Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Reality TV
3. Docu-Soaps
3.1. Docu-Soaps - „Frauentausch”
4. Reality-Soaps
4.1. Reality-Soaps - „Ich bin ein Star - Holt mich hier raus”
5. Dramatisierung und Emotionalisierung
5.1. Inszenierungsstrategien anhand des Formats “Frauentausch”
5.2. Inszenierungsstrategien anhand des Formats “Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!”
6. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Sich prügelnde Kinder, verzweifelte Mütter und verliebte Prominente - Diese und ähnliche Szenerien sind aus der zeitgenössischen Fernsehlandschaft nicht mehr wegzudenken. „Wenn die Zeiten draußen ungemütlich sind, wenn Krieg ist, wenn Unsicherheit ist, dann wollen die Leute gemütliches Fernsehen sehen. Wenn man sich an das Chaos draußen gewöhnt hat, dann sind die Menschen bereit für ein bisschen kontroverse Themen”, erklärte Boris Brandt von der Produktions firma „Endemol“ vor einigen Jahren in einem Interview mit Spiegel Online (o.J.). Diese Produktions firma ist unter Anderem verantwortlich für einige der derzeit beliebtesten TV-Formate in Deutschland, wie zum Beispiel „Vermisst”, „Verzeih Mir” oder „Promi Big Brother”. Eben jene Formate tragen, wenn man Brandt Glauben schenkt, dazu bei, die angesprochenen, kontroversen Themen über den Fernseher in die deutschen Wohnzimmer zu transportieren.
Die aufgelisteten Formate haben die Gemeinsamkeit, dass sie einer der populärsten Genre-Gattungen der internationalen Fernsehlandschaft angehören - dem Reality TV. Diese hybride, sich stetig wandelnde Gattung zeichnet sich unter Anderem durch Skandale, Schockmomente, Ekel und Grenzübertretungen aus. Fernsehproduzent Markus Peichl verglich Reality TV gar mit einem altertümlichen Jahrmarkt: „Das ist wie fruher auf dem Jahrmarkt, wo in den Schaubuden Schlangenmenschen, Pygmaen und Frauen mit Barten ausgestellt wurden” (Feige; 2001; 175). Auch die aktuelle Bundeskanzlerin, Angela Merkel, gab ihr Interesse an den voyeuristischen, an den Alltag angelehnten Merkmalen des Reality TV zu: „Da schaut man doch gerne hinein, wenn die Leute ihre Gardinen nicht zugezogen haben” (Feige; 2001; 175).
Die vorliegende Hausarbeit befasst sich nun mit dieser kontroversen Mediengattung und mit verschiedenen Aspekten der Dramatisierung und Inszenierung innerhalb zweier Reality TV-Formate. Für die exemplarische Analyse wurden die beiden Formate „Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!” (in vielen Fällen auch als „Dschungelcamp” bezeichnet) und „Frauentausch” gewählt. Bei beiden Formaten handelt es sich um langjährig erfolgreiche Adaptionen aus dem Ausland, die in Deutschland von privaten Sendeanstalten ausgestrahlt werden. Des Weiteren sind beide Formate, wie in dem nächsten Abschnitt erläutert wird, dem performativen Reality TV zuzuordnen.
2. Reality TV
Seit mittlerweile fast 30 Jahren stößt eine Begrif flichkeit nicht nur bei Medienwissenschaftlern, sondern auch in der breit en Öffentlichkeit auf reges Interesse - Reality TV. Frühe Versuche von Definitionen dieses Terminus betonten u.A. einen Fokus auf das „echte Leben” und die Inszenierung „alltäglicher Situationen”, doch aufgrund einer starken, thematischen Ausdifferenzierung der verschiedenen Formate und Formen des Reality TV in den letzten Jahren ist die Findung einer einheitlichen Definition für alle Formate des Reality-TV nahezu unmöglich geworden (Vgl. Holmes & Jermyn; 2004; 3).
Genau genommen hat sich Reality TV in den letzten Jahrzehnten in eine derartige Vielzahl von Genres ausdifferenziert, dass man eigentlich nicht mehr von einem Genre oder einer Gattung,, sondern von einer „Genrefamilie” sprechen sollte (Vgl. Lücke & Klaus; 2003; 196). Wie bereits angesprochen handelt es sich bei der „Genrefamilie” des Reality TV um eine sehr hybride „Genrefamilie”, die sich stilistischer und thematischer Eigenschaften anderer Genres bedient und hieraus stetig neue Sub-Genres erschafft. Genau aus diesem Grund ist es aus heutzutage noch nicht möglich, eine einheitliche Definition für diese „Genrefamilie“ zu festzulegen, die auch in Zukunft Gültigkeit bewahren kann. Als verbindendes Merkmal der verschiedenen Sub-Genres kann jedoch die „Hinwendung zu alltäglicheren, der Lebenswelt der Zuschauerinnen und Zuschauer entnommenen Themen und damit einhergehend die emotionalisierte Darstellung des Privaten und Intimen in der Öffentlichkeit“ (Lücke & Klaus; 2003; 196) genannt werden. Des Weiteren differenzieren Lücke und Klaus die „Genrefamilie“ in zwei verschiedene Ausprägungen aus: „Narratives Reality TV umfasst jene Sendungen, die ihre ZuschauerInnen mit der authentischen oder nachgestellten Wiedergabe realer oder realitätsnaher außergewöhnlicher Ereignisse nicht-prominenter Darsteller unterhalten. Performatives Reality TV umfasst jene Sendungen, die eine Bühne für nicht-alltägliche Inszenierungen sind, jedoch zugleich direkt in die Alltagswirklichkeit nicht-prominenter Menschen eingreifen“ (2003; 198).
In der folgenden Analyse der beide Formate „Frauentausch“ und „Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!“ gilt es zu beachten, dass es sich bei beiden Formaten um performative Formate handelt, obwohl „Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!“ mit prominenten Akteuren arbeitet. Beide Formate bedienen sich an Elementen anderer, performativer Formate, aus den Bereichen Game-Show, Beziehungs-Show und sogenannten Problemlösesendungen.
3. Docu-Soaps
Sogenannte Docu-Soaps gehören zu den erfolgreichsten und etabliertesten Sub-Genres innerhalb des Reality TV. Bereits Ende der 1990er Jahre haben sich thematisch vielfältige Formate, in Form von Kurzzeitstaffeln, sowohl bei öffentlich-rechtlichen, als auch bei kommerziellen Fernsehanbietern etabliert (Vgl. Lünenborg & Martens & Köhler & Topper; 2011; 22). Docu-Soaps vermischen die fiktionale Gattung der Serie mit der non-fiktionalen Gattung der Dokumentation (Vgl. Klaus & Lücke; 2003; 201). Hier werden alltägliche Situationen des Lebens von nicht-prominenten Schauspielerinnen und Schauspielern, die auf den Betrachter wie Alltagsmenschen wirken, inszeniert. Margareth Lüneborg bezeichnete dieses Konzept als „serielle dokumentarische Erzählung” (Vgl. Lünenborg; 2004; 115). Durch, der sozialen Realität entnommener, Motive und Tätigkeiten, wie zum Beispiel der Verrichtung des Haushalts oder den Einkauf im Supermarkt, erzeugen Docu Soaps eine inszenierte Nähe dem Alltag (Vgl. Scharch; 2011; 4). Des Weiteren kommen hier, wie bereits erläutert, keine professionellen Schauspielerinnen und Schauspieler zum Einsatz, sondern (fast) ausschließlich „normale Menschen” Trotz dieser Wirklichkeitselemente handelt es sich um eine Inszenierung des Alltags, für welche stilistische Elemente genutzt werden, die dokumentarischen Bereichen zugeordnet werden könnten. Beispiele hierfür finden sich in einer folgenden Analyse des Formats „Frauentausch“.
3.1 Docu-Soaps - „Frauentausch”
Das international erfolgreiche Format „Frauentausch” wird in Deutschland seit dem Jahr 2003 wöchentlich auf dem Privatsender RTL 2 ausgestrahlt. Das Konzept der Sendung ist denkbar simpel: In jeder Folge tauschen zwei Frauen aus den verschiedensten sozialen Umfeldern für zehn Tage die Familien, wobei jede „Tauschfrau” die kompletten P flichten der jeweils anderen „Tauschfrau” übernehmen muss. Auch der Ablauf der Sendung ist in jeder Folge identisch: Zu Beginn werden die beiden Ursprungsfamilien vorgestellt, wobei recht früh erkenntlich ist, dass sie aus grundsätzlich verschiedenen Umfeldern stammen. So wird schon früh eine Art Stempel aufgedrückt. Im Anschluss an die Vorstellung findet der eigentliche Tausch statt. Nach fünf Tagen dürfen die beiden „Tauschfrauen” in ihren neuen Familien die Regeln ändern, um so ihre eigenen Erfahrungen und Ein flüsse in den neuen Alltag einzubringen. Am Ende jeder Episode kehren die beiden „Tauschfrauen“ in ihre Familien zurück und berichten von ihren Erlebnissen.
Reufsteck und Niggemeier beschrieben den Reiz und die Besonderheit des Formats mit den folgenden Worten: „Richtig Spaß, weiß RTL 2, macht die Sendung, wenn unterschiedliche Welten aufeinander prallen. Also werden Konstellationen so gewählt, dass Kon flikte vorprogrammiert sind” (Reufsteck & Niggemeier; 2005; 413). Adaptiert wurde das Format aus Großbritannien, wo das Original unter dem Titel „Wife Swap” erfolgreiche Quoten von bis zu 6,5 Millionen erreichen konnte (Vgl. Reufsteck & Niggemeier; 2005; 413). Auch RTL 2 pro fitierte von dem Format: Anfang des Jahres 2010 konnte die Sendung bis zu 1,82 Millionen Zuschauer vor die Bildschirme locken. Dies entspricht einem Anteil von 11,2 Prozent in der relevantesten Zielgruppe, die bei männlichen und weiblichen Zuschauern zwischen 15 und 49 Jahren anzusiedeln ist (Vgl. Weis; 2010). Im Rahmen dieses Erfolgs versuchten öffentlich-rechtliche und private Sender das Grundkonzept zu übernehmen, was zu einer Art „Tauschrausch” führte, in dem so ziemlich alles getauscht wurde, was zu tauschen ist: Auf die Frau folgten die Schwiegermutter, die Familie, der Urlaub, der Job und vieles mehr.
4. Reality-Soaps
Ein weiteres Sub-Genre des Reality TV sind Reality-Soaps. Diese werden in Deutschland seit der Erstausstrahlung von „Big Brother” im Jahre 2000 gezeigt und können, wie auch Docu-Soaps, keiner homogenen Mediengattung zugeordnet werden. Wie auch bei den Doku-Soaps, werden hier Elemente der non-fiktiven Dokumentation mit Elementen der fiktiven Serie kombiniert, jedoch kommen in Reality-Soaps auch Elemente aus Talkshows und Gameshows hinzu (Vgl. Bohrmann 2000, 5).
Ein weiterer, wesentlicher Unterschied zwischen den beiden Sub-Genres des Reality TV besteht in dem Setting von Reality-Soaps. Als zentrales Element zugehöriger Formate werden die Protagonisten für die Zeit der Dreharbeiten in einem arrangierten, sozialen Umfeld untergebracht, welches sie ihrem natürlichen Alltag entzieht. Hierbei ist kann es sich um ein Haus (z.B. „Big Brother“), eine Lichtung im Dschungel (z.B. „Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!“) oder gar ein eigenes Dorf (z.B. „Newtopia“) handeln. Dieses Setting ermöglicht es den Machern von Reality-Soap-Formaten, mithilfe von extremen Lebenssituationen, ein Konkurrenzverhalten zwischen den einzelnen Protagonisten aufzubauen (Vgl. Flicker 2001, 24). Dieser Zustand führt, innerhalb der teilnehmenden Protagonisten, zu Streit, Liebe, Neid und anderen Emotionen, die man sonst auch aus Soap-Opera Formaten kennt. Auch die Bezeichnung Reality-Soap rührt aus diesem direkten Eingriff in das soziale und geogra fische Umfeld der Protagonisten, welches durch ein anderes, inszeniertes Umfeld ersetzt wird. In vielen Fällen werden die Protagonisten zudem rund um die Uhr ge filmt und überwacht, worauf auch der Begriff „Reality“ zurückzuführen ist.
Wie auch in Docu-Soaps werden die Protagonisten nicht zufällig ausgewählt. Es wird gezielt auf das Alter, das Aussehen und das Verhalten der einzelnen Protagonisten geachtet, um Kon fliktpotential zu erzeugen. Auch bei Reality-Soaps ist die Authentizität des Gezeigten nur eine Art Schein, da die Protagonisten zwar rund um die Uhr ge filmt werden, der Regisseur jedoch aus der Gesamtheit der Aufnahmen erst die eigentliche Serie zusammenstellt und für die letztendlich ausgestrahlte Episode aufbereitet (Vgl. Madner 2003, 8). Im Gegensatz zu Docu-Soaps treten in Reality-Soaps nicht ausschließlich „normale Menschen” gegeneinander an. In den letzten Jahren haben sich Formate, wie zum Beispiel „Ich bin ein Star - Holt mich hier raus” oder „Promi Big Brother“ etabliert, in denen bewusst prominente Protagonisten eingesetzt werden.
4.1 Reality-Soaps - „Ich bin ein Star - Holt mich hier raus”
Die Erstausstrahlung des Formats ereignete sich im August 2002, unter dem Titel „I'm A Celebrity - Get Me Out Of Here!”, in Großbritannien. Nachdem das Format dort, mit elf Millionen Zuschauern am Finaltag der ersten Staffel, einen riesigen Erfolg verbuchte, feierte die deutsche Adaption „Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!” fast zwei Jahre später, im Januar 2004, auf dem Privatsender RTL Premiere.
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