Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Autor
3. Werk
3.1 Inhaltsübersicht
3.2 Personen
3.3 Aufbau
4. Interpretation
5. Mythos, Poesie und Bürgerlichkeit
6. Schlussbemerkung
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„Ein Märchen aus der neuen Zeit“ das verkündet der Untertitel des 1814 veröffentlichten Märchens Der goldne Topf von E.T.A Hoffmann. Auf mehrere Arten ist dieses Märchen lesbar. Man ist sich nicht sicher, ob sich die Hauptpersonen wirklich in einer wunderbaren Welt befinden oder ob alles nur Einbildung ist. Sicher ist nur, die Geschichte spielt in Dresden - und wie viel Wunderbares kann einem da schon wiederfahren?
In dieser Arbeit soll geklärt werden, wie man mit E.T.A Hoffmanns Werk umgehen soll, was erforderlich ist, um zu verstehen, wie er sich zur Romantik stellt und welche Motive er verwendet, um dem Leser seine Sicht deutlich zu machen. Zunächst wird das Werk selbst betrachtet, eine kurze Inhaltsübersicht gibt einen Einblick in das Geschehen, außerdem werden die wichtigsten Personen und ihre Funktion im Märchen genannt und der Aufbau wird analysiert.
In einer weiteren Untersuchung soll, auch anhand von anderen Texten, das Problem Poesie und Mythos betrachtet werden. Hierzu wird Friedrich Schlegels Redeüber die Poesie gegenübergestellt. Die Untersuchung soll Aufschluss darüber geben, inwiefern das Thema Mythos als Problem der Sprache, der Poesie und vorallem der Bürgerlichkeit angesehen werden kann und ob die Mythologie in der Gesellschaft überhaupt eine Chance hat zu existieren. Schlegel verlangt nach Poesie und Mythologie, sieht hier aber keine Vereinbarkeit mit dem bürgerlichen Leben.
2. Autor
Ernst Theodor Wilhelm Hoffmann ist am 24. Januar 1776 in Königsberg geboren, wo er auch ein Jurastudium begann, was ihm aber nicht so sehr am Herzen lag wie Musik und Malerei. Als großer Verehrer Mozarts tauschte er seinen dritten Vornamen irgendwann gegen Amadeus ein. Um den gesellschaftlichen Anforderungen gerecht zu werden, arbeitete er trotzdem als Beamter und betrieb die Musik nebenher. 1802 heiratete er die Polin Michaelina Rorer-Trzcinska.
Zwei Jahre später führte ihn eine Berufung nach Warschau, das zu dieser Zeit zu Preußen gehörte. Doch seine Stelle als Beamter verliert er zwei Jahre später als die Franzosen Warschau besetzen und er sich weigert, den neuen Machthaber zu akzeptieren. Seine Arbeit, die er 1807 am Bamberger Theater antritt, erweist sich als Katastrophe, doch er bekommt eine zweite Chance in der Kunst Fuß zu fassen, als ein Bekannter von Hoffmann die Bamberger Bühne übernimmt und ihn als Sekretär, Bühnenbildner, Kulissenmaler und auch Komponisten einstellt.
Eine Affäre zu einer 13-jährigen Gesangsschülerin löste einen gesellschaftlichen Skandal aus, sodass die zwanzig Jahre jüngere die Stadt verlassen musste und Hoffmann aus Frust zu trinken begann. Außerdem verarbeitet er den Schmerz immer wieder in seinen Werken. Seine Stelle als Musikdirektor bei der Operngesellschaft Joseph Secondas, die ihn nach Berlin und Dresden brachte, endete 1814.
Da er in der Kunst nicht erfolgreich war, begann er wieder als Beamter in Berlin zu arbeiten und schrieb nebenher. Zum Verhängnis wird ihm ein 1822 veröffentlichtes Märchen, in dem er aus Akten zitiert und weshalb ein Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet wird.
Nur, weil er noch im selben Jahr starb, konnte kein Urteil mehr gegen ihn gesprochen werden. Am Ende war sein ganzer Körper gelähmt und keine Behandlung half mehr. E.T.A Hoffmann hinterließ einen riesigen Schuldenberg.
Hoffmanns Werke hatten nicht nur in Deutschland große Wirkung, auch in Frankreich war man ganz angetan vom „genre hoffmannesque“. In Deutschland bekam die Sammlung seiner Fantasiestücke von fünfzehn Kritiken nur eine negative. Goethe gehörte nicht zu seinen Anhängern, da ihm die Fantasiegeschichten Hoffmanns fremd waren und alles vereinten, was ihm am Romantischen nicht gefiel:
„(...) ein Gemachtes, ein Gesuchtes, Gesteigertes, Übertriebenes, Bizarres bis ins Fratzenhafte und Karikaturartige.“ (Goethe 1993, S. 361-363, S.362.)
Im 19. Jahrhundert verbreitete sich diese Ansicht von Hoffmann sehr stark und seine Werke galten als zu wenig politisch und sein Lebenswandel wurde kritisiert. Heute ist das wieder anders. Dafür wurde er genau in dieser Phase in Frankreich umso beliebter. Seine Werke wurden zahlreich übersetzt, nicht nur in Frankreich, auch in England, Russland und Amerika und hatten beispielsweise auch Einfluss auf die Musik.1
3. Werk
E.T.A Hoffmanns Märchen Der goldne Topf wurde 1814 veröffentlicht und lässt sich auf mehrere Arten lesen und interpretieren. Das Märchen ist zwölf in Vigilien gegliedert, die allerhand zauberhafte Dinge enthalten. Schauplatz ist die Stadt Dresden.
3.1 Inhaltsübersicht
Die erste Vigilie beginnt mit der Vorstellung des tollpatschigen Studenten Anselmus, der vor dem Schwarzen Tor in Dresden in den Äpfel- und Kuchenkorb eines alten Marktweibes stolpert. Sie wirft ihm merkwürdige Dinge nach:
„Ja renne - renne nur zu, Satanskind - ins Kristall bald dein Fall - ins Kristall!“ (S.5)2
Daraufhin zieht er sich unter einen Holunderbaum nahe der Elbe zurück um Pfeife zu rauchen. Dort passiert etwas Sonderbares: er hört liebliches Geklingel und Geflüster und sieht im Baum drei grüngoldene Schlangen. Eine davon fesselt ihn mit ihrem hypnotischen Blick. Der Blick der Schlange hat Anselmus so getroffen, dass er in der zweiten Vigilie für verrückt oder auch betrunken gehalten wird, weil er sich immer wieder seltsam verhält indem er sich in
Wachträumen verliert. Überall meint er die Schlange zu sehen oder zu hören. Auch seinem Freund, dem Konrektor Paulmann entgeht das nicht, der ihn in Begleitung seiner beiden Töchter und dem Registrator Heerbrand am Ufer trifft und in sein Haus einläd.
Nur die attraktive Tochter des Konrektors, Veronika, und die Aussicht auf eine Stelle beim Archivar Lindhorst, der jemanden sucht, der seine Manuskripte kopiert, lenken ihn ab. Am Haus des Archivaren angekommen, sieht er, dass der Türklopfer sich in das Gesicht der alten Marktfrau verwandelt und die Klingelschnur wird zu einer Würgeschlange. Dies hindert ihn am Eintreten. Als er wieder zu Bewusstsein kommt, ist er zu Hause.
In der dritten Vigilie arrangieren der Konrektor und der Registrator ein Treffen für den Abend, um Anselmus mit dem Archivar in Kontakt zu bringen. Dieser erzählt erkwürdige Geschichten über seine Familie, was für viel Gelächter sorgt. Anselmus nimmt sich trotz allem vor, am nächsten Tag zum Haus des Archivaren zu gehen.
Dass er das nicht tut, zeigt sich in der vierten Vigilie, als er von Sehnsucht getrieben den Holunderbaum aufsucht. Dort trifft ihn der Archivar an, der sich die Geschichte von ihm erzählen lässt. Überrachenderweise ist der Archivar über diese Geschichte nicht sehr verwundert, denn die drei Schlangen sind wohl seine Töchter und die jüngste davon, Serpentina, ist die, die Anselmus sucht. Der Archivar lässt Anselmus in seinen Ring schauen, in dem er die Schlangen sehen kann und gibt ihm ein Fläschchen mit goldgelbem Liquor mit, den er über den Türknopf gießen soll, wenn ihm das Äpfelweib wieder erscheint.
Die fünfte Vigilie ist erfüllt von Veronikas Träumereien, die von einer gemeinsamen Zukunft mit Anselmus schwärmt, doch diese Träume werden unterbrochen von Gestalten, die ihr erscheinen und ihr den Glauben an ein bürgerliches Idyll mit dem erfolgreichen Anselmus zerstören. Eine Freundin gibt ihr den Rat, eine Wahrsagerin aufzusuchen, was Veronika noch am selben Abend tut. Es stellt sich heraus, dass Frau Rauerin, die Wahrsagerin, die Äpfelfrau ist und früher Wärterin bei den Pullmanns war. Diese will Veronika dabei helfen, Anselmus aus dem Einflussbereich des Archivarius und seiner Tochter zu befreien.
In der sechsten Vigilie schüttet Anselmus den Liquor, den ihm der Archivar gegeben hat, über den Türknauf und kommt somit in das prachtvolle Haus des Archivarius. Bevor er mit der Arbeit beginnt, geschehen auch hier wieder geheimnisvolle Dinge. In diesem Kapitel kommt zum ersten Mal der goldne Topf zur Sprache, der als Mitgift angesehen werden kann, außerdem spricht der Archivarius über die Liebe zwischen Serpentina und Anselmus und über mögliche Feinde, die diese Liebe nicht dulden.
Die siebte Vigilie beschreibt die Nacht des 23. September, als Veronika sich nachts zu Liese schleicht, um an einem Kreuzweg eine Art Beschwörung zu vollziehen, die Anselmus und den Verlauf ihrer Beziehung beeinflussen soll. Ein Adler stört mit seinem Geschrei die Zeremonie und lässt Veronika in Ohnmacht fallen und in ihrem Bett wieder aufwachen. Es ist nicht sicher, ob das nur eine Fiebervision war, aber Veronika hat einen kleinen Metallspiegel, den sie wohl in der letzten Nacht von der Alten bekommen hat und worin sie Anselmus sehen kann.
Der Archivarius führt Anselmus in der achten Vigilie in das azurblaue Zimmer, da er mit 4 seiner Arbeit als Kopist sehr zufrieden ist. Hier erscheint ihm Serpentina, die ihm die Geschichte über ihren Vater erzählt. Er ist in Wirklichkeit ein Salamander, der verstoßen wurde, weil er trotz Warnung des Geisterfürsten Phosphorus eine Schlange umarmt hat. Nun muss er im irdischen Leben ausharren, bis seine drei Töchter verheiratet sind. Außerdem warnt sie Anselmus vor der Alten.
Auf dem Höhepunkt der Zerrissenheit erlebt man Anselmus in der neunten Vigilie. Hier erkennt Anselmus, dass er doch Veronika liebt und denkt, er habe die Geschichte vom Vortag nur geträumt. Doch der Alkohol lässt diese Einsicht wieder schwinden und die Situation eskaliert. Anselmus beleidigt den Konrektor und erzählt wirre Geschichten. Am nächsten Tag ist er wieder im Garten des Archivarius, wo sich merkwürdige Dinge abspielen. Dann soll er ein besonderes Manuskript kopieren und ihm passiert das große Unglück: ein Tintenfleck! Das hat enorme Folgen. Anselmus findet sich wieder eingeschlossen in einer Kristallflasche. Hier zeigt sich, was die Alte mit den Worten in der ersten Vigilie prophezeit hat.
In der zehnten Vigilie jammert Anselmus in der Flasche und sieht seine Leidensgenossen, die auch in Flachen gefangen sind. Die Alte erscheint und will ihm helfen, doch Anselmus sieht sein Gefangensein als Strafe dafür, dass er Serpentina kurzfristig verraten hat. Der Archivarius kommt dazu und es beginnt ein magisches Gefecht, das die Alte verliert. Da diese nun zerstört ist, wird Anselmus befreit und mit Serpentina zusammengeführt.
Der Konrektor Paulmann und der Registrator Heerbrand unterhalten sich in der elften Vigilie über die Nacht, in der sie vom Punsch betrunken waren. Der Konrektor nennt Anselmus einen „Teufel“ und sagt, er will ihn nicht mehr sehen. Auch den Registrator Heerbrand sieht er einige Monate nicht bis dieser, mittlerweile zum Hofrat aufgestiegen, kommt und um Veronikas Hand anhält. Diese nimmt, nachdem sie ihre Machenschaften mit der Alten gebeichtet hat, den Antrag an und lebt von nun an das Leben, das sie sich gewünscht hat.
In der zwölften und somit letzten Vigilie wird der Erzähler selbst Teil der Geschichte, indem er von Lindhorst in einem Brief in sein Haus eingeladen wird. Hier bekommt er die Möglichkeit, einen Einblick in das wunderbare Leben von Serpentina und Anselmus in Atlantis zu bekommen. Daraufhin ist der Erzähler betrübt, weil er nicht wieder zurück in seinen bürgerlichen, trostlosen Alltag möchte. Der Archivarius erklärt ihm, dass das Leben von Serpentina und Anselmus „das Leben in der Poesie“ (S.102,4) sei.
3.2 Personen
Anselmus erscheint bereits im ersten Satz in voller Pracht, stürzt er nicht, tollpatschig wie er ist, in den Äpfel- und Kuchenkorb einer alten Markfrau. Er erfüllt alles, was ein typischer Held aus einem Volksmärchen erfüllen muss. Mit seiner gutherzigen und naiven Art gönnt man ihm, dass er am Ende für all das, was er durchgestanden hat, belohnt wird. Als typischer Romantiker ist naturverbunden:
„Am liebsten war es ihm, wenn er allein durch Wiesen und Wälder schweifen und wie losgelöst von allem, was ihn an sein dürftiges Leben fesselte, nur im Anschauen der manigfachen Bilder, die aus seinem Innern steigen, sich gleichsam selbst wiederfinden konnte“ (S.29,32 ff.)
Er flüchtet sich in Tagträume, um sich „für jede äußere Berührung des gewöhnlichen Lebens unempfindlich zu machen“ (S.29,26-28). Außerdem ist er mit seiner naiven Art genau der Richtige für den Archivarius, der „ein kindlich poetisches Gemüt“ (S.70,33) sucht. Nur deshalb ist er in der Lage, das Böse fernzuhalten
„Nimm dich vor der Alten in Acht, lieber Anselmus, sie ist dir feind, weil dein kindlich frommes Gemüt schon manchen ihrer bösen Zauber vernichtet. - Halte treu - treu - an mir, bald bist du am Ziel!“ (S.71,31 ff.)
Auch mit künstlerischem Talent überzeugt er, als er im Haus des Konrektors Musik macht (S.18,8-12) oder als er geschickt die Manuskripte des Archivarius kopiert (S.52,11-13). Man könnte meinen, durch diese Dinge kommt er auch in höheren Kreise gut an, doch er selbst ist eher unsicher, dadurch, dass ihm ständig Missgeschicke passieren (S.8,30 ff.) und sein Kleidungsstil aus der Mode ist (S.6,5 ff.). Viele Freunde werden im gesamten Märchen nicht erwähnt und von Familie ist überhaupt nicht die Rede, er scheint eher wenig Umgang zu anderen Menschen zu pflegen, wahrscheinlich nur deshalb besteht überhaupt die Möglichkeit, ihn so zu zerreißen zwischen Realität und Märchenwelt, was auf die einfachen Bürger komplett verrückt wirkt und sie ihn als Sonderling ansehen (S.16,31-33). Am Ende ist niemand wirklich betroffen darüber, dass er verschwindet.
Auch Veronika ist ein interessanter Charakter. Sie kommt zwar auch in berührung mit den Zauberhaften Dingen, so wie Anselmus, aber geht damit ganz anders um. Sie schafft es, dem nicht zu verfallen, indem sie die zerbrochenen Teile des Spiegels in die Elbe werfen lässt (S.94,19 ff.) und auch sonst bekommt ihr Umfeld nichts davon mit. Sie ist zwar auch eine Träumerin, doch bleiben ihre Träume beschränkt auf die bürgerliche Welt. Während Anselmus sich total fallen lässt, bleibt sie bei ihrem kleinbürgerlichen Dasein und träumt von Hochzeit und Wohlstand. Sie lässt sich zwar auf den Zauber der Alten ein, aber es scheint, als ob sie das nur tun würde, um Anselmus wieder in diese kleine, einfache Welt zurückzuholen, was ihr für kurze Zeit auch gelingt.
„Er wunderte sich selbst über seine Träumereien und schrieb sie lediglich seinem durch die Liebe zu Veronika exaltierten Seelenzustande, sowie der Arbeit bei dem Archivarius Lindhorst zu, in dessen Zimmern es noch überdem so sonderbar betäubend dufte.“ (S.75,13, ff.)
Sie ist wohl eine sehr ansehnliche Frau
„...ein recht hübsches blühendes Mädchen von sechzehn Jahren... “ (S.16,11 ff.)
Sie kann in der Märchenwelt also als Verführerin angesehen werden, die versucht, Anselmus dazu zu bringen, dass er die Phantasie verrät.
[...]
1 Les contes d ´ Hoffmann (Hoffmanns Erzählungen), Uraufführung 1881.
2 Alle Zitate, die nur aus Seitenangaben bestehen, beziehen sich auf E.T.A. Hoffmanns „Der goldne Topf“