Im Laufe seines Forscherlebens decodierte Bourdieu zahlreiche Arten des Handelns und erstellte verschiedene Habitusanalysen. Allerdings hinterließ er keine spezifische Methode, sondern nur Ansätze, zur Analyse und Differenzierung von Habitusmustern. Die Wurzeln des methodologischen Ansatz der Habitus-Hermeneutik gehen im deutschsprachigen Raum bis Mitte der 1980er Jahre zurück, wo sich die Forschungsgruppe am Institut für Politische Wissenschaft der Universität Hannover erstmals mit Fragestellungen beschäftigten, die mit dem gesellschaftlichen Strukturwandel zusammenhängen. Im Rahmen ihrer Analyse der westdeutschen Sozialstruktur entstand der Begriff der Habitus-Hermeneutik, der darauf hinweist, dass die soziale Position oder Kapitalkonfiguration eines Individuums nicht für sich spricht, sondern dass mit dem Verstehen eines Habitus eine spezifische Deutungsarbeit geleistet werden muss. Bremer und Teiweis-Kügler weisen darauf hin, jene Ansätze überdacht und abgeändert, jedoch keine Methode wirklich neu entwickelt zu haben.
Da ein wichtiges Zitat von Bourdieu lautet: „Verstehen heißt zunächst, das Feld zu verstehen, mit dem und gegen das man sich entwickelt“, wird diese für seinen soziologischen Ansatz wesentliche Aussage im weiteren Verlauf der Arbeit in Relation zu seinem zeitgenössischen philosophischen Umfeld, gesetzt. Nachdem Bourdieus methodisches Vorgehen skizziert und ausgewählte Begriffe seines empirischen Baukastens vorgestellt wurden, folgt in Kapitel 3 die Vorstellung seiner Sozialanalyse mit dem Titel „Das Elend der Welt“. Es werden sowohl die Rahmenbedingungen, als auch der Aufbau der Studie thematisiert, um das zugrunde liegende methodische Konzept des Verstehens nachvollziehen zu können. Bevor der Ansatz der Habitus-Hermeneutik thematisiert wird, der auf dem Konzept des Verstehens basiert, wird ein Blick auf den wissenschaftlichen Beobachter und seine Rolle im Rahmen des Forschungsprozesses geworfen. Für die Textinterpretation wurde das Interview in vier Abschnitte unterteilt. Jeder Abschnitt beinhaltet zwischen fünf und zehn Antworten der Interviewten. Aus Platzgründen erfolgt anfänglich eine ausführlichere Interpretation, wobei im weiteren Fortschreiten der Analyse die anfänglich generierten Habitushypothesen entweder näher bestimmt oder falsifiziert werden. Bevor ein Fazit gezogen wird, wird versucht, eine denkbare Positionierung der Akteurin im sozialen Raum darzustellen, sowie eine mögliche Verortung ihres Habitus vorzunehmen.
Inhaltsverzeichnis (Table of Contents)
- Einleitung
- Leben und charakteristische Werke
- Problemstellung und Gang der Untersuchung
- Theoretischer Bezugsrahmen seines methodologischen Ansatzes
- Philosophische Einflüsse
- Konzept der Strategie
- Zentrale Kategorien und Theoreme
- Habitus
- Kapitalarten
- Sozialer Raum und Lebensstile
- Feld
- Sozialanalyse der französischen Gegenwartsgesellschaft
- Hintergrund und Struktur der Studie
- Ansatz der Habitus-Hermeneutik
- Minimierung der gesellschaftlichen Asymmetrie
- Anforderungen an den wissenschaftlichen Beobachter
- Orientierungsraster
- Auswertung des Interviews
- Interview: Nachtarbeit von Rosine Christin
- Sequenzen der Konversation
- Danielles Alltag
- Arbeitsabläufe und Strukturen bei der Post
- Probleme der nächtlichen Arbeitszeit
- Zugang nach Paris und das Bedürfnis nach Integration
- Danielles Positionierung im sozialen Raum und mögliche Verortung ihres Habitus
- Fazit und Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte (Objectives and Key Themes)
Diese Arbeit analysiert den methodologischen Ansatz der „Habitus-Hermeneutik" im Sinne von Pierre Bourdieu. Sie beleuchtet die wichtigsten Elemente dieses Ansatzes und zeigt dessen Anwendung anhand einer Fallstudie.
- Die Entwicklung und Anwendung der Habitus-Hermeneutik als wissenschaftliche Methode
- Die zentrale Rolle des Habitus und seiner Beziehung zu Kapitalformen und dem sozialen Raum
- Die Anwendung der Habitus-Hermeneutik in der Sozialanalyse der französischen Gegenwartsgesellschaft
- Die Untersuchung von Lebensbedingungen und -erfahrungen in verschiedenen sozialen Schichten
- Die kritische Analyse der gesellschaftlichen Strukturen und ihrer Auswirkungen auf das Individuum
Zusammenfassung der Kapitel (Chapter Summaries)
- Einleitung: Diese Einleitung gibt einen Überblick über das Leben und Werk von Pierre Bourdieu, einschließlich seiner wichtigsten Werke und seiner politischen Engagements.
- Theoretischer Bezugsrahmen: Dieser Abschnitt erläutert die philosophischen Einflüsse auf Bourdieus Werk und präsentiert zentrale Kategorien seiner Theorie, wie den Habitus, verschiedene Kapitalarten, den sozialen Raum und das Feld.
- Sozialanalyse der französischen Gegenwartsgesellschaft: Dieser Abschnitt beschreibt die Studie, die Bourdieu durchgeführt hat, um die französische Gesellschaft zu analysieren. Der Fokus liegt dabei auf dem Ansatz der Habitus-Hermeneutik und seiner Anwendung in der Untersuchung eines Interviews mit einer Nachtarbeiterin.
Schlüsselwörter (Keywords)
Die Arbeit konzentriert sich auf den methodologischen Ansatz der „Habitus-Hermeneutik", entwickelt von Pierre Bourdieu, sowie auf die Analyse der französischen Gegenwartsgesellschaft. Weitere zentrale Begriffe sind Habitus, Kapitalformen, sozialer Raum, Feld, Distinktion, Sozialisation, Lebensbedingungen und gesellschaftliche Strukturen.
- Arbeit zitieren
- Nicole Reddemann (Autor:in), 2015, Der methodologische Ansatz der „Habitus-Hermeneutik“ im Sinne von Pierre Bourdieu, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/354196