Früher Pluralismus und konservative Kritik. Der radikale Pluralismus Harold J. Laskis


Seminararbeit, 2000

27 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt:

1. Einleitung

2. Harold J. Laski - zur Person
2.1 England, Harvard, und wieder zurück - 1893 bis 30er Jahre
2.2 Buchclub und Labour Party - 30er Jahre bis 1950

3. Laskis radikaler Pluralismus
3.1 Pluralismus der Souveränitäten oder das Gemeinwohl -Begriffsklärungen
3.2 Wider die monistische Staatstheorie
3.3 Bedeutet Laski Bürgerkrieg? - der Anarchievorwurf

4. Der Staat als Spielball der Kartelle - die konservative Kritik Carl Schmitts

5. Was nun, Harold Laski? - Laski in der deutschen Pluralismusdiskussion

6. Zu feige für Laski? - Schlussbemerkung

Literaturliste

1. Einleitung

,,My problem [...] is to take away from the state the superior morality with which we have invested its activities and give them back to the individual conscience..."[1]

Dies schrieb Harold Joseph Laski im Sommer 1916 an seinen Freund, den Richter Oliver Wendell Holmes. Der junge Mann sollte zur Armee, hatte aber körperliche Beschwerden und konnte keinen Wehrdienst leisten. Die daraus resultierenden Schwierigkeiten mit staatlichen Stellen ließen ihn darüber nachdenken, was passiert wäre, wenn er aus Gewissensgründen nicht in den Krieg hätte ziehen wollen. Er sah die Macht, die der Staat über seine Bürger hatte und er zweifelte an ihr. Was gab den Interessen des Staates eine höhere moralische Rechtfertigung als den Interessen des einzelnen Menschen?

Die Menschen, welche am Anfang des 20. Jahrhunderts am Bild eines allumfassenden Staates zweifelten, werden als Pluralisten bezeichnet. Der Politikwissenschaftler, Lehrer und spätere Führer der Labour Party Harold J. Laski war unter ihnen der radikalste. In meiner Arbeit möchte ich seine Konzeption eines pluralistischen Staates beleuchten und zu diesem Zweck erst einmal zentrale Begriffe seiner Theorien klären. Da er 1938 die Unhaltbarkeit seiner Thesen eingestand und sich dem Marxismus zuwandte, beschränkt sich diese Hausarbeit auf sein Wirken bis zu dieser Zeit.

An geeigneten Stellen werde ich Laskis Gedanken, die Kritik des konservativen deutschen Staatsrechtlers Carl Schmitt entgegen stellen. Dieser hatte zu Zeiten der Weimarer Republik den Pluralismus Laskis als den Pluralismus schlechthin dargestellt und als staatszersetzend gebrandmarkt.

Zudem werde ich Laskis Biographie in meine Arbeit einbringen, so dass Verbindungen zwischen Leben und Werk gezogen werden können. Die im oben angeführten Brief von 1916 niedergeschriebenen Aussagen seien an dieser Stelle noch einmal als Beispiel angeführt. Abschließend werde ich versuchen zu klären ob Laskis Vorstellungen einer pluralistischen Realität in späterer Zeit rundweg als Utopie abgetan wurden oder ob seine Ideen in der deutschen Pluralismusdiskussion noch heute Relevanz besitzen. Schließlich wird Laski von manchem als der einflussreichste britische Autor, der Neuzeit betrachtet. (,, Laski was the most [...] influential British political writer of the past generation.")[2]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Das Hauptaugenmerk liegt allerdings auf Laskis Leben und Werk, daher werden alle anderen Aspekte in kürzerer und allgemeinerer Form abgehandelt.

2. Harold J. Laski - zur Person

2.1 England, Harvard, und wieder zurück - 1893 bis 30er Jahre

Am 30. Juni 1893 erblickt Harold Joseph Laski im englischen Manchester das Licht der Welt. Er wird in eine konservative jüdische Familie hineingeboren. Sein Vater handelt mit Baumwolle und ist in der dortigen jüdischen Gemeinde ein hochangesehener Mann. Laski besucht die Manchester Grammar School, geht auf das New College und 1911 nach Oxford, wo er Geschichte studiert.

Während dieser Zeit kommt es oft zu Streit mit seinem Vater, Laski widersetzt sich schon in jungen Jahren der strengen Erziehung. (,, A precocious and versatile individual, he defied his father...")[3] In Oxford heiratet Laski gegen den Willen der Familie eine anglikanische Christin.

Harold Joseph Laski

Während des Studiums knüpft er erste Kontakte zur Labour Party. Nach dem Examen in Oxford beginnt Laski zu lehren. Bis 1916 hält er Vorträge an der McGill University, nebenbei schreibt er Texte für den Daily Herald. Danach folgen Lehraufträge in Harvard, wo er bis 1920 arbeitet und in Yale, das ab 1919 ein Jahr lang seinen Vorträgen lauscht. Politikwissenschaftler wie der Amerikaner Thomas I. Cook oder der Brite Arthur A. Ekirch Jr., der diesen zitiert, messen Laskis Zeit als Dozent sehr große Bedeutung zu. Über seine Studenten werde Laski noch lange Einfluss nehmen, so Cook.[4]

Er beschreibt Laskis Vorlesungen als ,,mit Feuer geladen". Laski versucht zu vermitteln, das der von ihm diskutierte Stoff Grundfragen des Lebens berührt.

Seine Vorträge hätten weniger das Ziel gehabt Fakten zu vermitteln, als Interesse an bestimmten Sachfragen zu wecken, schrieb Kingsley Martin, der Autor von Father Figures.[5] Laski förderte Kontroversen, kein Standpunkt sollte unbestritten bleiben, seine eigenen bildete hier keine Ausnahme. Charly Chaplin, den Laski öfter in seiner Wohnung besuchte, beschreibt ihn als brillanten Redner. Ohne Notizen konnte Laski stundenlang reden, ohne zu stocken und ohne zu langweilen.[6] Zudem lernt er hier Felix Frankfurter und durch dessen Vermittlung den ,,großen Andersdenkenden"[7] Oliver Wendell Holmes, einen Richter am US Supreme Court, kennen. Mit diesen beiden verbindet ihn später eine enge Freundschaft. Die Briefwechsel sind wichtiger Bestandteil von Laskis schriftstellerischem Nachlass, denn sie zeigen seine Gedankenwelt und deren Wandlung.

1920 kehrt Laski nach Großbritannien zurück und lehrt bis zu seinem Tode Politikwissenschaften an der Londoner School of Economics. Er verlässt die USA unter anderem auch, weil er verbittert ist. Laski fühlte sich wegen seiner politischen Ansichten diffamiert, zudem hatte er einen Streik der Bostoner Polizei unterstützt und war dafür heftig kritisiert worden.

Sechs Jahre später wird er zum Professor berufen. Zu dieser Zeit hat Laski bereits fünf Bücher geschrieben, die alle 1925 veröffentlicht werden. Dies sind in der Reihenfolge ihres Entstehens: Studies of the Problem of Sovereignty, Authority in the Modern State, Political Thought in England from Locke to Bentham, The Foundations of Souvereignty und A Grammar of Politics. In diesen Werken und einigen Briefen an Oliver W. Holmes ist, so meint Arthur Ekirch Jr. die gesamte Argumentation für Laskis radikale pluralistische Überzeugungen enthalten[8]. In den beiden ersten Büchern attackiert Laski die monistische Staatstheorie, die den Staat als eine, die gesamte Gesellschaft durchdringende und alles umschließende Einheit begreift. Diese darf von ihren Teilen, also den Bürgern, absoluten Gehorsam fordern. Weiterhin definiert Laski zentrale Begriffe, so zum Beispiel Freiheit als die ,,Abwesenheit von Zwang" und stellt klar, das seine eigene Staatstheorie eine individualistische ist. (,,...no pluralistic attitude can avoid that.") Außerdem engagiert er sich stärker in der Labour Party.

Als in den dreißiger Jahren in Spanien der faschistische General Franco putscht und Adolf Hitler in Deutschland die Macht übernimmt, fühlt sich Laski in den Grundfesten seiner Überzeugung angegriffen. Schließlich verneint der Faschismus und stärker noch der Nationalsozialismus, die Wertigkeit des Individuums. Um etwas gegen diese Strömungen zu tun zu tun, engagiert er sich in der antifaschistischen Volksfront.

Außerdem ändert sich etwas in seinem Denken. Im Angesicht der Erfolge von Faschisten und Nationalsozialisten, zunächst in Italien und dann in vielen Ländern Europas beginnt Laski mit dem Marxismus zu sympathisieren, seine Theorien bekommen leicht autoritäre Züge, Neues und Altes widerspricht sich. Selbst eine zentrale Definition, wie die der Freiheit wird undurchsichtig. Manchmal ist sie immer noch die ,,Abwesenheit von Zwang", ein anderes Mal umschreibt er Freiheit als die ,,Durchführbarkeit von Absichten".[9] Laski wird bis zu seinem Tode nicht in der Lage sein, diese Gegensätze völlig aufzulösen.

1938 erklärt er seine frühen pluralistischen Ideen für unhaltbar und wendet sich endgültig dem Marxismus zu. Nur in einer klassenlosen Gesellschaft könne es wahre Freiheit des Individuums geben, erklärt Laski seinen Sinneswandel. Arthur Ekirch Jr. stellt fest, das Laskis Hinwendung zu marxistischem Gedankengut parallel zum Bedeutungsverlust liberal-demokratischer Ideen zur Lösung gesellschaftlicher Probleme und dem ,,weltweiten Anwachsen von Kollektivismus und Planwirtschaft"[10] steht.

Zudem verliert er den ihm ureigenen Glauben, dass die Labour Party in Großbritannien eine ,,Revolution durch Zustimmung" herbeiführen könne. 1932 schreibt er an Felix Frankfurter: ,,I am more than ever doubtful, whether a Socialist society can be established in this country..."[11]

2.2 Buchclub und Labour Party - 30er Jahre bis 1950

Um der wachsenden Gefahr des Faschismus auch in Großbritannien zu begegnen, gründet Laski 1936 zusammen mit dem Publizisten Victor Gollancz und dem späteren sozialistischen Minister für Ernährung John Strachey den Left Book Club. Bis 1939 verfünffacht sich die Zahl der Mitglieder auf 50.000. Für den Club schreibt unter anderem auch George Orwell, der Verfasser von ,,1984". Als sein Freund Franklin Delano Roosevelt 1935 den New Deal in die Wege leitet, ist Laski begeistert. Öffentliche Bauten schaffen Arbeitsplätze, es gibt verschiedene Leistungen für sozial Schwache und der Wohnungsbau wird gefördert. Die Arbeiter dürfen sich zusammenschließen und erhalten das Streikrecht. Zwar ist Laski diese Politik nicht radikal genug, doch würdigt er das Bemühen um mehr soziale Gerechtigkeit. [12] Er hält den New Deal für so wichtig, dass er unter anderem deswegen im Frühjahr 1939 von einer möglichen Kriegserklärung der USA gegen Deutschland abrät. (,,I do hope you will be to keep America out. [...] And it is more than ever vital to go on full steam with the new deal.")[13]

Die Politik beansprucht einen Großteil von Laskis Zeit, von 1937 bis 1939 arbeitet er im Vorstand der Labour Party mit, 1945 wird er trotz scharfer Kritik der Parteiführung Vorsitzender. Er schreibt mehrere Bücher, darunter Reflections on Revolution of our Time und The American Democracy.

Seine Ansichten haben sich stark verändert, inzwischen gesteht er dem Staat sogar eine höhere Zwangsgewalt zu.[14] (,,...redefined it as the supreme coercive power.") Dennoch, so Ekirch, hat Laski die frühen liberalen Werte und Sichtweisen auch zu dieser Zeit und danach nie völlig verleugnet. (,,...point of view which he never entirely abandoned.")[15]

Nach langer Krankheit stirbt Harold Joseph Laski am 24. März 1950 in London. Max Beloff, Dozent in Oxford, schreibt in einem Nachruf, die Neuzeit wäre das Zeitalter seines Freundes gewesen - ,,The Age of Harold Laski". [16]

[...]


1 Ekirch Jr., Arthur A.: Harold J. Laski: The Libertarian Manqué or Lost Libertarian In: The Journal of Libertarian Studies, Vol. IV, Nummer 2 (Frühling 1980), S. 140

2 http://library.thinkquest.org/3376/Laski.htm: Harold Laski: Philosophy

3 library: Harold Laski: Philosophy

4 Ekirch Jr.: Harold Laski, S. 140

5 http://www.spartacus.schoolnet.co.uk/TUlaski.htm: Harold Laski, S. 2

6 spartacus: Harold Laski, S. 2

7 http://library.thinkquest.org/3376/Laski2.htm

8 Ekirch Jr.: Harold Laski, S. 140

9 library: Harold Laski: Philosophy

10 Ekirch Jr.: Harold Laski, S. 139

11 Ekirch Jr.: Harold Laski, S. 144

12 Ekirch Jr.: Harold Laski, S. 146

13 Ekirch Jr.: Harold Laski, S. 147

14 library: Harold Laski: Philosophy

15 Ekirch Jr.: Harold Laski, S. 140

16 Ekirch Jr.: Harold Laski, S. 139

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Früher Pluralismus und konservative Kritik. Der radikale Pluralismus Harold J. Laskis
Hochschule
Universität Leipzig  (Institut für Politikwissenschaften)
Veranstaltung
Seminar Pluralismus in der BRD/ Organisation gesellschaftlicher Interessen
Note
1,0
Autor
Jahr
2000
Seiten
27
Katalognummer
V3511
ISBN (eBook)
9783638121613
ISBN (Buch)
9783638679459
Dateigröße
609 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Früher, Pluralismus, Kritik, Pluralismus, Harold, Laskis, Seminar, Pluralismus, BRD/, Organisation, Interessen
Arbeit zitieren
Daniel Schulz (Autor:in), 2000, Früher Pluralismus und konservative Kritik. Der radikale Pluralismus Harold J. Laskis, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/3511

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