Storytelling im digitalen Zeitalter. Scrollytelling als Chance für den Online-Journalismus

Online-Kommunikation und Crossmedia


Hausarbeit, 2016

21 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1. Einführung: Wie „Snow Fall“ die Massen begeisterte

2. Online-Journalismus als Folge der digitalen Revolution
2.1. Merkmale des Online-Journalismus
2.2. Anforderungen an den modernen Online-Journalismus
2.3. Vorwurf des Verlusts von Qualität

3. Die neuen Erzählformen des Digitalen Storytelling
3.1. Datenjournalismus und Gamification
3.2. Scrollytelling
3.2.1. Was macht eine gute Scrollytelling-Geschichte aus?
3.2.2. Am Beispiel „Arabellion: Was vom Frühling bleibt

4. Schwierigkeiten und Chancen für den Online-Journalismus

5. Schluss: Ausblick auf die Zukunft des Scrollytellings

6. Quellenverzeichnis

7. Erklärung der wissenschaftlichen Redlichkeit

1. Einführung: Wie „Snow Fall“ die Massen begeisterte

Eine Reportage, die im wahrsten Sinne des Wortes eine Lawine auslöste. Ende 2012 erschien das Online-Feature „Snow Fall – The Avalanche at Tunnel Creek“ auf der Webseite der New York Times. Ein Gesamtkunstwerk, das die Menschen begeisterte. Die Aufmachung, die Bedienung, das Zusammenspiel von Multimedia – all das in Kombination gab es in dieser Machart noch nie. Sechs Monate hatte der amerikanische Sportjournalist John Branch für die Reportage recherchiert, in der er in fünf Akten die Tragödie beschreibt, als am 19. Februar 2012 vier Extremsportler am Tunnel Creed in den Cascades im Nordwesten der USA von einer Lawine verschüttet wurden. Nur einer von ihnen überlebte.[1]

Die Geschichte wird in Form von Videos, Audios und natürlich Text aus mehreren Perspektiven erzählt. Der Leser fliegt in einer Animation über die schneebedeckten Berggipfel der Cascades, hört Mitschnitte von Funksprüchen und sieht der Überlebenden dabei zu, wie sie in einem Interview ernst und gefasst von dem Unglück berichtet.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Die Startseite von "Snow Fall: The Avalanche at Tunnel Creek“[2]

„Snow Fall“ bereitete den Weg für viele weitere sogenannte Scrollytelling-Geschichten beziehungsweise Multimedia-Reportagen, ein perfektes Zusammenspiel aus Film, animierten Infografiken und Slide-Shows. Doch was macht die Art der Aufmachung dieser Reportage so besonders? Wieso gibt es noch verhältnismäßig wenige ihrer Art und wieso sind sie noch weitestgehend unbekannt? Stellen solche Multimedia-Reportagen eine Chance für den Ruf des Online-Journalismus dar? Diese Fragen gilt es zu beantworten, indem man zuallererst die Entwicklung des Journalismus in den letzten Jahren betrachtet.

2. Online-Journalismus als Folge der digitalen Revolution

Digitalisierung, Medienwandel, Crossmedia – Begriffe, die bereits zum Standardjargon eines jeden Journalisten gehören, weil er immer wieder damit konfrontiert wird. Wenngleich diese Ausdrücke unterschiedliche Bedeutungen haben, so implizieren sie doch alle eines: Medien müssen sich verändern. Eine der größten Errungenschaften im Laufe der Digitalisierung ist ganz klar das World Wide Web. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, sich online zu bestimmten oder aktuellen Themen auf dem Laufenden zu halten, zum Beispiel über Mikroblogging wie Twitter, Kurznachrichtendienste auf dem Smartphone, Nachrichten-Aggregatoren (das heißt, Nutzer können sich hier einen schnellen und nach eigenen Vorstellungen zusammengestellten, kategorisierten Überblick verschaffen, ohne mehrere Websites durchsuchen zu müssen[3] ) oder personalisierten E-Mail-Alert.[4] Kein anderes Medium liefert eine so schnelle und minutenaktuelle Berichterstattung wie das Internet. Und diesen Vorsprung wird auf Dauer auch kein anderes Medium einholen können.[5] Darauf musste und muss der Journalismus reagieren und in Folge dessen bildete sich eine neue Form heraus: Der Online-Journalismus.

2.1. Merkmale des Online-Journalismus

Auch innerhalb des Journalismus findet ein Wandel statt. Der Online-Journalismus erfreut sich, trotz andauernder Hindernisse und Gegner, immer größerer Beliebtheit. Stefan Plöchinger, der ehemalige Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung, fasste diese Entwicklung wie folgt zusammen:

„Jahrelang waren die Onliner die Underdogs der Redaktionen, die zweite Klasse des Journalismus. […] Inzwischen werden die Digitalen selbstbewusst. Sie sind in der Rolle der Erneuerer.“[6]

Weil der Ruf des Online-Journalismus steigt, steigen auch die Anforderungen an die Journalisten. Und hier kommt die Crossmedialität ins Spiel. Die Rede ist von der berühmten eierlegenden Wollmilchsau: Journalisten sollen in der Theorie perfekt ausgebildete Kameramänner, Cutter, Fotografen, Sprecher und Webdesigner sein. Auf dem ersten Blick scheint das sehr abschreckend, aber dieses Bild des perfekten Allrounder-Journalisten ist selbstverständlich Utopie. Solide Grundkenntnisse in mindestens zwei Medien sind jedoch in fast jeder Stellenausschreibung großer Medienhäuser verlangt, man spricht häufig von bi- oder trimedialen Kenntnissen.

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Abbildung 2: Stellenausschreibung des Marketingmagazins „absatzwirtschaft“, einer Tochterfirma des bekannten „Handelsblatts“[7]

Auch wenn Journalisten heutzutage möglichst cross- beziehungsweise multimedial ausgebildet sein sollten, so gilt doch: Ohne das klassische journalistische Handwerk funktioniert dieser Beruf nicht. Technische Perfektion ersetzt keine anständige, saubere, journalistische Recherche.[8]

Der wesentliche Unterschied zwischen dem traditionellen Journalisten und dem Online-Journalisten liegt darin, dass der Online-Journalist die Aktivität seiner Nutzer miteinbezieht, Interaktivität konzipiert und Nutzerkommunikation ermöglicht.[9] Sie müssen sich ihre Leser also immer zum publizistischen Werk dazu denken.

Nach Markus Kaiser besitzt der Online-Journalismus zusammengefasst folgende Alleinstellungsmerkmale: Er muss sich selbst ständig aktualisieren, sowohl im technischen als auch im thematischen Bereich. Er ist stärker interaktiv als der Printjournalismus und multimedial. Der Umfang ist uneingeschränkt, das Internet bietet also unendlich viel Platz für journalistischen Content. Obendrein ist die Ubiquität ein sehr wichtiger Punkt, das bedeutet, Artikel sind weltweit abrufbar und haben somit eine größere Reichweite als Printerzeugnisse.[10]

2.2. Anforderungen an den modernen Online-Journalismus

Ohne Multimediales Arbeiten geht es nicht mehr. Wenn die nötigen Grundkenntnisse in diesem Bereich fehlen, sind Nachwuchsjournalisten auf dem Markt so gut wie chancenlos.[11] Gängige Video- und Audioschnittprogramme, Grundkenntnisse in HTML und technisches Verständnis werden also vorausgesetzt, wenn auch nicht im vollen professionellen Maß. Dafür sind Programmierer, Webdesigner und Editor, die heute ebenfalls in keiner guten Redaktion fehlen dürfen, zuständig.

Immer wichtiger wird auch die sogenannte Usability, die Nutzerfreundlichkeit einer Webseite. Relevant sind hierbei, wie schnell sich die Nutzer auf der Homepage orientieren können, ob sie für die Zielgruppe ansprechend ist und die Inhalte möglichst attraktiv und angemessen präsentiert werden.[12]

Das Smartphone ist inzwischen ständiger Begleiter der meisten Menschen. 2016 besitzen knapp über 70 Prozent der Menschen ein Smartphone, das heißt, sie können im Idealfall damit auch online gehen und multimediale Inhalte abspielen..,m

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Anteil der Smartphone-Nutzer an allen Mobiltelefonnutzern in Deutschland von 2011 bis 2014 und eine Prognose bis 2019[13]

Mit diesem Trend steigt auch der Wunsch der Nutzer nach Mobilität immer mehr.[14] Artikel und Multimedia-Reportagen sollen also möglichst einwandfrei auf mobilen Endgeräten abspielbar sein und dementsprechend layout-technisch angepasst werden. Wer nur auf stationäre Aufrufe baut, hat im Vergleich mit anderen Angeboten schnell verloren.

Auch technische Rahmenbedingungen beeinflussen die Abrufbarkeit von multimedialen Geschichten, wobei dem Journalisten hier keine Schuld zukommt.

Fast alle Internetnutzer können multimediale Angebote abrufen. Doch vielerorts sind die Übertragungsleistungen der Internetverbindung noch so gering, dass die Ladezeiten sehr lang sind. Auch darauf gilt es bestenfalls Rücksicht zu nehmen und Multimedia als Zusatzinformationen einzubinden, nicht als kompletter Textersatz, um die Kernaussage der Reportage vermitteln zu können.

2.3. Vorwurf des Verlusts von Qualität

„Comment is free, but facts are sacred.“ (C.P. Scott)

Dieser berühmt gewordene Satz des ehemaligen Chefredakteurs des Manchester Guardian beschreibt die Trennung von Information und Meinungsäußerung, die für guten, qualitativen Journalismus gewährleistet sein sollte.[15] Die Problematik im Online-Journalismus: Der Druck zu Schnelligkeit und Aktualität hat sich erhöht und das verführt zu Schlampigkeit.[16] Online-Journalisten müssen dazu fähig sein, unter Druck fehlerfrei und gründlich zu recherchieren und zu arbeiten. Anstatt sich Gedanken darüber zu machen, wie man nun den Schreib-Stil journalistischer Artikel an das veränderte Online-Paradigma anpassen könnte, sollte man sich lieber an die seit jeher geltenden Qualitätsansprüche halten, wie gründliche Recherche und fehlerfreie Grammatik. Qualitätsjournalismus muss auch im Internet stattfinden. Und Qualität hat im Regelfall seinen Preis.[17] Es gibt bereits einige Bezahlmodelle auf dem Markt, von Micropayment-Modellen, Abonnements bis hin zu dem Einzelkauf von Beiträgen. Keines dieser Modelle ist aber endgültig ausgereift.[18] Außerdem ist die Zahlungsbereitschaft der Online-Nutzer für journalistische Erzeugnisse sehr gering. Nur acht Prozent zahlten 2014, laut den Reuters Digital News Report, für digitale Nachrichten.[19] Nicht nur der Text sollte den qualitativen Standards entsprechen, sondern auch der multimediale Teil darf nicht aus verwackelten Smartphone-Aufnahmen und kopierten Infografien bestehen. Hochauflösende Kameraaufnahmen und O-Töne unterstützen einen Text in qualitativer Hinsicht bestmöglich.

3. Die neuen Erzählformen des Digitalen Storytelling

Mit dem Online-Journalismus entwickeln sich auch neue Erzählformen im Internet, besonders im Bereich des Storytelling. Storytelling bedeutet, ungewöhnliche Perspektiven emotional und personalisiert zu erzählen. Die Paradeform des klassischen Storytellings ist die Reportage. Sie soll bewirken, dass die Leser sich in die Geschichte hineinversetzen können, sie also im Idealfall selbst miterleben.[20] Im digitalen Storytelling funktioniert das durch den Einsatz unterschiedlicher Multimedia sehr gut. Es gibt viele Ansätze für neue Erzählformen des digitalen Storytelling und drei dieser Formen konnten sich in den letzten Jahren besonders etablieren: Der Datenjournalismus, Gamification-Projekte und das Scrollytelling à la „Snow Fall“. Diese neuen Erzählformen sind vor allem nicht linear, das heißt, sie bestehen nicht aus einem fortlaufenden Text, sondern aus mehreren Dateien, die miteinander verknüpft sind, wie Infografiken, Textkästen oder Videos.[21] Wenn alles an jeder Stelle miteinander verknüpft werden kann, nennt man das Hypertext.[22] Die beiden erstgenannten Erzählformen werden hier nur kurz behandelt, um einen Überblick und bessere Vergleichbarkeit zu liefern. Das Hauptaugenmerk dieser Arbeit liegt auf dem Scrollytelling.

3.1. Datenjournalismus und Gamification

Der Datenjournalismus hat sich bereits in vielen Online-Redaktionen etabliert. Im Gegensatz zum Politik- oder Wirtschaftsressort ist der Datenjournalismus kein eigenständiges Ressort, wenngleich einige Zeitungen in ihrem Internetauftritt datenjournalistische Artikel unter einem gemeinsamen Überbegriff sammeln. Journalisten können anhand von global zugänglichen, öffentlichen Daten eigene Artikel publizieren und so die Abhängigkeit von Presseagenturen verringern.[23] Journalisten werten Daten selbst aus oder bedienen sich bereits ausgewerteter Datensätze. Wichtig ist, dass diese Daten nicht einfach nur wiedergegeben werden, sondern Hintergrundinformationen dargelegt und Kontexte hergestellt werden. Eine der Hauptquellen für datenjournalistische Artikel bildet das Statistische Bundesamt.[24]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Beispiel eines datenjournalistischen Artikels aus dem Schweizer „Tagesanzeiger“[25]

[...]


[1] Vgl.: Stiehl, Reinhard: Schnee von morgen – das Projekt „Snow Fall“ der New York Times. 02.04.2013. http://www.stiehlover.com/agenturblog/schnee-von-morgen-das-projekt-snow-fall-der-new-york-times/, Zugriff am: 12.08.2016.

[2] Branch, John: Snow Fall. The Avalanche at Tunnel Creek. (2012), http://www.nytimes.com/projects/2012/snow-fall/#/?part=tunnel-creek, Zugriff am: 12.08.2016.

[3] Vgl.: Matzen, Nea (2010): Onlinejournalismus. Konstanz. Seite 21.

[4] Vgl.: von La Roche, Walther/Hooffacker, Gabriele/Meier, Klaus (2013): Einführung in den praktischen Journalismus. Mit genauer Beschreibung aller Ausbildungswege. Wiesbaden. Seite 54.

[5] Vgl.: Jakubetz, Christian (2008): Crossmedia. Konstanz. Seite 42.

[6] Heinrich, Romy (2014): Survival Kit für Journalisten. Konstanz und München. Seite 25.

[7] Verlagsgruppe Handelsblatt: http://www.vhb.de/karriereportal/?yid=777, Zugriff am: 13.08.2016.

[8] Vgl.: Jakubetz, a.a.O., Seite 24.

[9] Vgl.: Hooffacker, Gabriele (2010): Online-Journalismus. Texten und Konzipieren für das Internet. Ein Handbuch für Ausbildung und Praxis. Berlin. Seite 7.

[10] Vgl.: Kaiser, Markus (2015): Innovation in den Medien. Crossmedia. Storywelten. Change Management. München. Seite 11.

[11] Vgl.: Jakubetz, a.a.O., Seite 171.

[12] Vgl.: Ebd. Seite 60.

[13] Statista: http://de.statista.com/statistik/daten/studie/237079/umfrage/anteil-der-smartphone-nutzer-an-allen-mobilfunknutzern-in-deutschland/, Zugriff am: 14.08.2016.

[14] Vgl.: Wolf, Cornelia/Godulla, Alexander (2015): Onlinemedien und Hintergrundinformation: Nutzererwartungen. In: Media Perspektiven, Heft 5 (05.2015), Seite 2-4.

[15] Vgl.: von La Roche, a.a.O., Seite 74.

[16] Vgl.: Jakubetz, a.a.O., Seite 112.

[17] Vgl.: Schneider, Wolf/Raue, Paul-Josef (2012): Das neue Handbuch des Journalismus und des Online-Journalismus. Bonn. Seite 33.

[18] Vgl.: Matzen, a.a.O., Seite 22.

[19] Vgl.: Wolf, a.a.O., Seite 1.

[20] Vgl.: Lampert, Marie/Wespe, Rolf (2012): Storytelling für Journalisten. Konstanz und München. Seite 11-12.

[21] Vgl.: Hooffacker, a.a.O., Seite 40.

[22] Vgl.: Matzen, a.a.O., Seite 22.

[23] Vgl.: Stalph, Florian (2015): Data Journalism in International Reporting. An Exploratory

Study on Data-Driven Investigation of Foreign News Stories (Master-Arbeit). Passau. Seite 59.

[24] Vgl.: Matzen, a.a.O., Seite 121.

[25] Tagesanzeiger: http://blog.tagesanzeiger.ch/datenblog/index.php/10996/terrorangriffe-im-westen-auf-rekordtief, Zugriff am: 20.08.2016.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Storytelling im digitalen Zeitalter. Scrollytelling als Chance für den Online-Journalismus
Untertitel
Online-Kommunikation und Crossmedia
Hochschule
Universität Passau  (Philosophische Fakultät)
Veranstaltung
Online-Kommunikation und Crossmedia
Note
1,3
Autor
Jahr
2016
Seiten
21
Katalognummer
V355223
ISBN (eBook)
9783668440876
ISBN (Buch)
9783668440883
Dateigröße
1378 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Crossmedia, Storytelling, Scrollytelling, Journalismus, Medien, Digitalisierung, Online-Journalismus, Multimedia, Reportage
Arbeit zitieren
Anna Maucher (Autor:in), 2016, Storytelling im digitalen Zeitalter. Scrollytelling als Chance für den Online-Journalismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/355223

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