Die Entwicklung der Sprachgesellschaften anhand des Beispiels der Fruchtbringenden Gesellschaft


Hausarbeit, 2015

21 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Die Fruchtbringende als Beispiel sprachpflegender Gesellschaften

2 Entstehung deutscher Sprachgesellschaften im 16. und 17. Jahrhundert
2.1 Die deutschen Sprachgesellschaften des 17. Jahrhunderts
2.1.1 Bedeutende Gesellschaften im Überblick
2.1.2 Aufgaben und Ziele
2.2 Die Fruchtbringende Gesellschaft
2.2.1 Die Mitglieder
2.2.2 Motivation und Gründungsursache
2.2.3 Publikationen der Fruchtbringenden Gesellschaft

3 Exkurs: Die Neue Fruchtbringende Gesellschaft

4 Die Entwicklung der Sprachgesellschaften anhand des Beispiels der Fruchtbringenden

Gesellschaft

5 Fazit

Literatur- und Quellenverzeichnis

1 Die Fruchtbringende als Beispiel sprachpflegender Gesellschaften

In der Barockzeit, die etwa auf den Zeitraum von 1575 bis 1770 datiert wird, gab es eine Rei­he von Veränderungen in der deutschen Sprache. Viele Wörter wurden erfolgreich entlehnt. Beispielsweise setzte sich die Lehnübersetzung von Diarium, das aus dem Lateinischen stammt, als das Tagebuch durch. Geprägt wurden für den lateinischen Begriff Säkulum der Ausdruck Jahrhundert, und das griechische Wort Epilog wurde mit dem Term Nachwort übernommen. Einige Versuche von Lehnübersetzungen misslangen. Das Wort Reißpuffer setzte sich beispielsweise nicht durch, den Gegenstand bezeichnet nun die Pistole. Auch das Wort Zitterweh anstelle von Fieber, zu lat. „febris “, konnte sich nicht durchsetzen.

Sehr viele Begriffe im deutschen Sprachgebrauch entstanden durch die Sprachpflege der so­genannten deutschen Sprachgesellschaften. Diese Vereine befassten sich mit der Emanzipati­on der deutschen Sprache von Fremd- und Dialekteinflüssen sowie mit einer Harmonisierung der Orthographie. Sie strebten eine Erhaltung der deutschen Muttersprache und Literatur an. Es sollten keine Wörter in der deutschen Sprache vorhanden bleiben, die keine deutschen Wurzeln erkennen ließen. Entsprechende Bemühungen im 20. Jahrhundert, beispielsweise durch den - in seiner Biographie eher tragischen - Sprachpfleger Eduard Engel,[1] muten deutschnational an, für eine Epoche, in der die lateinische bzw. lateinisch geprägte Gelehrten- und die Volkssprache starke Differenzen aufwiesen und sich eine ,Hochsprache‘ erst ausbil­dete, wäre dieses Werturteil aber zeitlich nicht passend.

Das Ziel dieser Arbeit ist die Untersuchung der Entwicklung der Sprachgesellschaften anhand des Beispiels der Fruchtbringenden Gesellschaft. Es soll vorausgesetzt werden, dass die deut­schen Sprachgesellschaften mit der Fruchtbringenden Gesellschaft einen Höhepunkt ihrer Entwicklung zeigten. Die vorliegende Arbeit ist insofern von Gewicht, als sie anhand der Fruchtbringenden Gesellschaft das Phänomen sprachpflegender und -schöpferischer Vereine in einer bestimmten Epoche nachzeichnen möchte.

In einem ersten Schritt sollen die Entstehung, die Mitglieder, die Aufgaben und Ziele und die Erfolge deutscher Sprachgesellschaften im 17. Jahrhundert skizziert werden. Anschließend wird die Entwicklung der Sprachgesellschaften anhand des Beispiels der Fruchtbringenden Gesellschaft erläutert. Zum Schluss wird die neue Fruchtbringende Gesellschaft vorgestellt, die sich in der jüngeren Vergangenheit zusammengeschlossen hat. Im Fazit werden schließ­lich zentrale Ergebnisse zusammengefasst.

2 Entstehung deutscher Sprachgesellschaften im 16. und 17. Jahrhundert

Eine erste deutsche Sprachgesellschaft entstand im 16. Jahrhundert. Die Ursachen für die Ent­stehung der deutschen Sprachgesellschaften liegen jedoch weit vor dem 16. Jahrhundert. Es gab vor den deutschen Sprachgesellschaften bereits andere Sozietäten, die in anderen Ländern die jeweilige Sprache pflegten und den Versuch unternahmen, eine eigene Hochsprache vor fremden Einflüssen zu schützen bzw. eine solche überhaupt zu kreieren. Es ist offenkundig, dass die deutschen Sprachgesellschaften nach ausländischen Vorbildern gegründet wurden. Als besonders einflussreich gelten die italienischen und niederländischen Sprachgesellschaf­ten. Insbesondere die italienische Sprachgesellschaft „Accademia della Crusca“, die im Jahr 1582 gegründet wurde, gilt als klar Vorbild gebende Gesellschaft für den deutschen Sprach- raum.

Sie war das direkte Vorbild für die „Fruchtbringende Gesellschaft“; sogar die zwei ersten Mitglie­der dieser deutschen Gesellschaft wählten sich Namen und Devisen (auch „Gemälde“, „Emblem“, „Bild“ bzw. „Sinnbild“ genannt), die mit der italienischen „Accademia“ in Verbindung standen: Der „Nährende“ (Fürst Ludwig von Anhalt-Köthen) führte als Bild ein wohlausgebackenes Wei­zenbrot, mit dem Wort „Nichts Besseres“; der „Mehlreiche“ (Caspar von Teutleben) führte als Bild reines Weizenmehl, das beim Mahlen durch den Beutel herausfällt, mit dem Wort „Hierin find sichs“.[2]

Die erste deutsche Sprachgesellschaft nahm sich die „Accademia della Crusca“ zum Vorbild, ihre ersten Mitglieder wählten sich ebenso Gesellschaftsnamen wie die Mitglieder der „Acca­demia della Crusca“. In den Arbeiten der italienischen Sozietät tauchten oft Bilder und Be­griffe wie „Sack“, „Mehl“, „Kleie“ und „Sieb“ auf.[3] Dies waren metaphorische Anspielungen auf den Anspruch dieser Sozietät, der „[...] darin bestand, die ,Kleie‘ vom ,Mehl‘ zu schei­den, d. h., alles Unreine auszusondern“.[4] In dem Bild entsprechen fremdsprachige Einflüsse der Kleie, die aus dem Reinen, d. h. dem Gebrauch der Volkssprache, in diesem Fall dem Mehl, filtriert werden müssten.

Die „Accademia della Crusca“ widmete sich der Pflege der toskanischen Sprache; sie veröf­fentlichte im Jahr 1612 ein Wörterbuch, das „Vocabulario degli Academii della Crusca“.[5] Auch die Niederlande wiesen eine „Tradition an Gesellschaften der Dichtungs- und Sprach­pflege auf, die bereits im 15. Jh. einsetzt“.[6] Eine der bedeutendsten unter ihnen war die „Re- derijkerkamers“ [7], welche im 16. Jahrhundert gegründet wurde und ihren Höhepunkt im 17. Jahrhundert erreichte.[8] Im Großen und Ganzen spielt es keine Rolle, in welchem Sprach- raum Sprachgesellschaften gegründet wurden. Ob italienische, niederländische, französische, lateinische oder deutsche Sprachgesellschaften, sie hatten den Anspruch gemeinsam, ihre , ei­gene Sprache von fremden Einflüssen zu ,reinigen4 und zu ,befreien4. Die deutsche Sprache war in dieser Zeit, insbesondere durch die absolutistischen Höfe und die akademische Kom­munikation weit geprägt vom Fremdsprachengebrauch, besonders dem des Französischen.[9]

Diese Offenheit gegenüber fremden Sprachen, die in dieser Zeit eine kulturpatriotische Sprachbe- wegung zur Folge hatte, hat die deutsche Sprachkultur einerseits behindert, andererseits langfristig sehr gefördert.[10]

Es wurde von Zeitgenossen behauptet, dass die deutsche Sprache aufgrund der Offenheit fremden Sprachen gegenüber gefährdet sei. So äußerten Sprachkritiker die Befürchtung, dass die deutsche Sprache vom Französischen verdrängt werden könnte.[11]

Die Adligen benutzten keine reine deutsche Sprache, sondern sprachen überwiegend bis aus­schließlich Französisch, Spanisch oder Italienisch. Es wurde vermutet, dass sie sich des Ge­brauchs ihrer eigenen Volkssprache schämten.[12] Eine Ursache mochte darin liegen, dass wäh­rend des Mittelalters und der frühen Neuzeit unzählig viele Wörter aus anderen Sprachen, besonders aus dem Lateinischen und dem Französischen, in die deutsche Sprache kamen. Ge­gen Ende des Mittelalters und zum Anfang der Neuzeit setzte eine erste Gegenbewegung ein, die sich anschickte, die deutsche Sprache von Fremdwörtern zu befreien, dies jedoch war von kurzer Dauer. Entlehnungen und andere Prozesse des Sprachwandels, die man als - übertrie­bene - Aufnahme- bzw. Anpassungsbereitschaft gegenüber fremden Sprachen wahrnahm, wurden während der Renaissance und der Reformation als Verschlimmerung der Lage wahr- genommen.[13] Ein weiterer Grund dafür war die Glaubensspaltung. Die Katkoliken sahen sich Spanien und Italien verbunden, die Lutheraner der jeweiligen Volkssprache, die Kalvinisten, die zunächst überwiegend im französischen Sprachraum vertreten waren, Frankreich. Studen­ten trugen ihren Teil „zur Romanisierung des Wortschatzes bei“.[14] Zur Dynamik des Sprach­wandels mag das nicht viel beigetragen haben, wohl aber zur sprachideologischen Wahrneh­mung von Eigenem und Fremdem. Auf Bildungsreisen bevorzugten Studenten das Reiseziel Paris, was dazu führte, dass sie sich vom Französischen inspirieren ließen und bildungs­sprachliche Wörter die deutsche Sprache übernahmen. Die lateinische Sprache war weiterhin selbstverständliche Verkehrs- und Unterrichtssprache der Studenten und anderen Akademi­ker. Christian Thomasius, der deutsche Philosoph und Jurist,[15] hielt als erster deutscher Pro­fessor erst am Ende des 17. Jahrhunderts seine Vorlesungen auf Deutsch,[16] was aus unter­schiedlichen Gründen Aufsehen erregte, unter anderem, weil diese Art auf längere Sicht die sprachliche Ausschließlichkeit der gebildeten Stände bedrohen musste und sich auch die bis­her international-gesamteuropäische Gelehrtengemeinschaft, die sich in lateinischer und fran­zösischer Sprache verständigen konnte, zu einer Nationalisierung gedrängt sah.

2.1 Die deutschen Sprachgesellschaften des 17. Jahrhunderts

Es wurden im späten 16. Jahrhundert und frühen 17. Jahrhundert insgesamt neun deutsche Sprachgesellschaften gegründet. Vier von neun dieser deutschen Sprachgesellschaften wurden bekannte Vereine, die sehr bedeutend für die deutsche Sprachkultur waren.

2.1.1 Bedeutende Gesellschaften im Überblick

Die fünf anderen, eher kleine Vereinigungen, wurden weniger bekannt und hatten eine gerin­gere Mitgliederzahl. Fast alle Sprachgesellschaften waren ähnlich aufgebaut; sie organsierten Tagungen, feste Satzungen, verfügten immer über ein Oberhaupt und ein Symbol für die Ge­sellschaft. Die Gesellschaften, die Satzungen führten, setzten an erster Stelle fast immer das­selbe voraus: von Geburt an Deutsch oder ,wenigstens4 der deutschen Sprache mächtig zu sein, nur auf dieser Grundlage konnten Mitglieder aufgenommen werden. Außerdem hatten weibliche Kandidaten bei vielen Gesellschaften nur eine geringe Chance auf eine vollständige Aufnahme. Es gab zwar Vereine, die einige wenige Frauen als Mitglieder aufnahmen, jedoch war die Anzahl weiblicher Mitglieder, entsprechend dem allgemeinen Zugang von Frauen zu höherer Bildung gering. Das Ziel der Sprachgesellschaften lief bei allen auf das Ausmerzen fremder Wörter aus der deutschen Sprache, die Reinhaltung und Beförderung der deutschen Sprache hinaus.

Als erste Gesellschaft in Deutschland wurde die Fruchtbringende Gesellschaft am 24. August 1617 ins Leben gerufen.[17] Sie entnahm „ihre äußeren Formen“[18] von der italienischen Gesell­schaft, der Accademia della Crusca. Fürst Ludwig von Anhalt Köthen war zuvor als erstes deutsches Mitglied in die Accademia della Crusca aufgenommen worden.[19] Es wurde ein Aufnahmeritual etabliert, das man befolgen musste. Dieses Ritual beinhaltete das Erwähnen aller pseudonymen Namen der Gesellschaftsmitglieder. In einem nächsten Schritt bekam der Neuling ein Sinnbild und einen Wahlspruch. Dieses Aufnahmeritual der Fruchtbringenden Gesellschaft wird zu den Gründen gezählt, weshalb sie für viele andere deutsche Sprachge­sellschaften zum Vorbild wurde.[20] Die Fruchtbringende Gesellschaft wurde für ihren auffällig religiösen Inhalt, ihren Namen und ihre Aufnahmerituale aber auch verspottet,[21] auch wenn oder gerade weil ihre äußeren Formen ihre Attraktivität für Neulinge ausmachten. Spott kam von Seiten der Kritiker, die die Sprachvereine generell als „läppischen Abklatsch ausländi­scher Modetorheit“[22] bewerteten. In der Forschungsliteratur werden die Sprachgesellschaften hinsichtlich ihrer selbst gesetzten Ziele fast nur negativ beurteilt. Man glaubt sogar, dass sie nichts Nützliches geleistet haben, sondern nur auf ihren eigenen Gebieten eine bedeutende Wirkung ausübten.[23]

Die zweite bekannte Gesellschaft war die Deutschgesinnte Genossenschaft. Gründer dieses Vereins[24] waren Philipp von Zesen, Dietrich Petersohn und Hans Christoph von Liebenau. Das Gründungsdatum scheint nicht sicher bekannt zu sein. Zesen und seine Partner waren, nach dem Urteil ihrer Kritiker, auf übertriebene Weise stark vom Purismus überzeugt, sodass sich einige Gegner äußerten und das Treiben der Gesellschaft „[...] mit beißendem Spott ver­folgten, dabei allerdings das erfolgreiche Wirken [...]“[25] der Gesellschaften, besonders die der Fruchtbringenden Gesellschaft gerne übersahen. Zum Aufbau der Deutschgesinnten Genos­senschaft ist festzustellen, dass sie der Fruchtbringenden Gesellschaft stark ähnelte:

Sowohl der Zweck der „DG“ wie auch die Gesellschaftsnamen, Emblemata und Sprüche ihrer ein­zelnen Mitglieder sind alle in starker Anlehnung an die „Fruchtbringende Gesellschaft“ gebildet.[26]

Die Mitglieder der Deutschgesinnten Genossenschaft bestanden überwiegend aus Bürgern und Adeligen sowie deren Angehörigen. Die bedeutendsten Mitglieder waren Harsdörffer, J. Klaj, Moscherosch, Sigmund von Birken, J. Bellin, D. Schirmer, J. Schwieger, Ch. Knorr von Rosenroth und Joost van der Vondel.[27] Für Frauen war die Zugehörigkeit zu diesem Verein nicht vorgesehen, jedoch waren insgesamt zwei Frauen Mitglieder dieser Gesellschaft. Mit der Zeit wurden mehr Geistliche und Schullehrer aufgenommen. Die Deutschgesinnte Genos­senschaft hatte im Gegensatz zu anderen Gesellschaften sogenannte „Zünfte“, denen jedes Mitglied zugeteilt wurde.[28] Die vier Zünfte waren die Rosenzunft, Liljenzunft, die Nägleinzu­nft und die Rautenzunft. Jeder einzelne, der eine Mitgliedschaft mit der Deutschgesinnten Genossenschaft schloss, hatte einen eigenen Gesellschaftsnamen, ein Emblem und einen ei­genen Spruch in der jeweiligen Zunft. Jedes Mitglied hatte ein Anrecht auf die Aufnahme anderer Mitglieder, dazu musste das Oberhaupt informiert werden. Das Oberhaupt der Gesell­schaft war Philipp von Zesen. Nach seinem Tod wurde auf Wunsch Zesens Johann Heinrich Gabler (Der „Stützende“) zum Oberhaupt ernannt.

Die dritte bedeutende Gesellschaft war der Pegnesische Blumenorden, der am 16. Oktober 1644 von Georg Philipp Harsdörffer und Johann Klaj gegründet wurde.[29] Harsdörffer verfass­te 20 Jahren Bücher von insgesamt 20.000 Seiten Umfang über die Sprache und die Dich­tung.[30] Aus seinem Werk wurde deutlich, dass die Kenntnis der lateinischen Sprache als nicht zwingend notwendig vorausgesetzt wurde, um die Regeln beim Verfassen von Gedichten zu befolgen. Damit konnte sein Werk auch Nicht-Akademiker ansprechen und Bildung für An- gehörige auch nicht hergebracht akademischer Bevölkerungsschichten ermöglichen.[31] Harsdörffer wandte sich im Gegensatz zu den Oberhäuptern anderer Vereine auch Frauen zu, um mit ihnen zu kooperieren.[32] Der Pegnesische Blumenorden ist damit der einzige Verein, der von Anfang an Frauen als ordentliche Mitglieder aufgenommen hat.[33] Sigmund von Bir- ken erklärte 1670, dass Frauen aufgenommen werden könnten, da es erwiesen sei, „daß die Natur dieses Geschlechte von der Tugend- und Weißheit-Fähigkeit nicht ausschließe“ („Mar- garis“, S. 275).[34] Damit war zwar nicht gesagt, dass Frauen den Männern an Bildungsmög­lichkeiten gleichrangig seien, ihre moralische und intellektuelle Bildungsfähigkeit aber nicht prinzipiell verneint werden könne.

Die vierte Gesellschaft war der Elbschwanenorden, der im Jahr 1658 von Johann Rist gegrün­det wurde.[35] Rist wurde im Jahr 1647 in die Fruchtbringende Gesellschaft aufgenommen.[36] Er ernannte selber die ersten Mitglieder und die Gesellschaft bestand bis zu seinem Tod. Die Gesellschaft bezog sich auf die Prinzipien von „Träue/Tugend und Ehre“ [...]“[37], die allge­mein mit den Schwanenvögeln assoziiert werden.[38] Mit nur 45 Mitgliedern war der Elbschwanenorden unter den vier bedeutendere Gesellschaft die kleinste. Es kam nicht jedoch darauf an, wie viele Menschen Mitglied dieses Vereins wurden, viel wichtiger war es, dass „Gute Leute“[39] aufgenommen wurden. So mussten alle, die Mitglied dieser Gesellschaft wer­den wollten, eine Prüfung absolvieren. Aufgrund der Prüfung wurde vielen der Zutritt nicht gewährt. Es gab feste Regeln, sogenannte Satzungen, die streng befolgt wurden. Die erste und wichtigste Regel, um Teil der Gesellschaft zu werden, war es, Deutscher zu sein. Wichtig war es auch, dass die Ordensmitglieder gelehrte Menschen sein sollten, wie sinnreiche Geister, künstliche Meister oder gekrönte Poeten. 36 von 45 Mitgliedern waren Poeten, die Zugehö­rigkeit des Standes war nicht von Bedeutung, es durften neben Adligen auch Bürger aufge­nommen werden. Allerdings blieb Frauen die Mitgliedschaft im Elbschwanenorden versagt.[40]

Neben den vier Hauptvereinen existierten einige kleinere Gesellschaften. Wie z.B. die Auf­richtige Tannengesellschaft, mit dem Symbol einer Tanne, die im Jahr 1633 in Straßburg ge­gründet wurde, war zeitlich betrachtet die zweite Gesellschaft in Deutschland.[41] Zu den Grün­dern zählten Jesaias Rompler von Löwenhalt und Johann Matthias Schneuber.[42] Die Mitglie­derzahl dieser Gesellschaft war gering. Dies könnte daran liegen, dass Jesaias Rompler von Löwenhalt der Meinung war, dass nicht viele Menschen aufgenommen werden sollen. Er wollte in seinem Verein nur geeignete Mitglieder haben, da erst dann eine gute Leistung er­zielt werden könne.

Nur folgende Mitglieder sind bekannt: Jesaias Rompler von Löwenhalt, Johann Mathias Schneu- ber, Johannes Freinsheim, Peter Samuel Thiedrich und Andreas Hecht. Es ist nicht bekannt, bis wann die Gesellschaft fortbestand. Zu vermuten steht, dass die Gesellschaft nach dem Tod Jesaias Rompler an Bedeutung verloren hat.[43]

2.1.2 Aufgaben und Ziele

Die Aufgaben und Ziele der Sprachgesellschaften sind zunächst durch die Satzungen der ein­zelnen Vereine zu ermitteln. Die Hauptaufgabe fast aller Sprachgesellschaften war es, sich mit der deutschen Sprache und Dichtung auseinanderzusetzen und diese Beschäftigung auch zu fördern. Mit Fördern sind das Erstellen eines Wörterbuches, eines Buches oder Manu­skripts gemeint, insbesondere das Verfassen eines Gedichtes, das Herausgeben von Schriften, das Übersetzen eines fremdsprachigen, nützlichen Buches, das Entwickeln der deutschen Sprache und das Erfinden neuer deutscher Wörter. Nicht alle Satzungen der Gesellschaften entsprechen sich. So hatten Mitglieder der Deutschgesinnten Genossenschaft zusätzlich die Aufgabe, neue Mitglieder zu werben und diese aufzunehmen oder aber auch den anderen Mitgliedern bei Problemen beizustehen.[44]

Von den Dichtern des Pegnesischen Blumenordens wurde verlangt, dass sie sich mit anderen Sprachen, Künsten u nd Wissenschaften bekannt machten.[45] Die Mitglieder des Elbschwanen- ordens sollten schriftlich Verbesserungsvorschläge zum Orden und zur Aufnahme neuer Teil­nehmer geben.[46] Das Hauptziel aller Gesellschaften ist gleich, auch wenn es Beurteilungen und Kritik wegen ihres übertriebenen Purismus und Patriotismus gab. So setzte sich der Peg- nesische Blumenorden das Ziel, die deutsche Sprache auszuüben und zu erheben.[47] Da die erste Gesellschaft ein Jahr vor dem Dreißigjährigen Krieg gegründet wurde, also einer Zeit nationaler Spannungen, und die deutsche Sprache dieser Zeit starkem Fremdworteinfluss aus­gesetzt war bzw. in diesem Zustand gesehen wurde, nahmen sich die Mitglieder der Frucht­bringenden Gesellschaft zum Ziel, in der deutschen Sprache Fremdwörter auszumerzen und die Sprache auf diese Weise wiederzubeleben und reinzuhalten. Später setzten sich weitere Gesellschaften das Ziel, die Orthographie und Dichtung der deutschen Sprache zu verbessern. All diese Aufgaben und Ziele wurden von allen Vereinen gleichermaßen wertgeschätzt. Dies soll im nächsten Abschnitt anhand der Fruchtbringenden Gesellschaft skizziert werden.

2.2 Die Fruchtbringende Gesellschaft

Wie eingangs erwähnt, orientierte sich die Fruchtbringende Gesellschaft an der Accademia della Crusca, die Fürst Ludwig auf seiner Italienreise in Florenz kennenlernte.[48] Die Wort­spiele zeigten sich auch schon bei ihrem Vorbild: „Crusca“ ist das italienische Wort für Kleie, der zugehörige Verein wählte als Symbol die Mehlmühle. Das reine Mehl dient als Metapher für die Reinheit der Sprache, mit der Idee, die Kleie, also den Einfluss der Fremdwörter, her- auszusieben.[49] Nicht nur die Idee der italienischen Sprachgesellschaft, auch das äußere Er­scheinungsbild wurde vom deutschen Sprachverein nachgeahmt.

Ebenso wie die italienische Akademie sollte sie Namen, Bild und Spruch haben; man nannte die Gesellschaft die „Fruchtbringende“, gab ihr zum Gemälde einen „Indianischen Palmen= oder Nus­baum“ und zum Worte „Alles zu Nutzen“.[50] Der Palmbaum wurde zum Symbol dieses Vereins, weil es für sie keinen nützlicheren Baum gäbe wie diesen.[51]

Wie die italienische Akademie traf sich auch die Fruchtbringende Gesellschaft zu Tagungen und Sitzungen. Da die Mitgliederzahl stetig stieg, wurden jedes Mal im Allgemeinen für die neuen Mitglieder kleinere Tagungen organisiert. Jedes Mitglied war dazu verpflichtet, an den Treffen teilzunehmen. Ebenso war es Pflicht, seinen „Gesellschaftspfennig“ zu tragen. Diesen Gesellschaftspfennig besaßen jedoch nicht alle Mitglieder der Fruchtbringenden Gesellschaft, da diese Pfennige einen sehr geringen Bestand hatten. Dabei handelte es sich um eine kleine zumeist goldene Medaille, auf der ein Palmbaum eingraviert mit dem Motto der Fruchtbrin­genden Gesellschaft war. Am unteren Ende auf derselben Seite stand zusätzlich der Vereins­name und auf der anderen Seite waren das Bild, das Wort und der Spruch des jeweiligen Mit­gliedes abgebildet.[52] Die Gesellschaft führte Regeln ein. Eine der Regel besagte, dass sich jedes einzelne Mitglied als nützlich zeigen und überall handeln sollte. Bei Tagungen sollen sie immer gütig, fröhlich, lustig und verträglich sein, sowohl in den Werken als auch beim Spre­chen. Eine weitere Regel betraf die Reinerhaltung der hochdeutschen Sprache, frei von an- dersartigen Spracheinflüssen.[53]

2.2.1 Die Mitglieder

Die Fruchtbringende Gesellschaft besaß ungefähr 890 Mitglieder. 527 wurden unter Fürst Ludwig (t 7. Januar 1650) selbst aufgenommen, 262 unter Wilhelm und 101 unter August.[54] Viele dieser Mitglieder waren Adlige und Fürsten.[55] Geistliche hatten es für einen Zutritt in den Verein nicht einfach, es gehörten der Fruchtbringenden Gesellschaft nur zwei Mitglieder der Geistlichkeit an. Dies lag daran, dass Fürst Ludwig eine Gesellschaft im modernen Sinn organisieren wollte.[56] Die Anzahl der Bürger war ebenfalls nicht besonders hoch, Frauen zäh­len nicht zu den Vollmitgliedern des Vereins.[57] Sie wurden jedoch mit der weiblichen Form des Namens ihres Mannes geführt.[58] Hinzuzufügen ist, dass in der Fruchtbringenden Gesell­schaft die meisten Mitglieder Protestanten, also Lutheraner und Kalvinisten waren.[59]

Die Gesellschaftsnamen der Mitglieder wurden immer aus der Pflanzenwelt entnommen.[60] In der Fruchtbringenden Gesellschaft war es eine Regel, dass Mitglieder neue Kandidaten vor­schlagen durften. Dies geschah durch ein Empfehlungsschreiben. Wichtige Mitglieder der Fruchtbringenden Gesellschaft waren Caspar von Teutleben, „Der Mehlreiche“. Er gehörte mit Fürst Ludwig zu den Mitbegründern der Gesellschaft und war seit dem Jahre 1617 voll­ständiges Mitglied, im Gemälde dargestellt: ein Beutelkasten. Der Gesellschaftsname des Gründers der Vereinigung, Fürst Ludwig von Anhalt-Köthen, war „Der Nährende“[61] mit dem Motto: „Ein wol ausgebacken Weitzen-Brodt in einer Schüssel“. Sein Wappenspruch lautete „Christ mir das leben gibtt durch seinen todt er- / worben, / Mein todt gewinst mir bringt, drumb bleib ich / nitt verdorben /“, sein Monogramm: „Animo Solvi Libenti?“ Er nutzte auch den lateinischen Wahlspruch: „Vita mihi Christus; mors lucrum.“[62] Weiteres Gründungsmit­glied war der Sohn von Dorothea Maria, auf deren Beisetzung die Fruchtbringende Gesell­schaft gegründet wurde: Herzog Johann Ernst D. J. von Sachsen Weimar, genannt auch „Der Käumling“.[63] Sein Gemälde war unterschrieben mit: „Das Korn in der Erden käumend theils außgewachsen“, und sein Reimgesetz war: „Das Körnlein / wan es gut/ ,Mit nutzen sich zur ehr‘ und tugend höher treibť“.[64]

[...]


1 vgl. Deinert, Mathias (2004): Eduard Engel (I), In: Potzdam. Oktober 2004. Online unter: http://www.potzdam.de/pdf/2004_oktober.pdf (zuletzt aufgerufen am 23.10.2015, 15:33 Uhr).

2 Otto, Karl F. (1972): Die Sprachgesellschaften des 17. Jahrhunderts. Stuttgart. Metzler, S. 8.

3 ebd.

4 ebd.

5 vgl. Gardt, Andreas (2004): Die Sprachgesellschaften des 17. und 18. Jahrhunderts. In: Besch, Werner; Betten, Anne; Reichmann, Oskar, Sonderegger, Stefan (Hg.): Sprachgeschichte - Ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Sprache und ihrer Erforschung, 4. Teilband. 2. Auflage. Berlin, New York. Walter de Gruyter, S. 332 ff., hier: S. 334.; vgl. Otto (1972), S. 7.

6 Gardt (2004), S. 334.

7 ebd.

8 vgl. Otto (1972), S. 8.

9 vgl. Polenz, Peter von (1994): Deutsche Sprachgeschichte vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart: Einführung, Grundbegriffe, Deutsch in der frühbürgerlichen Zeit. Band II. 17. Und 18. Jahrhundert. Berlin, New York. Walter de Gruyter, S. 49.

10 ebd.

11 ebd.

12 Otto (1972), S. 1.

13 vgl. ebd., S. 1.

14 ebd., S. 2.

15 o.V., o.J.: Christian Thomasius, ein Vertreter der Frühaufklärung in Leipzig. Online unter: http://research.uni- leipzig.de/agintern/uni600/ug117.htm (zuletzt aufgerufen: 19.10.2015, 21:43 Uhr).

16 vgl. Otto (1972), S. 2.

17 vgl. ebd., S. 15.

18 Stoll, Christoph (1973): Sprachgesellschaften im Deutschland des 17. Jahrhunderts: Fruchtbringende Gesellschaft, Aufrichtige Gesellschaft von der Tannen, Deutschgesinnte Genossenschaft, Hirten- und Blumenorden an der Pegnitz, Elbschwanenorden. München. List, S. 11.

19 Neue Fruchtbringende (o.J.): Historische Wurzeln - Die Fruchtbringende Gesellschaft des 17. Jahrhunderts. Online unter: www.fruchtbringende-gesellschaft.de/historisch.html (zuletzt aufgerufen: 19.09.2015, 13:20 Uhr).

20 Stoll (1973), S. 11.

21 vgl. ebd., S. 150.

22 vgl. ebd., 12.

23 vgl. Otto (1972), S. 64.

24 „Verein“ wird hier synonym zu den Begriffen „Vereinigung“, „Gesellschaft“ oder „Sozietät“ gewählt. Dass die Vereinsfreiheit erst in der nachständischen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts entstand, wird hier als bekannt vorausgesetzt.

25 Stoll (1973), S. 12.

26 ebd., S.35

27 vgl. Stoll (1973), S. 12.

28 vgl. Otto (1972), S. 37.

29 vgl. ebd.

30 vgl. Klügel, Werner (o.J.): Der P.Bl.O. - Ein Beitrag zur Kulturtradition Nürnbergs. Online unter: www.blumenorden.de/index.php/Geschichte (zuletzt aufgerufen: 20.09.2015, 09:21 Uhr).

31 vgl. ebd.

32 vgl. ebd.

33 vgl. Otto (1972), S. 46.

34 ebd., S. 46.

35 vgl. ebd. S. 52.

36 vgl. Stoll (1973), S. 12.

37 Otto (1972), S. 53.

38 vgl. ebd.

39 ebd., S. 54.

40 vgl. ebd., S. 54.

41 vgl. ebd., S. 58.

42 vgl. Stoll (1973), S. 11.

43 Otto (1972), S. 58.

44 vgl. ebd., S. 40.

45 vgl. ebd., S. 49.

46 vgl. ebd., S. 56.

47 vgl. ebd., S. 49.

48 Schulz, Hans (1888): Die Bestrebungen der Sprachgesellschaften des 17. Jahrhunderts für Reinigung der deutschen Sprache. Fotomechan. Neudr. d. Orig.-Ausg. Göttingen 1888. Leipzig. Zentralantiquariat der DDR, S. 15.

49 vgl. Otto (1972), S. 16.

50 Schultz (1888), S. 16.

51 vgl. ebd.

52 vgl. Otto (1972), S. 29.

53 vgl. ebd., S. 28.

54 vgl. ebd., S. 17.

55 Gardt (2004), S. 342.

56 vgl. Otto (1972), S. 18.

57 vgl. Gardt (2004), S. 342.

58 vgl. Otto (1972), S. 19.

59 vgl. Gardt (2004), S. 342.

60 vgl. Otto (1972), S. 20.

61 vgl. Conermann (1985), S. 6.

62 vgl. ebd., S. 7.

63 vgl. ebd., S. 8.

64 vgl. ebd., S. 9.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Die Entwicklung der Sprachgesellschaften anhand des Beispiels der Fruchtbringenden Gesellschaft
Hochschule
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf  (für Germanistik)
Veranstaltung
Seminar Sprachgeschichte
Note
2,0
Autor
Jahr
2015
Seiten
21
Katalognummer
V353917
ISBN (eBook)
9783668399952
ISBN (Buch)
9783668399969
Dateigröße
483 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
entwicklung, sprachgesellschaften, beispiels, fruchtbringenden, gesellschaft
Arbeit zitieren
Büsra Tasdemir (Autor:in), 2015, Die Entwicklung der Sprachgesellschaften anhand des Beispiels der Fruchtbringenden Gesellschaft, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/353917

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