheitsgesellschaft ersetzt. Je besser die Schüler
integriert werden, desto geringer ist das Risiko, dass sie sich zu (ethnischen) Gangs zu-
sammenschließen.
4.2.9 Optionen, sexuell missbrauchten Schülern zu helfen
Wie in Kapitel 4.1.9 ausgeführt sind die hohen Missbrauchszahlen nur deshalb möglich,
weil die Familien ihre Schutzfunktion für die Kinder nicht erfüllen. Missbrauchte Schü-
ler haben deshalb die Erfahrung gemacht, dass selbst die Menschen, die sie am ehesten
schützen sollten wie die Eltern oder die Familie, sie nicht beschützen oder sich einfach
nicht um ihre Probleme kümmern. Im schlimmsten Fall erfolgt der Missbrauch sogar
durch Familienmitglieder.
Missbrauchte Schülerinnen sind oft noch zu jung, um einen Frauenarzt zu besuchen, so
dass kein Frauenarzt den Missbrauch bei der körperlichen Untersuchung entdecken kann.
Bei älteren Schülerinnen sind die Konsultationen beim Frauenarzt oft zu kurz oder zu
medizinisch, um genug Vertrauen aufzubauen, um mit ihm/ihr über so sensible Themen
wie den eigenen Missbrauch zu sprechen.
Männliche Schüler besuchen in der Regel überhaupt keinen Arzt, der für ein vertrauli-
ches Gespräch über den eigenen Missbrauch zur Verfügung stände.
Es ist deshalb äußerst wichtig, dass zum Beispiel Vertrauenslehrer im täglichen Unter-
richt schrittweise den Schülern den Eindruck vermitteln, dass die Schüler ihnen unein-
geschränkt vertrauen können, weil sie alles, was die Schüler ihnen mitteilen, vertraulich
behandeln und alle Maßnahmen mit den Schülern absprechen.

137
Das Thema sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen sollte in geeigneter und
altersgemäßer Form in geeigneten Fächern im Unterricht behandelt werden, um bei den
Schülern zusätzlich zum Eindruck von Vertrauenswürdigkeit auch den Eindruck von
Kompetenz zu vermitteln.
All das erfordert erhebliche psychologische und sozialpädagogische Kompetenzen, die
man ohne entsprechende theoretische Ausbildung und praktische Trainings bei Lehrkräf-
ten nicht erwarten kann. Da nicht jede Lehrkraft von der Persönlichkeit her geeignet ist,
sich um missbrauchte Schüler zu kümmern, sollten spezifische Fortbildungsveranstal-
tungen für geeignete Lehrkräfte, die sich für die Position des Vertrauenslehrers interes-
sieren, angeboten werden. Im Idealfall sollten diese Lehrkräfte vorher von den Schülern
ihrer Schule zum Vertrauenslehrer gewählt worden sein.

138

139
4.3 Ansätze zur Entwicklung eines Konzepts, die speziellen
sozialpädagogischen Probleme bei Flüchtlingskindern
und jugendlichen Flüchtlingen anzugehen
Laut UNICEF hat die Zahl der Flüchtlinge 2013 zum ersten Mal seit dem Zweiten Welt-
krieg weltweit 50 Millionen überschritten. Die Hälfte davon waren Kinder - der höchste
Anteil im letzten Jahrzehnt. Auch in Deutschland steigt die Zahl der Asylanträge. Rund
ein Drittel aller nach Deutschland einreisenden Flüchtlinge sind Kinder und Jugendliche.
Nach Schätzungen leben mehr als 65.000 Flüchtlingskinder mit unsicherem Aufenthalts-
status in Deutschland ­ überwiegend mit ihren Familien, zum Teil aber auch ohne Be-
gleitung.
Schätzungen, wie viele Kinder und Jugendlichen unbegleitet in die Bundesrepublik ge-
flüchtet sind, gehen aufgrund nicht einheitlicher behördlicher Registrierungen auseinan-
der (vgl. UNICEF 2014: 10)
.
Je mehr Asylbewerber nach Deutschland kommen, desto mehr schulpflichtige Kinder und
Jugendliche werden unter ihnen sein.
Die Fernsehsendung Nano berichtet am 07.09.2015, dass vorsichtige Schätzungen mit 7
Prozent Kindern darunter rechnen (vgl. nano 07.09.2015: min.: 07:01ff).
Die Kultusminister gehen davon aus, dass mit den bereits 2014 eingeschulten Kindern
und den neu ankommenden Zuwanderern gut 325.000 Flüchtlingskinder an den deut-
schen Schulen aufgenommen werden müssen (vgl. Spiegel-Online 16.10.2015).
Da kein Gesetz in Deutschland die Beschulung von Flüchtlingskindern regelt, liegt die
Ausgestaltung des Schulbesuchs in der alleinigen Zuständigkeit der Bundesländer, so
dass sich über die Schulsituation unbegleiteter Minderjähriger keine das ganze Bundes-
gebiet abdeckenden Aussagen treffen lassen (vgl. BAMF 2014: 39).
Prinzipiell besteht zwar laut UN-Kinderrechtskonvention für alle unbegleiteten Minder-
jährigen ein Recht auf Schulbesuch, doch in der Praxis stößt diese Tatsache auf erhebliche
Schwierigkeiten (vgl. Deutscher Caritasverband 2014: 138).

140
Dies ergibt sich vor allem daraus, dass Flüchtlingskinder oft in einem Alter nach Deutsch-
land kommen, in dem die Einschulung aufgrund der vorhandenen Vorbildung oft proble-
matisch ist. Für allgemeinbildende Schulen sind sie oftmals zu alt, während Berufsschu-
len auf diese Gruppe nicht vorbereitet sind (vgl. Deutscher Caritasverband 2014: 175-
239).
Doch auch schon in der Grundschule können aufgrund der Vorbildung dieser Kinder
Komplikationen auftreten. Sind die Kinder beispielsweise circa zehn Jahre alt und müssen
zunächst die Schriftsprache erlernen, so kommen sie in der altersangemessenen vierten
Klasse kaum mit und sind dort überfordert.
Die GEW teilte in Stuttgart mit, dass Kinder mit Fluchthintergrund spätestens nach drei
Monaten in die Schule gehen sollten. Zudem solle das Recht auf Schulbesuch für Flücht-
linge bis zum Alter von 25 Jahren ausgedehnt werden. Da es dafür aber bislang an geeig-
neten Unterrichtsmaterialien und Fortbildungsmöglichkeiten fehle, werde die Unterstüt-
zung von Dolmetschern, Schulsozialarbeitern und Psychologen dringend benötigt (vgl.
GEW Baden-Württemberg 2015).
In diesem Teil der Arbeit soll es deswegen darum gehen, handlungsorientierte Ansätze
für Lehrkräfte für den sozialpädagogischen Umgang mit Kindern und Jugendlichen mit
Fluchthintergrund zu entwickeln.
Das Unterrichten von Kindern und Jugendlichen mit Fluchthintergrund erfordert ganz
spezielle Kompetenzen wie bereits in dieser Arbeit erläutert. Wenn Lehrer als Beamte
und ohne diese Kompetenzen Dienst nach Vorschrift (das heißt Unterricht nach Lehrplan)
machen, ist dieser Unterricht aus Gründen, auf die in dieser Arbeit schon hingewiesen
wurde, zum Scheitern verurteilt (vgl. Kapitel 4.1.1.1, 4.1.2.1, 4.1.3.1, 4.1.5.1; 4.1.8.1;
4.1.8.2).
Gerade bei der Unterrichtung von Kindern und Jugendlichen mit Fluchthintergrund soll-
ten Lehrkräfte über spezifische sozialpädagogische Probleme, wie sie bei solchen Schü-
lern auftreten können, Bescheid wissen und über Lösungsansätze für die einige Beispiele
in dieser Arbeit angedeutet wurden, verfügen (vgl. 4.2.1.1, 4.2.1.1 und 4.2.5.1).

141
Lehrer sollten gerade bei Schülern mit Fluchthintergrund dazu in der Lage sein, ein so-
genanntes lebenslagenorientiertes Schulkonzept anzuwenden. Dies bedeutet, dass Lehr-
kräfte zunächst mit der präzisen Beschreibung milieuspezifischer Alltagsstrukturen be-
ginnen und dann abklären, welche Handlungsanforderungen denjenigen abverlangt wer-
den, die sich in diesen erschwerten Lebenslagen behaupten müssen. Man versucht, die
spezifischen Ursachen zu erfassen, welche die jeweiligen Lebenssituationen zu prekären
machen. ,,Man identifiziert die rechtlichen, organisatorischen und normativen Zugangs-,
Verbleibs- und Abschlussbarrieren zu Schule und Bildung. Hat man die ökonomischen,
sozialen und kulturellen Ordnungsmuster der jeweiligen sozialen Milieus sorgfältig re-
konstruiert und deren Verknüpfungsprobleme mit den Institutionen schulischer Bildung
detailliert bestimmt, dann lassen sich anschlussfähige Lernangebote für die verschiedenen
prekären Lebenslagen konzipieren. Im Spiegel der Milieuanalyse können die traditionel-
len didaktischen Bestände phantasievoll zu modifizierten Bildungskonzepten und zu
,passgenauen` unterrichtlichen Lehr-/Lernarrangements weiterentwickelt werden"
(Schroeder 2012: 454).
Beim Unterrichten solcher Schüler ist eine Herangehensweise erforderlich, die mit dem
normalen Unterrichtsbetrieb nur noch wenig gemein hat. Bei Migrantenkindern mit
Fluchthintergrund ist am Anfang häufig keine Kommunikation möglich. Ein Großteil der
Schüler mit Fluchthintergrund verfügt über praktisch keine Deutschkenntnisse und häufig
ist noch nicht mal eine Verständigung über Gesten und Handzeichen möglich, weil diese
oft auch länderspezifisch sind. Der hochzeigende Daumen, der in Deutschland eine gut-
gemeinte Ermunterung ist, gilt beispielsweise im Nahen Osten als eine obszöne Beleidi-
gung.
Wie bereits im Kapitel 4.2.1.1 beschrieben, sollten Lehrer aus den Migranten, die sich im
ersten Jahr in Deutschland aufhalten, homogene Schülergruppen in Bezug auf Sprache,
Sprachniveaus, sowie Leistungsständen in den anderen Fächern zusammenstellen kön-
nen. Wenn es gelingt, eine sprachlich homogene Gruppe zusammenzusetzen, reicht es
aus, den Unterricht in den ersten Unterrichtsmonaten mit der Hilfe eines muttersprachli-
chen Übersetzers zu halten.
Nachdem ein gewisses Sprachniveau erreicht ist, spielen an-
dere Faktoren eine wichtigere Rolle, so dass dann für eine bessere Integration heterogene
Klassen an Bedeutung gewinnen.

142
Um solche konkreten Veränderungen umsetzen zu können, brauchen Lehrer sozialpäda-
gogische und organisatorische Handlungskompetenzen. Lehrer, die nur Unterricht nach
Lehrplan machen (können) und ihren Fokus ausschließlich auf die Vermittlung von aka-
demischem Wissen legen, sind schwierigen Situationen wie dem Unterrichten von Kin-
dern und Jugendlichen mit unterschiedlichen Sozialisationserfahrungen und/oder
Traumaerfahrungen nicht gewachsen.
Lehrkräfte, die von Beginn ihrer Ausbildung an darin geschult werden, mit Schülern mit
verschiedenen biografischen Backgrounds umzugehen, könnten der Überforderung, wie
sie zurzeit vorherrscht, eher entgehen.
Wenn Lehrkräfte flüchtlingsspezifische Probleme wie zum Beispiel schwere Traumaer-
fahrungen bei ihren Schülern entdecken, die die Schüler beim Lernen und/oder in ihrer
Entwicklung behindern, sollten Lehrkräfte wissen, wie sie eigenständig damit umgehen
können. Lehrkräfte sollten durch Schulungen aber auch erkennen, ab wann professionelle
Hilfe und Unterstützung beispielsweise durch Psychiater oder Psychotherapeuten benö-
tigt wird. Näheres dazu wurde bereits in den Kapiteln 4.1.5.1 und 4.2.5.1 erläutert. Bei
diesen Entscheidungen ist es wichtig, dass die Lehrkräfte sich mit einem festen, qualifi-
zierten Ansprechpartner beraten können. Solch ein Ansprechpartner könnte auf der in
Kapitel 5 erläuterten Plattform lokalisiert sein.
Ein positives Beispiel für die Beschulung von Kindern mit Fluchthintergrund stellt die
Bruno-H.-Bürgel Grundschule in Berlin dar. In ihr werden Kinder mit Fluchthintergrund,
die kein Deutsch sprechen, in kleinen Klassen auf den regulären Schulalltag vorbereitet.
Innerhalb eines Jahres sollten die Kinder dann so weit sein, dass sie dem regulären Un-
terricht folgen. Die Lehrer wissen um die besonderen Probleme dieser Kinder. Die Lehr-
kräfte müssen jeden Unterrichtstag individuell planen und auf Unvorhergesehenes flexi-
bel reagieren können. Hierzu sei besonders qualifiziertes Personal wichtig, so Schuldi-
rektor Jens Otte (vgl.
Berliner Zeitung 31.08.2015).
Lehrkräfte sollten dazu in der Lage sein, den Schülern mit Fluchthintergrund zum Bei-
spiel Sprache didaktisch gut aufgearbeitet und vom Inhalt her nah an der Lebenswelt der

143
Flüchtlinge zu vermitteln. Auch das Einführen von sogenannten ,,Ehrenamtlichen-Tan-
dems" ist dabei hilfreich (näher erläutert in Kapitel 5).
Der Ministerpräsident Sachsen-Anhalts Haseloff setzt sich dafür ein, dass pensionierte
Lehrer den Sprachunterricht unterstützen sollen (vgl. MDR Nachrichten 2015).
Ein weiteres positives
Beispiel für den Umgang im Unterricht mit solchen Schülern im
Jugendalter ist das Münchner Pilotprojekt ,,Schulanaloger Unterricht für junge Flücht-
linge" (SchlaU 2013). In diesem Projekt geht es darum, Jugendlichen mit Fluchthinter-
grund neben dem regulären Unterricht ,,eine intensive Einzelbetreuung [zu geben] mit
dem Ziel, einen Zugang zum deutschen Schul- und Ausbildungssystem" (ebd.) zu eröff-
nen.
Der Migrationsforscher Prof. Dr. Anderson erklärt, dass gerade Schulen, in denen Schüler
mit Fluchthintergrund unterrichtet werden, eine interkulturelle Öffnung durchlaufen
müssten. Diese muss eine aktive Flüchtlingspädagogik (zum Beispiel Fachsprache an Be-
rufsschulen), Deutsch als Zweitsprache und einen generell kultursensiblen Fachunterricht
(vgl. BayernForum 2014) beinhalten. In Berufsschulen ist es wichtig, dass dort spezieller
Unterricht in der jeweiligen Berufsfachsprache erfolgt. Auch hier ist es, wie bereits in
Kapitel 4.2.2.1 beschrieben, erforderlich, in den ersten Monaten vom Sprachniveau und
Leistungsstand der Schüler her homogene Klassen einzurichten, in denen ein Übersetzer
für die Übersetzung der Fachsprache sorgt, um beispielsweise bei Bäckerauszubildenden
zu übersetzen, was ,,Vorteig" auf Arabisch heißt.
Um die Kompetenz zu schaffen, derartige Aktivitäten zu organisieren, sind sozialpäda-
gogische Kompetenzen nötig. Von vermehrten Fortbildungsmaßnahmen, um (berufs-
schulpflichtige) Asylbewerber und Flüchtlinge bei dem Eintritt in den Ausbildungsmarkt
zu unterstützen, würden sowohl junge als auch schon jahrelang tätige Lehrkräfte, profi-
tieren. Damit alle Beteiligten von der Existenz dieser Fortbildungsangebote erfahren, bie-
tet sich die Nutzung der in Kapitel 5 erläuterten sozialpädagogischen Plattform an.

144
Laut Fachforum München ist gerade in Schulen, in denen Schüler mit Fluchthintergrund
unterrichtet werden, ein beständiges, persönliches Verhältnis zu diesen Schülern und de-
ren ständige Ermunterung ausschlaggebend für den Bildungserfolg. ,,Gerade junge
Flüchtlinge bräuchten Vorbilder, die an sie glauben und die sie auf ihrem nicht einfachen
Weg unterstützen" (BayernForum 2014:5).
Alle Bildungsangebote, die für Schüler mit Fluchthintergrund bereitgestellt werden, soll-
ten eine intensive Betreuung einplanen. Individuelle, intensive Betreuung ist bei der Be-
schulung von Schülern mit Fluchthintergrund ein grundlegender Erfolgsfaktor. ,,Bei der
Vermittlung von Praktikumsplätzen, Klärung von aufenthaltsrechtlichen Fragen oder der
Unterstützung bei anderen Angelegenheiten, die den Lernerfolg behindern, kann eine ak-
tive Schulsozialarbeit die Kinder und Jugendlichen nachhaltig unterstützen" (vgl. Traub
2014: 8).
Wie bereits mehrfach erwähnt, ist es für Schüler mit Fluchthintergrund, die an einer
Traumafolgestörung leiden, besonders wichtig, dass ihr Lebensumfeld Zuverlässigkeit
und Sicherheit bietet.
Zudem sollten Abläufe und Regeln für sie verständlich sein, denn Erfahrungen von Kon-
trollverlust und Unsicherheit führen leicht zu einer Reaktivierung traumatischer Erleb-
nisse (vgl. Petermann 2000: 239). Jugendliche, die Gewalt erlebt haben, haben oft ein
erhöhtes Misstrauen gegenüber der Umwelt. Für sie ist eine stabile Beziehungsgestaltung
besonders wichtig. Lehrer, die im größeren Umfang mit Kindern und Jugendlichen mit
Fluchthintergrund zu tun haben, sollten mindestens ein Seminar, in dem der richtige Um-
gang mit Schülern mit PTBS behandelt wird, besucht werden. In solch einem Seminar
sollte ihnen zum Beispiel vermittelt werden, dass sie beim Umgang mit Schülern, die
einen Krieg und eine Flucht überlebt haben und unter PTBS leiden, Sensibilität und
Transparenz brauchen, um die Erfahrung von Kontrollverlust bei den Schülern nicht wie-
der zu reaktivieren (vgl. Stellermann-Strehlow 2015: 58).
Um diesen Forderungen jedoch nachzukommen, sind gute sozialpädagogische Kompe-
tenzen unabdingbar.Um Kinder und Jugendliche mit Fluchthintergrund vor einem stän-
digen Lehrer- und damit auch Bezugspersonenwechsel zu schützen, sollten Lehrkräfte,

145
die mit Kindern und Jugendlichen mit Fluchthintergrund arbeiten, schon während der Be-
rufsausbildung respektive Fortbildung auf die Besonderheiten bei der Unterrichtung von
Flüchtlingskindern hingewiesen und darin geschult werden.
Auch das Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung Bayern empfiehlt des-
wegen als ersten Schritt bei der Beschulung von solchen Schülern einen gezielten Lehrer-
einsatz. Die Lehrkräfte, die in Asylbewerber- und Flüchtlingsklassen eingesetzt werden,
müssen bewusst und gerne mit diesen Schülern arbeiten und nicht gegen ihren Willen zu
der Arbeit mit ihnen ,,gezwungen" werden.
Bei der Auswahl der Lehrkräfte muss darauf geachtet werden, dass sie nicht nur über
Fähigkeiten im Bereich Spracherwerb oder in einem anderen Fach verfügen. Sondern es
sollte auch besonders darauf geachtet werden, dass Kompetenzen wie Einsatz, Leiden-
schaft, Empathie und im besten Fall sogar Erfahrungen mit solchen Schülern vorhanden
sind (vgl. Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung 2014: 33).
Auch dabei könnten die zu Beginn des Kapitels genannten Ehrenamtlichen-Tandems bei
angehenden Lehrkräften zur praktischen Auseinandersetzung mit theoretischem Wissen
beitragen.
Das Staatsinstitut für Bildungsforschung und Schulforschung Bayern empfiehlt, dass
möglichst viele Stunden hintereinander durch eine Lehrkraft in einer Klasse erteilt wer-
den sollten. Viele verschiedene Lehrkräfte mit jeweils wenigen Stunden in diesen Klassen
unterrichten zu lassen, ist kontraproduktiv und deswegen nicht empfehlenswert. Wie be-
reits im Kapitel 4.2.1.1 beschrieben, orientieren sich diese Schüler aufgrund ihrer beson-
deren Lebenssituation außerordentlich stark an ihren Lehrkräften und Bezugspersonen.
Am besten wäre es, wenn der Klassenlehrer in seiner Klasse jeden Tag anwesend wäre.
Zudem empfiehlt das Staatsinstitut für Bildungsforschung und Schulqualität Bayern, dass
auch auf die Zusammenstellung eines guten Lehrerteams großer Wert gelegt werden
sollte, da diese Schüler einen erhöhten Betreuungsaufwand haben. Idealerweise verfügen
die eingesetzten Lehrkräfte auch über gemeinsame Zeitfenster für Teambesprechungen
(vgl. Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung 2014: 33).
Eine vermehrte und verbesserte Schulung der sozialpädagogischen Kompetenzen könnte
(angehende) Lehrer dazu in die Lage versetzen, Forderungen wie dem Zusammenstellen

146
von geeigneten Lehrerteams von alleine nachzukommen. Sie könnten sich dadurch besser
alleine organisieren, um beispielsweise ohne Hilfe oder Anweisung der Schulleitung da-
für zu sorgen, dass sie ihre Schulklasse täglich sehen oder Teambesprechungen einleiten,
wenn sie es für erforderlich halten. Gerade bei Schülern mit Fluchthintergrund erscheint
dies sinnvoll, da unerwartete Probleme mit den Schülern entstehen könnten, die im Team
sofort besprochen werden sollten.
Ein konkretes Beispiel für solche unerwarteten Probleme gab ein Lehrer an der Erich-
Kästner-Grundschule, an der ich ehrenamtlich als Sprach-Pate tätig bin. Er berichtete,
dass ein Schulausflug anstand und eine Schülerin sich nicht traute, in den Bus einzustei-
gen. Die Schülerin könnte Angst davor gehabt haben, dass sie verschleppt und an irgend-
einen Ort fern von ihrer Familie gefahren würde. Der Bus war generell angstbesetzt. Eine
mögliche Ursache könnte gewesen sein, dass sie irgendwann einmal die Sprengung eines
Busses oder die Verschleppung eines Busses erlebt hatte. Wenn Lehrer und Schüler sich
weder auf Deutsch, noch auf Englisch darüber verständigen können, was das Problem ist
und wie dieses gelöst werden könnte, entstehen Probleme, die sozialpädagogisch nicht
geschulte Lehrer schwer oder gar nicht alleine lösen können.
Das Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung Bayern schlägt zur besseren
sozialpädagogischen Ausbildung von Lehrern im Umgang mit Flüchtlingen vermehrte
Fortbildungsmöglichkeiten vor. Die Fortbildungen sollten ein möglichst großes Spektrum
der Bedürfnisse sowohl der Flüchtlinge als auch der Lehrkräfte abdecken. Es geht bei-
spielsweise um den richtigen Spracherwerb (Wie wird Sprache gelernt? Wie werden
Sprache und Kultur vermittelt?), um das Vermitteln von interkulturellen Kompetenzen,
um die Arbeit mit heterogenen Gruppen, um rechtliche Hintergrundinformationen (Asyl-
verfahren, Aufenthaltsstatus, Zugang zum Arbeits- und Ausbildungsmarkt, Asylbewer-
berleistungsgesetz und Sozialgesetzbuch usw.), um die Vermittlung von psychologischen
Kenntnissen, wie zum Beispiel PTBS und darum, wie und wo Lehrkräfte Informationen
über die früheren und gegenwärtigen Lebensumstände der Schüler erhalten (vgl. Staats-
institut für Schulqualität und Bildungsforschung 2014: 33).
Indem viel mehr (angehende) Lehrkräfte in ,,Deutsch als Fremdsprache" beziehungs-
weise ,,Deutsch als Zweitsprache", sowie in speziellen Kompetenzen (wie beispielsweise

147
Traumapädagogik) ausgebildet würden, stünden viel mehr geeignete Lehrer für die Un-
terrichtung von Schülern mit Fluchthintergrund zur Verfügung (vgl. BayernForum 2014:
8). In den vergangenen Jahren wurden für das Fach
Deutsch als Fremdsprache zu wenig
Lehrer ausgebildet.
Auch laut des Chefs des Verbandes für Bildung und Erziehung sind Lehrkräfte auf flücht-
lingsspezifische Aufgaben nicht genügend vorbereitet. Er erklärt: "Natürlich sind Lehrer
auch immer ein Stück weit Psychologe für die ihnen anvertrauten Kinder - aber die not-
wendige umfängliche professionelle Hilfe können sie diesen Flüchtlingskindern nicht ge-
ben. Wir brauchen an den betroffenen Schulen daher dringend mehr Unterstützung durch
Schulpsychologen, Schulsozialarbeiter und Dolmetscher, die erste Hemmschwellen ab-
bauen und konkrete Hilfestellungen geben können" (Verband Bildung und Erziehung.
Landesverband NRW 2014
)
.
Das, was der Verband für Bildung und Erziehung fordert, ist prinzipiell richtig, jedoch
kann dies bei der derzeitigen finanziellen Ausstattung der Schulen keine Dauerlösung
sein. Deswegen scheint die einzige realistische Zukunftsperspektive darin zu liegen, alle
Lehrer mit mehr sozialpädagogischen Kompetenzen auszustatten.
Im Moment besteht aber die realistische Chance, dass der Forderung für zusätzliche fi-
nanzielle Mittel für Stellen für Sozialpädagogen und Schulpsychologen, die das Unter-
richten von Schülern mit Fluchthintergrund unterstützen, nachgegangen wird. Es handelt
sich hierbei um eine Ausnahmesituation, da das Thema Flüchtlinge, die aus einem ganz
anderen (zum Teil potenziell gefährlichen) Kulturkreis kommen, zurzeit Dauerthema in
den Medien ist. Es besteht somit offensichtlich für die Allgemeinheit und damit für die
Politik die Notwendigkeit, sich qualifiziert um diese zu kümmern, so dass im Moment
die politischen Rahmenbedingungen gegeben sind, Forderungen nach zusätzlichen Stel-
len durchzusetzen. Naturgemäß werden in solchen Ausnahmesituationen für zusätzliche
Stellen nur befristete Verträge geschlossen, die, sobald diese Ausnahmesituation in der
öffentlichen Aufmerksamkeit nicht mehr gegeben ist, in der Regel nicht verlängert wer-
den. Somit ist davon auszugehen, dass dieses zusätzliche pädagogische Fachpersonal
nicht mehr zur Verfügung steht, sobald die befristeten Verträge auslaufen und das Thema
nicht mehr in den Medien ist.

148
Da die Forderung nach mehr Unterstützung durch Schulpsychologen und Schulsozialar-
beiter immer wieder aufkommt, jedoch aufgrund begrenzter finanzieller Ressourcen auf
Dauer politisch nicht durchsetzbar erscheint, müssen diese Kompetenzen in Form von
Lehrern mit vermehrten sozialpädagogischen Kompetenzen an die Schulen gebracht wer-
den.
Anfangs werden viele Lehrer vermutlich Widerstand leisten, die Aufgaben von Psycho-
logen und/oder Sozialarbeitern zu übernehmen. In vielen Berufsjahren haben Lehrer sich
gut in der derzeitigen Unterrichtsroutine eingerichtet, so dass mit aktivem oder passivem
Widerstand gegen die Einführung zusätzlicher Aufgabenbereiche zu rechnen ist. Der der-
zeitige Luxus, ,,nur" einen Lehrplan abzuarbeiten, ohne sich um die sozialpädagogischen
Probleme der Schüler kümmern zu müssen, kann in der derzeitigen Situation nicht mehr
gewährt werden.
Wie in der bisherigen Arbeit ausführlich dargestellt, sollte klargeworden sein, dass, wenn
Lehrer die sozialpädagogischen Probleme ihrer Schüler ignorieren, dies noch lange nicht
heißt, dass die Probleme auch sie ignorieren.
Zum einen fühlen viele Lehrer sich mit der reinen Stoffvermittlung schon zeitlich über-
fordert und zum anderen fühlen sie sich in der Regel auch nicht qualifiziert, um sozialpä-
dagogische Aufgaben zu übernehmen. Vertrauenslehrerstellen mit entsprechenden Frei-
stellungen vom Unterricht könnten eingesetzt werde, um freie zeitliche Kapazitäten zu
schaffen, in denen sich um die sozialpädagogischen Probleme der Schüler gekümmert
werden kann. Um der fehlenden Qualifikation entgegenzuwirken, sollten vermehrt Fort-
bildungsmaßnahmen mit Pflichtteilnahme angeboten sowie zusätzliche Module in die
Lehramtsausbildung eingeführt werden.
Wie in der Einleitung der Arbeit geschildert dekompensieren viele Lehrer zurzeit und
werden krank. Vermehrte sozialpädagogische Kompetenzen würden Lehrkräften nicht
nur bei der Lösung sozialpädagogischer Probleme der Schüler helfen. Sie würden Lehr-
kräfte auch in die Lage versetzen, den Schulalltag besser zu meistern und so zu verhin-
dern, dass sie dekompensieren oder ausbrennen. Somit brauchen Lehrer vermehrte sozi-
alpädagogische Kompetenzen auch aus eigenem Interesse.

149
Sozialpädagogisch geschulte Lehrkräfte können einschätzen, wann der Zeitpunkt gekom-
men ist, um selbstständig Hilfemaßnahmen zu treffen oder ob es notwendig ist, die Ver-
mittlung mit zuständigen Hilfeeinrichtungen vorzunehmen.
Lehrer könnten und sollten dadurch zwar nicht zu vollwertigen Schulpsychologen oder
Sozialarbeitern werden, aber sie müssen deren Aufgaben in Zukunft teilweise überneh-
men. Dies gilt besonders in der derzeitigen Situation, in der sie es vermehrt mit Schülern
mit Fluchthintergrund zu tun haben.
Aus dem eben Beschriebenen wird deutlich, dass es falsch war, die eigentlich sehr weit
gefassten Aufgaben eines klassischen Pädagogen streng getrennt auf die Berufsgruppen
der Schulpsychologen, Sozialarbeiter und Lehrer aufzuteilen. Die Aufgabenbereiche soll-
ten vielmehr fließend ineinander übergehen.
Durch eine vermehrte Ausbildung und Sensibilisierung für sozialpädagogische Probleme
würden Lehrkräfte über mehr Problemlösefähigkeiten verfügen, so dass kleinere sozial-
pädagogische Probleme von ihnen gelöst werden könnten. Lehrer müssen Entscheidungs-
kompetenz entwickeln, um selbst beurteilen zu können, was kleinere und was größere
Probleme sind und wann sie einen Fachmann hinzuziehen müssen.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge macht darauf aufmerksam, dass auch aus-
stattungsabhängige Einflussfaktoren und Merkmale das Unterrichten dieser Schüler be-
einflussen. Lehrkräfte müssen diese fehlenden Medien und Materialien methodisch kom-
pensieren und auf die gegebenen Bedingungen flexibel und kreativ reagieren können. Das
heißt, in der Lehramtsausbildung sollte Methodenvielfalt, Flexibilität und Kreativität
keine untergeordnete Rolle spielen (vgl. BAMF 2005: 6ff). Wie die in der Einführung
durchgeführte Analyse der einzelnen Segmente der Lehramtsausbildung zeigte, werden
solche Kompetenzen in der jetzigen Ausbildung noch viel zu selten und in einem zu ge-
ringen Umfang vermittelt.
Um einen gelingenden und nachhaltigen Unterricht konzipieren zu können, ist es wichtig,
sich in der Themenwahl an den Lebenswirklichkeiten der Schüler zu orientieren und den
Lernprozess mit unmittelbaren Handlungsmöglichkeiten zu verknüpfen. Auch hier bieten

150
sich die oben genannten Ehrenamtlichen-Tandems an. Es könnten Themen wie das Aus-
füllen von Formularen, der Einkauf oder der Arztbesuch behandelt werden oder so all-
tägliche Dinge, wie das Erkundigen auf der Straße nach dem Weg zu einer Adresse.
Die Themenwahl sollte dazu beitragen, Lernsituationen wie sie von diesen Schülern auch
außerhalb des Unterrichts bewältigt werden müssen, zu schaffen. Kritische Themen wie
Krieg sollten vermieden werden, denn wie bereits zu Beginn des Kapitels erläutert, kön-
nen solche Erinnerungen zu einer psychischen Reaktivierung der Traumaerfahrungen
führen (vgl. Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung 2012: 9).
Lehrkräfte müssen sensibel mit Inhalten umgehen, die beispielsweise Erinnerungen an
traumatische Erfahrungen wecken könnten, aber falls strittige Themen wie Krieg von Sei-
ten der Schüler zur Sprache kommen, dürfen sie nicht tabuisiert werden. In solchen Fällen
sollten Lehrer dazu in der Lage sein, in einer Form Stellung zu nehmen, die die psychi-
sche Reaktivierung von Traumaerfahrungen vermeidet (vgl. dazu auch Burkhart-So-
donougbo 2007: 4).
Während einer Fachveranstaltung, in der es um Flüchtlinge an bayrischen Schulen ging,
erklärte ein Lehrer: ,,In meiner Laufbahn als Lehrkraft an beruflichen Schulen habe ich
noch niemals vorher eine Schülerklientel erlebt, die so bereitwillig und offen war für
Lernangebote. Meine Erfahrung bisher: Ich komme in die Klasse und dort sitzen Schüle-
rinnen und Schüler aus aller Herren Länder und freuen sich auf den Unterricht. Es sind
motivierte, freundliche, höfliche Schüler, die nichts lieber wollen als zu lernen. Ist das
nicht der Traum eines jeden Lehrers?" (Fachveranstaltung 2013: 17).
Dieser Aussage des Lehrers zeigt, dass Kinder und Jugendliche mit Fluchthintergrund
unsere Gesellschaft bereichern können. Sie besitzen Potential, das gefördert werden sollte
(Empowerment). Eine sinnvolle und kompetente Förderung ist aber nur dann möglich,
wenn Lehrkräfte mit den Besonderheiten der Schüler umgehen können. Dies ergibt sich
schon alleine daraus, dass diese Schüler ganz andere Lebenserfahrungen mit in die Klasse
einbringen als einheimische.
Kindern und Jugendlichen mit Fluchthintergrund wird es zunächst schwerfallen, den All-
tag im neuen Land und in einer neuen Kultur zu bewältigen, da dieser in ihrem Heimat-
land unter Umständen ganz anders aussah. Aus diesen Anpassungsschwierigkeiten an den

151
Alltag im neuen Land kann zunächst Isolation und dann Exklusion folgen. Letztere be-
günstigt im Extremfall politisch-religiöse Radikalisierung (vgl. Kapitel 4.1.7), oder die
Bildung von ethnischen, kriminellen Gangs (siehe dazu auch Kapitel 4.1.8.2), was von
sozialpädagogisch geschulten Lehrkräften frühzeitig erkannt und vermieden werden
sollte. Nur, wenn die schulische Integration dieser Schüler schnell gelingt, sinkt das Ri-
siko der Isolation mit allen negativen Folgen.
Um Schülern trotz der schwierigen Rahmenbedingungen einen erfolgreichen Bildungs-
und Lebensweg zu eröffnen, sieht die Ostbayerische Technische Hochschule Regensburg
die soziale Technik des ,,Empowerments" für Lehrer als Chance im Umgang mit Schülern
mit Fluchthintergrund.
Der Migrationsforscher und Dozent an der Ostbayerischen Technischen Hochschule Re-
gensburg Professor Anderson erklärt, dass Integration der Schüler mit Fluchthintergrund
nur gelingen kann, wenn Schule, Behörden, Politik, Betrieb, Handwerkskammern und
Ehrenämtler zusammenarbeiten und die Flüchtlinge gleichzeitig gefördert und ge-
fordert werden (vgl. BayernForum 2014:5).
Die von Anderson geforderte Zusammenarbeit könnte durch die schon mehrfach ge-
nannte sozialpädagogische Plattform unterstützt werden (siehe dazu Kapitel 5).
,,Der Zugang von Flüchtlingen zu schulischer Bildung hat uns in den letzten Jahrzehnten
beschäftigt und wird uns ­ wenn man die aktuelle Situation bedenkt ­ in Zukunft sicher-
lich weiterhin beschäftigen. Ich halte es deshalb für unumgänglich, die spezifischen pä-
dagogischen, sozialpädagogischen und ggf. auch therapeutischen Unterstützungsbedarfe
von jungen Flüchtlingen als Regelbestandteil in den entsprechenden Aus-, Fort- und Wei-
terbildungen [von Lehrkräften] zu verankern" (Özoguz 2014:23).

152

153
5.
Welche konkreten Veränderungen wären in Schulalltag und
Lehramtsausbildung erforderlich, um die in 4.2 und 4.3
gefundenen sozialpädagogischen Ansätze einzuführen
Die in 4.1 und 4.2. beispielhaft genannten Problemkreise erfordern, dass Lehrkräfte
selbstständig konkrete Umstrukturierungen im Schulbetrieb vornehmen (können), um
sich ihnen zu stellen. Bei der Umstrukturierung sollten folgende ,,W's" bedacht werden:
das ,,Wie", das ,,Was", das ,,Wann" und das ,,Wo".
Alle im Folgenden vorgestellten innovativen Methoden werden in Ausnahmefällen auch
heute schon von engagierten, kreativen Lehrern eingesetzt. Eine Umstrukturierung hätte
allerdings die Aufgabe, unter anderem die Lehramtsaus- und fortbildung so zu verändern,
dass dies in Zukunft die Regel und keine Ausnahme mehr ist.
Bei der Frage nach dem ,,Wie" der Umstrukturierung soll es darum gehen, Unterricht
nicht überwiegend in Form von streng am Lehrplan orientiertem ,,Frontal"unterricht
durchzuführen, sondern es sollte darum gehen, mehr Kreativität und Variabilität in die
Unterrichtsformen zu bringen. Es könnten beispielsweise Rollenspiele, Moderationen
und Diskussionen, die alleine von den Schülern organisiert und durchgeführt werden oder
die Einbeziehung von Menschen von außerhalb der Schule (zum Beispiel Ex-Gangmit-
glieder, Ex-Drogenabhängige, Künstler, Menschen mit ,,coolen" Berufen, die realistisch
für die Schüler zu erreichen sind [zum Beispiel Informatiker, Modedesigner und-schnei-
der, Koch, Konditor, Arzthelfer]), die von ihren Erfahrungen berichten.
Gerade für Schüler, die vor dem Schulabschluss stehen und sich in der Berufsorientie-
rungsphase befinden, ist es auch sinnvoll, beispielsweise einen Tag bei einem potenziel-
len Arbeitgeber (zum Beispiel Firmen, große Büros, Behörden, Versicherungen) zu ver-
bringen, um das Berufsleben vor Ort kennenzulernen.
Damit Schüler beispielsweise frühzeitig für eine Berufsorientierung in Kontakt mit Ar-
beitgeber kommen, könnte ein sozialpädagogisch kompetenter Lehrer sich mit der Han-

154
delskammer oder Handwerkskammer in Verbindung setzen, weil diese Arbeitgeber ken-
nen, die Interesse daran haben könnten, an Auszubildende zu kommen und die deshalb
bereit sind, entweder selbst in den Unterricht zu kommen oder einen ihrer Mitarbeiter zu
schicken.
Sozialpädagogisch geschulte Lehrer müssten während des Studiums lernen, wie man den
Kammern beziehungsweise den Arbeitgebern verdeutlicht, dass sie ein Eigeninteresse
daran haben, mit den Schülern gegen Ende der Schulzeit Kontakt aufzunehmen, weil dies
eine gute Möglichkeit ist, um qualifizierte, engagierte Auszubildende zu bekommen.
Das ,,Was" der Umstrukturierung beinhaltet, dass Lehrer ihren Schülern auch Inhalte ver-
mitteln sollten, die nicht konkret im Lehrplan stehen. Hier sollte generell alles gelehrt
werden, was die soziale Kompetenz der Schüler steigert. Angefangen von kritischer und
gesunder Ernährung, der Körperpflege (zum Beispiel die richtige Zahnputztechnik oder
das richtige Händewaschen) bis hin zu einem selbstständigen und selbstbewussten Um-
gang mit Behörden.
Bei der Frage nach dem ,,Wann" sollte eine Umstrukturierung hinsichtlich des begrenzten
Zeitplans des Schulbetriebs stattfinden. Es gibt keinen zwingenden Grund, wieso Schulen
nach dem regulären Unterricht, der in den meisten Fällen durchschnittlich sechs Unter-
richtsstunden am Vormittag umfasst, die Tore zu schließen. Gerade zur Lösung von so-
zialpädagogischen Problemen ist es meist erforderlich, dass Räumlichkeiten zur Verfü-
gung stehen und dazu bieten sich die heute an den Nachmittagen noch meist ungenutzten
Räumlichkeiten der Schulen an (siehe auch Kapitel 4.2.1 und 4.2.8).
So sollten nachmittags vermehrte Möglichkeiten und schulische Räumlichkeiten für
Schüler geschaffen werden, damit diese ihre Hausarbeiten begleitet in der Schule bear-
beiten können. Wie bereits im Kapitel 4.1.1 erläutert, existiert eine erhebliche Anzahl an
Schülern, die zu Hause nicht die Möglichkeit hat, ihre Hausaufgaben ungestört in einem
eigenen Zimmer an einem Schreibtisch zu erledigen. Wie in Kapitel 4.2.1 beschrieben,
sind viele Familien dazu gezwungen, in viel zu kleinen Wohnungen zu leben. Zudem
haben einige Familien zum Teil schon beim Unterrichtsstoff in den Grundschuljahren
nicht die Kompetenz, ihren Kindern bei der Erledigung der Hausarbeiten zu helfen.

155
Die Hausaufgaben sollten dann idealerweise von Lehrkräften betreut werden. Lehrkräfte
könnten einzelnen Schülern während dieser Hausaufgabenbetreuung Ordnungsfunktio-
nen übertragen, wodurch die Schüler lernen würden, Verantwortung zu übernehmen. So-
zialpädagogisch geschulte Lehrer könnten es auch eher schaffen, gute Schüler aus oberen
Klassen zu motivieren, die Hausaufgabenbetreuung zu begleiten und zu unterstützen. So
würden Schüler aus oberen Klassen auch direkt soziale Kompetenzen erlernen, die durch-
aus auch für das spätere (Berufs-)Leben von Bedeutung sein könnten. Sie könnten dort
zum Beispiel Techniken lernen, Menschen auf verständliche Weise komplexe Sachver-
halte zu vermitteln.
Angesichts der in Kapitel 4 angedeuteten sozialpädagogischen Probleme zeigt sich, dass
der Weg an einer regulären Ganztagsbetreuung nicht vorbeigeht.
In Deutschland nahmen
im Schuljahr 2012/13 nur 32,3 Prozent der rund 7,5 Millionen Schüler des Primar- und
Sekundarbereichs I ein Ganztagsangebot wahr (vgl. Pressemitteilung der KMK 2014).
Heute werden noch zwei Drittel der Schüler in Halbtagsschulen unterrichtet. Diese Schul-
form muss in Zukunft ein Auslaufmodell darstellen, denn sie stammt aus einer Zeit, in
der Mütter im Regelfall nicht berufstätig waren und deswegen die Erziehungsarbeit am
Nachmittag übernehmen konnten, was immer weniger der Fall ist. Eine kompetente
Ganztagsbetreuung ist die einzige Möglichkeit, mehr Chancengleichheit für Schüler aus
unterprivilegierten Familien herzustellen.
Bei Schülern mit Migrationshintergrund stellt eine kompetente Ganztagsbetreuung zu-
dem ein wichtiges Instrument zur Akkulturation und Integration dar. Die Integration aus-
ländischer Schüler wird in der Ganztagsbetreuung erheblich besser gefördert als in einer
Halbtagsschule, in der der größte Teil des Tages mit Angehörigen der eigenen Ethnie
verbracht wird (vgl. Stürzer et. al. 2012: 55).
Beim ,,Wo" der Umstrukturierung geht es darum, Unterricht beispielsweise auch außer-
halb der Schule durchzuführen. Lehrer könnten beispielsweise Workshops (beispiels-
weise zur Haushaltsführung, zu Rechten eines Bürgers [zum Beispiel Verbraucherrechte],
zum Zeitmanagement oder zur Selbstorganisation), Messebesuche, Theater, alternative,
interessante Museen [zum Beispiel ein Schokoladenmuseum], Behörden oder Jugendzen-
tren mit seiner Klasse besuchen beziehungsweise organisieren.

156
Um soziale Kompetenzen, Toleranz und Verantwortung zu entwickeln, können Lehrer
mit ihrer Klasse soziale Einrichtungen besuchen oder sich an sozialen Projekten beteili-
gen. Schüler könnten beispielsweise dabei helfen, eine ,,Integrationsdisco" zu organisie-
ren, in der Menschen mit Behinderungen und ,,normale" Schüler zusammen feiern.
In der derzeitigen Situation könnten Schüler auch ,,Integrationsdiscos" organisieren, bei
denen Schüler mit Fluchthintergrund und Schüler ohne Fluchthintergrund zusammen fei-
ern.
Lehrer könnten Schüler dazu anhalten, sich so früh wie möglich politisch zu engagieren
und den Schülern so zeigen, dass Politik nichts Abgehobenes, sondern jedermanns Ange-
legenheit ist. Hierzu bietet sich beispielsweise eine Teilnahme in einem Kinderparlament
oder der Besuch einer Kinderpartei an.
Falls Lehrer feststellen, dass sich ihre Schüler beispielsweise sehr für Tiere interessieren,
könnten Lehrer den Kontakt zwischen ihren Schülern und zum Beispiel Tierschutzverei-
nen herstellen, damit diese Schüler die Arbeitsweise solcher Vereinen kennenlernen und
sich dann gegebenenfalls dort engagieren können.
Falls die Eltern der Schüler damit einverstanden sind, könnten Lehrer auch zum Beispiel
einen Besuch im Tierheim organisieren, bei dem den Schülern erklärt würde, wie man
richtig und respektvoll mit Tieren umgeht und dass man sich nur dann ein Tier anschafft,
wenn man bereit ist, sich bis zu 20 Jahre darum zu kümmern.
Es sollte Aufgabe der erziehungswissenschaftlichen und pädagogischen Hochschulen
sein, die theoretischen Grundlagen neuer Unterrichtsformen zu entwickeln und zusam-
men mit den dazu zugehörigen handlungsorientierten Kompetenzen in der Lehramtsaus-
bildung zu vermitteln. Diese sollten dann in praktischen Feldversuchen unter wissen-
schaftlicher Begleitung erprobt und ihr Nutzen im Vergleich zu den klassischen Unter-
richtsmethoden evaluiert werden.

157
Die wichtigste, zentrale, initiale Umstrukturierung zur Umsetzung der in Kapitel 4.2 ge-
nannten Problemlösungen wäre die Einführung einer
bundesweiten Online-Plattform für Sozialpädagogik an Schulen.
Sie könnte die Vernetzung und Zusammenarbeit aller Beteiligten ermöglichen. Nach er-
folgreicher Einführung wäre diese Online-Plattform dann praktisch ein virtueller Vor-
trags- beziehungsweise Diskussionsraum mit beliebig viele Foren für den Austausch zu
ganz spezifischen Themen, die mit bestimmten Schlüsselwörtern versehen würden, damit
sie von jedermann, der an diesen Themen interessiert ist, schnell auffindbar wären.
Hinzu käme eine virtuelle Bibliothek und Adressdatenbank (für sozialpädagogische Kon-
takte aller Art) für ein deutschlandweites, sozialpädagogisches Kompetenznetzwerk.
Sie wäre dann eine zentrale Anlaufstelle, auf die Lehrer, Sozialarbeiter, Sozialpädagogen,
Ärzte (Schulärzte), und Psychologen als Lieferanten und Empfänger von Informationen
zugreifen könnten. Das heißt, im weitesten Sinne könnten alle Berufsgruppen, die mit
sozialpädagogischen Problemen von Schülern zu tun haben, auf diese Plattform zugreifen
und sich im Idealfall mit ihrem Wissen und ihren individuellen beruflichen Erfahrungen,
sowie ihren Fragen und Problemen in diese Plattform einbringen
Als zentrale Anlaufstelle könnte diese Plattform schnell verfügbares und hochaktuelles
Informationsmaterial zur Verfügung stellen. Lehrer können auf dieser Plattform ohne
großen Zeitaufwand schnell an Informationen über alle möglichen sozialpädagogischen
Probleme ihrer Schüler kommen. Dies ist besonders wichtig, da die Recherche zu den
eben genannten Problemen im freien, allgemeinen Internet sehr viel Zeit kostet, die viele
Lehrer nicht haben. Die Recherche auf der sozialpädagogischen Plattform wäre sehr viel
zielführender und qualitativ besser als ungefilterte Informationen aus dem Internet, da sie
bereits durch Kollegen gefiltert und ,,peer-reviewed" wären.
Der größte Vorteil dieser Plattform ist aber ihre bidirektional-interaktive Arbeitsweise.
Das heißt, jeder Besucher dieser Plattform holt sich dort nicht nur Informationen, sondern
er kann sie sofort kommentieren und subjektive eigene Erfahrungen mit einbringen be-
ziehungsweise auch kritisieren und Fragen dazu stellen.

158
Zudem gäbe diese Plattform die Möglichkeit, eigene wissenschaftliche Texte und/oder
Erfahrungsberichte mit entsprechenden Schlüsselwörtern unzensiert einzustellen.
Dadurch, dass alles, was dort hochgeladen würde, von anderen Kollegen kritisiert und
kommentiert wird, würde automatisch eine hohe Qualität garantiert.
Diese Online-Plattform sollte nicht nur der Diskussion, sondern auch der schnellen und
der gezielten Kontaktaufnahme ohne Streuverluste dienen. Sozialarbeiter, Sozialpädago-
gen, Jugendämter oder Jugendclubs könnten dort Lehrkräften aktuelle, außerschulische
sozialpädagogische Projekte und Veranstaltungen vorstellen und anbieten.
Jeder (angehenden) Lehrkraft sollte diese Plattform bekannt sein beziehungsweise jede
(angehende) Lehrkraft sollte zugangsberechtigt sein.
Auf dieser Plattform könnten Lehrer feste Ansprechpartner für ganz spezifische sozial-
pädagogische Probleme bei Behörden (wie beispielsweise Jugendämtern) oder Hilfeein-
richtungen (Psychologen, Psychiater, Sozialarbeiter, Erziehungswissenschaftler) finden.
Im Zusammenhang mit den derzeitigen Problemen könnten sie dort zum Beispiel Fach-
wissenschaftlicher wie zum Beispiel Islamwissenschaftler oder Sektenexperten finden.
Auf solch einer Plattform könnten E-Mail-Adressen, die Telefonnummer, die Beschrei-
bung der Qualifikation des festen Ansprechpartners und in Ausnahmefällen sogar eine
Notfallhandynummer zur Verfügung gestellt werden. So könnten Informationen zwi-
schen der Schule und außerschulischen Partnern schneller und unbürokratisch ausge-
tauscht werden.
Da sich die Lebensbedingungen von Schülern ständig verändern und weiterentwickeln,
ist es wichtig, dass die sozialpädagogischen Kenntnisse, die ein Lehrer (wie in dieser
Arbeit gefordert) während seiner universitären Ausbildung erworben hat, ständig aktua-
lisiert werden. Auch ein Update der praktischen sozialpädagogischen Kompetenzen
könnte über eine solche Plattform erfolgen.
Außerdem könnten die Links zu schädlichen und gefährlichen Internetseiten, die Schüler
besuchen, tagesaktuell von allen mit Schülern Befassten auf solch eine Plattform geladen
werden. Dabei ist von Vorteil, dass jeder sowohl gleichberechtigter Empfänger als auch
Lieferant von Informationen ist.

159
Ebenso könnte dort eine Informationsseite über die derzeit auf Schulhöfen verkauften
Designerdrogen mit einem Bild der Tabletten (die meisten werden in Tablettenform mit
einem eingeprägten Logo verkauft), mit dem Szenename (zum Beispiel ,,Red Dragon",
,,Green Flash") sowie mit den Beschreibungen der bekannten Wirkungen und insbeson-
dere der gefährlichen Nebenwirkungen installiert werden.
Dies ist wichtig, da sich sowohl illegale Designerdrogen als auch die sich immer weiter
verbreitenden sogenannten ,,Legal Highs" (also gefährliche Drogen, die im Moment noch
nicht verboten sind, da sie den Behörden noch nicht lange genug bekannt sind, um sie auf
die BTM-Liste zu setzen) im Wochen- beziehungsweise Monatsrhythmus ändern.
Sozialpädagogisch kompetente Lehrer könnten sich auf dieser Drogeninformationsseite
auf der Plattform alle erforderlichen Informationen holen, um rechtzeitig zu bemerken,
dass gefährliche Drogen auf dem Schulhof gehandelt werden und dann entsprechende
Gegenmaßnahmen einleiten (mehr zu den möglichen Gegenmaßnahmen wurde bereits in
Kapitel 4.2.6 dargestellt).
Die meisten Studenten beklagen sich über zu wenig Praxisbezug. Dadurch, dass sich auch
angehende Lehrkräfte passiv und aktiv auf dieser Plattform mit einbringen könnten,
könnte der immer wieder geforderte Praxisbezug schon während des Studiums über diese
Plattform eingefordert und hergestellt werden.
Pädagogische Hochschulen könnten besonders interessante oder schwierige Fragestellun-
gen aus dieser Plattform herausholen und in Seminaren eigenständig didaktisch gut auf-
bereitetes Unterrichtsmaterial dazu entwickeln. So würde die intensive Auseinanderset-
zung mit sozialpädagogischen Problemen an konkreten Beispielen aus dem Schulalltag
mit der didaktischen und wissenschaftlichen Aufarbeitung an den Hochschulen verbun-
den werden. Anschließend würde das entwickelte Material wieder auf die Plattform ge-
laden und so allen Besuchern der Plattform zur Verfügung stehen.
Durch solch eine Auseinandersetzung mit praktischen Beispielen aus dem Schulalltag
entstünden bei den Studenten ganz andere Engramme im Gehirn als bei der rein theoreti-
schen Auseinandersetzung mit sozialpädagogischen Problemen aus einem Lehrbuch.

160
Solch eine Plattform sollte von einer engagierten, pädagogischen Hochschule mit einer
leistungsfähigen IT-Abteilung betrieben werden, so dass automatisch Berater mit wissen-
schaftlicher, technischer und im besten Fall praktischer, einschlägiger Erfahrung zur Ver-
fügung stünden. Praktischer Erfahrung sowohl mit sozialpädagogischen Problemen be-
ziehungsweise deren Lösung als auch mit dem Betreiben einer Website. Dies könnten
durchaus auch Master-Studenten, Doktoranden, Dozenten usw. übernehmen. Sobald die
Plattform eingeführt und angenommen wurde, stellt sie die oft vermisste Verbindung von
Praxis und Theorie dar. Das heißt, die Hochschule hätte direkten Kontakt zur Lehrfront
und umgekehrt würde die Universität würde davon profitieren, dass sie immer ständige,
unmittelbare Rückmeldung von der Lehrfront bekäme. So käme die Hochschularbeit zu-
mindest zum Teil aus dem Elfenbeinturm heraus und die Lehrer an der Front bekämen
unmittelbar direkten Zugang zum Hochschulwissen. Universitätsintern könnten die Er-
fahrungen der Lehrer in Seminaren mit Lehramtsstudenten diskutiert und verarbeitet wer-
den, so dass angehende Lehrer schon früh ein Gespür für die sozialpädagogischen Prob-
leme im Schulalltag bekämen.
Die Plattform könnte auch ein Archiv bereitstellen, das als eine Art virtuelle Bibliothek
fungieren würde. In diesem Archiv könnten spezielle Texte und Informationsmaterialien
für einen schnellen Zugang zur Verfügung gestellt werden.
Wie bereits in Kapitel 4.2.3 beschrieben, könnten für die Anfangszeit des Unterrichts von
Schülern mit Fluchthintergrund Lernstandstests eingesetzt werden. Derartige Tests soll-
ten entwickelt und dann auf der sozialpädagogischen Plattform zum Download angeboten
werden.
Auch die in Kapitel 4.2.4 beschriebenen Fragebögen, die dem Lehrer Aufschluss darüber
geben, ob Schüler in seiner Klasse gemobbt werden, könnten hier zum Download bereit-
gestellt werden.
Der schon bestehende Lernserver der Universität Münster ist ein positives Beispiel für
die Möglichkeit des Internets, Lehrkräften effektiv und praxisnah bei Problemen ihrer
Schüler (hier Sprachproblemen) zu helfen. Bei diesem Programm gehen Lehramtsstuden-
ten in die Schulen und üben mit den Schülern, die Sprachprobleme beziehungsweise De-
fizite im Schriftspracherwerb haben. Der Lernserver könnte in die hier vorgestellte On-
line-Plattform integriert werden.

161
An dieser Stelle sei nochmal darauf hingewiesen, dass dies nur Anregungen für die Auf-
bauphase sein sollen, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit beanspruchen. Diese in-
haltlichen Beispiele sollen nur verdeutlichen, welcher Art das Angebot sein könnte. Es
müsste Aufgabe der Hochschulen, die organische Weiterentwicklung dieser Plattform
wissenschaftlich moderierend zu begleiten.
Sobald diese Plattform von genug Leuten frequentiert und von diesen angenommen wird,
könnte sie sich durch ihre bidirektional-interaktive Arbeitsweise von alleine weiterentwi-
ckeln.
Ein Beispiel für die organische Selbstentwicklung solch einer Plattform beziehungsweise
Webseite, die das Bedürfnis einer Gruppe von Menschen genau trifft, ist YouTube.
Wie in Kapitel 3.1.3 dargelegt, bestehen die Hauptdefizite bei den handlungsorientieren
Kompetenzen der Lehrer, Wissen pädagogisch-didaktisch gekonnt zu vermitteln.
Als Beispiel für die derzeitig unzureichende handlungsorientierte Ausbildung von Lehr-
amtsstudenten sei hier ein Projekt der Universität Münster genannt.
Die Uni Münster bietet ihren Lehramtsstudierenden in einem Projekt namens ELF die
(Weiter)Entwicklung pädagogischer Handlungskompetenzen an, ,,indem sie [die Studie-
renden] ihre bereits vorhandenen Fähigkeiten und Fertigkeiten weiterentwickeln, neue
hinzugewinnen und dabei kontinuierlich mit anderen Studierenden im Austausch stehen.
Zentraler Bestandteil ist die Auseinandersetzung mit und Klärung der eigenen Rolle und
pädagogischen Grundhaltung" (Elf 2015).
Diese Lehrveranstaltungen tragen zwar zu einer notwendigen Selbstreflexion der Studie-
renden bei, aber sie helfen weniger bei der Lösung von den in Kapitel 4.1 genannten
konkreten sozialpädagogischen Problemen. Nur eine vermehrte Selbstreflexion reicht
nicht aus, den Lehrer dazu in die Lage zu versetzen, beispielsweise besser mit traumati-
sierten oder suchtkranken Schülern umzugehen, sondern dazu braucht es auch eine bes-
sere handlungsorientierte Ausbildung.
In der Prüfungsordnung und dem Vorlesungsverzeichnis für Lehramtsstudierende an der
Universität Münster findet man zwar Lehrveranstaltungen, die sich mit der Theorie der

162
sozialpädagogischen Probleme auseinandersetzen. Aber in diesen Lehrveranstaltungen
werden keine konkreten, handlungsorientierten Kompetenzen vermittelt, die zur Lösung
sozialpädagogischer Probleme wie sie im Kapitel 4.1 aufgeführt wurden, beitragen.
Handlungsorientierte Lehrveranstaltungen, in denen Lösungen von sozialpädagogischen
Problemen vermittelt werden (wie zum Beispiel: wie geht ein Lehrer mit selbstmordge-
fährdeten Schülern um, wie geht ein Lehrer mit islamistischen Schülern um oder wie geht
ein Lehrer mit Schülern mit LRS um) finden sich im Vorlesungsverzeichnis nicht.
Da aber jede (angehende) Lehrkraft eine gewisse Kompetenz im Umgang mit sozialpä-
dagogischen Problemen haben müsste, ist eine vermehrte Ausbildung dieser Inhalte un-
abdingbar. Jede der in Kapitel 4.1 dargestellten Prävalenzraten der sozialpädagogischen
Probleme zeigt, dass die meisten sozialpädagogischen Probleme im statistischen Mittel
in jeder Schulklasse bei mehreren Schülern vorhanden sind und dass somit auch jede
Lehrkraft täglich mit fast jedem dieser Probleme konfrontiert wird. Da also diese konkrete
Handlungskompetenz im Studium vermehrt vermittelt werden muss, ist eine obligatori-
sche Einführung der Vermittlung handlungsorientierter Kompetenzen in den Curricula
der Hochschulen unabdingbar.
Zur Sensibilisierung angehender Lehrer würde sich hierzu unter anderem ein obligatori-
sches Praktikum in einer sozialpädagogischen Einrichtung wie beispielsweise der Dro-
genberatung, dem Jugendamt oder einem sozialpädagogischen Familienzentrum anbie-
ten. Praxisnahe Elemente werden im Lehrerausbildungsgesetz viel zu wenig und zu un-
verbindlich vorgeschrieben (siehe dazu auch Kapitel 3.1.3).
Durch verpflichtende Praktika würden angehende Lehrkräfte schon vor Eintritt in den
realen Schulalltag darauf vorbereitet, dass sie als Lehrkräfte weitaus mehr Aufgaben
übernehmen müssen als nur nach Lehrplan zu unterrichten. Gute Lehrtätigkeit, die alle
sozialen Funktionen der Schule erfüllt und die den Lehrern und Schülern erlaubt, sich
voll und ganz auf das Unterrichtsgeschehen zu konzentrieren, kann nur gewährleistet wer-
den, wenn vorher die wesentlichen sozialpädagogischen Probleme ausgeräumt sind (siehe
4.1.1 Brecht mit Mutter Courage).

163
Schüler, die Spaß an der eigenen Bildung haben sollen, müssen Handlungsfähigkeit im
Sinne von sozialer Kompetenz wie sie zum Beispiel erforderlich ist, um sich richtig zu
bewerben oder richtig auf Gewalt zu reagieren, erlangen (Wie habe ich vorzugehen, wenn
ich permanent geschlagen oder gemobbt werde? Wo gehe ich hin? Wie setze ich mich
durch, so dass ich auch ernstgenommen werde? Wie setze ich eine Strafanzeige auf?). Es
sind ganz konkrete, handlungsorientierte Trainings während der Lehramtsausbildung in
allen passenden Lehrveranstaltungen notwendig, die nicht nur die Theorie der Praxis be-
handeln, sondern die auch die konkrete Reaktion des Lehrers auf konkrete Probleme im
Schulalltag behandeln (zum Beispiel den richtigen Umgang mit süchtigen, depressiven
oder islamistischen Schülern).
Theoretische Informationen können sich die Schüler oft selbst aus dem Internet holen.
Den Schülern sollte dann aber vermittelt werden, wie sie sinnvoll mit den Informationen
aus dem Internet umgehen sollten. Handlungskompetenz bei Problemen aus der Lebens-
welt der Schüler (zum Beispiel das richtige Vorgehen, wenn ein Schüler eine Drogensucht
bei einem Freund feststellt) können sich Schüler nur sehr schwer selbst aus dem Internet
beibringen.
Um dieser Forderung nach Unterricht, der Schülern mehr soziale Handlungskompetenzen
vermittelt, nachzukommen, müssen Lehrkräfte zunächst selbst dazu in der Lage sein, sol-
che Probleme zu lösen.
(Angehende) Lehrkräfte müssen Schülern mit sozialpädagogischen Problemen, denen zu
Hause und auch im Bekanntenkreis niemand helfen kann, als kompetente Partner zur
Seite stehen. Zum Beispiel beim Verfassen von Bewerbungen, dem richtigem Umgang
mit Informationen aus dem Internet oder der Suche nach der richtigen Beratungsstelle bei
sozialen Problemen.
Eine neue Aufgabe von Lehrern wird es in Zukunft sein, den Schülern auch lebensprak-
tische Kenntnisse zu vermitteln, die sie zu Hause nicht mehr in ausreichendem Umfang
vermittelt bekommen. Schüler, die von der Lösung lebenspraktischer Probleme immer
nur ein bisschen verstehen und/oder erlernt haben, fühlen sich ihr Leben lang unsicher.
Es ist daher wichtig, dass Lehrkräfte von vorneherein verhindern, dass es dazu kommt.

164
Lehrkräfte müssen solchen Schülern beibringen, wie sie sich selbst helfen können und
wie sie sich gegen bestimmte Dinge wehren können, damit diese Schüler an Selbstsicher-
heit gewinnen. Diese Sicherheit vermindert das Risiko, dass Schüler mit Problemen
schwerwiegende und nicht mehr leicht zu therapierende Verhaltensweisen und Einstel-
lungen (zum Beispiel psychische Probleme oder politische oder religiöse Radikalisie-
rung) entwickeln.
Die Schule muss daher in Zukunft Wissen vermitteln, das den Schülern bei der Bewälti-
gung von aktuellen, lebenspraktischen Problemen hilft.
Dazu sind sozialpädagogische Kompetenzen der Lehrkräfte unabdingbar. Es ist beispiels-
weise möglich, dass Lehrer in ihrem Leben nur eine oder keine Bewerbung geschrieben
und somit im Extremfall nur ein einziges oder kein Bewerbungsgespräch absolviert ha-
ben.
Um einen sozialpädagogisch kompetenten Lehrer auszubilden, sollte im Studium auch
gelehrt werden, wie ein gewisser ,,politischer Druck" ausgeübt werden kann. Als Beispiel
dazu wurde in Kapitel 4.2.1.1 gezeigt, dass man um zusätzliche Mittel für zu unverzicht-
bare schulische Investitionen ,,kämpfen" muss, damit nicht alle materiellen Mängel im
Schulbetrieb immer nur ,,methodisch kompensiert" (vgl. dazu Kapitel 4.3) werden müs-
sen. In diesen Fällen muss der sozialpädagogisch kompetente Lehrer als eine Art Anwalt
der Schüler fungieren.
Wie in der Einleitung von Kapitel 4.2 beschrieben, sollten Schüler als Individuen mit
ganz verschiedenen Problemen und Bedürfnissen und nicht als eine amorphe Masse an-
gesehen werden. Beispielsweise muss ein Lehrer mit einem Schüler, der großer Fußball-
fan ist und jedes Wochenende zu Fußballspielen fährt, ganz anders reden als mit Schülern,
die nach der Schule jeden Tag in die Koranschule gehen und streng gläubig erzogen wer-
den. Lehrer müssen sich des sozialen Backgrounds der Schüler permanent bewusst sein.
Nur so ist es Lehrern möglich im Unterricht immer, wenn ein Schüler etwas fragt oder
sagt, auf seinen ganz spezifischen, sozialpädagogischen Background individuell einzuge-
hen.
Nur so kann ein Lehrer (noch unspezifisch) erkennen, wenn etwas mit seinem Schüler
nicht stimmt und dass dieser ein Problem zu haben scheint. Im nächsten Schritt könnte

165
ein sozialpädagogisch geschulter Lehrer das Problem im Gespräch mit diesem Schüler
eingrenzen. Der Lehrer benötigt sozialpädagogische Kompetenz für die Identifizierung
der Probleme des betroffenen Schülers. Der Lehrer sollte hierfür zum Beispiel bestimmte
Frage- und Gesprächstechniken beherrschen und er sollte wissen in welcher Atmosphäre
er so ein Gespräch am besten führt.
Für schon ausgebildete Lehrkräfte könnten Fortbildungsprogramme zum besseren Um-
gang mit sozialpädagogischen Problemen innerhalb des Schulalltags beitragen (vgl. För-
tig 2002: 198).
Wie bereits in Kapitel 4 mehrfach erläutert, muss es heute zu den elementaren Aufgaben
eines Lehrers gehören, sozialpädagogische Probleme früher als alle anderen Berufsgrup-
pen zu erkennen, um dann auch, früher als es allen anderen Berufsgruppen möglich ist,
eine Intervention einzuleiten. Wenn das Erkennen verschiedener Anzeichen sozialpäda-
gogischer Probleme systematisch erlernt und eintrainiert wird, können Lehrkräfte prak-
tisch als Nebenprodukt ihrer normalen beruflichen Tätigkeit eine Art permanentes Scree-
ning aller Schüler auf sozialpädagogische Probleme betreiben, was sonst keine andere
Berufsgruppe leisten kann.
Die Vermittlung dieser Awareness muss Bestandteil der Curricula in der Lehramtsausbil-
dung werden. Das heißt während der Ausbildung beziehungsweise in Fortbildungen muss
(angehenden) Lehrern antrainiert werden, diese Awareness und die Fähigkeit zum Scree-
ning zu entwickeln und zu praktizieren. Zurzeit ist dieses Screening eher ein Nebenpro-
dukt von wenigen sozialpädagogisch naturbegabten Lehrern, aber in Zukunft sollten diese
Kompetenzen einem möglichst großem Prozentsatz der Lehrer vermittelt werden.
Ständige Fortbildungen zum Thema Computer und Medien erscheinen sinnvoll, damit
alle Lehrer wissen, womit sich ihre Schüler am Computer beziehungsweise am Smart-
phone befassen, um überhaupt eine gemeinsame Gesprächsbasis zu haben.
Dies ist wichtig, da Schüler sich im Internet auch mit absolut gefährlichen Dingen befas-
sen können (beispielsweise mit Seiten, die den Bombenbau erklären, Seiten, die extreme
Gewalt detailliert zeigen oder sogar zu extremer Gewaltanwendung auffordern oder Sei-
ten, auf denen illegale Drogen beworben werden). In ständig aktualisierten Fortbildungen

166
könnten Lehrer darauf hingewiesen werden, welche gefährlichen Seiten im Internet bei
Schülern gerade populär sind, so dass sich Lehrer hier immer auf dem aktuellsten Stand
halten.
Es ist wichtig, dass Lehrer hier immer auf dem aktuellsten Stand sind, da sich Inhalte im
Internet extrem schnell ändern. Medienbezogene Kompetenzen, die Lehrer während ihres
Studiums vermittelt bekamen, können schon während der Referendariatszeit überholt
sein. Um immer auf dem aktuellsten Stand zu sein, müssten Informationen über gefährli-
che Internetseiten auch immer aktuell auf der in diesem Kapitel beschriebenen sozialpä-
dagogischen Plattform veröffentlicht werden.
Solche medienbezogenen Fortbildungen erscheinen auch sinnvoll, da, wie bereits in Ka-
pitel 4.1.6.2 beschrieben, eine nicht unerhebliche Anzahl an Schülern ein medienbezoge-
nes Suchtverhalten (Computer, Smartphone, Internet, Videospiele) entwickelt und gerade
medienbezogene Süchte sich mit der Technologie verändern, so dass sie für Lehrer, die
über diese medienbezogene neuesten Technik nicht auf dem neusten Stand sind, schwer
zu erkennen sind. Voraussetzung für das Erkennen ist, dass Lehrer selbst mit modernen
Medien und speziell dem Internet perfekt umgehen können, so dass sie überhaupt von
den Schülern als qualifizierte Gesprächspartner akzeptiert werden.
Lehrer, die entsprechende Kenntnisse während des Studiums sozialpädagogisch kompe-
tent vermittelt bekommen haben, werden wissen, dass Sanktionen bei Schülern mit
Suchterkrankungen wenig oder keinerlei Nutzen bringen, außer dass diese Schüler ihren
Süchten dann heimlicher nachgehen als zuvor.
Da es viele Schüler gibt, die aufgrund ihrer sozialen Herkunft keine wirkliche Medien-
kompetenz erlangen, ist es wichtig, dass auch das Arbeiten mit dem Computer und dem
Internet beziehungsweise mit Medien aller Art zu einem festen Bestandteil des Unterrich-
tes wird. Dafür ist es allerdings notwendig, dass Lehrer selbst über grundlegende IT-
Kenntnisse verfügen. Das heißt, die Vermittlung solcher Kenntnisse sollte zum grundle-
genden Bestandteil der Lehramtsaus- und -fortbildung werden.
Dies beinhaltet zum einen den kritischen Umgang mit Medien im Allgemeinen, aber auch
Kenntnisse wie den Umgang mit Foren, was dann auch technische Kenntnisse über die
Einrichtung von eigenen Foren umfasst. Besonders wichtig sind Kenntnisse über die mit
dem Internet verbundenen Risiken wie zum Beispiel über das Abschöpfen von Daten,

167
Pädophilie, schockierende und/oder gefährliche Internetseiten aller Art, sexuelle Ausbeu-
tung von Kindern und Jugendlichen (zum Beispiel über die Webcam) etc.. Ein sozialpä-
dagogisch kompetenter Lehrer sollte in der Lage sein, den Schüler Medienkompetenz
soweit zu vermitteln, dass sie in der Lage sind, mit diesen Risiken und Gefahren kompe-
tent umzugehen.
Eine weitere Möglichkeit wäre, dass IT-kompetente Lehrer Arbeitsgemeinschaften grün-
den, in denen ausgemusterte, gespendete Computer von Firmen zusammen mit Schülern
so aufgearbeitet werden, dass diese von den Schülern aus sozial schwächeren Umfeldern
gegen eine geringes Entgelt gekauft werden könnten. Ansonsten könnten diese Computer
den jeweiligen Schülern auch nachmittags innerhalb der Schule in einem speziellen, im
Idealfall kompetent betreuten, Computerraum zur Verfügung gestellt werden.
Wenn Schüler aus unterprivilegierten Familien keine ausreichende IT-Kompetenz erwer-
ben, haben sie ein Handicap beim Berufseinstieg, da man heute selbst in den meisten an-
und ungelernten Berufen/Jobs nicht mehr ohne basale IT-Kenntnisse arbeiten kann und
da diese Schüler diese Defizite in ihrem weiteren Leben nur schwer wieder aufholen kön-
nen.
Da im Lehrerausbildungsgesetz nicht gefordert, wird an den deutschen Hochschulen nicht
unterrichtet, wie man Schülern Medienkompetenz vermittelt.
Eine Ausnahme stellt hier beispielsweise die von der Universität Münster angebotene
Vorlesung ,,Kritische Medienpädagogik" mit einer Reihe praxisbezogener Seminare dar.
Diese Vorlesung ist ein gutes Beispiel dafür, medienbezogene Inhalte mehr und mehr
(auch) in die Lehramtsausbildung einzuführen, doch sowohl die Vorlesung als auch diese
praxisorientierten Seminare müssen von den Lehramtsstudierenden nicht obligatorisch
besucht werden. In dem oben genannten Lehramtsausbildungsgesetz werden medienbe-
zogene Inhalte nicht einmal erwähnt.
Es ist jedoch dringend erforderlich, dass angehende Lehrer sich handlungsorientiert mit
diesen Inhalten auseinandersetzen, da diese ,,über eine engagierte pädagogische Nutzung
der neuen Medien durchaus eine Vielzahl spannender Optionen [eröffnen]" (vgl. Schön-
weiss WS 2015/16).
Die obligatorische Einführung solcher Inhalte in die Lehramtsausbildung ist schon alleine
deswegen dringend erforderlich, weil sich Schüler einen großen Teil ihrer Freizeit mit

168
Medien beschäftigen, so dass diese mehr ,,Erziehungsleistung" erbringen als Eltern und
Lehrer zusammen. Naturgemäß vermitteln die Medien in der Regel keine kritische Me-
dienkompetenz, so dass dies von den Eltern und/oder den Lehrern übernommen werden
muss.
Wie in den Kapiteln 4.1.7 und 4.2.7 erläutert, bestehen in der derzeitigen Lehramtsaus-
bildung Defizite bei der Vermittlung von Kompetenzen im Umgang mit komplexen reli-
giösen, sozialen und juristischen Problemen bei Schülern mit einem radikalem, fanati-
schem oder religiösem Background. Es handelt sich hierbei um strittige und heikle The-
men, bei denen möglicherweise ins Elternrecht eingegriffen werden muss. Lehrer müss-
ten zum Beispiel lernen, wann und inwieweit sie rechtliche Schritte gegen Eltern einleiten
können oder sollten. Es handelt sich bei dieser Thematik oft um schwierige juristische
Fragen, die ein Lehrer häufig gar nicht alleine treffen kann. Es ist in der Regel nicht zu
erwarten, dass Lehrer sich solche Kenntnisse aus eigenem Antrieb aneignen. Deswegen
müssten diesbezügliche Module in die Lehramtsausbildung integriert werden. Die Eltern
haben zum Beispiel das Aufenthaltsbestimmungsrecht, das heißt, ein Lehrer darf zum
Beispiel einem unter 18-jährigen Schüler aus einer religiös-radikalen Familie nicht raten,
von zu Hause auszuziehen.
Der Lehrer sollte also vermittelt bekommen, welche Möglichkeiten er dann noch hat, zum
Beispiel bei gefährlicher Indoktrination durch das Elternhaus in das Elternrecht einzu-
greifen. Es müssen also juristische Kenntnisse über die schwierigen Grenzen der Rechte
der Schule und die Grenzen der Rechte der Eltern vermittelt werden. Diese juristischen
Kenntnisse können bei allen in Kapitel 4.1 beschriebenen sozialpädagogischen Proble-
men für Lehrer nützlich sein.
Grundsätzlich sind laut § 13 SGB VIII Sozialpädagogen für sozialpädagogische Prob-
leme in der Schule verantwortlich. Doch laut des sogenanntem Landesrechtsvorbehalts in
§15 sind Sozialpädagogen in der Schulpraxis nicht kontinuierlich, sondern abhängig von
der Haushaltslage des Landes tätig (vgl. SGB §13). Da die Haushaltslage in der Regel
prekär ist, bedeutet dies in der Praxis, dass Sozialpädagogen praktisch gar nicht an Schu-
len vorhanden sind und somit praktisch meist nicht für sozialpädagogische Probleme in
der Schule zur Verfügung stehen. Falls sie doch an Schulen tätig werden, dann in der

169
Regel nur in Einzelfällen, wenn sich Probleme schon extrem zugespitzt haben. Im Ideal-
fall steht dann aber auch nur ein Sozialarbeiter für eine ganze Schule zur Verfügung.
Sozialpädagogen an Schulen werden also in der Regel nur dann tätig, wenn keine Früh-
erkennung und Frühintervention durch Lehrkräfte erfolgte.
Sozialpädagogen an Schulen werden in keinem Fall dafür eingestellt, beispielsweise Son-
derklassen für Kinder und Jugendliche mit Fluchthintergrund zu organisieren, die ohne
Deutschkenntnisse in die Schule kommen. Entweder diese Aufgabe wird von den Lehrern
übernommen oder keiner übernimmt sie. Sozialpädagogen kommen erst dann ins Spiel,
wenn Schüler dann keinen Abschluss bekommen und durch die sich dann entwickelnde
Frustration kriminell werden oder sich Gangs anschließen. Das heißt, sie werden erst dann
tätig, wenn Schüler schon gescheitert sind. Beispielsweise dann, wenn Schüler schon kri-
minell geworden sind und ihnen der Schulverweis droht.
Aus dem eben Gesagten folgt, dass objektiv keine Alternative zu einer besseren sozialpä-
dagogischen Ausbildung der Lehrer während der Lehramtsausbildung besteht.
Falls Lehrer beispielsweise merken, dass ihre Schüler psychisch auffällig sind und es al-
leine oder mit der Familie nicht schaffen, therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen,
müssen Lehrer sogar solche Aufgaben wie die Terminvereinbarung bei Hilfeeinrichtun-
gen übernehmen (vgl. hierzu auch Kapitel 4.2.5).
Natürlich kann man von Lehrkräften nicht erwarten, dass sie ihre freie Zeit am Nachmit-
tag mit ihren Schülern beispielsweise bei irgendwelchen Beratungsstellen verbringen.
Doch eine Möglichkeit, um solchen Schülern effektive Hilfe zu verschaffen, wäre es,
beispielsweise mehr Vertrauenslehrerstellen einzurichten beziehungsweise die Funktion
des Vertrauenslehrers auszuweiten. Diese Lehrer sollten im Idealfall von den Schülern
selbst gewählt werden. Sie sollten dann einige (im besten Fall sogar bis zu 50 Prozent)
Stunden vom Unterricht freigestellt werden, damit sie sich um Schüler kümmern können,
die sozialpädagogische Probleme aller Art haben.
Auch das Einführen von sogenannten ,,Ehrenamtlichen-Tandems" könnte Schülern und
(angehenden) Lehrkräften den Unterricht von Schülern mit sozialpädagogischen Proble-
men (insbesondere auch den Unterricht von Schüler mit Fluchthintergrund) erleichtern.
Im Seminar ,,Coaching als pädagogische Beratungsform zur Modernisierung des Bil-
dungs- und Sozialwesens - Intergenerationelles Lernen ermöglichen und begleiten", das

170
von der Diplompädagogin Nadine Reuter an der Universität Münster im Institut für Er-
ziehungswissenschaft - Arbeitsbereich: Allgemeine und Historische Erziehungswissen-
schaft geleitet wurde, wurde ein Konzept für sogenannte ,,Lern-Tandems" entwickelt.
Mit Lern-Tandems ist gemeint, dass ein jüngerer und ein älterer Mensch zusammenarbei-
ten. Dieses Tandem sollte sich aus einem (wenn nicht anders realisierbar auch mehreren)
Lehramtsstudent(en) und einem (idealerweise) Pensionär mit einer langjährigen Berufs-
erfahrung in einem mit Erziehung befassten Beruf zusammensetzen (Lehrer, Sozialarbei-
ter, Sozialpädagoge, Erzieher, (Schul-)Psychologe usw.). In solchen Tandems könnten an
Schulen, in denen sozialpädagogische Probleme vermehrt auftreten, das im Studium er-
worbene, theoretische Wissen in der Praxis eingeübt und gefestigt werden.
Gerade Menschen im Ruhestand, die über pädagogische Fachkenntnisse verfügen und
sich ehrenamtlich engagieren möchten, eignen sich, praxisnahe ,,Trainings" mit Lehr-
amtsstudenten zu begleiten. Zunächst handelt es sich hierbei natürlich nur um ein theore-
tisches Konstrukt, welches eine Erprobungsphase durchlaufen müsste. Zumindest in der
Theorie ist beabsichtigt, mit diesen Ehrenamtlichen-Tandems zukünftige Lehrkräfte frü-
hestmöglich im Umgang mit Schülern mit außergewöhnlichen sozialpädagogischen Prob-
lemen zu schulen.
Eine Aufgabe solcher Ehrenamtlichen-Tandems könnte es beispielsweise werden, mit
Schülern mit Fluchthintergrund einkaufen zu gehen, nachdem der Einkauf theoretisch im
Sprachunterricht behandelt wurde oder Fahrkartenautomaten zu bedienen. Zu weiteren
möglichen Aufgaben, die Ehrenamtlichen-Tandems übernehmen könnten (siehe Kapitel
4.3).
Ehrenamtlichen-Tandems könnten dazu beitragen, dass zukünftige Lehrkräfte obligato-
risch und möglichst früh im sozialpädagogischen Umgang mit "außergewöhnlichen" oder
förderungsbedürftigen Schülern geschult würden.
Bei vielen der außergewöhnlichen sozialpädagogischen Problemen wie sie beispielsweise
bei der Unterrichtung von Schülern mit Fluchthintergrund (PTBS oder sonstigen Flucht-
problematiken) oder bei gefährlichem Medienkonsum auftreten können, können auch die
meisten pensionierten Lehrer den Lehramtsstudenten keine praktischen Ratschläge ge-

171
ben, da Pensionäre im Regelfall während ihres Berufslebens nicht damit konfrontiert wur-
den. Doch sie können den Lehramtsstudenten aus ihrer allgemeinmenschlichen- und all-
gemeinberuflichen Lebenserfahrung praxisbezogene Ratschläge geben.
In die Ehrenamtlichen-Tandems könnte man auch schon hier lebende Migranten einbe-
ziehen. Sie könnten Lehrern bei der Suche nach möglichst alltagsorientierten Lerninhal-
ten und ihrer richtigen didaktischen Aufarbeitung behilflich sein, denn sie wissen am bes-
ten, was sie wann, wo und warum gelernt haben beziehungsweise wo sie beim Lernen
oder im Alltag Schwierigkeiten hatten (hier würde das ,,Tandem" dann aus drei Personen
bestehen).
Solche Ehrenamtlichen-Tandems könnten als ein integraler Bestandteil des regulären
Lehramtsstudiums zur handlungsorientierten Ausbildung beisteuern.
Eine Option, mehr pensionierte Lehrer zu motivieren, als ehrenamtliche Tandem-Partner
zu fungieren, wäre es, Lehrern über 60, die sich ausgebrannt fühlen, eine Frühpensionie-
rung ohne Gehaltskürzungen anzubieten, wenn sie im Gegenzug bereit sind, den Lehr-
amt-Tandems zur Verfügung zu stehen.
Für außergewöhnliche sozialpädagogische Projekte ist es wichtig, dass Lehrer den Eltern,
die einige sozialpädagogische Maßnahmen für ihre Kinder ablehnen, da sie sie aus ihrer
eigenen Schulzeit so nicht kennen, vermitteln können, dass diese doch sinnvoll sind. Zu
solch einem möglicherweise strittigen sozialpädagogischen Unterricht zählt beispiels-
weise das Einladen von Ex-Gangmitgliedern, Sektenaussteigern, kriminellen Jugendli-
chen mit Gefängniserfahrungen und/oder (Ex-) Drogenabhängigen in die Schule, damit
sie aus ihren Leben berichten und die Schüler ihnen Fragen stellen können. Ziel sollte
sein, gegen die mögliche Faszination, die deren Lebensstil auf einige Jugendliche ausübt,
zu immunisieren. Einige Eltern werden von solchen außergewöhnlichen sozialpädagogi-
schen Maßnahmen ohne sozialpädagogische Vermittlung durch den Lehrer einen negati-
ven Effekt auf ihre Kinder erwarten.
Sozialpädagogisch kompetente Lehrer müssen den Sinn dieser Art von sozialpädagogi-
schen Unterricht skeptischen Eltern in einem erklärenden Gespräch beispielsweise bei

172
einem Elternabend oder in einem Rundbrief vermitteln können. Das heißt, Lehrer sollten
während der Ausbildung auch eine Art ,,Didaktik für Eltern" vermittelt bekommen.
Wenn Lehrer Eltern nicht von solch einem ungewöhnlichen sozialpädagogischen Unter-
richt überzeugen können, ist es möglich, dass einige Eltern ihren Kindern verbieten, an
solchen außergewöhnlichen Lehrveranstaltungen teilzunehmen, weil sie eine festgefah-
rene Vorstellung darüber haben, wie Schule und Unterricht ablaufen soll.
Es ist durchaus denkbar, dass Eltern unter einem Schulbesuch nicht das verstehen, was in
dieser Arbeit gefordert wird. In der Regel haben Menschen eine Vorstellung darüber, was
Schule leisten soll.
Eltern stimmen meistens mit klassischen Lehrern darin überein, dass Schule dazu da ist,
rein theoretisches Wissen zu vermitteln. Das heißt, ein sozialpädagogisch kompetenter
Lehrer muss den Eltern auch vermitteln können, dass Schule heute andere Dinge leisten
muss, als es früher der Fall war und dass es dazu auch gehören kann, dass man Menschen
mit problematischem Lebensstil zu einem unmittelbaren Gespräch zur Immunisierung der
Schüler in die Schule einlädt. Auch hier gilt, dass ein unmittelbares Gespräch mit solchen
Menschen ganz andere Engramme im Gehirn hinterlässt als es beispielsweise beim Lesen
über solche Menschen in einem Artikel oder einem Buch der Fall wäre.
,,Eltern gilt es hier genauso einzubinden und zu qualifizieren wie Lehrern neue Verant-
wortlichkeiten zuzumuten, weil sie unter neuem Vorzeichen sowohl als Lern-,,Helfer"
und Bildungspartner, wie aber auch als neue Förderer von Neugierde und Interesse immer
wieder aufs Neue gefordert sind" (Schönweiss 2000: 273).
Wenn Schule sich nicht mehr als ,,Pflichtinstitution", die mit dem alltäglichen Leben der
Schüler sonst nichts zu tun hat, darstellt, sondern Schülern Angebote macht, die an die
Lebenswelt der Schüler anschließen, würden einige Schüler freiwillig nachmittgas an
Kursen und/oder Arbeitsgemeinschaften teilnehmen, was vielen sozialpädagogischen
Problemen entgegenwirken kann. Schule heute stellt für viele Schüler lediglich eine Ver-
anstaltung dar, zu der sie hingehen müssen und die ihnen einen benötigten Abschluss
verschafft, die aber subjektiv in der Gefühlswelt der Schüler eigentlich keinen positiven
Platz findet.

173
6.
Fazit
In den ersten drei Kapiteln dieser Arbeit habe ich untersucht, welche Kompetenzen unsere
Lehrer heute in der Lehramtsausbildung vermittelt bekommen und musste feststellen,
dass diese Kompetenzen immer weniger ausreichen, die immer komplexeren Probleme,
die sich Lehrern in der heutigen Schulpraxis stellen, zu meistern.
In Kapitel 3 habe ich dargelegt, dass - bei einer grundsätzlich guten Lehramtsausbildung
beim Fachwissen und beim theoretischen fachdidaktischen Wissen - sich in Deutschland
besonders bei den handlungsorientierten Kompetenzen erhebliche Defizite zeigen. Zu
letzteren gehören größtenteils auch die Kompetenzen, die erforderlich sind, um die immer
schwieriger werdenden sozialpädagogischen Probleme im Schulalltag zu lösen.
Ich habe dabei aufgezeigt, dass diese Defizite logischerweise nicht nur zur Folge haben,
dass die sozialpädagogischen Probleme in der Schule persistieren (und sich dabei tenden-
ziell verschlechtern), sondern dass diese Probleme auch in zunehmendem Maße einen
geordneten Schulbetrieb mit einem erfolgreichem Unterricht behindern und außerdem
auch zu geistigen und körperlichen Gesundheitsproblemen bei den Lehrkräften führen
mit der Folge eines hohen Krankenstandes und einer Zunahme von Frühpensionierungen.
Im Kapitel 4 habe ich dann an neun konkreten, von mir subjektiv als am wichtigsten
empfundenen, sozialpädagogischen Problemkreisen beispielhaft untersucht welchen
Problemen Lehrer sich stellen müssen.
In Kapitel 4.1 habe ich zunächst die Prävalenz sowie die schul- und gesellschaftspoliti-
sche Relevanz aller neun Problemkreise untersucht. Dabei ergab sich, dass die Prävalenz
sozialpädagogischer Probleme viel höher ist als es die meisten Lehrer wohl vermuten
oder wahr haben wollen: Im statistischen Mittel, umgerechnet auf eine statistisch mittlere
Klasse von 30 Schülern, ist jeder Lehrer in jeder Klasse mit jedem der neun von mir
beschriebenen sozialpädagogischen Probleme durchschnittlich bei drei (1-6) seiner Schü-
ler konfrontiert.

174
Dabei legte ich dar, dass sich eine hohe schul- und gesellschaftspolitische Relevanz der
von mir untersuchten sozialpädagogischen Probleme in der Schule ganz offensichtlich
aus ihrer hohen Prävalenz und dem hohen Maß ihrer Sozialschädlichkeit ergibt.
In Kapitel 4.2 wird weiterhin dargelegt, dass nur eine Früherkennung mit nachfolgender
Frühintervention wirklich gute Lösungschancen für die beschriebenen Probleme ver-
spricht. Aber eine solche Früherkennung erfordert eine Art permanentes Screening aller
Jugendlichen auf sozialpädagogische Probleme. Es wird dann dargelegt, warum unter den
heutigen sozialen und politischen Rahmenbedingungen nur Lehrer, die während ihrer
Lehramtsausbildung die erforderlichen sozialpädagogischen Kompetenzen vermittelt be-
kommen haben, ein solches Screening aller Jugendlichen als Nebenprodukt ihrer Lehrtä-
tigkeit durchführen könnten.
In Kapitel 4.3 wird aus aktuellem Anlass speziell auf die sozialpädagogischen Probleme
derjenigen Kinder und Jugendlichen eingegangen, die (meist kriegsbedingt) nach
Deutschland geflohen sind, und Ansätze für ein Konzept aufgezeigt, deren spezielle Prob-
leme anzugehen.
Es wird aufgezeigt, dass durch die Flüchtlingskinder sehr schnell neue, teilweise flücht-
lingsspezifische, sozialpädagogische Probleme auf die Schulen zukommen und dass wie-
derum hauptsächlich nur die Lehrer für die Lösung dieser Probleme in Frage kommen,
dass diese dafür aber unzureichend qualifiziert und vorbereitet sind. Diese Probleme tref-
fen die Schule in Art und Umfang völlig unvorbereitet und erzeugen einen enormen plötz-
lichen Handlungsbedarf, für den die Schulen und Lehrer sozialpädagogisch (noch) nicht
kompetent sind.
In Kapitel 5 gehe ich schließlich auf die konkreten Veränderungen ein, die in Schulalltag
und Lehramtsausbildung erforderlich wären, um die in den Kapiteln 4.2 und 4.3 gefun-
denen sozialpädagogischen Ansätze praktisch umzusetzen.
Ausgehend von einer subjektiven Auswahl konkreter Probleme und Bedürfnisse heutiger
Schüler schlage ich einige meiner Meinung nach notwendige Umstrukturierungen vor,
die alle über das derzeit noch mehrheitlich vorherrschende Schulkonzept des vormittäg-
lichen Unterrichts nach Lehrplan hinausgehen. Das heißt eine Schule, die den heutigen
sozialen Anforderungen gerecht wird, kann nicht mehr nur am Vormittag und nur im

175
Schulgebäude stattfinden und ausschließlich akademisches Wissen nach Lehrplan unter-
richten.
Die Schule des einundzwanzigsten Jahrhunderts muss sich zumindest im Bereich der
Früherkennung und Frühintervention auch der vielfältigen sozialpädagogischen Prob-
leme der Schüler annehmen, einfach weil es oft sonst keiner tut und weil diese Probleme
sonst einen ordnungsgemäßen und erfolgreichen Schulbetrieb mehr und mehr stören und
teilweise sogar verhindern.
Als wichtigste initiale innovative Maßnahme zur Entwicklung und Umsetzung von Lö-
sungen der in Kapitel 4 genannten sozialpädagogischen Probleme schlage ich in Kapitel
5 die Installation einer bundesweiten, sozialpädagogischen Online-Plattform für Sozial-
pädagogik an Schulen vor.
Diese Online-Plattform dient der Vernetzung und Zusammenarbeit aller an der Arbeit mit
Schülern Beteiligten. Zugangsberechtigt sollten alle Erziehungswissenschaftler, (ange-
henden) Lehrer, Sozialarbeiter, Sozialpädagogen, Schulpsychologen und Schulärzte sein.
Nach erfolgreicher Einführung wäre diese Online-Plattform dann praktisch ein virtueller
Vortrags- beziehungsweise Diskussionsraum mit beliebig vielen Foren für den Gedan-
ken- und Erfahrungsaustausch zu spezifischen Themen, die mit bestimmten Schlüssel-
wörtern von jedem Zugangsberechtigten, der am jeweiligen Thema interessiert ist, schnell
auffindbar wären.
Hinzu käme eine virtuelle Bibliothek, auf die jeder Zugangsberechtigte eigene Bücher
und Artikel hochladen kann und - soweit urheberrechtlich zulässig - auch andere Texte.
Durch ihre bidirektional-interaktive Arbeitsweise wird eine hohe Qualität gesichert, weil
alles von der Scientific Community sofort peer-reviewed (kritisch kommentiert und ge-
gebenenfalls gelöscht) wird.
Des Weiteren sollten sich auf der Plattform ständig aktualisierte Datenbanken eingerich-
tet werden. Zum Beispiel eine Datenbank mit Fotos über aktuell an Schulen gehandelte
Drogen oder eine Datenbank mit bei Schülern populären gewaltpropagierenden oder
sonst wie gefährlichen Websites. Außerdem eine Adressdatenbank für sozialpädagogi-
sche Kontakte aller Art für ein deutschlandweites, sozialpädagogisches Kompetenznetz-
werk.

176
Als bidirektional-interaktives Herzstück des aufzubauenden sozialpädagogischen Kom-
petenznetzwerks bietet sich die Online-Plattform auch als der geeignete Ort an, an dem
in Zukunft die permanente Fortentwicklung und Aktualisierung der sozialpädagogischen
Kompetenzen der deutschen Lehrer diskutiert, erforscht und organisiert wird.
Ich schlage vor, dass dazu die Erziehungswissenschaftler an den Hochschulen zusammen
mit der gesamten Community der sozialpädagogischen Online-Plattform für Sozialpäda-
gogik an Schulen in den im Folgenden beschriebenen, sechs permanenten Foren in offe-
ner Diskussion jeweils eine der beschriebenen Aufgaben bearbeiten:
1.
Sammlung eines Katalogs aller grundsätzlich wünschenswerten sozialpädago-
gischen Kompetenzen bei Lehrern mit ausführlicher Begründung
2.
Priorisierung beziehungsweise Gewichtung der Kompetenzen im Katalog des
Forum 1
3.
Entwicklung geeigneter Methoden, die gemäß Forum 2 wichtigsten Kompe-
tenzen (angehenden) Lehrern zu vermitteln.
4.
Design und Durchführung geeigneter Multicenter Feldstudien, den Nutzen der
in Forum 3 entwickelten Methoden zu evaluieren.
5.
Entwicklung eines sozialpädagogischen Moduls für die Lehramtsausbildungs-
curricula aus den gemäß Forum 4 besten Methoden
6.
Entwicklung von sozialpädagogischen Fortbildungsmaßnahmen für Lehrer
aus den gemäß Forum 4 besten Methoden
Zweck dieser Arbeit konnte es natürlich nicht sein, ein sozialpädagogisches Handbuch
für Lehrer zu schreiben. Abgesehen davon, dass selbst die eng begrenzte Fragestellung
dieser Arbeit bei einer qualifizierten Antwort schon den üblichen Rahmen einer Bachelo-
rarbeit sprengt. Es kann deswegen auch keine umfassende Beantwortung der vielen wäh-
rend der Untersuchung aufkommenden Fragen erwartet werden. Die in dieser Arbeit er-
wähnten Problemkreise sind beispielhaft und können keinen Anspruch auf Vollständig-
keit erheben. Dies gilt vor allem für die in Kapitel 4.2 vorgestellten Optionen. Sowohl bei
den vorgestellten Problemen als auch bei den Optionen handelt es sich um eine subjektive
Auswahl der wichtigsten Probleme aus meiner Sicht.

177
Lehrer mit einer weit verbreiteten, eher traditionellen Berufsauffassung kümmern sich in
der Regel nicht um psychosoziale Probleme der Schüler. Sie sind der Ansicht, dass diese
Probleme der Schüler ausschließlich die Eltern etwas angehen oder - falls die Eltern über-
fordert sind - Sozialarbeiter, Ärzte oder Psychologen oder im Extremfall Polizei und Jus-
tiz sich darum kümmern sollen.
Zweck der Arbeit war es zu zeigen in welche Richtung sich die Lehramtsausbildung mei-
ner Meinung nach entwickeln muss, weil diese immer noch verbreitete Haltung unter
Lehrern, dass es nur ihre Aufgabe sei, Schulwissen nach Lehrplan zu unterrichten, immer
weniger den tatsächlichen Anforderungen des Schulalltag gerecht wird.
Lehrer müssen sich immer wieder klarmachen, unter welchen Lebensbedingungen ihre
Schüler aufwachsen, so dass sie erkennen, welche Dinge ihre Schüler können und welche
nicht. Dinge, die die Schüler aufgrund verschiedener in der Arbeit vorgestellter sozialer
Probleme von zu Hause nicht vermittelt bekommen haben, müssen zunehmend von Lehr-
kräften vermittelt werden (zum Beispiel der Spracherwerb, der richtige Umgang mit den
neuen Medien oder angemessene Umgangsformen). Lehrkräfte, die ihre Aufgabe allein
in der akademischen Unterrichtung nach Lehrplan sehen und die anderen in dieser Arbeit
beispielhaft vorgestellten sozialpädagogischen Probleme und Aufgaben ignorieren, wer-
den viele Schüler eigentlich vermeidbar letztendlich scheitern lassen.
Die Anforderungen an die heutige basale, soziale Erziehung sind zu komplex und an-
spruchsvoll geworden, als dass diese immer von allen Eltern übernommen werden
könnte. Allein schon beispielsweise durch die neuen sich extrem schnell ändernden Me-
dien bleiben vielen Eltern viele Bereiche der Lebenswelten ihrer Kinder unzugänglich.
Es erscheint dringend notwendig, dass Lehrer sich schon mit den Lebensbedingungen
ihrer Schüler beschäftigen, wenn noch keine akuten Probleme erkennbar sind. Die Rol-
lenverteilung, nach der die Schule ausschließlich für die akademische Wissensvermitt-
lung und die Eltern ausschließlich für die soziale Erziehung zuständig sind, funktioniert
nicht mehr reibungslos. Dadurch ist der Lehrberuf gezwungen, sich zu ändern und sich
um entsprechende sozialpädagogische Kompetenzen zu erweitern.

178
Wenn die basale soziale Erziehung einiger Schüler aus vielfältigen Gründen nicht mehr
im erforderlichen Maße zu Hause durch die Eltern erfolgt und auch Lehrer sich nicht dazu
verpflichtet fühlen, werden sowohl die basale soziale Erziehung als auch die akademische
Wissensvermittlung scheitern, denn Voraussetzung für die Aufnahme akademischen
Wissens ist eine erfolgreiche basale Sozialisation. Wenn Schülern das Fundament wie
beispielsweise eine gute Beherrschung der Sprache oder die generelle Wertschätzung von
Wissen nicht richtig vermittelt wurde, wird es schwer oder unmöglich sein, solch einem
Schüler beispielsweise Geographie oder Physik beizubringen.
Meine Antwort auf die titelgebende Frage, ob unsere Lehrer mehr sozialpädagogische
Kompetenzen brauchen (und damit die Hypothese der vorliegenden Arbeit) lautete:
Unsere Lehrer müssten in ihrer Aus- und Fortbildung sehr viel mehr sozialpädago-
gische Kompetenzen vermittelt bekommen!
Dabei musste ich feststellen, dass diese These bei vielen etablierten Lehrern und Hoch-
schullehrern auf wenig Zustimmung stößt. Viele haben sich in der jetzigen Berufsrolle
mit der strikten Aufgabenteilung mit Sozialarbeitern, Sozialpädagogen und Psychologen
komfortabel eingerichtet und lehnen jede Forderung nach zusätzlichen Kompetenzen be-
ziehungsweise den damit verbundenen zusätzlichen Aufgaben als unzumutbar oder ab-
wegig ab.
Es war damit klar, dass meine Hypothese kontrovers war und deshalb möglichst viele
konkrete, gut belegte Beispiele für (schul-)politisch relevante sozialpädagogische Prob-
leme in der Schule zur Verteidigung meiner Hypothese im Belegkapitel 4 erforderlich
waren. Dadurch wuchs der Umfang des Kapitels 4. "Können sozialpädagogische Kom-
petenzen eine Hilfe bei den in Kapitel 3.1.3 beschriebenen Defiziten sein?" auf 128 Seiten
und die vorliegende Bachelorarbeit wurde sehr viel länger als zu Beginn beabsichtigt.
Zweck dieser Arbeit konnte es natürlich nicht sein, ein sozialpädagogisches Handbuch
für Lehrer zu schreiben. Abgesehen davon, dass selbst die eng begrenzte Fragestellung
dieser Arbeit bei einer qualifizierten Antwort schon den üblichen Rahmen einer Bachelo-
rarbeit sprengt. Es kann deswegen auch keine umfassende Beantwortung der vielen wäh-
rend der Untersuchung aufkommenden Fragen erwartet werden. Die in dieser Arbeit er-
wähnten Problemkreise sind beispielhaft und können keinen Anspruch auf Vollständig-
keit erheben. Dies gilt vor allem für die in Kapitel 4.2 vorgestellten Optionen. Sowohl bei

179
den vorgestellten Problemen als auch bei den Optionen handelt es sich um eine subjektive
Auswahl der wichtigsten Probleme aus meiner Sicht.
Das Wort "Pädagoge" (von griechisch paidagogós, "Knabenführer"; ur-
sprünglich der Sklave, der einen Jungen überall hin begleitete, von paid- Knabe + aggos
Führer von agein führen) bezeichnete traditionell nie einen Lehrer, der nur akademisches
Wissen unterrichtete, sondern immer einen allgemein anleitenden und beratenden Beglei-
ter/Erzieher im Leben eines Kindes/Jugendlichen. Das heißt der Begriff Pädagoge um-
fasste traditionell schon vor 2.500 Jahren Funktionen, die heute von verschiedenen Be-
rufsgruppen (Psychologen, Sozialpädagogen, Sozialarbeiter, Lehrer) übernommen wer-
den.
Praktisch das Gleiche gilt in der ebenso weit über 2.500 Jahre alten Sprache des Chine-
sischen. Die Schriftzeichen
[do sh] werden meist einfach als "Lehrer" ins Deut-
sche übersetzt. Sie bedeuten aber sehr viel mehr, nämlich auch "Mentor" und "Tutor"
oder in buddhistischen Klöstern "Meister", wieder im Sinne eines allgemein führenden
und beratenden Begleiters/Erziehers im Leben seines Schülers.
Die heute üblicherweise aufgeteilten Funktionen von Lehrern, Psychologen, Sozialpäda-
gogen und Sozialarbeitern waren also traditionell in der einzelnen Person eines "Pädago-
gen" vereint. Die Forderung nach mehr sozialpädagogischen Kompetenzen bei Lehrern
ist also nichts weiter als ein Schritt zurück zu den seit Jahrtausenden bewährten Wurzeln,
wobei in der komplexen modernen Welt ein Lehrer natürlich niemals alle Funktionen von
Psychologen, Sozialpädagogen und Sozialarbeitern übernehmen könnte.
Zurzeit scheinen die materiellen Rahmenbedingungen - konkret die Zahl der bezahlten
Lehrerarbeitsstunden - Lehrkräfte meist daran zu hindern, der Forderung nach der Über-
nahme mehr sozialpädagogischer Funktionen nachzukommen. Die Lehrkräfte, die es
schaffen, dieser Forderung zumindest manchmal nachzukommen, scheinen ihr Privatle-
ben opfern zu müssen, denn es ist Engagement nötig, das über die Rahmenbedingungen
der bezahlten Arbeitsstunden hinausgeht.

180
Unabhängig von den materiellen Rahmenbedingungen ist aber ein Bewusstseinswandel
möglich und nötig. Lehrkräfte müssen wissen, dass Kindsein und Kindheit sich verändert
hat.
,,Dieser Perspektivwechsel muss deutlicher gemacht werden. Alle Beteiligten müssen
sich der Förderung der Kinder als ,,kleine" Persönlichkeiten verpflichtet wissen." [ ... ]
,,Die Kritik am derzeitigen Schulsystem hat nicht zuletzt damit zu tun, dass Schüler nicht
nur formell, sondern auch inhaltlich zum Subjekt ihrer eigenen Bildung werden müssen"
(Schönweiss 2000).
Zu den sozialpädagogischen Kompetenzen eines Lehrers gehört es also auch, den Unter-
richt so zu gestalten, dass er von den Schülern nicht als Fremdkörper, der im totalen Ge-
gensatz zu ihrer Lebenswelt steht, empfunden wird, sondern als ein Teil ihres Lebens, der
ihnen in ihren Augen etwas ,,Sinnvolles" (was für die Schüler meist etwas Lebensprakti-
sches bedeutet) vermittelt.
Viele Lehrer lehnen die Forderung nach mehr sozialpädagogischen Kompetenzen mit der
Begründung ab, sie seien keine Sozialarbeiter beziehungsweise keine Ersatzeltern.
Dies ist formal prinzipiell richtig, diese Ablehnung der Lehrer hat aber natürlich nicht
zur Folge, dass mehr Stellen für Sozialpädagogen in der Schule eingerichtet werden, um
die unbestritten bestehenden sozialpädagogischen Probleme zu lösen. Ebenso natürlich
werden (ohnehin überforderte) Eltern wegen dieser Ablehnung ihrem Erziehungsauftrag
nicht besser nachkommen. Die Gesellschaft ist zu komplex geworden, als dass Erziehung
grundsätzlich allein den häufig überforderten Eltern überlassen werden kann. Natürlich
wäre es wünschenswert, dass mehr Sozialarbeiter diese Aufgaben mit übernehmen, doch
das ist unter den derzeitigen politischen Rahmenbedingungen in naher Zukunft nicht zu
erwarten.
Das heißt, wenn viele Lehrer sich ­ aus welchen Gründen auch immer - der Aufgabe
entziehen, sich kompetent um sozialpädagogische Probleme der Schüler zu kümmern,
dann kümmert sich keiner und diese Probleme werden die Schule mehr und mehr zu
einem Ort machen, den weder die Lehrer noch die Schüler gerne besuchen.
,,Die Qualität eines Schulsystems kann nie besser sein als die Qualität seiner Lehr-
kräfte" (Sanders & Rivers 2006, OECD 2007).

181
7. Literatur
Arbeitsagentur für Arbeit (2014): Arbeitsmarktberichterstattung,
Juni 2014. Der Arbeitsmarkt in Deutschland ­Menschen mit Migrationshintergrund auf
dem deutschen Arbeitsmarkt. Zentrale Arbeitsmarktberichterstattung. Nürnberg.
URL: http://statistik.arbeitsagentur.de/Statischer-Content/Arbeitsmarktberichte/Perso-
nengruppen/generische-Publikationen/Broschuere-Migranten-2014-07.pdf. [05.10.2015]
Arbeitskreis Legasthenie Bayern e.V.: Anmerkungen für Lehrer.
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Ende der Leseprobe aus 200 Seiten

Details

Titel
Benötigen Lehrer mehr sozialpädagogische Kompetenzen? Alltägliche Probleme beim Unterrichten von Flüchtlingskindern
Hochschule
Universität Münster  (Fachbereich für Erziehungswissenschaft und Sozialwissenschaften)
Note
1,3
Autor
Jahr
2015
Seiten
200
Katalognummer
V350731
ISBN (eBook)
9783668392014
ISBN (Buch)
9783668392021
Dateigröße
1308 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Autorin: Deria Hensellek Erstgutachter: Prof. Dr. Friedrich Schönweiss Zweitgutachterin: Diplom-Pädagogin Nadine Reuter Abgabedatum: 15.12.2015 kostenlos anbieten und mit voller Namensnennung von Autorin und Gutachtern veröffentlichen.  
Schlagworte
Kompetenz von Lehrern, minderjährige Flüchtlinge, sozialpädagogische Plattform, Defizite in der Lehrerausbildung, sozialpädagogische Probleme in Schulen
Arbeit zitieren
Deria Hensellek (Autor:in), 2015, Benötigen Lehrer mehr sozialpädagogische Kompetenzen? Alltägliche Probleme beim Unterrichten von Flüchtlingskindern, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/350731

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