Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Bedürfnisse nach Maslow
3. Status Quo
4. Gerechtigkeit nach Rawls
5. Das bedingungslose Grundeinkommen (BGE)
5.1. Das BGE – Definition
5.2. Das BGE bewertet nach Maslow und Rawls
6. Fazit
7. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die Diskussionen rund um das bedingungslose Grundeinkommen [im folgenden BGE genannt] sind aktueller denn je. Die Schweiz stimmte am 05. Juni 2016 erstmals über ein Grundeinkommen in Höhe von 2500 Franken ab. 22 Prozent der wahlberechtigten Schweizer waren zu diesem Zeitpunkt für ein BGE (ZEIT online 2016). Etwa 2000 km von der Schweiz entfernt soll 2017 das erste größere Grundeinkommen-Experiment mit 10.000 Personen in Finnland starten (Dake 2015). Auch in Deutschland wird die Diskussion geführt: Parteiübergreifend finden sich Befürworter für ein BGE und die Beweggründe ihrer sind verschieden. So sieht beispielsweise Katja Kipping, Parteivorsitzende der Partei DIE LINKE, darin die Chance, den Kapitalismus und seine Folgen zu überwinden (Kipping 2009). Der ehemalige CDU-Ministerpräsident Thüringens, Dieter Althaus, sieht in seiner Variante des BGE die Möglichkeit, die deutsche Wirtschaft zu deregulieren und dadurch die kommenden Jahrzehnte global wettbewerbsfähig zu bleiben (Spannagel 2015: 6-7). Aber auch dazu gegensätzliche Stimmen werden lauter. So bezeichnet der ehemalige CDU-Politiker Norbert Blüm das BGE nach Dieter Althaus als „Dampfwalze, die den Sozialstaat platt macht“ und als „Gulaschkanone“ (Blüm 2007) für jedermann. Wie die Bevölkerung in der BRD zu einem BGE steht, wurde im Auftrag des Vereins Mein Grundeinkommen untersucht. Glaubt man dem Umfrageportal YouGov Deutschland, so stieg der Anteil der absoluten Befürworter eines BGE in Deutschland von 16% in 2015 auf 27% in 2016. Der Anteil der Unentschlossenen und derer, die an der Realisierbarkeit zweifeln, läge 2016 bei addiert 34% (YouGov 2016). Diese Onlineumfrage bildet alleine wegen des verwendeten Mediums keinen Querschnitt der Bevölkerung ab und ist daher nicht als repräsentativ anzusehen. Jedoch zeigt die Umfrage, dass ein BGE, welches transparent und realisierbar gestaltet wird, in Deutschland ein hohes Potential an Zustimmung in der Bevölkerung entwickeln könnte.
Fern ab von utopischen oder populistischen Äußerungen der Befürworter und der Gegner eines BGE, versuchen die verschiedenen Initiatoren der unterschiedlichster Modelle Antworten auf aktuelle Probleme der Zeit zu geben. Seien es die einschneidenden Veränderungen und die fortschreitende Automatisierung der globalisierten Arbeitswelt, die Reformierung und Anpassung unseres Sozialsystems oder die Vorstellung einer gerechteren Welt mit einem Höchstmaß an individueller Freiheit (Spannagel 2015: 2-19).
Der vorliegenden Arbeit liegt die Fragestellung zu Grunde, wie ein bedingungsloses Grundeinkommen unser Verständnis für die Grundbedürfnisse des Individuums in der BRD und dessen Auswirkungen auf die soziale Gerechtigkeit beeinflussen würde.
Dafür ist es unabdingbar, als erstes die Bedürfnisse eines Bürgers der BRD zu bestimmen. Diese Bedürfnisse richten sich nach ganzheitlichen Vorstellungen eines menschenwürdigen Lebens und umschließen daher nicht nur den Minimalbedarf der Existenz. Im nächsten Teil [3. Status Quo] soll die derzeitige Situation mit ihren Vor- und Nachteilen beleuchten werden. Des Weiteren stellt dieser auch eine andere Meinung zum Thema der Bedürfnisse des Menschen dar. Anschließend wird eine Theorie von Gerechtigkeit erläutert, auf die sich auch ein BGE beziehen könnte. Das BGE und seine Gerechtigkeitsvorstellungen wird im fünften Teil als Alternative vorgestellt. Das Fazit soll von den überwiegenden positiven Seiten des BGE überzeugen und die sich zuspitzenden Schwachstellen unseres jetzigen Systems zusammenfassen. Diese Ausführungen sollen dabei nicht übersehen, wie schwierig die derzeitige Umsetzbarkeit eines solchen Systems erscheint.
2. Bedürfnisse nach Maslow
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Bildquelle:http://www.lern-psychologie.de/motivation/maslow.jpg
Die Bedürfnisse des Menschen sind global betrachtet theoretisch identisch. Der maßgebliche Unterschied ist jedoch, welche dieser Bedürfnisse befriedigt werden und welche nicht. Um die Bedürfnisse der Menschen greifbar zu machen, bietet sich die Bedürfnispyramide des Psychologen Abraham Maslow an. In dieser ordnet er alle Bedürfnisse des Seins hierarchisch an. Das bedeutet, dass erst, wenn der Großteil der niedrigeren Stufe abgedeckt ist, die Bedürfnisse der höheren in den Vordergrund treten. Die physiologischen Bedürfnisse sind all das, was der Mensch zum Überleben benötigt: Essen, Wasser, Vitamine oder ein gewisses Temperaturspektrum. Die Sicherheitsbedürfnisse umfassen Schutz, Grenzen und eine Ordnungsstruktur. Die sozialen Bedürfnisse werden durch Liebe, Partnerschaft, Kinder und Zuneigung abgedeckt. Durch Respekt, Anerkennung oder auch dem erworbenen oder angeborenen Status lässt sich das Bedürfnis nach Wertschätzung erfüllen. Sind all diese Stufen zu einem großen Teil erfüllt, dann tritt das Selbstverwirklichungsbedürfnis des Individuums hervor. In dieser Phase sucht der Mensch sich selbst. Er möchte sich ausprobieren und das tun, was ihm Freude bereitet. Er will austesten, wo die Grenzen seiner Fähigkeiten liegen (Boeree 2007). Dafür muss der Mensch jedoch die Möglichkeit haben, frei und unabhängig entscheiden zu können.
Die Maslow´sche Einordnung sollte jedoch auch kritisch betrachtet werden. Schwierig erscheint in seiner Hierarchie, dass Sicherheit wichtiger ist als soziale Bedürfnisse. Dabei werden bei den gängigen Vertragstheorien, nehmen wir als Beispiel Hobbes, soziale Beziehungen benötigt um überhaupt Sicherheit und Ordnung herzustellen (Hobbes 1994: 94-134). Des Weiteren sollte beachtet werden, dass einige erfüllte Bedürfnisse spontan entfallen können, beispielsweise Liebe und Partnerschaft. Fällt in diesem Szenario ein Individuum, welches sich in der Phase der Selbstverwirklichung befindet, wieder auf die untere Stufe zurück, da diese nicht mehr erfüllt ist? Es bleiben offene Fragen. Jedoch ist die Pyramide für den Zweck dieser Arbeit nützlich, da sie Bedürfnisse kategorisiert und zumindest für eine mögliche staatliche Handlung, wie es bei einem BGE notwendig wäre, handhabbar macht.
3. Status Quo
Die BRD ist ein Sozialstaat. Dies ist im Grundgesetz Artikel 20, Absatz 1 festgeschrieben. In einem Sozialstaat ist „soziale Gerechtigkeit, die zentrale Zielsetzung“ (Pötzsch 2009: 32). Die soziale Gerechtigkeit umfasst die „Verteilung von Gütern und Lasten“ (Hradil 2012: 181) nach den Prinzipien der Leistungs-, Bedarfs- und der Startchancengerechtigkeit. Die Leistungsgerechtigkeit beruht auf dem Gedanken, dass jede Person so viel bekommt, wie sie ihren Beitrag in die Gesellschaft leistet (Hradil 2012: 182). Spitzensteuersätze, Mindestlohn oder auch Tarifverträge versuchen die Schere zwischen Spitzenverdienern und der Arbeiter- und Mittelschicht etwas zu schließen. Das heutige Verständnis von Leistungsgerechtigkeit blendet jedoch viel aus. Alles das, wofür kein Arbeitsentgelt bezogen wird. So wird Kindererziehung oder ehrenamtliche Hilfe bei Vereinen, Parteien und Organisation nicht nach dem Maßstab der Leistung für die Gesellschaft, sondern nach ihrem Charakter des Lohnerwerbs bemessen (Hradil 2012: 183). Dieser Maßstab ist es auch, der einer Personalmanagerin einen höheren Stellenwert zugesteht als einer Erzieherin.
Die Bedarfsgerechtigkeit sieht die Verteilung von Gütern und Ressourcen so vor, dass sie die Notwendigkeiten des Lebens decken. In unserer Gesellschaft ist dies das Existenzminimum, realisiert durch Hartz lV und Grundsicherung, beides berechnet durch die Einkommens- und Verbrauchsstichproben des statistischen Bundesamtes (Berlin.de 2011). Dieser Bedarf kann nur durch eine Bedürftigkeitsprüfung geltend gemacht werden und ist, zumindest bei Hartz lV, an Zwänge und Repressalien gebunden. So muss ein Bezieher von Hartz lV jede zumutbare Arbeit annehmen und muss permanent erreichbar sein (Sozialpolitik 2013). Götz Werner, Gründer der DM-Drogeriemarktkette, betitelt dieses System als „offenen Strafvollzug (…), weil es Menschen zu Sklaven macht (…)“ (Werner 2010). Auch die Bedarfsprüfung stellt ein größeres Problem dar. Es ignoriert die verdeckte Armut. Verdeckte Armut bedeutet, es existieren Menschen, welche einen Anspruch auf Sozialleistungen haben, diesen aber nicht nutzen. Dies können arbeitende Personen sein, die in die Kategorie working poor, also Personen deren Einkommen unterhalb der 60% Armutsgrenze liegt, sein oder auch Personen, die die Stigmatisierung der Gesellschaft durch Transferleistungen fürchten (Geißler 2014: 229-266).
Der derzeitige Regelsatz, also das Existenzminimum nach dem Sozialgesetzbuch (SGB Xll), liegt bei 404,- € monatlich exklusive Kosten für Wohnraum (Statista 2016). Inbegriffen sind in den 404,-€ die in dem folgenden Kreisdiagramm dargestellten Ausgaben.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Bildquelle:http://uploads.hartziv.org/regelsatztorte2016.jpg
Gleicht man diesen Bedarf und dieses System mit Maslow ab, so kommt man zu dem Ergebnis, dass die menschlichen Bedürfnisse nicht ausreichend abgedeckt werden können. Die physiologischen Bedürfnisse wie Nahrung, Wasser oder auch Wärme werden erreicht. Die der Sicherheit und Ordnung werden durch den Staatsapparat, wie zum Beispiel Gesetze, die Polizei oder die Justiz, abgedeckt. Aber bereits bei den sozialen Bedürfnissen und dem Bedürfnis nach Wertschätzung wird es kritisch. Die sozialen Bedürfnisse umfassen nicht nur Familie und Kinder, sondern auch Freundschaften. Eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ist dafür meist Voraussetzung. Sei es der Besuch eines Theaters, ein Stück Torte in einem Café oder einfach ein Einkaufbummel mit späterem Snack. Für Freizeit und Kultur stehen weniger als 1,50 € täglich [44,60/Mon] zur Verfügung. Eine harte Kalkulation, wenn man bedenkt, dass eine Kinokarte auch 10,- € kosten kann. Eine noch härtere Kalkulation, wenn man weiß, dass der Eintritt ins Schwimmbad, das Fitnessstudio oder der Blumenstrauß für eine Freundin oder einen Freund auch in den 1,50 € täglich inbegriffen sind. Eine soziale Teilhabe mit großen Abstrichen. Abstriche, die das Umfeld bemerkt und damit das Selbstwertgefühl eines Menschen und dadurch das Bedürfnis nach Wertschätzung angreifen. Selbstverwirklichung kann nach Maslow nur erreicht werden, wenn das Bedürfnis nach Wertschätzung saturiert ist und der Mensch die Möglichkeit bekommt sich frei zu entfalten. Jedoch kann von Freiheit seltenst die Rede sein. Entweder steht der Mensch in Lohnarbeit und muss seine wenigen Freiheiten planen oder er ist nicht erwerbstätig und/oder versorgt eine Familie und ist finanziell abhängig von einem Partner oder dem Transfersystem mit seinen strengen Regelungen.
Eine der zahlreichen kritischen Stimmen zu diesem Satz des Existenzminimums ist die Partei DIE LINKE. Sie bezweifelt, dass ein menschenwürdiges Leben und eine angemessene Teilhabe am gesellschaftlichen Leben durch diesen Satz zu erreichen ist und fordert, eine sanktionsfreie Mindestsicherung nicht unter 1.050,- € (DIE LINKE 2015). Auch Götz Werner zweifelt an dem heutigen Regelsatz. Er beruft sich auf Artikel 1, Satz 1 unseres Grundgesetzes in dem die Würde des Menschen das Höchste Gut sei und stellt die Verfassungsmäßigkeit des Regelsatzes und die Verantwortung der Verfassungsrichter zum Grundgesetz in Frage (Pidun 2016). Allerdings sind auch hier die Meinungen verschieden. Der ehemalige SPD-Politiker Thilo Sarrazin ist der Auffassung, dass die Verantwortung für ein gutes Leben nicht die Gesellschaft, sondern das Individuum zu tragen hat. Der Regelsatz unseres Transfersystems genüge jedoch trotzdem für ein menschenwürdiges Leben. Sarrazin unterscheidet hier zwischen seiner Ansicht eines menschenwürdigen Lebens, welches realisiert wird durch Sozialleistungen auf Grundlage des Existenzminimums und dem guten Leben, welches durch Arbeit zu erreichen ist (Sarrazin 2010: 110-123).
4. Gerechtigkeit nach Rawls
Die Ansichten was gerecht und ungerecht ist sind verschieden, da es relativ ist und nicht zuletzt von den persönlichen Bedingungen abhängt. Dies beschreibt Thilo Sarrazin recht anschaulich. Er erinnert sich in seinem Buch an die Forderung der Jungsozialisten [Jusos SPD] 1974 das Einkommen auf 5000,- DM zu begrenzen. Zu diesem Zeitpunkt war eine Lehrerin Vorsitzende der Jusos mit einem Bruttogehalt von etwa 2500,- DM. Er schloss daraus, dass das Zweifache des eigenen Verdienstes wohl reich erscheine. So erklärte er sich auch, dass die Reichensteuer bei circa dem doppelten Verdienst eines Bundesministers liegt (Sarrazin 2010: 104-105). Natürlich fehlt es diesem Gedanken an jeder Empirie und Objektivität. Jedoch könnte so ähnlich das Ergebnis eine Straßenumfrage aussehen. Es erklärt zumindest recht nachvollziehbar, weshalb es keinen einheitlichen Konsens darüber gibt, was zu wenig oder was zu viel ist. Die persönlichen Erfahrungen und das persönliche Leben spielen hierbei eine große Rolle.
John Rawls, ein US-amerikanischer Philosoph, sah genau dies. Er erkannte, dass es bei der Verteilung von Gütern selten eine Interessenharmonie gibt, da jede Person eher ein Interesse daran hat mehr zu bekommen als zu wenig. Trotzdem ist das höchste Ziel einer Vereinigung, da ist sich Rawls mit Aristoteles einig, die Erreichung des guten Lebens für alle (Aristoteles 1989: 77-78), (Rawls 1971: 20-21). Das Problem bei der gegenwärtigen Schaffung von Gerechtigkeit ist die Subjektivität der Individuen. Genauer bedeutet dies, jeder ist sich bewusst was er kann oder zumindest könnte. Jeder ist sich bewusst wo seine gesellschaftliche Stellung ist oder auch welche Chancen er hat. Deshalb erschafft Rawls in seiner Theorie einen fiktiven Urzustand, in dem jedes Individuum im Unwissenden über sich ist. Niemand hat daher Erfahrungswerte mit der Gesellschaft sammeln können und dem Individuum ist nicht bewusst wo die persönlichen Fähigkeiten, Stärken und Überlegenheiten liegen könnten. Auch über die mögliche Stellung oder den möglichen Status innerhalb der Gesellschaft sind sie im Unklaren (Rawls 1971: 160). Da davon auszugehen ist, dass der Mensch im Urzustand rational und vernunftgeleitet die Entscheidungen fällt, die für ihn am positivsten und nützlichsten sind, geht Rawls davon aus, dass der Mensch sich an der Maximin-Regel orientiert. Diese besagt, dass der Mensch die ihm zur Auswahl stehenden Varianten nach den für ihn schlechtmöglichsten sortiert und die auswählen wird, dessen schlechtestes Ergebnis besser ist als das der anderen (Rawls 1971: 166-178). Diese Logik basiert auf den vorher genannten Tatsache, dass der Mensch über sich selber im Unklaren ist. Er hat also die Sorge, dass er der Schwächste in einem System sein könnte und dadurch sein Überleben riskieren könnte. Ein aus dieser Theorie abgeleiteter Grundsatz besagt, dass Ressourcen so zu verteilen sind, dass sie zum Vorteil aller dienen und den Ungleichheiten der Schwächsten dienlich sein sollen (Rawls 1971: 336-337).
[...]