Metaphorisches Verstehen bei Kindern


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

19 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Anton A. Bucher – „Erste“ und „Zweite Naivität“
2.1 Naiver Realismus
2.2 Artifizialismus
2.3 Animismus und Magie
2.4 Das Verhältnis zwischen „Erster“ und „Zweiter Naivität“ nach Rainer Oberthür

3. Kontroverse zwischen Bernhard Grom und Anton A. Bucher zum Plädoyer Buchers für die „Erste Naivität“

4. Hypothesen zum Metaphernverständnis auf der Grundlage empirischer Studien

5. Die drei Entwicklungsstadien des Gleichnisverständnisses nach Anton A. Bucher
5.1 Stadium 1
5.2 Stadium 2
5.3 Stadium 3
5.4 Didaktische Konsequenzen für die Praxis des Religionsunterrichtes

6. Fazit

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Thema des Metaphorischen Verstehens bei Kindern, wobei der Schwerpunkt auf die Frage nach dem Gleichnisverständnis gelegt wird, da dieser eine besondere Bedeutung im Religionsunterricht zukommt.

Durchgängig wird die religionspädagogische Diskussion referiert, bei der die Frage thematisiert wird, ob und inwiefern Kinder in der Lage sind, Metaphern und Gleichnisse zu verstehen.

Im folgenden Kapitel wird zunächst die Auffassung Anton A. BUCHERs, einem Professor für Religionspädagogik, der ein Plädoyer für die „Erste Naivität“ verfasst hat, erläutert, welche die Diskussionsgrundlage der gesamten Arbeit bildet. Anschließend werden die drei Eigenschaften des kindlichen Weltbildes nach BUCHER skizziert: Naiver Realismus, Artifizialismus und Animismus des kindlichen Denkens und im nachfolgenden Unterpunkt wird das Verhältnis zwischen „Erster“ und „Zweiter Naivität“ nach Rainer OBERTHÜR beschrieben.

Das dritte Kapitel setzt sich mit der Kontroverse zwischen BUCHER und GROM auseinander, welche die Frage nach dem bereits erwähnten Problem des Metaphern- und Gleichnisverständnis thematisiert.

Daraufhin werden einige Hypothesen zum Metaphernverständnis auf der Grundlage empirischer Untersuchungen dargelegt.

Im fünften Kapitel werden die drei Entwicklungsstadien des Gleichnisverständnisses nach BUCHER umrissen, woraus im Anschluss didaktische Konsequenzen für die Praxis des Religionsunterrichtes gezogen werden.

Leitendes Interesse bei der Erstellung dieser Arbeit war, aus der komplexen Thematik des Metaphorischen Verstehens bei Kindern, die wichtigsten Inhalte darzustellen und ihre Bedeutung für den Religionsunterricht zu beleuchten.

2. Anton A. Bucher – „Erste“ und „Zweite Naivität“

Die folgenden Erläuterungen sollen ausgehend von Anton A. BUCHERs Plädoyer für die „Erste Naivität“ die Kontroverse um die Entwicklung des metaphorischen Verstehens bei Kindern verständlich machen.

In seinem Aufsatz „Wenn wir immer tiefer graben…kommt vielleicht die Hölle“[1] plädiert BUCHER für den Schutz der „Ersten Naivität“, wobei diese Begrifflichkeit das Stadium des wörtlichen Verstehens eines Symbols bedeutet. Der Begriff „Zweite Naivität“ dagegen bezeichnet das Stadium des Verstehens eines Symbols als Symbol. Dieses Stadium entspricht dem „nachkritischen Verstehen“ nach FOWLER, der 5. Stufe der „ Symbolfunktion“.[2]

Untersuchungen zu Weltbildvorstellungen bei Kindern und Jugendlichen vom 5. bis zum 20. Lebensjahr haben ergeben, dass Kinder über ein „archaisches Weltbild“[3] verfügen, wobei die Realwelt des Kindes gleichzeitig seine Symbolwelt ist, das heißt Begriffe, wie zum Beispiel Himmel und Hölle, werden als konkrete Örtlichkeiten aufgefasst und nicht als Symbole oder Bilder begriffen. Symbolische Aussagen werden demnach wörtlich verstanden, was zu mythologischen Vorstellungen führt, „denn wörtlich genommen können symbolische Begriffe wie Himmel, Hölle usw. nur mythologisch verstanden werden“.[4] Laut BUCHER und Reto FETZ ist dieses Weltbild durch eine „Oben-Unten-Polarität“[5] gekennzeichnet, welche erst im Jugendlichenalter schwindet, wenn Symbole als solche aufgefasst werden, was im Stadium der „Zweiten Naivität“ geschieht.

Nach Jean PIAGET ist das kindliche Weltbild durch drei Eigenschaften besonders charakterisiert, die auch bei der kindlichen Rezeption religiöser und biblischer Texte kalkuliert werden müssen: durch den „Naiven Realismus“, den „Artifizialismus“ und den „Animismus“ kindlichen Denkens, die im Folgenden skizziert werden.[6]

2.1 Naiver Realismus

Unter dem Naiven Realismus kindlichen Denkens versteht BUCHER, in Anlehnung an PIAGET, ein konkretes Denken mit der Zentrierung auf jeweils einen Aspekt, das den konkreten Weltbildvorstellungen entspricht.[7] Dies bedeutet, dass Abstrakta und Analogien „konkret-handlungsbezogen“ oder „konkret-gegenständlich“[8] aufgefasst werden.

Das Abstraktum Mut bedeutet für Kinder beispielsweise „vom hohen Sprungturm springen, mit einem älteren Jungen raufen“[9] und der Begriff „Reich Gottes“ bezeichnet ein konkretes Herrschaftsterritorium, welches meist im Himmel lokalisiert wird. Vergleichbare konkrete Repräsentationen erfolgen ebenfalls bei abstrakten theologischen Begriffen, wie zum Beispiel bei „Gnade“, „Liebe“, „Freiheit“, „Sünde“, „Erbarmen“.[10]

Vorgänge, die für Erwachsene psychischer Art sind, werden ebenfalls konkret aufgefasst. Kinder nehmen an, der Mensch denke „mit dem Mund“, „Namen (…) steckten in den bezeichneten Dingen selbst“ und „Träume (…) seien objektive Wirklichkeiten, die von außen kommen“.[11]

2.2 Artifizialismus

Den Begriff Artifizialismus definiert BUCHER als „Tendenz des kindlichen Denkens (…), die Herkunft der Dinge und der Natur generell (…) auf eine

konkrete Fabrikation zurückzuführen, als deren Subjekt sich ein anthropomorph repräsentierender Gott fast von selbst anbietet (…)“.[12]

Dies bedeutet, dass sich Kinder einen anthropomorph gestalteten Gott, das heißt einen vermenschlichten Gott, vorstellen, der die Welt gemacht hat. Der Artifizialismus zeigt sich in Aussagen wie: „ „Der liebe Gott hat den Himmel aus Steinen gemacht““ oder „der Himmel hat den Mond gemacht“.[13]

Kinder verstehen die Schöpfungsmythen also noch vollkommen wortwörtlich, verbleiben demnach in der Bildhälfte,[14] und führen die Entstehungsprozesse der Natur auf menschliches Handeln zurück.[15]

Nach FOWLER befinden sich die Kinder auf der Stufe des „eindimensional-wörtlichen Verstehens“,[16] denn hier werden biblische Aussagen über Gott wortwörtlich aufgefasst, was zwangsläufig zu einem „anthropomorphe(n) Gottesverständnis“[17] führt.

2.3 Animismus und Magie

Unter dem Begriff Animismus versteht man den Glauben an die Beseeltheit der Natur. Kinder schreiben beispielsweise Gegenständen, die leblose Objekte sind, ein Bewusstsein und willentliche Absichten zu. „So wird von der Sonne gesagt, sie laufe uns nach“ oder „der Bach sei brav, weil er nicht über sein Bett hinausfließe“.[18]

BUCHER ist der Auffassung, dass diese Vorstellungen so spontan schwinden, wie sie aufgetreten sind.[19]

Außerdem meint er, Animismus, beispielsweise darin geäußert, man dürfe Blumen nicht abreißen, weil es ihnen wehtue, spiegele ein religionspädagogisches Richtziel wieder: „Ehrfurcht vor dem Leben“.[20]

Eng mit dem Animismus ist die Magie im kindlichen Denken verbunden.

Von magischer Bedeutung sind Symbolgestalten, wie zum Beispiel der Nikolaus, das Christkind, Schutzengel und unsichtbare Begleiter, welche

vom Kind als solche Subjekte aufgefasst werden, die bestimmte Vorgänge plausibel erklären. Auch magische Rituale, beispielsweise vor dem Einschlafen, zählen zur kindlichen Magie.[21]

[...]


[1] Bucher, Anton A.: Wenn wir immer tiefer graben … kommt vielleicht die Hölle. In: KatBl 114 (1989), S. 654.

[2] Schweitzer, Friedrich: Lebensgeschichte und Religion, München, 1987, S. 194.

[3] Bucher, Anton A.: Wenn wir immer tiefer graben … kommt vielleicht die Hölle. In: KatBl 114 (1989), S. 655.

[4] Schweitzer, Friedrich: Lebensgeschichte und Religion, München, 1987, S. 192. 2. Stufe der Symbolfunktion nach Fowler.

[5] Bucher, Anton A.: Wenn wir immer tiefer graben … kommt vielleicht die Hölle. In: KatBl 114 (1989), S. 655. „Oben-Unten-Polarität“: Himmel = oben, Hölle = unten.

[6] Vgl. Bucher, Anton A.: Gleichnisse verstehen lernen, Freiburg, Schweiz, 1990.

[7] Vgl. Bucher, Anton A.: Wenn wir immer tiefer graben … kommt vielleicht die Hölle. In: KatBl 114 (1989), S. 657.

[8] Ebd. S. 657.

[9] Ebd. S. 657.

[10] Ebd. S. 657.

[11] Bucher, Anton A.: Gleichnisse verstehen lernen, Freiburg, Schweiz, 1990, S. 16. Bucher, Anton A.: Wenn wir immer tiefer graben … kommt vielleicht die Hölle. In: KatBl 114 (1989), S. 657.

[12] Bucher, Anton A.: Wenn wir immer tiefer graben … kommt vielleicht die Hölle. In: KatBl 114 (1989), S .658.

[13] Bucher, Anton A.: Gleichnisse verstehen lernen, Freiburg, Schweiz, 1990, S. 16.

[14] Vgl. Mette, Norbert: Nochmals: Gleichnisse – schon in der Grundschule? In: KatBl 118 (1993), S. 472 ff.

[15] Vgl. Bucher, Anton A.: Gleichnisse verstehen lernen, Freiburg, Schweiz, 1990, S. 16.

[16] Schweitzer, Friedrich: Lebensgeschichte und Religion, München, 1987, S. 192.

[17] Ebd. S. 192 f.

[18] Bucher, Anton A.: Gleichnisse verstehen lernen, Freiburg, Schweiz, 1990, S. 16.

[19] Vgl. Bucher, Anton A.: Wenn wir immer tiefer graben … kommt vielleicht die Hölle. In: KatBl 114 (1989), S. 659.

[20] Ebd. S. 660. Vgl. S. 8 der vorliegenden Hausarbeit.

[21] Vgl. Bucher, Anton A.: Wenn wir immer tiefer graben … kommt vielleicht die Hölle. In: KatBl 114 (1989), S. 659.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Metaphorisches Verstehen bei Kindern
Hochschule
Universität zu Köln  (Seminar für Katholische Theologie und Religionspädagogik)
Note
1,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
19
Katalognummer
V35567
ISBN (eBook)
9783638354462
Dateigröße
530 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Eine ausgezeichnete Arbeit, die das Thema sehr kompetent und formal sehr korrekt behandelt.
Schlagworte
Metaphorisches, Verstehen, Kindern
Arbeit zitieren
Christina Weiser (Autor:in), 2004, Metaphorisches Verstehen bei Kindern, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/35567

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Metaphorisches Verstehen bei Kindern



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden