Ziel der Arbeit ist die grundrechtsdogmatische Einordnung eines Kopftuches, getragen von einer Lehrerin im Unterricht auf der Grundlage des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes vom 24.9.2003. Besonders problematisch ist dabei die Vieldeutigkeit des Kopftuches und die Frage, welche der verschiedenen moeglichen Bedeutungsgehalte des Kleidungsstueckes im juristischen Streitfalle als massgeblich erachtet wird - gerade in der Abwaegung mit kollidierenden Rechtspositionen. Die Arbeit verdeutlicht, dass es letztlich drei verschiedene Bedeutungsebenen des Kopftuches gibt: eine religioese, eine politische und eine geschlechtsspezifische. Jede dieser Bedeutungsebenen kann negativ, im Sinne von nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, aber auch positiv, im Sinne von mit dem Grundgesetz vereinbar, interpretiert werden. Welche der moeglichen Bedeutungsebenen des Kopftuches letztlich als juristisch massgeblich bewertet wird, haengt von den konkreten Details und Umstaenden des Einzelfalles ab.
Ist man sich dieser verschiedenen Bedeutungsgehalte sowie der Tatsache bewusst, dass sich jede dieser Bedeutungsgehalte verfassungskonform sowie verfassungswiedrig interpretieren laesst, so wird erst verstaendlich, warum die Karlsruher Richter zu keinem wirklichen Konsens bei der grundrechtlichen Bewertung des Falles gelangt sind; vielmehr widerspricht die abweichende Meinung dreier Richter fundamental der Ansicht der Mehrheitsentscheidung in allen zentralen Streitpunkten des Falles.
Inhaltsverzeichnis
- A. Einleitung
- B. Grundrechtliche Probleme
- 1) Art. 4 Abs. 1, 2
- a) Beamte und Grundrechte
- aa) Beamte als Grundrechtsberechtigte
- bb) Beamte als Grundrechtsverpflichtete
- cc) Beamte als Grundrechtsberechtigte und -verpflichtete
- dd) Die Position des Gerichtes
- b) Schutzbereich
- aa) Die Deutungsmöglichkeiten des Kopftuches
- bb) Bestimmung der maßgeblichen Bedeutung
- cc) Die Position des Gerichtes
- (1) Mehrheitsvotum
- (2) Abweichende Meinung
- (3) Kritik
- c) Eingriff
- d) Verfassungsmäßige Rechtfertigung
- aa) Schranke
- bb) Auflösung der Kollisionslage
- (1) Religiös- weltanschauliche Neutralität in der Schule
- aaa) Distanzierte Neutralität
- bbb) Offene Neutralität
- ccc) Die Position des Gerichtes
- (2) Das Ausmaß religiös-weltanschaulicher Bezüge in der Schule
- aaa) Toleranzmodel
- bbb) Striktere Neutralität für Lehrer
- ccc) Die Position des Gerichtes
- (A.) Mehrheitsmeinung
- (B.) Abweichende Meinung
- (C.) Kritik
- (1) Religiös- weltanschauliche Neutralität in der Schule
- 2) Art.33 Abs.2, 3
- a) Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem
- b) Rechtfertigung
- aa) Das beamtenrechtliche Problem
- bb) Die Lösung des Gerichtes
- (1) Mehrheitsvotum
- (2) Abweichende Meinung
- (3) Kritik
- a) Beamte und Grundrechte
- C. Staatsorganisationsrechtliche Probleme
- D. Fazit
- 1) Mehrheitsvotum
- 2) Abweichende Meinung
- 3) Kritik
- E. Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert die Kopftuchentscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 24. September 2003, welche sich mit der Frage beschäftigt, ob muslimischen Lehrerinnen in deutschen Schulen das Tragen eines Kopftuches aus religiösen Gründen erlaubt ist. Die Arbeit untersucht dabei die relevanten grundrechtlichen und staatsorganisationsrechtlichen Aspekte des Falles und analysiert sowohl die Mehrheitsentscheidung als auch die abweichende Meinung des Gerichts sowie die Kritik in der juristischen Fachliteratur.
- Grundrechtliche Aspekte des Kopftuchtragens in der Schule
- Anwendung von Art. 4 Abs. 1 und 2 sowie Art. 33 Abs. 2 und 3 GG im Kontext der Kopftuchproblematik
- Neutralitätspflichten von Beamten und die Frage der Religionsfreiheit
- Das Spannungsverhältnis zwischen persönlicher Religionsausübung und staatlichen Interessen
- Die Rolle des Gesetzgebers bei der Gestaltung von Recht und Ordnung im Bereich der Religionsfreiheit.
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung gibt einen Überblick über den Fall Ludin und die rechtliche Problematik des Kopftuches in der Schule. Sie beleuchtet auch die kontroverse Debatte in der juristischen Fachliteratur sowie in der Öffentlichkeit. Kapitel B konzentriert sich auf die grundrechtlichen Aspekte des Kopftuchfalles. Dabei geht es insbesondere um die Frage, ob Beamte wie Private auf Grundrechte berufen können und welche Einschränkungen der Grundrechte im Beamtenverhältnis zulässig sind. Das Kapitel untersucht außerdem den Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG, die Bedeutung des Kopftuches im Kontext der Religionsfreiheit und die rechtliche Rechtfertigung des Kopftuchverbots. In Kapitel C werden staatsorganisationsrechtliche Fragen aufgeworfen, insbesondere ob ein Parlamentsgesetz zur Regelung der Kopftuchproblematik notwendig ist. Schließlich wird in Kapitel D das Fazit des Gerichts und die daraufhin entstandene Kritik diskutiert.
Schlüsselwörter
Religionsfreiheit, Kopftuch, Lehrer, Beamte, Grundrechte, Art. 4 Abs. 1 und 2 GG, Art. 33 Abs. 2 und 3 GG, Neutralitätspflicht, Staatsorganisationsrecht, Mehrheitsvotum, Abweichende Meinung, Kritik, Fachliteratur, Bundesverfassungsgericht, Rechtfertigung, Schutzbereich.
- 1) Art. 4 Abs. 1, 2
- Arbeit zitieren
- Sebastian Dregger (Autor:in), 2004, Grundrechtsdogmatische Analyse der Kopftuchentscheidung des Bundesverfassungsgerichtes, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/35430