Hans Jonas' Gottesbegriff nach Auschwitz. Ein Klärungsversuch der Theodizeefrage


Hausarbeit (Hauptseminar), 2016

18 Seiten, Note: 1,7

Anonym


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Auschwitz als Symbol für den Holocaust

3. Die Theodizeefrage

4. Hans Jonas

5. Der Gottesbegriff nach Auschwitz
5.1 Die Rede
5.2 Der selbsterdachte Mythos
5.2.1 Konsequenzen für das Gottesbild
5.2.1.1 Derleidende Gott
5.2.1.2 Derwerdende Gott
5.2.1.3 Dersich sorgende Gott
5.2.1.4 Der nicht allmächtige Gott

6. Analyse

7. Literatur

1. Einleitung

Im Laufe der Menschheitsgeschichte kam es immer wieder zu Katastrophen, Kriegen und Hungersnöten. Aktuell wird die Welt durch Terror und Angst bedroht, Millionen Menschen befinden sich auf der Flucht aus ihrer Heimat.

Die Frage nach dem Leid in der Welt und wie ein Gott diese zulassen kann, beschäftigt die Menschen dadurch schon immer. Die Religionen haben im Laufe der Zeit die unterschiedlichsten Theorien entworfen, wie diese scheinbar widersprüchlichen Dinge in Einklang gebracht werden können. Der Versuch einer Rechtfertigung Gottes angesichts des Leids in der Welt wird mit dem Begriff der Theodizee umschrieben.

Durch die Geschehnisse des 2.Weltkrieges erreichten diese Überlegungen jedoch eine neue Stufe. Eine weitere Steigerung des Leids und der Gewalt, die die Menschen ratlos zurück lässt. Auschwitz steht wie kein zweites Bild für diese grausame Zeit. Dem Hass der Nationalsozialisten fielen nicht nur Millionen von Juden zum Opfer. Gerade jedoch für sie, das von Gott auserwählte Volk, entsteht hier ein Konflikt, der unlösbar erscheint. Welcher Gott kann so etwas zulassen? Noch dazu mit seinem auserwählten Volk?

Hans Jonas, einer der bedeutendsten Philosophen des 20.Jahrhunderts, war selbst Jude und persönlich von den Ereignissen betroffen. Er beschäftigte sich mit diesen Fragen, da er seinen Glauben an Gott nicht aufgeben wollte. In einer Festrede zur Verleihung des Dr. Leopold-Lucas-Preises der Evangelisch-theologischen Fakultät der Eberhard-Karls-Universität Tübingen im Jahre 1984 ging er dem Gottesbegriff nach Auschwitz nach. Schon rein begrifflich lässt sich hier ein Bruch erkennen, zwischen der Zeit vor Auschwitz und danach. Die Ereignisse haben offensichtlich zu einem Überdenken des Gottesbildes bei ihm geführt.

In der folgenden Arbeit werde ich mich zuerst mit Auschwitz beschäftigen und wofür dieser Begriff heute steht. Anschließend werde ich die Theodizeefrage definieren und genauer beleuchten. Zentrum der Ausarbeitung bildet die Rede von Hans Jonas. Nach einer kurzen Vorstellung von Jonas werde ich die Inhalte seines Vortrages erläutern und diesen abschließend kritisch analysieren.

2. Auschwitz als Symbol für den Holocaust

Auschwitz steht heute für mehr als nur ein Vernichtungslager. Das Wort wurde zu einem Symbol für den gesamten Holocaust. Die Nationalsozialisten richteten ihren Hass vor allem auf die jüdische Bevölkerung. Knapp 6 Millionen Juden wurden auf grausame Art ermordet.

Schon vor der Machtergreifung der NSDAP im Jahre 1933 richtete die Partei sich deutlich gegen die deutschen Juden, sprach bereits 1920 davon, ihnen die deutsche Staatsbürgerschaft abzuerkennen und sie unter die Fremdengesetzgebung zu stellen.[1]Nach 1933 verschärfte sich unter dem BegriffLösung der Judenfragedie Situation für die jüdische Bevölkerung. Durch Entrechtung, Ausgrenzung, Diskriminierung und Vertreibung kam die Maschinerie der Nationalsozialisten unaufhaltsam ins Rollen. Verstärkt wurde dies 1935 durch die Nürnberger Gesetze.[2]

Ab dem Jahr 1939 hatten jüdische Bürger in Deutschland keine Rechte mehr. Sie durften keine öffentliche Verkehrsmittel nutzen, keine Rechtmittel einlegen und ihr Eigentum wurde dem Staat vermacht. Jedoch konnten sie bis zu diesem Zeitpunkt noch offiziell auswandern.[3]1941 wurde eineGesamtlösung der Judenfragegesucht. Während einer Gauleitertagung 1943 sprach Heinrich Himmler in erschreckender Offenheit über die Ermordung der Juden.

„Der Satz, die Juden müssen ausgerottet werden, mit seinen wenigen Worten, meine Herren, ist leicht ausgesprochen. Für den, der es ausführen muss, was er fordert, ist es das Allerhärteste und Schwerste, was es gibt... Es trat an uns die Frage heran: Wie ist es mit den Frauen und Kindern? Ich habe mich entschlossen, auch hier eine ganz klare Lösung zu finden. Ich hielt mich nämlich nicht für berechtigt, die Männer auszurotten - sprich also, umzubringen oder umbringen zu lassen - um die Rächer in Gestalt der Kinder für unsere Söhne und Enkel groß werden zu lassen. Es musste der schwere Entschluss gefasst werden, dieses Volk von der Erde verschwinden zu lassen.“[4]

Abschließend sprach er davon, dass die Judenfrage in den von Deutschland besetzten Ländern bis Ende des Jahres vollständig geklärt sei. Hier wird mit aller Deutlichkeit klar, wie unverfroren mit dem Leben der jüdischen Bevölkerung umgegangen wurde, egal ob Mann, Frau oder Kind. Die Menschen wurden massenhaft in Ghettos und Vernichtungslager deportiert. Insgesamt zählten 3 der Vernichtungslager zu Auschwitz. Auschwitz-Birkenau war das größte Lager, industriemäßig aufgebaut und im Stande, 10 000 Häftlinge an einem einzigen Tag zu ermorden. Sie wurden mit Hilfe eines Ungeziefervertilgungs- und Entwesungsmittels vergast.[5]Zusätzlich diente das Lager noch als Zwangsarbeitslager. Unter katastrophalen Bedingungen wurden die Menschen wie Tiere zusammengesperrt, erlitten Hunger, Schläge und erniedrigende hygienische Bedingungen.

Dies spiegelt wieder, wie entmenschlicht die Opfer wurden. Wie viele Menschen in Auschwitz den Tod fanden, lässt sich nicht genau nachvollziehen. Die Zahl wird auf 1 - 1,5 Millionen geschätzt.[6]Unter ihnen auch Hans Jonas Mutter und Dorothea Lucas, die Ehefrau von Leopold Lucas (Leopold-Lucas-Preis).

3. Die Theodizeefrage

Die Problematik mit Gott und dem Leid in der Welt ist eine der wichtigsten theologischen Fragen in nahezu allen Religionen. Wenn es einen allmächtigen Gott gibt, wieso greift er nicht ein? Konnte er nicht eine bessere Welt erschaffen, ohne Böses und Leid? Dies sind typische Fragen, denen sich der Glaube stellen muss.

Der BegriffTheodizeewurde von Gottfried Wilhelm Leibniz gebildet (1646 - 1716). Das Wort wurde aus den beiden griechischen Wörterntheos - Gottunddike - Gerechtigkeitgebildet.Dikebezieht sich sowohl auf die Rechtssprechung, als auch auf die Rechtfertigung.[7]Leibniz erläuterte dies in seinenAbhandlungen zur Rechtfertigung (Théodicée) Gottes, die Freiheit des Menschen und den Ursprung des Übels.

Im Alten Testament überwiegte die Auffassung des Tun-Ergehens-Zusammenhang. Leid galt als eine gerechte Strafe Gottes für Ungehorsam und schlechte Taten. Gottes Gerechtigkeit steht hier im Mittelpunkt. Besonders im jüdischen Glauben ist diese Auffassung des Leids tief verankert. Als diese Antwort angesichts des Leids Unschuldiger auf der Welt jedoch nicht mehr ausreichte, musste man neue Lösungsansätze suchen. Doch bis heute bleiben die Antworten schwierig bis unlösbar.

Um die Theodizeefrage anzugehen, muss man sich zuerst ihre Voraussetzungen anschauen. Auf der Welt gibt es Übel, sowohl physische, als auch moralische. Unser Gottesbegriff setzt voraus, dass Gott existiert, allmächtig und gut ist. Doch gerade an diesem Gottesbild werden immer wieder Zweifel laut.

„Entweder will Gott das Böse nicht verhindern, obwohl er es könnte - dann ist er nicht gut; oder er will es, kann es aber nicht - dann ist er nicht allmächtig; oder er will es weder noch kann er es - dann ist er weder mächtig noch gut. Ist er jedoch nicht allmächtig oder nicht gütig, dann ist es auch nicht Gott. Weil es aber nun unleugbar das Böse, Leid, Übel und Schuld in der Welt gibt, sie folglich nicht verhindert werden, kann es keinen Gott geben.“[8]

Sextus Empiricus ( um 150 n. Chr. )

Wer Gott jedoch nicht aufgeben möchte, muss versuchen einen anderen Weg zu finden, alle Aspekte miteinander zu verbinden. Leibniz beschreibt dieses Dilemma damit, dass Gott die beste aller möglichen Welten geschaffen hat. Hätte er nicht erkennen können, welche die Bestmögliche ist, wäre er nicht allwissend. Hätte er sie schlicht nicht umsetzen können, so wäre er nicht allmächtig. Wenn er seiner Schöpfung diese einfach versagt hätte, wäre er nicht allgütig. Hans Jonas geht bei seinem Gottesbegriff nach Auschwitz auch von den Voraussetzungen der Theodizee aus, kommt jedoch zu anderen Erkenntnissen, geprägt von der jüdischen Theologie und gezeichnet von den Ereignissen des 2.Weltkrieges.

4. Hans Jonas

Hans Jonas, geboren am 10.Mai 1903 in Mönchengladbach, war Sohn eines jüdischen Textilfabrikanten. Er genoss eine gute Ausbildung und begann 1921 sein Studium der Philosophie in Freiburg, später studierte er zusätzlich Theologie. Hier kam er mit Persönlichkeiten wie Martin Heidegger und Rudolf Bultmann in Kontakt. 1928 beendete er seine Promotion in Marburg mit der ArbeitDer Begriff der Gnosis.

Als die Nationalsozialisten an die Macht kamen, emigrierte Jonas 1933 mit 30 Jahren schweren Herzens nach London, da er ein würdiges Leben als Jude in Deutschland als nicht mehr möglich ansah. Seine Eltern blieben in Deutschland. Während seiner Forschungsarbeit kam er auch nach Jerusalem, wo er als Dozent an der Hebräischen Universität unterrichtete. Die ganze Zeit arbeitete er weiter an seinen Werken über die Gnosis.

Von 1940-1945 war er Soldat der britischen Armee und kam so zurück nach Deutschland. Hier erfuhr er von der Deportation seine Mutter und ihrem Tod in Auschwitz. Sie hatte ihren eigenen Ausreiseantrag auf ihren jüngsten Sohn Georg umschreiben lassen, der zu dieser Zeit in Dachau inhaftiert war. Georg gelang somit die Entlassung.[9]Dieses Ereignis hat Jonas schwer gezeichnet.

Er war politisch sehr engagiert und unterstütze 1948 die israelische Armee bei den Befreiungskriegen.

In den folgenden Jahren veröffentlichte Jonas zahlreiche Bücher. Er arbeitete als Professor an verschiedenen kanadischen Universitäten und übernahm dann eine Professur in New York. 1987 erhielt er den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, das große Bundesverdienstkreuz und die Ehrenbürgerwürde der Stadt Mönchengladbach, sowie einige weitere Auszeichnungen. Am 5.Februar 1993 starb er in seinem Haus in New Rochelle bei New York.[10]

Heute gilt er als ein bedeutender Philosoph und Religionshistoriker. Besonders durch seine Philosophie der Verantwortung erlangte er große Berühmtheit und förderte Umweltbewusstsein und Nachhaltigkeit.

Handle so, dass die Wirkungen deiner Handlungen verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden.“[11](Hans Jonas: Das Prinzip Verantwortung)

5. Der Gottesbegriff nach Auschwitz

5.1 Die Rede

Hans Jonas hielt 1984 die Festrede zur Verleihung des Dr. Leopold-Lucas-Preises der Evangelisch-theologischen Fakultät der Eberhard-Karls-Universität Tübingen. Hier versucht er einen Weg zu finden, auch nach Auschwitz noch von Gott reden zu können.

Dr.Leopold Lucas war Rabbi und selbst eines der Opfer der Nationalsozialisten. Er starb am 13.September 1943 in Theresienstadt. Seine Frau Dorothea wurde nach Auschwitz deportiert, wo auch Hans Jonas Mutter den Tod fand. Somit drängte sich Jonas dieses Thema für seine Rede auf, auch wenn er es „mit Furcht und Zittern“[12]auswählte. Er fühlte sich dazu verpflichtet, das Leid der ermordeten Juden aufzugreifen. Selbst sagt er dazu zu Beginn seiner Rede, „...aber ich glaubte es jenen Schatten schuldig zu sein, ihnen so etwas wie eine Antwort auf ihren längst verhalltenSchrei zu einem stummen Gott nicht zu versagen.“[13]Er möchte dies in einem „Stück unverhüllt spekulativer Theologie“[14]versuchen.

Eine Frage gilt es für Hans Jonas noch zu stellen, bevor er sich dem Gottesbegriff zuwendet. Im Laufe der Geschichte kam es immer wieder zu schrecklichen Ereignissen, oft auch durch Menschenhand verursacht. Und doch hat dieses einen besonderen Stellenwert. „Was hat Auschwitz dem hinzugefügt, was man schon immer wissen konnte vom Ausmaß des Schrecklichen und Entsetzlichen, was Menschen anderen Menschen antun können und es seit je getan haben?“[15]Und was macht es so besonders in der tausendjährigen Leidensgeschichte der Juden? Jonas führt nun einige Erklärungsversuche für das Leid vergangener Tage an. Lange Zeit wurde die Theodizeefrage von den Juden damit beantwortet, dass das von Gott auserwählte Volk ihm untreu geworden wäre und Leid die Strafe dafür darstelle. Diese Theorie wurde gefolgt von der Zeugenschaft, ein Begriff aus der Makkabäerzeit. Diese besagt, dass gerade die Unschuldigen und Gerechten das meiste Leid erfahren. Viele Märtyrer starben noch bis weit in das Mittelalter und wurden als Heilige gefeiert. Durch das Bekenntnis zur Einheit Gottes, demSch’ma Jisraelsollte das „Licht der Verheißung“[16]leuchten, der Erlösung des erwarteten Messias. Beide Versuche das Theodizeeproblem zu lösen greifen hier laut Jonas nicht mehr.

Weder eine Strafe Gottes, noch der Märtyrergedanke könne die Schreckenstaten von Auschwitz rechtfertigen. Dies belegt er unter anderem damit, dass auch unschuldige Kinder ermordet wurden, die weder bestraft werden mussten, noch im Namen Gottes sterben wollten. Hier ging es nicht mehr um Glaube oder Individuen. Jonas sagt dazu: „Dehumanisierung durch letzte Erniedrigung und Entbehrung ging dem Sterben voran, kein Schimmer des Menschenadels wurde den zur Endlösung Bestimmten gelassen, nichts davon war bei den überlebenden Skelettgespenstern der befreiten Lager noch erkennbar.“[17]

Die Juden waren das große Opfer der Nationalsozialisten. Dass gerade sie vernichtet werden sollten, birgt aus theologischer Sicht große Schwierigkeiten für den jüdischen Glauben. Sie selbst verstehen sich als das von Gott auserwählte Volk Israel. Nun wurden sie wieder auserwählt und versammelt. Jedoch mit einem bestialischen und grausamen Ziel. Wer auf diesen Zusammenhang stößt, gerät in ein Dilemma. Jonas bezeichnet dies als die Umkehrung der Erwählung in den Fluch:

„Und doch - Paradox der Paradoxe - war es das alte Volk des Bundes, an den fast keiner der Beteiligten, Töter und selbst Opfer, mehr glaubte, aber eben gerade dieses und kein anderes, das unter der Fiktion der Rasse zu dieser Gesamtvernichtung ausersehen war: die gräßlichste Umkehrung der Erwählung in den Fluch, der jeder Sinngebung spottete.“[18]

Doch was für ein Gott könnte dieses Leid geschehen lassen? Der jüdische Glaube ist stark auf das Diesseits ausgerichtet, Gott ist der Herr der Geschichte. Doch dieser Gott ist nun laut Jonas kaum noch denkbar. Um ihn nicht aufgeben zu müssen, soll der Gottesbegriff und die alte Hiobsfrage noch einmal überdacht werden.

5.2 Der selbsterdachte Mythos

Um den Gottesbegriff neu zu überdenken, behilft sich Jonas mit einem Mythos. Diesen hat er einmal bei der Beantwortung der Frage nach der Unsterblichkeit zu Rate gezogen. Dadurch fällt es leichter, sich auf die spekulativen Gedanken einzulassen, die sonst in der Religion eigentlich undenkbar sind.

Der Mythos beginnt mit der Schöpfungsgeschichte. Als Gott die Erde schuf, gab er sich dieser völlig hin. Er entschied sich, „dem Zufall, dem Wagnis und der endlosen Mannigfaltigkeit des Werdens“[19]freien Lauf zu lassen. Er tat dies in einem Akt der Selbstentäußerung, hielt nichts von sich zurück. Doch was bedeutet das für die Menschen? Gott verzichtet auf jede Form der Einflussnahme. Er liefert sich dem Weltverlauf völlig aus. Somit nimmt er die Autonomie der Welt und der Menschen ernst. Nur so ist der freie Wille denkbar.

„Wenn Gott und Welt einfach identisch sind, dann stellt die Welt in jedem Augenblick und jedem Zustand seine Fülle dar, und Gott kann weder verlieren noch gewinnen. Vielmehr, damit Welt sei, und für sich selbst sei, entsagte Gott seinem eigenen Sein; er entkleidete sich seiner Gottheit, um sie zurückzuempfangen von der Odyssee der Zeit, beladen mit der Zufallsernte unvorhersehbarer zeitlicher Erfahrung, verklärt oder vielleicht auch entstellt durch sie.“[20]

In dieser Passage der Rede spricht Jonas sogar davon, dass Gott sich selbst entsagt hätte. Offensichtlich hält er es für notwendig, hier eine radikale Umdeutung des bisherigen Gottesbegriffs vorzunehmen. Jedoch will Gott dieWelt zurückempfangen, mit allem, was sie in der Zwischenzeit durchlaufen hat.

Durch den Beginn des Lebens auf der Erde entstand nach Jonas „eine neue Sprache der Welt“ und „ein Wiedererwerb der Fülle“[21]der Gottheit. Er beschreibt dies als „ein zögerndes Auftauchen der Transzendenz aus der Undurchsichtigkeit der Immanenz.“[22]Gott ist immer noch völlig eins mit der Erde, doch durch den Erfolg der Schöpfung gewinnt er neue Kraft. Nun könne er endlich sagen, dass die Schöpfung gut sei. Doch mit dem Leben kam auch der Tod. Jonas sieht den Tod als Preis des Seins an. Das Leben war nie dazu geschaffen, unendlich zu sein. „Aber eben im kurz behaupteten Selbst-Fühlen, Handeln und Leiden endlicher Individuen, das vom Druck der Endlichkeit erst die ganze Dringlichkeit und damit die Frische des Empfindens bezieht, entfaltet die göttliche Landschaft ihr Farbenspiel und kommt die Gottheit zur Erfahrung ihrer selbst.“[23]Der Tod gibt dem Leben erst seine Bedeutung.

[...]


[1]Vgl. Lichtenstein, Heiner; Romberg, Otto R. (Hg.) (1995): Täter - Opfer - Folgen. Der Holocaust in Geschichte und Gegenwart. S.38

[2]Vgl. Lichtenstein, Heiner; Romberg, Otto R. (Hg.) (1995): Täter - Opfer - Folgen. Der Holocaust in Geschichte und Gegenwart. S.12

[3]Vgl. Lichtenstein, Heiner; Romberg, Otto R. (Hg.) (1995): Täter - Opfer - Folgen. Der Holocaust in Geschichte und Gegenwart. S.38

[4]Lichtenstein, Heiner; Romberg, Otto R. (Hg.) (1995): Täter - Opfer - Folgen. Der Holocaust in Geschichte und Gegenwart. S.38

[5]Vgl. Lichtenstein, Heiner; Romberg, Otto R. (Hg.) (1995): Täter - Opfer - Folgen. Der Holocaust in Geschichte und Gegenwart. S.43

[6]Vgl. Lichtenstein, Heiner; Romberg, Otto R. (Hg.) (1995): Täter - Opfer - Folgen. Der Holocaust in Geschichte und Gegenwart. S.43

[7]Vgl. Böhnke, Michael (Hg.) (2007): Leid erfahren - Sinn suchen. Das Problem der Theodizee. S.73

[8]Böhnke, Michael (Hg.) (2007): Leid erfahren - Sinn suchen. Das Problem der Theodizee. S.7

[9]Vgl. Rommel, Herbert (2011): Mensch - Leid - Gott. Eine Einführung in die Theodizee-Frage und ihre Didaktik. S.162

[10]Vgl. http://www.hans-jonas-zentrum.de/hj/jonas.html#top

[11]http://www.hans-jonas-zentrum.de/bibl/biblio1.html

[12]Jonas, Hans (1987): Der Gottesbegriff nach Auschwitz. Eine jüdische Stimme. S.7

[13]Jonas, Hans (1987): Der Gottesbegriff nach Auschwitz. Eine jüdische Stimme. S.7

[14]Jonas, Hans (1987): Der Gottesbegriff nach Auschwitz. Eine jüdische Stimme. S.7

[15]Jonas, Hans (1987): Der Gottesbegriff nach Auschwitz. Eine jüdische Stimme. S.10

[16]Jonas, Hans (1987): Der Gottesbegriff nach Auschwitz. Eine jüdische Stimme. S.11

[17]Jonas, Hans (1987): Der Gottesbegriff nach Auschwitz. Eine jüdische Stimme. S.12-13

[18]Jonas, Hans (1987): Der Gottesbegriff nach Auschwitz. Eine jüdische Stimme. S.13

[19]Jonas, Hans (1987): Der Gottesbegriff nach Auschwitz. Eine jüdische Stimme. S.15

[20]Jonas, Hans (1987): Der Gottesbegriff nach Auschwitz. Eine jüdische Stimme. S.16-17

[21]Jonas, Hans (1987): Der Gottesbegriff nach Auschwitz. Eine jüdische Stimme. S.18

[22]Jonas, Hans (1987): Der Gottesbegriff nach Auschwitz. Eine jüdische Stimme. S.17-18

[23]Jonas, Hans (1987): Der Gottesbegriff nach Auschwitz. Eine jüdische Stimme. S.19

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Hans Jonas' Gottesbegriff nach Auschwitz. Ein Klärungsversuch der Theodizeefrage
Hochschule
Pädagogische Hochschule Heidelberg
Veranstaltung
Theodizee - Gott und das Leid
Note
1,7
Jahr
2016
Seiten
18
Katalognummer
V356578
ISBN (eBook)
9783668423091
ISBN (Buch)
9783668423107
Dateigröße
762 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Theodizee, Gott, Auschwitz, Nationalsozialismus, Hans Jonas, Gottesbegriff
Arbeit zitieren
Anonym, 2016, Hans Jonas' Gottesbegriff nach Auschwitz. Ein Klärungsversuch der Theodizeefrage, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/356578

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