Moderne demokratische Gesellschaften, wie die Europäische Union, stehen nicht nur vor dem Problem des Verhältnisses zwischen Effizienz und Partizipation. Die Expertise von Parlamenten und anderen staatlichen Institutionen reicht für die Vielfalt der zu behandelnden Angelegenheiten nicht mehr aus. Eine Möglichkeit, um sowohl die Effektivität der Arbeitsweise als auch die Partizipation und gleichzeitig die Qualität politischer Entscheidungen gleichermaßen zu berücksichtigen, ist die Einbeziehung staatsferner Expertise in den politischen Prozess. Interessenvertreter aller gesellschaftlichen Ebenen können so ihr Fachwissen zur Verfügung stellen und gemeinsam mit den institutionellen Akteuren an den ihren Bereich betreffenden Angelegenheiten arbeiten.
Als besonders sinnvoll wird eine derartige Zusammenarbeit bei Fragen der Gesetzgebung gesehen. Gesetze bilden in Gesellschaften die ausformulierten Interessen und spiegeln Werte und Normen des Zusammenlebens wider. Normen und Werte stehen wiederum in Korrelation zu dem Gemeinwohl einer Gemeinschaft. Die Legislativorgane der EU haben die Möglichkeit mittels interinstitutioneller Verhandlungen, sogenannten informellen Trilogen, den Gesetzgebungsprozess zeitlich zu verkürzen. Ob mit diesem Verfahren der informellen Triloge gegen die demokratischen Prinzipien der Europäischen Union verstoßen wird, ist die leitende Fragestellung dieser Arbeit.
Bereits das Motto der EU, „In Vielfalt geeint“ deutet auf eine differenzierte Interessenlage innerhalb des Staatenbundes hin. Für die Bearbeitung wird daher der Theorieansatz des Neopluralismus von Ernst Fraenkel verwendet und sich inhaltlich seinem Demokratieverständnis angeschlossen. Diese Theorie, hervorgegangen aus seinen Erfahrungen mit der Weimarer Republik und dem nationalsozialistischen Regime, basiert auf der Beobachtung von gesellschaftlichen Strukturen. Sie stellt einen Bezug zwischen systematischer Interessenvertretung und dem politisch institutionellen Umfeld auf der Basis demokratischer Prinzipien her. Andere Ansätze wie der Korporatismus betrachten den wirtschaftlichen Hintergrund interessenbasierter Arbeit in staatlichen Systemen auf der Makroebene und erscheinen für die Verwendung in Bezug auf die Fragestellung daher nicht geeignet.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die neopluralistische Theorie von Ernst Fraenkel
- Demokratie
- Demokratische Grundprinzipien in der Europäischen Union
- Das ordentliche Gesetzgebungsverfahren der Europäischen Union
- Informelle Triloge innerhalb des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens der EU
- Interessenverbände im europäischen Mehrebenensystem
- Auswirkungen des informellen Trilogverfahrens auf die demokratischen Grundprinzipien der EU
- Gemeinwohl
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Spannungsverhältnisse zwischen Effizienz und Partizipation im europäischen Gesetzgebungsprozess, insbesondere im Kontext der informellen Triloge. Sie analysiert, ob diese informellen Verhandlungen mit den demokratischen Prinzipien der Europäischen Union vereinbar sind.
- Die Bedeutung der Einbeziehung von Expertise aus der Zivilgesellschaft im Gesetzgebungsprozess
- Die Rolle der informellen Triloge im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren der EU
- Der Einfluss von Interessenverbänden auf den Gesetzgebungsprozess
- Die Auswirkungen der informellen Triloge auf die demokratischen Grundprinzipien der EU
- Die Bedeutung des Gemeinwohls im Kontext des europäischen Gesetzgebungsprozesses
Zusammenfassung der Kapitel
- Die Einleitung erläutert die Problematik des Verhältnisses zwischen Effizienz und Partizipation in modernen demokratischen Gesellschaften. Sie stellt die Relevanz der Einbeziehung von Expertise aus der Zivilgesellschaft im politischen Prozess dar und führt die leitende Fragestellung der Arbeit ein.
- Das zweite Kapitel stellt die neopluralistische Theorie von Ernst Fraenkel vor und erläutert seine Definition von Demokratie sowie die Voraussetzungen für die Bildung eines Gemeinwohls.
- Das dritte Kapitel behandelt die demokratischen Grundprinzipien der Europäischen Union und beschreibt das ordentliche Gesetzgebungsverfahren der EU. Es analysiert die Rolle der informellen Triloge im Gesetzgebungsprozess und beleuchtet die Bedeutung von Interessenverbänden im europäischen Mehrebenensystem.
- Das vierte Kapitel untersucht die Auswirkungen des informellen Trilogverfahrens auf die demokratischen Grundprinzipien der EU. Es beleuchtet die Frage, ob dieses Verfahren mit dem Gemeinwohlbegriff im Sinne von Ernst Fraenkel vereinbar ist.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Themen Lobbyismus, Public Diplomacy, Europäische Union, Gesetzgebungsprozess, Informelle Triloge, Partizipation, Effizienz, Demokratie, Gemeinwohl, Neopluralismus, Ernst Fraenkel, Interessenverbände, Interessenvertretung, Zivilgesellschaft, politische Entscheidungsfindung.
- Arbeit zitieren
- Nanna-Josephine Roloff (Autor:in), 2016, Informelle Triloge. Spannungsverhältnisse zwischen Effizienz und Partizipation im europäischen Gesetzgebungsprozess, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/351438