Im gleichen Jahr wie der ALLBUS`96 mit dem Erhebungsschwerpunkt „Einstellungen gegenüber ethnischen Gruppen in Deutschland“ wurde ein Tagungsband der „Interdisziplinären Forschungsgruppe für multi-ethnische Konflikte“ veröffentlicht. In der Einleitung des Bandes diagnostiziert der Sozialpsychologe Wilhelm Heitmeyer eine „Rückkehr der ethnisch-kulturell motivierten Gewalt“ in den europäischen Nationalstaaten: „Mit ungeheurer Wucht und von großen Irritationen begleitet sind in den politischen Debatten und gesellschaftlichen Abläufen der westlichen wie osteuropäischen Staaten die Probleme ethnisch-kultureller und religiöser Differenzen aufgebrochen, sichtbar geworden, zurückgekehrt. ... Überholt geglaubte ethnisch-kulturelle und religiöse Legitimationen für die Markierung von Grenzen, gemeinschaftlichen Einbindungen und nationalistische Gewalt kehren mit zunehmender Globalisierung und Internationalisierung zurück und wirbeln die 'Moderne' weltweit regressiv durcheinander (Heitmeyer 1996, 11).“
Im Zentrum der dargestellten Problemlage steht die „ethnisch-kulturelle Motivation“ von Gewalt. Ethnische Differenzen und das ihnen inhärente Legitimationspotential für die Anwendung von Gewalt bedrohen Heitmeyer zufolge die Synthesis moderner Gesellschaften. Der Begriff „Ethnizität bezeichnet die für individuelles und kollektives Handeln bedeutsame Tatsache, daß eine relativ große Gruppe von Menschen durch den Glauben an eine gemeinsame Herkunft, durch Gemeinsamkeiten von Kultur, Geschichte und aktuellen Erfahrungen verbunden sind und ein bestimmtes Identitäts- und Solidarbewußtsein besitzen (Heckmann 1992, 56).“ Definieren sich Gruppen über einen solchen Gemeinschaftsglauben spricht man von ethnischen Gruppen oder Ethnien. In Bezug auf die Gesamtgesellschaft läßt sich der Begriff „ethnische Gruppe“ durch eine Mehrheits-/Minderheitsrelation quantifizieren. Abgesehen von dem Sonderfall vollständiger ethnischer Homogenität differenzieren sich Gesellschaften durch ein System ethnischer Schichtung, d.h. neben einer ethnischen Mehrheitsgruppe existieren eine oder mehrere ethnische Minderheitsgruppen. Innerhalb der bestehenden Gesellschaftsstruktur drückt sich die Dominanz der ethnischen Mehrheit zumeist durch die Benachteiligung und Diskriminierung der ethnischen Minderheiten aus. Die spezifische Identität einer ethnischen Gruppe impliziert eine Abgrenzung und Differenzbestimmung von anderen ethnischen Gruppen.
Inhaltsverzeichnis
- Ethnozentrismus
- Einführung
- Vorurteilshafte Einstellungskonstrukte
- Soziale Vorurteile
- Pseudopatriotismus
- Fremdenfeindlichkeit
- Erklärungsansätze
- Theoretischer Bezugsrahmen der Erklärungskonzeption
- Autoritarismus
- Anomie
- Analysemodell, Hypothesen und Methoden
- Analysemodell der Untersuchung
- Hypothesen der Untersuchung
- Methoden der Datenanalyse
- Untersuchungsergebnisse
- Univariate Verteilungen
- Bi- und multivariate Korrelationsanalyse
- Zur Varianz von Signifikanz und Relevanz
- Korrelationsanalytische Hypothesentests
- Resümee
- Literaturverzeichnis
- Anhang: Dokumentation der Ergebnisse
- Soziodemographische Angaben zum ALLBUS`96
- Univariate Verteilungen
- Reliabilitätsanalyse
- Bivariate Verteilungen und Berechnungen
- Korrelationen der vollständigen Indizes
- Kreuztabulierte Verteilungen der trichotomisierten Indizes (Fallzahlen und Diagramme)
- Multivariate Berechnungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht das Ausmaß und die Ursachen von Ethnozentrismus in Deutschland anhand von Daten des ALLBUS`96. Der Fokus liegt auf den Einstellungen von Deutschen gegenüber in Deutschland lebenden Ausländern. Die Untersuchung zielt darauf ab, die Rolle von Autoritarismus und subjektiver Anomie als potenzielle Erklärungsfaktoren für ethnozentristische Einstellungen zu analysieren.
- Ethnozentrismus und seine Manifestation in Form von Fremdenfeindlichkeit und Pseudopatriotismus
- Theoretische Konzepte zur Erklärung von Ethnozentrismus, insbesondere Autoritarismus und Anomie
- Analyse des Zusammenhangs zwischen Autoritarismus, Anomie und ethnozentristischen Einstellungen
- Bewertung der Ergebnisse im Kontext der aktuellen gesellschaftspolitischen Situation in Deutschland
- Diskussion der Bedeutung von ethnozentrischen Einstellungen für die Integration von Migranten in Deutschland
Zusammenfassung der Kapitel
Das zweite Kapitel definiert den Begriff „Ethnozentrismus“ und erläutert seine Subdimensionen „Fremdenfeindlichkeit“ und „Pseudopatriotismus“ sowie deren Operationalisierung. Kapitel 3 stellt die beiden Erklärungskonstrukte „Autoritarismus“ und „Anomie“ vor und erläutert deren Operationalisierung. Kapitel 4 präsentiert das Gesamtmodell der Untersuchung, die Untersuchungshypothesen und die statistischen Analysemethoden.
Schlüsselwörter
Ethnozentrismus, Fremdenfeindlichkeit, Pseudopatriotismus, Autoritarismus, Anomie, Einstellungen gegenüber ethnischen Gruppen, ALLBUS`96, Deutschland, Sekundäranalyse, empirische Sozialforschung.
- Arbeit zitieren
- Oliver Laqua (Autor:in), 1999, Ethnozentristische Einstellungen in der Bundesrepublik Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/35487