Die Rekonstruktion Erving Goffmans Theorie der Interaktionsordnung anhand zweier seiner Werke


Hausarbeit, 2016

13 Seiten


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Wir alle spielen Theater- eine Selbstdarstellung im Alltag
2.1. Das Ensemble
2.2. Das Mehr-Ensemble-Modell
2.3. Die verschiedenen Rollen eines Ensembles
2.3.1. Der Regisseur
2.3.2. Der Hauptdarsteller
2.3.3. Die ubrigen Ensemblemitglieder

3. Interaktionsrituale - Uber Verhalten in direkter Kommunikation
3.1. Das Image
3.2. Falsches Image - kein Image
3.3. Selbstachtung und Rucksichtnahme
3.4. Techniken der Imagepflege
3.4.1. Der Vermeidungsprozess
3.4.2. Der korrektive Prozess

4. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Noch heute ist der Amerikaner Erving Goffman einer der bekanntesten und meist gelesenen Soziologen unserer Zeit (vgl. Hettlage 1991, S. 25). Schon immer gait er eher als ein AuRenseiter in der Soziologie, „der sich mit den kuriosen Details des Alltags befasst" (Hettlage 1991, S. 25). Er war bekannt dafur, selbst die kleinsten und schwierigsten Details und Ereignisse so darzustellen, dass sie jeder nachvollziehen konnte. Da er sich in alien seinen Werk eher auf den Mikrokosmos bezog, und nicht, wie andere Soziologen, die Dinge aus der Makro-Perspektive betrachtete, wurde seine Arbeit oftmals nicht so hoch angesehen wie die seiner Kollegen(vgl. Hettlage 1991, S. 9).

Der Grundstein seiner Arbeiten war stets das Erforschen des „Regelwerk[s] sozialer Interaktionen" (Dellwing 2014, S. 41). Er wollte herausfinden, wie die alltagliche Interaktion zwischen Menschen in einer so harmonischen Art und Weise funktionieren kann. Dabei gelang es ihm, bestimmte Regeln fur „face to face- Situationen" (Dellwing 2014, S. 40) aufzustellen. „Diese Regeln gewahrleisten es, dass wir nicht ineinanderlaufen, wenn wir auf den selben StraRen gehen und uns nicht gegenseitig die offentlichen Gesichter zerschlagen, wenn wir in Kontakt miteinander treten" (Dellwing 2014, S. 41). Er kreierte eine Interaktionsordnung, die bei face to face-Interaktionen als Rahmen von Handlungen genutzt werden konnte. Nach Hettlage definiert Goffman diese Kommunikation als eine solche, bei der mindesten zwei Personen sowohl physisch als auch psychisch in der gleichen „sozialen Situation" anwesend sind (vgl. Hettlage 1991, S. 33). Voraussetzung fur diese Interaktion ist zudem, dass die anwesenden Personen so weit in Kontakt zueinander stehen, sodass sie sich gegenseitig wahrnehmen konnen (vgl. Hettlage 1991, S. 33). Ein Zusammenkommen zweier Personen kann dabei zu einem intensiven Austausch von Informationen fuhren, aber auch Risiken beinhalten. Wichtig fur eine Interaktion ist hierbei auch immer der Kontext, in dem diese steht. Alleine dadurch konnen bereits bestimmte Verhaltensstrategien festgelegt sein (vgl. Hettlage 1991, S. 33). Nach Goffman sind unsere Handlungen also situationsdefiniert (vgl. Hettlage 1991, S. 40). „Handlungen [...] zeichnen sich durch Mehrdeutigkeiten aus und sind deshalb immer an Interpretationsprozesse gebunden" (Hettlage 1991, S. 41). So konnen gleiche Handlungen in unterschiedlichen Interaktionen auch immer eine andere Bedeutung haben. 1st etwas in der einen Situation unangebracht, so kann es in einer anderen wiederum hilfreich sein (vgl. Hettlage 1991, S. 41). Dadurch wird deutlich, dass man die Interaktionsordnung als solche eigentlich nicht definieren kann, da nach Raab (2008, zit. n. Dellwing 2014, S. 42) Handlungen fur Goffman „nicht aus den Orientierungen der Akteure an den gesellschaftlich auferlegten Verhaltenserwartungen mit ihren Fakten, Normen und Zwangen zu erklaren sind".

Er meint damit, dass eine bestimmte Interaktion vielleicht die gleichen Rahmenbedingungen hat, sie aber von den Menschen individuell gestaltet werden kann, je nachdem, was sie personlich in diese Interaktion hineininterpretieren. Somit ist diese doch wieder verschieden (Vgl. Dellwing 2014, S. 43).

AuRerdem versuchte Goffman bei der Erforschung von face to face-Interaktionen herauszufinden, wie die Bedeutung einer Situation zustanden kommen kann, also was letztendlich eine Handlung oder Interaktion beeinflusst. Fur ihn sind selbst die kleinsten Handlungen, die wir im Alltag tatigen, und sei es nur ein unauffalliger Blick, „ein Teil des detailreichen Spiels alltaglicher Aufeinanderbezogenheit, mit dem Akteure gemeinsam abmachen, was in einer Situation real ist, auf welche Weise es real ist, worauf reagiert werden muss, wer mit wem in welcher Beziehung steht und was als nachstes passieren soil" (Dellwing 2014, S. 43). Durch dieses Spiel konnen die Akteure herausfinden, wie sie auf etwas reagieren, wer mit wem in welcher Beziehung steht und was als nachstes passiert.

Die Akteure konnen sich unbewusst gegenseitig beeinflussen, deshalb kann man sowohl als Akteur als auch als AuRenstehender niemals vorhersagen, was als Nachstes passieren wird, da „das Innenleben von Personen immer unzuganglich bleibt" (Dellwing 2014, S. 43). Im Folgenden mochte ich mit Hilfe zweier seiner Werke einen Einblick in die Theorie Goffmans geben und sie anschieRens anhand dieser rekonstruieren.

2. Wir alle spielen Theater- eine Selbstdarstellung im Alltag

In seinem Buch „Wir alle spiele Theater", das Erving Goffman erstmals 1959 veroffentlichte, geht der Soziologe der Struktur und den Eigenheiten der zwischenmenschlichen Interaktion auf den Grund. Genauer geht es um eine „Analyse von Praktiken, Listen und Tricks, mit denen sich der einzelne vor anderen Menschen moglichst vorteilhaft darzustellen versucht" (Goffman, 2011 S. II). Um dies besser zu veranschaulichen, lehnt er sich stark an das Vokabular des Theaters an. Fur Goffman ist diese Selbstdarstellung unentbehrlich fur das menschliche Leben, was aber nichts damit zu tun hat, sich zu verstellen oder zu lugen (vgl. Goffman, 2011 S. II). Fur ihn ist die „soziale Welt [...] eine Buhne [...] mit Publikum, Darstellern und AuRenseitern, mit Zuschauerraum und Kulissen, und mit manchen Eigentumlichkeiten, die das Schauspiel dann doch nicht kennt" (Goffman 2011, S. VII).

2.1. Das Ensemble

Ein Ensemble definiert sich nach Goffman (2011, S. 75) als eine Gruppe von Individuen, die gemeinsam eine Rolle aufbauen. Jedes Mitglied muss in enger Zusammenarbeit mit anderen Personen eine ihm fremde Rolle ubernehmen.

Individuen, die Mitglieder des gleichen Ensembles sind, stehen in einer wichtigen Beziehung zueinander (vgl Goffman 2011, S.75).

Ein Ensemble ist dabei durch zwei Eigenschaften gekennzeichnet. Zum einen durch die gegenseitige Abhangigkeit der Ensemblemitglieder. Die gemeinsame Darstellung kann durch unangemessenes Verhalten gestort oder sogar unterbrochen werden. Deshalb sind alle Ensemblemitglieder darauf angewiesen, dass die anderen Mitglieder ihre Rolle richtig spielen, damit eine korrekte Darstellung zustande kommen kann (vgl. Goffman 2011, S. 77). Zum anderen durch die „Vertraulichkeit" (Goffman 2011, S. 78), die unter Ensemblemitglieder erzwungen wird, um ihren Eindruck vor dem Publikum zu wahren. Diese Vertraulichkeit dient dabei nur als Mittel zum Zweck und ist eher als „formalisierte Beziehung" (Goffman 2011, S. 78) zum Schutz des Ensembles zu verstehen (vgl. Goffman 2011, S. 78).

2.2. Das Mehr-Ensemble-Modell

Die Interaktion selbst spielt sich nicht innerhalb eines Ensembles ab, sondern zwischen verschiedenen Ensembles. Dabei gibt es verschiedene Varianten. Die normalste Form ist hierbei die Interaktion zweier Ensembles. Dabei nimmt das eine Ensemble die Rolle des Darstellers und das andere die Rolle des Publikums an. Agieren beide miteinander, so setzt das Darsteller-Ensemble den Grundbaustein fur die Interaktion (vgl. Goffman 2011, S. 86). Es gibt einen Handlungsrahmen vor, in dem sich die Interaktion der zwei Ensemble abspielt. Goffman vergleicht diesen Handlungsrahmen mit einem „Buhnenbild“ (Goffman 2011, S. 86).

Das andere Ensemble hat dabei auf den Rahmen keinen Einfluss, ist aber in seinen Handlungen so weit frei, dass es ihm moglich ist sich so zu prasentieren, wie es notwendig ist, um ein bestimmtes Bild von sich aufrechtzuerhalten (vgl. Goffman 2011, S. 86f.).

Bei der Kontrolle des Buhnenbilds durch eines der beiden Ensembles ist es zudem moglich, die „dem Publikum zugangliche Informationen zu beeinflussen" (Goffman 2011, S. 87). Dies fuhrt zur Blindheit der Zuschauer, wodurch sie die Situation anders wahrnehmen als sie in Wahrheit ist (vgl. Goffman 2011, S. 88).

2.3. Die verschiedenen Rollen eines Ensembles

Betrachtet man die Struktur innerhalb eines Ensembles, so kann man auch hier unterschiedliche Rollen erkennen.

2.3.1. Per Regisseur

Bei einem Regisseur handelt es sich um die Person, die fur die Handlung und Leitung der Darstellung verantwortlich ist. Verhaltsich ein Mitglied des Ensembles unpassend und gefahrdet somit die Glaubwurdigkeit des Ensembles, so ist es seine Aufgabe, durch Beschwichtigung und Bestrafung diese unpassende Darstellung zu korrigieren und zu verbessern.

Er ist auRerdem dafur zustandig, den Ensemblemitgliedern ihre Charakterrollen zuzuweisen. Dies macht ihn gewissermaRen zum Leiter eines Ensembles und er ist somit auch „in starkeren MaRe fur den Erfolg der Vorstellung verantwortlich [...] als die anderen Darsteller" (Goffman 2011, S. 92).

2.3.2. Per Hauptdarsteller

Der Hauptdarsteller ist der Mittelpunkt eines Ensembles. Alle Aufmerksamkeit ist auf ihn konzentriert. Gut zu vergleichen ist seine Rolle mit der eines Konigs in seinem Hofstaat (vgl. Goffman 2011, S. 92).

2.3.3. Die ubrigen Ensemblemitglieder

Die ubrigen Ensemblemitglieder variieren zeitlich zwischen Darstellung und Tatigkeit. Dabei konnen sich die Rollen dieser auch voneinander unterscheiden. Zum einem gibt es passive Ensemblemitglieder, welche vor dem Publikum kaum prasent, aber dennoch teil des Ensembles sind. Zum anderen gibt es die Mitglieder mit „rein zeremoniellen Rollen" (Goffman 2011, S. 95), die eine hohere Prasenz vor dem Publikum haben (vgl. Goffman 2011, S. 95).

3. Interaktionsrituale - Uber Verhalten in direkter Kommunikation

In seinem Buch „Interaktionsrituale - Uber Verhalten in direkter Kommunikation" versucht Erwing Goffman naturliche Interaktionseinheiten zu beschreiben und sie greifbar zu machen (vgl. Goffman 1994, S. 7). AuRerdem will er die „[n]ormative Ordnung, d.h. Verhaltensregeln, die es uberall gibt, wo Leute sind, unabhangig davon, ob es sich um offentliche, halb offentliche oder private Orte handelt und ob diese unter den Auspizien einer sozialen Gelegenheit oder den lockeren Zwangen eines einfachen routinierten sozialen Rahmens stehen" (Goffman 1994, S. 7), untersuchen. Fur ihn geht es bei der Interaktion weniger um das Individuum, sondern vielmehr um das, was zwischen den Personen geschieht. Er ist demzufolge starker an der Mesoebene interessiert.

Zur Untersuchung dieses Sachverhalts dient das Verhalten der Personen, die in einer direkten Interaktion miteinander agieren (vgl. Goffman 1994, S. 8).

[...]

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Details

Titel
Die Rekonstruktion Erving Goffmans Theorie der Interaktionsordnung anhand zweier seiner Werke
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Autor
Jahr
2016
Seiten
13
Katalognummer
V352708
ISBN (eBook)
9783668694330
ISBN (Buch)
9783668694347
Dateigröße
442 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
rekonstruktion, erving, goffmans, theorie, interaktionsordnung, werke
Arbeit zitieren
Leonie Schulte (Autor:in), 2016, Die Rekonstruktion Erving Goffmans Theorie der Interaktionsordnung anhand zweier seiner Werke, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/352708

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