Konzeptionen der Handlungsorientierung im Politikunterricht - Versuch einer Klärung des "Kampfbegriffes" Handlungsorientierung


Seminararbeit, 2004

15 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Gliederung

1. Was meint Handlungsorientierung ?

2. Konfrontation zweier Konzeptionen von Handlungs orientierung anhand der Definition des Begriffs
2.1 Gotthard Breit: Die Priorität der Reflexion Über das Tun
2.2 Hilbert Meyer: Selbstätigkeit fördert Selbständigkeit
2.3 Sibylle Reinhardt: Versuch einer Vermittlung

3. Wie soll handlungsorientierter Unterricht
aussehen?
3.1 „Reales Handeln“
3.2 „Simulatives Handeln“
3.3 „Produktives Gestalten“

4. Zusammenfassung, Fazit, Beurteilung

5. Bibliographie

1. Was meint Handlungsorientierung ?

Nähert man sich dem Thema Handlungsorientierung unvoreingenommen und ohne nennenswerte fachdidaktische Vorbildung in diesem Bereich, so fällt einem schon bei der ersten Sichtung der Fachliteratur die große begriffliche Bandbreite bzw. Unsicherheit auf und der Dissens darüber, was handlungsorientierter Unterricht zu leisten in der Lage sein soll. Man kann feststellen, dass die begriffsmäßige Definition eines jeden Autors Hand in Hand geht mit dem Wert, der der Handlungsorientierung zugebilligt wird. Es scheinen sich regelrechte Lager von Gegnern und Befürwortern gebildet zu haben, und der Begriff changiert vom Wundermittel bis zur „Leerformel“[1]. Siegfried Schiele versucht in seinem Aufsatz den „Kampfbegriff“[2] dahingehend zu entschärfen, dass er die Ungeklärtheiten und Missverständnisse dazu herausstellt. Der Konflikt um die Handlungsorientierung sei vor allem auch ein Konflikt zwischen denen, die „wissenschaftsorientiert arbeiten“ und „Leuten, die stärker von der Praxis kommen und um ständige konkrete Verbesserungen im Unterricht bemüht sind“ (S. 2). Zum Thema Entfremdung von Praxis und didaktischer Wissenschaft an anderer Stelle mehr. Die Bandbreite dessen, was unter Handlungsorientierung zu verstehen ist, ist folglich riesig. Häufig genannt werden das Vermitteln und Einüben von Handlungskompetenz des zukünftigen aktiven, mündigen Bürgers betreffs der allgemeinen Ziele des Politikunterrichts sowohl Attribute, die in erster Linie der Unterrichtsmethode zuzuordnen sind: „Ganzheitlichkeit“, „Offenheit des Unterrichts“, „Interaktion“, „Schülerzentriertheit“, „Unterricht mit Herz und Hand“, „Priorität des Handlungsproduktes“, „Selbständigkeit des Schülers“, „Identifikation“, „Anschaulichkeit“ und „Vermittlung von Methodenkompetenz“. Vor allem beim letzteren wird deutlich, dass Handlungsorientierung nicht nur Unterrichtsmethode[3], sondern gleichzeitig ein Unterrichtsziel ist.

Es wird deutlich, dass Handlungsorientierung in der Didaktik des Politikunterrichts eine doppelte Bedeutung hat. (Wenigstens dies scheint unumstritten). Für Gotthard Breit[4] geht es zum einen um die Zielsetzung des Politikunterrichts, die o.g. politische Handlungskompetenz im Sinne von Hilligen („Sehen“, „Beurteilen“, „Handeln“) und andererseits um ein „Lehr- und Lernkonzept“, nach dem die Schüler selbständig – vor allem selbständig handelnd – arbeiten sollen; diese zweite Perspektive berührt also vor allem die Unterrichtsmethode. Im Politikunterricht hängen beide Bedeutungen zusammen: es kommt auf ein ausgewogenes Verhältnis an zwischen Methode und dem Ziel / Inhalt . Genau an diesem Punkt beginnt der Konflikt, den ich im folgenden anhand zweier Konzeptionen – der von Breit und der von Hilbert Meyer – versuchen werde, nachzuzeichnen.

2. Konfrontation zweier Konzeptionen von Handlungsorientierung anhand der Definition des Begriffs

2.1. Gotthard Breit: Die Priorität der Reflexion über das Tun

Für Breit, der der Handlungsorientierung im allgemeinen (vor allem jener, die nicht dem Anspruch seiner Definition folgt) eher kritisch gegenüber zu stehen scheint, besteht die Gefahr darin, dass durch die Priorität, die der Methode eingeräumt wird, es zu einer Vernachlässigung der Ziele und Inhalte kommt, die im schlimmsten Fall zu einer Entpolitisierung des Politikunterrichts führt. Breit hegt Zweifel daran, dass methodische Handlungsorientierung im Unterricht das Unterrichtsziel Handlungsorientierung erfüllen kann. Im Gegenteil besteht die sogar die Gefahr, dass „Handlungsorientierung vom selbständigen politischen Denken abhält“[5]. Denn – und hier manifestiert sich Breits Konzeption der strikten Trennung von Ziel und Methode – die Handlungsorientierung geht zu Lasten der Stofforientierung des Politikunterrichts[6]. Die Jugendlichen sollten aber nicht so sehr das Handeln lernen (denn unterrichtliches Handeln kann ohnehin nicht echtes politisches Handeln simulieren; mehr dazu im Kap. 3), sondern vielmehr das „politische Denken“. Nur die Förderung der Fähigkeit zur kompetenten Informationserschließung, Analyse und Urteilsbildung führt, so Breit, zu echter Handlungskompetenz. Konsequenterweise geht Breit beim politisch erwünschten „Normalbürger“ nicht von dem Bild des Berufspolitikers, sondern von einem „Aktiv-Bürger“ im Sinne eines „Aktivitätsgehaltes des Denkens“ aus und beruft sich dabei auf Giesecke und Gagel.

Auch im Politikunterricht kommt es für Breit nicht so sehr auf „äußerlich erkennbare Handlungen“ an, das Wort Handeln sei eigentlich unglücklich gewählt, weil es unterschwellig einen Aktionismus propagiere. „Begeisterung und Schwung behindern die Reflexion im Unterricht“ (S. 122), abwägendes kritisches Denken werde erschwert. Gültig sei ein ukrainisches Sprichwort: „wenn die Trompete bläst, setzt der Verstand aus“ (S.122). Der Lehrer allerdings darf sich von der hohen Bereitschaft zur Mitarbeit, dem Enthusiasmus der Schüler und dem sicheren Lob von allen Seiten nicht blenden lassen: „Ohne systematische, mit Hilfe von Schlüsselbegriffen durchgeführte Analyse des Inhalts und eine kriteriengeleitete Urteilsbildung wird die Anschauung blind bleiben“[7].

Breits Konzeption lässt sich grob wie folgt zusammenfassen: Was wir handelnd erfahren und lernen, verstehen wir besser und behalten es leichter. Tat und Reflexion aber sind zweierlei. Lernen kann man nicht durch das Tun, sondern nur über das Nachdenken über das Tun.

[...]


[1] Vgl. Grammes 1997, Seite 7.

[2] Vgl. Schiele, Handlungsorientierung, S.2.

[3] im Sinne Ackermanns soll die Unterrichtsmethode die optimalen Bedingungen für die Begegnung der Schüler mit der Sache herstellen: inwieweit ist diese oder jene Methode der didaktischen Perspektive, also der bewussten Verknüpfung von Inhalt und Ziel, angemessen.(Politikdidaktik, 140)

[4] Vgl. Breit, Handlungsorientierung, S.101.

[5] ebenda, S.118.

[6] scheinbar zum „Beweis“ zitiert Breit einen Passus von Klippert: „Angesagt ist also vorrangig das Initiieren, Organisieren und Moderieren themenzentrierter Arbeits- und Klärungsprozesse auf seiten der Schüler und weniger das umfängliche Durchnehmen des jeweiligen Lernstoffs durch den Lehrer.“ („Handlungsorientierte polit.Bildg.“, in: Cremer (Hrsg); Bonn, 1991, S.281)

[7] Breit zitiert Hegel: „Begriffe ohne Anschauung sind leer, Anschauung ohne Begriffe ist blind“ (Handlungsorientierung, 123)

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Konzeptionen der Handlungsorientierung im Politikunterricht - Versuch einer Klärung des "Kampfbegriffes" Handlungsorientierung
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Otto-Suhr-Institut)
Veranstaltung
PS 15542
Note
1,3
Autor
Jahr
2004
Seiten
15
Katalognummer
V35239
ISBN (eBook)
9783638352185
ISBN (Buch)
9783638789967
Dateigröße
424 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Über Sinn und Nutzen von "Handlungsorientierung" im Politikunterricht wird in der Politikdidaktik heftig gestritten. Je nach Konzeption meint der Begriff der "Handlungsorientierung" höchst unterschiedliches. Die Begriffsunsicherheit führt ihrerseits zu Missverständnissen.
Schlagworte
Konzeptionen, Handlungsorientierung, Politikunterricht, Versuch, Klärung, Kampfbegriffes, Handlungsorientierung
Arbeit zitieren
Bernhard Nitschke (Autor:in), 2004, Konzeptionen der Handlungsorientierung im Politikunterricht - Versuch einer Klärung des "Kampfbegriffes" Handlungsorientierung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/35239

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