Die RomNija. Ihre Migrationsbewegungen und ihre Wahrnehmung in der österreichischen Öffentlichkeit


Bachelorarbeit, 2016

50 Seiten, Note: Gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Präambel

1 Einleitung

2 Rassismus, Othering und Antiziganismus
2.1 Was ist Rassismus?
2.1.1 Stuart Hall
2.1.2 Robert Miles
2.1.2 Mark Terkessidis
2.2 Antiziganismus, eine spezielle Form des Rassismus?
2.3 Antiziganistische Wissensproduktion
2.4 Othering und Fremdrepräsentation
2.5 Ethnizitäten und Ethnisierungen

3 Geschichte der RomNija
3.1. Von der Ankunft in Europa bis ins beginnende 20. Jahrhundert
3.2 Die Entwicklungen nach dem Zweiten Weltkrieg
3.2.1 Die Situation der RomNija in den sozialistischen Staaten
3.2.2 RomNija in Mittel- und Westeuropa
3.3 Die Geschichte der RomNija in Österreich

4 Die größte Minderheit in der Europäischen Union
4.1 Wer ist eine Minderheit?
4.2 Die Situation der RomNija in der EU

5 Konstruktion des Fremden
5.1 Die Wahrnehmung des Fremden – Studien im Vergleich
5.2 RomNija in den österreichischen Medien
5.2.1 Die Macht der Diskurse
5.2.2 Auswirkung des Anschlages in Oberwart auf die Wahrnehmung von österreichischen RomNija
5.2.3 Mediale Diskurse im Umfeld zur EU-Osterweiterung
5.2.4 Ethnisierung am Beispiel des BettlerInnen Diskurses in Graz
5.3 Repräsentationen von RomNija in der deutschsprachigen Öffentlichkeit

6 Conclusio

7 Quellenverzeichnis

Internetlinks

Präambel

Wenn im Rahmen dieser Arbeit Begriffe wie ‚Zigeuner‘ verwenden werden, die aus heutigem Verständnis diskriminierend und ausgrenzend sind, so geschieht das nicht, um diese verharmlosend darzustellen, sondern um ihre Verwendung im historischen Kontext zu veranschaulichen. Ich habe die entsprechenden Begriffe in Anführungszeichen gesetzt, um darzustellen, dass ihre unreflektierte Wiedergabe und Anwendung jedenfalls problematisch ist.

In dieser Arbeit setze ich die von Tiefenbacher und Benedik vorgeschlagene Form ‚RomNija‘ ein, um eine geschlechtergerechte Benennung von Angehörigen von Romani-Gruppen zu gewährleisten. Analog dazu benutze ich die Form SintIze. Aufgrund der großen Heterogenität der Romani-Gruppen, soll RomNija als ‚Über-Begriff‘ für alle Personen stehen, die sich der Romani Community zugehörig fühlen.

1 Einleitung

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Wahrnehmung von RomNija in der österreichischen Gesellschaft. Es soll gezeigt werden, wie mediale Debatten das Bild der Mehrheitsbevölkerung prägen und welchen Einfluss die EU – Osterweiterung auf öffentliche Diskurse über RomNija hatte.

Vorweg möchte ich kurz meinen persönlichen Zugang zum Thema erläutern. Zu meinem Beweggründen Kultur- und Sozialanthropologie zu studieren, zählte mein Interesse an Minderheitenpolitik und Antirassismus. Teil des Studiums ist zum einen die vertiefende Beschäftigung mit unterschiedlichen Rassismus-Theorien, zum anderen die Auseinandersetzung mit den Themenkomplexen Ethnizität und Minderheiten. Also zwei Themenfelder die auch für die Auseinandersetzung mit der Wahrnehmung der RomNija wesentlich sind. Gerade in den letzten Jahrzehnten rückte die größte europäische Minderheit, die RomNija vermehrt ins Interesse von Medien und Politik. Wobei einige der aktuellen Diskurse mich stark an Bilder, Klischees und Vorurteile die mir in meiner Kindheit von den „Zigeunern“ vermittelt wurden, erinnern. Das ist nicht verwunderlich, denn bei der Darstellung von RomNija in den Medien und in politischen Debatten wird häufig auf jene Vorurteile und Stereotype zurückgegriffen, die die Wahrnehmung von den RomNija seit Jahrhunderten prägen. Ich hoffe, mit dieser Arbeit einige der Mechanismen dieser Diskurse und ihre Auswirkungen auf die Lebensrealität der Minderheit zeigen zu können.

Mediale Debatten über den zu erwartenden Zuzug von „armen MigrantInnen“ aus den wirtschaftlich schwachen Staaten Osteuropas in den „reichen Westen“ schüren seit den späten 1990ern Verteilungsängste in Europa. Schon Monate vor dem 1. Mai 2004, dem Beitrittsdatum der zehn neuen Staaten aus dem Baltikum und Zentraleuropa in die Europäische Union, füllten zahlreiche Artikel über die drohende „Flut von Armen“ Zeitungen und Magazine in Westeuropa. Gemeint waren damit auch RomNija, die in einigen Beitrittsstaaten einen relativ großen Bevölkerungsanteil ausmachen und in ihren Heimatländern unter besonders prekären Bedingungen leben (vgl. Matter 2015:106). Zur Angst vor Lohndumping gesellte sich also bald die Furcht vor einer Zigeunerflut. In den Straßen mittel- und westeuropäischer Städte tauchten BettlerInnen aus den ost- und südosteuropäischen Staaten auf, die bald als „Zigeuner“ oder als RomNija identifiziert wurden. Zahlreiche Berichte über „Zigeunerbarone“ und „verbrecherische Clans“, die für organisiertes Betteln aber auch für Diebstähle und Einbrüche verantwortlich gemacht wurden, und die damit einhergehenden Diskurse und gesetzlichen Maßnahmen führten zu einer vermehrten Medienpräsenz der RomNija und zum Wiedererstarken althergebrachter Zuschreibungen und Vorurteile.

Auch die schlechten Lebensbedingungen der RomNija in vielen Staaten Europas und ihre verheerende Auswirkungen auf den Gesundheitszustand, die Kindersterblichkeit und die Lebenserwartung (vgl. Matter 2015: 106) wurden von den Medien aufgegriffen. Der Historiker und Antisemitismusforscher Wolfgang Benz schrieb in der Einleitung zu Roma und Sinti. Die unerwünschte Minderheit treffend: „ Das Sujet ‚Zigeuner‘ hat Konjunktur “ (Benz 2014: 9) und erläutert, dass, angeregt durch die medial verstärkten Überfremdungsängste der EU-Bürger, jene alten Feindbilder reaktiviert werden, mit denen „ die größte europäische Minderheit traditionell stigmatisiert ist“ (ebd.).

Die massive mediale Präsenz des Themas, vor allem aber auch die regen Beiträge in den diversen sozialen Medien, zeigen die Aktualität und Bedeutung des Diskurses über RomNija. Diese medial aufbereiteten Diskurse sind nicht nur ein Mittel der Machtausübung im Sinne Foucaults, sondern schaffen und strukturieren auch Realitäten. Es kann also davon ausgegangen werden, dass das gesteigerte mediale Interesse Auswirkungen auf die Lebensrealität der RomNija hat.

Etliche AutorInnen aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen haben sich in den letzten Jahren bereits mit dem Thema der (Armuts-)Migration von RomNija aus den Staaten Südosteuropas und ihrer Situation in Europa auseinandergesetzt. Neben VertreterInnen aus den Bereichen der Soziologie und der Politikwissenschaften haben sich vor allem auch AnthropologInnen und EthnologInnen mit dem Themenkomplex befasst, zählt doch die Erforschung von Migrationsströmen und den damit einhergehenden Prozessen wie der Redefinition von Identitäten ebenso zu den zentralen Forschungsfragen der Anthropologie wie Fragenstellungen im Zusammenhang mit ethnischen Minderheiten, Globalisierung oder den lokalkulturellen Interaktionen.

Ich möchte in dieser Arbeit der Frage nachgehen, wie RomNija in der österreichischen Öffentlichkeit wahrgenommen werden. Dazu gehören aus meiner Sicht jedenfalls auch Fragestellungen wie: Welche medialen Diskurse prägen das Bild über RomNija? Inwiefern beeinflusst die EU-Osterweiterung die Präsenz und Repräsentation von RomNija in den österreichischen Medien? Ich werde mich dem Themenfeld anhand von wissenschaftlichen Analysen und Studien nähern, die sich mit Repräsentation von RomNija in den Medien und den Auswirkungen der medialen Diskurse auf die Lebensrealität der Minderheit auseinandersetzen.

Da Diskriminierung und Ausgrenzung die Lebensrealität der RomNija seit ihrer Ankunft in Europa entscheidend beeinflussen, beschäftige ich mich vorab allgemein mit dem Themenfeld Rassismus und gehe dabei auf die Ansätze von Stuart Hall, Robert Miles und Mark Terkessidis ein, was im Rahmen dieser Arbeit nur sehr verkürzt erfolgen kann. In weiterer Folge definiere ich den Begriff Antiziganismus als eine spezielle Form des Rassismus, wobei es mir wichtig ist, die Produktion antiziganistischen Wissens in den aktuellen Diskursen aufzuzeigen und zu analysieren und dabei auch auf die unterschiedlichen Ebenen von Ethnisierungen im Zusammenhang mit RomNija hinzuweisen. Aus meiner Sicht kann die aktuelle Situation der RomNija in Europa nur in Hinblick auf ihre Geschichte verstanden werden, daher versuche ich diese in einem eigenen Kapitel zu umreißen und sowohl auf die unterschiedlichen Entwicklungen in Ost- und Westeuropa hinzuweisen, als auch auf ihre spezielle Situation in Österreich einzugehen. Es folgt eine Zusammenfassung der juristischen und politischen Schritte der Europäischen Union, die in den vergangenen Jahrzehnten mit zahlreiche Beschlüssen und Verordnungen versucht hat, auf die Situation der RomNija Einfluss zu nehmen, denn auch diese Maßnahmen und ihr Niederschlag in der Öffentlichkeit, beeinflussen das Bild das die Mehrheitsgesellschaften von den RomNija entwickeln. Die Darstellung der RomNija und SintIze in den deutschsprachigen, vor allem in den österreichischen Medien steht im Zentrum des darauffolgenden Abschnittes, wobei die medialen Berichte und Diskurse mit den im Vorfeld vorgestellten Theorien von Robert Miles, Stuart Hall und Mark Terkessidis verknüpft werden. Anhand der Studie „ Die imaginierte Bettlerflut. Temporäre Migration von Roma/Romnija – Konstrukte und Positionen “ von Stefan Benedik, Barbara Tiefenbacher und Heidrun Zettelbauer werden Ethnisierungsprozesse von BettlerInnen veranschaulicht, um zu zeigen, wie sich mediale Debatten auf den gesamtgesellschaftlichen Diskurs und in Folge auf die Gesetzgebung auswirken.

2 Rassismus, Othering und Antiziganismus

2.1 Was ist Rassismus?

Susan Arndt beantwortet diese grundlegende Frage folgendermaßen:

Rassismus beschreibt ein weitgreifendes rassialisierndes Diskriminierungsmuster. Als generischer Begriff erfasst er partiell divergierende, sich historisch und gegenwärtig noch verschränkender Kontexte, Diskriminierungs- und Beziehungsgeschichten, indem diese gleichermaßen zusammengedacht wie differenziert werden können. (Arndt 2011: 37)

Rassismus gegen ‚Schwarze Menschen‘, JüdInnen, MuslimInnen oder RomNija weist, so Arndt, immer eine gemeinsame Schnittmenge auf, aber die verschiedenen Ausprägungen von Rassismus erzeugen „ spezifische Geschichten und komplexe hierarchische Beziehungsgefüge zwischen den ‚Weißen‘ […] und den ‚Anderen‘ (Arndt 2011: 3). Deswegen ist es notwendig, beim Thema Rassismus zu konkretisieren, „ wer vor dem Hintergrund welcher historischen und gegenwärtigen Prozesse als Rasse empfunden “ und bewertet wird (ebd.). Laut Susan Arndt, passen sich im „komplexen, aktuell-politischen Gemengelage“ rassistische Theorien den geänderten Situationen an, um den Interessen der (weißen) Herrschenden nachzukommen (vgl. Arndt 2011: 42). Die „ Anpassung rassistischer Erklärungs- und Argumentationsmodi an aktuelle Prozesse “ zeigt sich durch eine Verschiebung der Betonung von biologischen zu kulturellen und religiösen Differenzen (ebd.). Für Arndt geht es bei der Definition und Analyse des Rassismus nicht um individuelle Schuldzuweisungen, sondern vielmehr „ um die Verantwortung, das Wissensarchiv des Rassismus zu hinterfragen, feste Glaubensgrundsätze aufzugeben, Gelerntes zu verlernen und bereits Gelebtes selbstkritisch zu überprüfen.“ (Arndt 2011: 43)

In diesem Sinne ist die Auseinandersetzung mit Rassismus -Theorien gerade auch im Zusammenhang mit dem Thema dieser Arbeit unumgänglich. Obwohl RomNija seit Jahrhunderten fixe Bestandteile der europäischen Gesellschaften formen, sind sie für die Mehrheitsbevölkerung bis heute „Fremde“ geblieben. Ihre Geschichte ist geprägt von rassistisch motivierten Ausgrenzungen und Zuschreibungen in deren Kern ihre „kulturelle Andersartigkeit“ steht. Die konkrete Ausformulierung dieser Diskriminierungen und Ihre unmittelbaren Auswirkungen auf die Lebensrealität der Minderheit passen sich den jeweiligen historischen Gegebenheiten an. Die zugrundeliegenden Stereotype und Vorurteile rekurrieren jedoch auf ‚überliefertes Wissen‘ über die ‚Außenseiter‘.

Theoretische Reflexion und historische Analyse sind zwei wesentliche, einander bedingende Aspekte in jeder differenzierten Theorie über Rassismus. So sind auch in den Arbeiten von Robert Miles, Stuart Hall und Mark Terkessidis theoretische Betrachtungen stets mit historisch spezifischen Analysen verbunden (vgl. Phüretmayer/Puller 2011). Um die rassistischen Diskriminierungen der RomNija in ihrer spezifischen Situation und den speziellen Ausgrenzungsmechanismen mit Hilfe von geeigneten Rassismus-Theorien analysieren zu können, habe ich die theoretischen Zugänge dieser drei Autoren gewählt. In den folgenden Abschnitten werde ich zunächst einen knappen Überblick über ihre Arbeiten und Definitionen zum Begriff Rassismus geben, bevor ich den, in diesem Zusammenhang wesentlichen Begriff Antiziganismus, als jene „Abart von Rassismus“ die sich gegen die Mitglieder der Romani Gesellschaften wendet, definiere.

2.1.1 Stuart Hall

Wichtige Impulse für die Rassismus Forschung haben in den 1960er bis 1980er Jahren die britischen Cultural Studies gegeben. Sie setzten sich mit Begriffen wie Kultur, Macht und Identität auseinander. Vor allem Stuart Hall widmete sich intensiv der Analyse des Rassismus und charakterisierte Rassismus als eine soziale Praxis, bei der körperliche Merkmale als Marker zur Klassifizierung bestimmter Bevölkerungsgruppen benutzt werden (vgl. Phüretmayer/Puller 2011). Laut Hall handelt es sich dann um rassistische Praktiken, wenn dieses Klassifikationssystem dazu genutzt wird, soziale, politische und ökonomische Praktiken zu erklären und gezielt bestimmte Gruppen vom Zugang zu Ressourcen auszuschließen. Stereotypisierungen des „Anderen“ ermöglichen es, die eigene Gesellschaft als homogene Gruppe darzustellen, in welche die „Anderen“ aufgrund ihrer Andersartigkeit (Sprache, Religion, Kultur etc.) nicht hineinpassen. Über die Konstruktion des „Anderen“ wird das „Eigene“ erst definiert (ebd.). Nach Hall entstehen rassistische Ideologien dann, „ wenn die Produktion von Bedeutung mit Machtstrategien verknüpft sind und diese dazu dienen, bestimmte Gruppen vom Zugang zu kulturellen und symbolischen Ressourcen auszuschließen “ (Hall 1989: S. 913). Solchen Ausschließungspraktiken gehen zumeist Naturalisierungen voraus, bei denen kulturelle oder soziale Gegebenheiten als natürliche Eigenschaften einer Gruppe dargestellt werden. Hall betont, dass Rassismus stets historisch spezifisch zu sehen ist. Je nach Epoche, Gesellschaftsform etc. kann sich Rassismus also auf unterschiedliche Weisen äußern. Das wiederrum bedeutet, dass es weder möglich ist, allgemein gültige Ursachen für Rassismus auszumachen, noch generelle Gegenstrategien zu entwickeln (vgl. Hall 1989: S. 917).

2.1.2 Robert Miles

Robert Miles beschäftigte sich vorwiegend mit der Funktionsweise von Rassismus als Diskurs und kam dabei zu ähnlichen Ergebnissen wie Hall. Mit Hilfe rassistischer Bedeutungskonstruktionen werden somatische Eigenschaften mit einer Bedeutung versehen, anhand derer die Gesellschaft in verschiedene Gruppen eingeteilt werden kann. Den Mitgliedern dieser so konstruierten Gruppen werden bestimmte unveränderliche kulturelle Eigenschaften zugeschrieben und ein Zusammenhang zwischen den biologischen und den kulturellen Eigenschaften hergestellt. Rassismus in diesem Sinne ist eine Repräsentationsform, die Gruppen voneinander abgrenzt und somit als eine Ideologie der Ein- und Ausschließung funktioniert (vgl. Phüretmayer/Puller 2011). Miles beschreibt Rassismus als einen „ repräsentationalen Prozess “, in dem Beobachtungen gemacht, Theorien entwickelt und Erklärungen angeboten werden. Die praktische Angemessenheit des Rassismus zeigt sich, indem er Regelmäßigkeiten widerspiegelt und Zusammenhänge so konstruiert, dass sie zur Lösung der wahrgenommenen Probleme herangezogen werden können (vgl. Therkessidis 2004: 93). Für Herrschaftsprozesse sind rassistische Bedeutungskonstruktionen „ ein Mittel um Ausgrenzungspraktiken zu initiieren “ (Miles 1991: 96). Miles sieht in der Repräsentation des Anderen „eine Dialektik zwischen dem Selbst und dem Anderen, in der die dem Anderen zugeschriebenen Charakterzüge eine Widerspiegelungsform entgegengesetzter Charakterzüge des eigenen Selbst (und umgekehrt) darstellen“ (Miles 1991:19). In der Darstellung des Anderen liegt eine „Dialektik der Ein- und Ausgrenzung“ (Miles 191: 53), denn wer festlegt, welche Charaktereigenschaften einer Bevölkerungsgruppe zugeschrieben werden, um sie von einer anderen zu unterscheiden, bestimmt auch die Kriterien anhand derer die eigene Gruppe dargestellt wird (ebd.).

2.1.2 Mark Terkessidis

Mark Terkessidis orientiert sich mit seiner Rassismus Definition an Miles, begreift jedoch Rassismus nicht als Ideologie, sondern als Apparat. Seine Definition geht von drei Komponenten aus: Rassifizierung, Ausgrenzungspraxis und differenzierende Macht. Unter Rassifizierung versteht er den Prozess, bei dem eine Gruppe von Menschen mittels bestimmter Merkmale als „natürliche Gruppe“ festgelegt und ihr Verhältnis zur eigenen Gruppe definiert wird. Wobei Terkessidis hier ein breites Bündel an Merkmalen sieht, das neben den biologischen auch soziologische (Sprachen, Musik, Ernährung etc.), symbolische und geistige (kulturelle und religiöse Verhaltensweisen, politische Praktiken etc.) oder imaginäre Kennzeichen (Vorstellungen von okkulter Macht etc.) beinhaltet. Seine Interpretation von „Rasse“ geht also über die traditionelle Interpretation hinaus. So kann sich „ das beschriebene Merkmalsbündel auch in der Rede von Kulturen oder Ethnien äußern – auch das wäre eine Rassifizierung “ (Terkessidis 2004: 98). Der Begriff Rasse steht somit für eine „ Urform der Naturalisierung von Unterschieden “. Es geht also in erster Linie um die „ Festschreibung einer Gruppe als natürliche Gruppe “ (ebd.).

Mit Ausgrenzungspraxis wird der „praktische“ Teil von Rassismus beschrieben. In Anlehnung an Miles beschreibt der Begriff die Ungleichbehandlung von Gruppen bei der Zuteilung von Ressourcen und Dienstleistungen. Mit der „differenzierenden Macht“ versucht Terkessidis den Aspekt der Gewalt einzubinden, als jenes Mittel, das eine Gruppe ermächtigt, eine andere zu unterdrücken. Er verweist darauf, dass diese Gewalt im Falle des Kolonialismus wesentlich eindeutiger war als bei einer Einwanderungsgesellschaft, doch kann auch hier die Gewalt sehr deutlich werden, etwa im Bereich der Asylgesetzgebung und der Ausweisungspraktiken (vgl. Terkessidis 2004: 98 ff.).

Es existieren also unterschiedliche Definitionen von Rassismus, wobei eine Schwierigkeit des Begriffes ist, dass es einen ‚Rassismus im Allgemeinen‘ nicht gibt. Vielmehr treten in unterschiedlichen Gesellschaftsformen historisch spezifische Ausprägungen von Rassismus auf (vgl. Phüretmayer/Puller 2011). Gemeinsam ist den unterschiedlichen theoretischen Annäherungen jedenfalls, dass die Abgrenzung einer Gruppe aufgrund bestimmter Merkmale, die als quasi-natürlichen Eigenschaften derselben gesehen werden, in Opposition zur eigenen Gruppe erfolgt. Wobei diese Abgrenzung mit Wertungen und diskriminierenden Praktiken einhergeht.

2.2 Antiziganismus, eine spezielle Form des Rassismus?

Wir haben nun die Definitionen und Zugänge dreier wichtiger Vertreter der Sozialwissenschaften zum Thema Rassismus betrachtet. Worin unterscheidet sich nun Antiziganismus vom Rassismus allgemein?

Mit dem Begriff Antiziganismus wird Rassismus gegenüber als „Zigeuner“ konstruierten Personen oder Gruppen beschrieben. Die Fremdbezeichnung „Zigeuner“ bezieht sich auf Mitglieder unterschiedlicher Gruppen, vorwiegend (aber nicht nur) auf RomNija und SintIze. In Abhängigkeit von den unterschiedlichen historischen Kontexten und Interessen lassen sich bestimmte Zuschreibungen, die den Kern antiziganistischer Konstrukte bilden, ausmachen wie beispielsweise Nichtsesshaftigkeit oder die Unfähigkeit zu geregelter Arbeit. Damit geht die Zuschreibung einher, dass die „Zigeuner“ die Mehrheitsgesellschaft ausbeuten, wobei das Stereotyp über eine besondere Neigung zur Kriminalität und zur Bettelei dominiert. Zu den wiederkehrenden Elementen antiziganistischer Vorurteile gehört auch die Betonung kultureller Andersartigkeit. „Zigeuner“ werden stets als Teil eines Kollektivs konstruiert und dargestellt, fast nie als Individuum (vgl. Severin 2011:66 f.). „Die Konstruktion als Kollektiv dient als weiterer Marker der Differenz und ‚Fremdheit‘“, es steht dem aufgeklärten, weißen Individuum entgegen und stellt einen wichtigen Teil des Otherings dar (Severin 2011: 70). Severin spricht von einem „ Sonderfall des kulturellen Othering “, in dem das Absprechen von Kultur im Allgemeinen verankert ist (ebd.).

Ähnlichkeiten zwischen Antiziganismus und dem kolonial geprägten Rassismus finden sich auf der Ebene sozialer, kultureller und rassistischer Zuschreibungen. Während aber der kolonial geprägte Rassismus das Ziel der Diskriminierung im Bereich des „äußeren Fremden“ anlegt, ist es im Antiziganismus ein „innergesellschaftlicher Fremder“ der angesprochen wird. Dadurch werden „ Konstruktionen einer besonderen Bedrohlichkeit für die ‚eigene‘ Gesellschaft “ und eine „ spezifische Rassifizierung unerwünschten Sozialverhaltens “ ausgelöst (Severin 2011: 74). Ein weiteres Spezifikum des Antiziganismus ist die strukturelle Verknüpfung zum „ Konzept der Asozialität“ und die Konstruktion der Gruppe als „immerwährende Minderheit“ (ebd.). Im Nationalsozialismus stellten RomNija und SintIze – ähnlich wie die Juden – eine Gruppe von „innergesellschaftlichen Fremden“ dar, wobei die Konstruktion eines Bedrohungsszenariums durch diese Gruppe sich nie so breit durchsetzen konnte wie der Antisemitismus (vgl. Severin 2011: 73). Die Mitglieder dieser Ethnie wurden jedoch zu Opfern mehrerer Ausgrenzungsgründe, einerseits wurden sie als „Asoziale“ andererseits auch als Mitglieder einer „fremden Rasse“ verfolgt (vgl. Rübener 2013: 53).

Es handelt sich also bei Antiziganismus um eine spezifische Art der Diskriminierung und Ausgrenzung von einer innergesellschaftlichen ‚Fremdgruppe’, den ‚Zigeunern‘. Wobei den Kern der Stereotype die vermutete Asozialität der Minderheit und ihre vermeintlich nicht kompatible kulturelle Andersartigkeit bildet. Im Folgenden werde ich der Frage nachgehen, auf welche Weise aktuell das ‚Wissen‘ über die vermeintlich „natürlichen Eigenschaften“ der RomNija entsteht, beziehungsweise reproduziert wird.

2.3 Antiziganistische Wissensproduktion

„Die wahren Merkmale der Roma-Gemeinschaft sind: Hohe Geburtenrate, geringe Lebenserwartung, keine oder miserable Schulbildung, Arbeitslosigkeit, hohe Kriminalitätsrate, Wohnen in Elendsquartieren. Aber auch: Hohe Musikalität.“ (Magenschab 2011:2)

Dieser Satz des Staatswissenschaftlers Hans Magenschab stammt aus einem Artikel der Kleinen Zeitung vom 16. Februar 2011, in dem der ehemalige Pressesprecher des verstorbenen Bundespräsidenten Klestil auf die Gefahren hinwies, die westeuropäische Staaten durch den Zuzug von RomNija aus den wirtschaftlich schwachen Staaten Osteuropas zu erwarten hätten (vgl. Tiefenbacher/Benedik 2012: 215). Er stellt eines der zahlreichen Beispiele für „ pauschalisierende und ethnisierende Bilder “ dar, die seit der Jahrtausendwende „ vor dem Hintergrund soziokultureller bzw. politischer Szenarien von Bedrohung für die ‚eigene‘ Gesellschaft “ (ebd.) heraufbeschworen werden und wesentlich zur Entwicklung eines speziell auf RomNija abzielenden "Repertoires an rassistischen Argumentationen und Praktiken“ beitragen (Tiefenbacher/Benedik 2012: 216).

Stefan Benedik und Barbara Tiefenbacher weisen darauf hin, dass in medialen und politischen Darstellungen im Zusammenhang mit RomNija zumeist migrationskritische und xenophobe Diskurse verknüpft werden. Die mediale Repräsentation von RomNija wird damit zur Repräsentation von „fremden“ RomNija. Die autochthonen RomNija werden entweder ausgeblendet oder ebenfalls zur Gruppe der immigrieren RomNija gezählt. Bei den Ethnisierungsprozessen rekurriert die Mehrheitsbevölkerung auf Informationen, die im kulturellen Gedächtnis des jeweiligen nationalen oder lokalen Bezugsrahmens gespeichert sind, und reproduziert alte, überlieferte Stereotype. Aus den Diskursen lässt sich ablesen, dass die hegemoniale Position der Mehrheitsbevölkerung im Sprechen über RomNija auch Jahrzehnte nach der Bildung von BürgerInnenrechtsbewegungen und Interessensvertretungen ungebrochen ist. Diese hegemoniale Position zeigt sich unter anderem in der Medienberichterstattung und den mitunter offen diskriminierenden und rassistischen Beiträgen, die nicht geahndet werden. Hinzu kommt, dass diskriminierende Berichte oft weder vom Autor noch vom Rezipienten als solche wahrgenommen werden (Tiefenbacher, Benedik 2012: 216 f.).

Die vermeintlichen positiven und negativen Eigenschaften Merkmale der so homogenisierten Ethnie werden als naturgegeben und „ewig“ reproduziert und in ihrer Darstellung einfach mit den spezifischen historischen Gegebenheiten verquickt und angepasst.

2.4 Othering und Fremdrepräsentation

Ein wichtiger Begriff im Zusammenhang mit der Fremdrepräsentation ist ‚Othering‘, er stellt einen wesentlichen Aspekt bei der Bildung von Kategorien in der Fremdwahrnehmung dar.

Othering „ bezieht sich auf die Art und Weise, wie der westliche, dominante Diskurs die ‚Fremden‘ als Gegenentwurf zur eigenen westlichen Identität, also als ‚Andere‘ definiert und konstruiert und damit gleichzeitig distanziert und abwertet. “ (Habinger 2006: 18) Es geht also um die Konstruktion des ‚Fremden‘ im Bezug zum ‚Eigenen‘. In „The West and the Rest“ setzt sich Hall mit binären Oppositionspaaren auseinander, die für ihn „ allen linguistischen und symbolischen Systemen und der Produktion von Bedeutung selbst zugrunde liegen “ (Hall 1994:141). Diese binären Oppositionspaare dienen dazu das ‚Eigene‘ im Vergleich zum ‚Anderen‘ zu stärken und das ‚Fremde‘ als minderwertig zu konstruieren (vgl. Habinger 2006:18). Othering beschreibt in diesem Zusammenhang den Prozess der Konstruktion eines Bildes vom ‚Fremden‘, das dem ‚Eigenem‘ unterlegen ist.

In den alltäglichen Diskursen werden Kulturen, Ethnien usw. zumeist als in sich geschlossene Systeme gesehen und als homogene Gruppen präsentiert. Damit wird das ‚Fremde‘ zur kulturellen Einheit, die sich durch ihre Andersartigkeit in Opposition zum ‚Eigenen‘ definiert. Das bedeutet, dass das ‚Fremde und das Eigene‘ zueinander in einer dialektischen Beziehung stehen, bei der die Selbstwahrnehmung wesentlich durch die Erfahrung des ‚Fremden‘ geprägt ist. Wichtig ist es auch sich zu vergegenwärtigen, dass ‚der Westen‘ stets auch seine eigenen „ internen ‚Anderen ‘“ hatte. Neben Juden als innergesellschaftliche Fremde, wurden auch Osteuropäer und Frauen häufig als unterlegen repräsentiert (vgl. Hall 1994: 142). Das trifft natürlich auch auf Minderheiten wie die RomNija zu, die seit ihrem Erscheinen in Europa zu den ‚internen Anderen‘ zählen.

2.5 Ethnizitäten und Ethnisierungen

Europaweit gibt es etwa 10 Millionen Menschen die zur Ethnie der RomNija gezählt werden, oder sich selber als Angehörige der Gruppe definieren. Ihnen werden verschiedene soziale kulturelle, religiöse usw. Merkmale zugeschrieben, beziehungsweise definieren sich die Angehörigen der Gruppe selbst über ein Ensemble von spezifischen Merkmalen die sie von anderen Bevölkerungsgruppen unterscheiden. Um eine Gruppe wie die RomNija innerhalb einer anderen Gruppe sichtbar zu machen, können verschiedene Codierungen auf unterschiedlichen Ebenen und in unterschiedlichen Komplexitätsgraden erfolgen. Zur weiteren Analyse möchte ich mich zunächst mit den Begriffen Ethnizität und Ethnie auseinander setzen. Laut Andre Gingrich haben Ethnologie und Anthropologie in den letzten Jahrzehnten mehrere Modernisationsschübe im Zusammenhang mit dem Thema Ethnizität durchlaufen, was diese Disziplinen in die Lage versetzt, dem aktuellen Interesse am Thema zu entsprechen. Das gesteigerte öffentliche Interesse erklärt Gingrich mit drei Themengruppen: der Migrations- und Flüchtlingsbewegungen, der europäischen Integration und des in diesem Zusammenhang geänderten nationalen Selbstverständnisses und dem „‘ neuem Exotismus‘ als Quelle für das verstärkte öffentliche Interesse an ethnischen und nationalen Fragen.“ (Gingrich 2001: 100). Andre Gingrich versucht den Begriff in ‚Ethnizität für die Praxis‘ anhand von 7 Thesen einzugrenzen.

- Ethnizität beschreibt das Verhältnis zwischen zwei oder mehreren Gruppen, unter denen die Auffassung vorherrscht, dass sie sich kulturell voneinander in wichtigen Fragen unterscheiden.
- […] so tendieren auch ethnische Gruppen unter bestimmten Umständen zum Ethnozentrismus. Ethnozentrismus ist manchmal unvermeidlich, aber er ist selten richtig.
- „Ethnisch“ ist keine sprachkosmetische Verkleidung für „rassisch“ oder „völkisch“. Ethnische Unterschiede zu verabsolutieren kann leicht zu Rassismus führen, ethnische Unterschiede zu ignorieren aber ebenso.
- Ethnizität und Nation sind nicht identisch. Nationen sind politische Gemeinschaften, die dauerhaft im selben Staatsverband leben oder leben wollen. Ethnizität hingegen überschreitet oft nationale und staatliche Grenzen.
- Ethnizität ist nicht identisch mit Kultur. Ethnizität als Beziehungsgeflecht aktualisiert bloß bestimmte Aspekte der beteiligten Kulturen in diesem Wechselverhältnis und kombiniert dies mit Außeneinwirkungen.
- Ethnizität verändert sich im Laufe der Zeit immer wieder. So wie es jetzt ist, bleibt es nicht.
- Ethnizität variiert je nach den Umständen. So wie es hier ist, so ist es nicht überall sonst. (Gingrich 2001: 102ff)

Neue Ethnizitäten werden also nicht auf Basis einer gemeinsamen Kultur oder gar einer biologischen Herkunft verortet, vielmehr treten strategische Allianzen und flexible Konzepte von Gemeinschaft an die Stelle von ethnischer Abschottung. Der kleine ‚ethnic turn‘ führte zur Abkehr von bestehenden biologistischen und rassistischen Vorannahmen. Mit dem Terminus Ethnisierung wird nicht mehr nach dem Charakter oder den Konsequenzen der Ethnizität gefragt, sondern vielmehr „ nach deren Einbindung in einen Rahmen prozesshafter, ständiger Aushandlung “ (Tiefenbacher, Benedik 2012: 218). Laut Tiefenbacher und Benedik ist für die Beschäftigung mit den RomNija die Auseinandersetzung mit theoretischen Modellen von Ethnizität deshalb von Bedeutung, weil sie bisher selbst in kritischen Auseinandersetzungen mit dem Thema nicht aufgegriffen wurden (vgl. Tiefenbacher, Benedik 2012: 218). Weitere Analysen zu diesem Themenfeld wären ebenso wünschenswert wie ein wissenschaftlicher Diskurs über die Ausbildung hybrider Identitäten von RomNija und die Einbindung von RomNija in diese Diskurse und Forschungen. Roswitha Scholz weist in ihren Arbeiten darauf hin, dass Diskurse über das Thema hauptsächlich von Nicht-RomNija geführt werden. Sie erklärt dies mit der Struktur des Antiziganismus selbst „ als Schnittstelle von Rassismus und gleichzeitiger Sozialdiskriminierung “ (Scholz 2009: 36).

Prozesse der Ethnisierungen von RomNija finden auf verschiedenen Ebenen mit unterschiedlichen Codierungen statt. Gruppenintern gilt die Sprache Romanes als wichtiger Marker, die Zuordnung durch die Mehrheitsbevölkerung erfolgt jedoch aufgrund anderer Codes. Vor allem sprachlichen Ethnisierungen kommt eine große Bedeutung zu, wenn zum Beispiel die Zuordnung zu einer ethnischen Gruppe anhand von Familiennamen, die als „typisch“ für Burgendland-RomNija gelten, erfolgt. Weitere Codes können Verweise auf Ausbildung und Tätigkeit sein. So erfüllen in der Slowakei der Besuch der Sonderschule oder die Teilnahme am ‚Aktivierungs-Programm‘ für Langzeitarbeitslose diese Funktion. Ein anderes Beispiel ist der verhältnismäßig neue Begriff ‚Rotationseuropäer‘, der auf das vermeintliche Nomadentum der RomNija aufbaut. Neben singulären Codes der Ethnisierung gibt es auch komplexere Prozesse der Ethnisierung, in welchen mehrere Faktoren zusammenspielen (vgl. Tiefenbacher, Benedik 2012: 219 ff.). Dabei kommt es häufig zur Verschränkung von Prozessen der sozialen und ethnischen Zuordnungen. Die Kombination aus sozialdiskriminierenden und rassistischen Kriterien kann laut Scholz als charakteristisch für antiziganistische Einstellungen gesehen werden (vgl. Scholz 2009: 38).

Kenntlich gemacht werden die Mitglieder der Gruppe der RomNija also sowohl anhand einfacher sprachlicher Codes als auch anhand komplex verschränkter Faktoren. Wie schon die Definition des Begriffes Antiziganismus gezeigt hat, spielt in dieser spezifischen Form der rassistischen Ausgrenzung die Verknüpfung der Ethnie mit Asozialität eine konstante Rolle. Die Themenfelder Ethnizität und hybride Identitäten wurden, wie sowohl Tiefenbacher und Benedik als auch Scholz zeigen, bis dato primär von Nicht-RomNija bearbeitet, was einerseits die Notwendigkeit aufzeigt sich mit diesen Feldern kritisch auseinanderzusetzen, andererseits als Zeichen für die soziale Diskriminierung der RomNija gesehen werden kann.

3 Geschichte der RomNija

Wenngleich im Rahmen dieser Arbeit nur ein kurzer Überblick über die Geschichte der RomNija gegeben werden kann, halte ich es für wichtig, die aktuelle Situation der RomNija in einen historischen Kontext zu stellen.

Vorab möchte ich betonen, dass es sich bei den RomNija um keine homogene Ethnie handelt. Vielmehr vereint der ‚Überbegriff-Begriff‘ RomNija zahlreiche unterschiedliche Gruppierungen, deren Lebensstil und Sprache sich mitunter wesentlich voneinander unterscheiden. Die Geschichte der Kalderas, einer Vlach-RomNija-Gruppe, ist eine andere als die der Burgenland-RomNija in Österreich oder die Geschichte der SintIze in Deutschland. Unterschiede ergeben sich beispielsweise aus der nomadischen oder der sesshaften Lebensweise der verschiedenen Gruppen. Es gibt zahlreiche Dialektvarianten und auch der Grad der Marginalisierung oder Assimilierung beziehungsweise Integration unterscheidet sie voneinander. Das ‚Roma-Sein‘, das sogenannte ‚romanipe‘, wird durch diese Faktoren definiert. So haben sesshafte, an die Mehrheitsbevölkerung angepasste RomNija-Gruppen gewissermaßen das ‚romanipe‘ gebrochen und gelten daher innerhalb der Hierarchie der Ethnie als unterlegen. Wobei diese Zuordnungen mitunter auch die folkloristischen Wahrnehmungen und die stereotypen Zuschreibungen der Mehrheitsbevölkerung widerspiegeln (vgl. URL 1). Um eine vollständige und umfassende Darstellung der Geschichte der RomNija zu geben, wären einerseits differenzierte Betrachtungen der unterschiedlichen Ethnien der Romvölker notwendig, andererseits müssten auch die unterschiedlichen nationalen und historischen Gegebenheiten der einzelnen Gruppen beachtet werden.

3.1. Von der Ankunft in Europa bis ins beginnende 20. Jahrhundert

Über die frühe Geschichte der RomNija gibt es wenig gesichertes Wissen, denn die RomNija selbst verfassten als ‚schriftloses Volk‘ keinerlei Zeugnisse über ihre Herkunft oder ihre Wanderung. Erste Berichte finden sich im Spätmittelalter in Form von Chroniken, die über die Ankunft „der Pilger aus Ägypten“ berichten und dabei auf bekannte Bilder von bedrohlichen Fremden zurückgreifen (vgl. Bogdal, 2014: 23 f.). Linguistische Studien aus dem 18. und 19. Jahrhundert belegen, dass die Vorfahren der heutigen RomNija aus Indien und dem heutigen Pakistan einwanderten und im Laufe des im 13. und 14. Jahrhunderts Europa erreichten (vgl. Engbring-Romang 2014).

Seit Jahrhunderten leben SintIze, RomNija, Jenische und andere vorgeblich mobile Gesellschaften in Europa und bilden in den jeweiligen Staaten historisch gewachsene Minderheiten. Die von der angesprochenen Minderheit mehrheitlich abgelehnte Fremdbezeichnung „Zigeuner“ tauchte erstmals im Mittelalter auf und wird von den damit angesprochenen Personen zumeist als diskriminierend empfunden. Der Begriff und seine Äquivalente in anderen europäischen Sprachen beinhalten vorwiegend negative, mitunter aber auch romantisierende Bilder und Stereotypen. Vor allem der viel zitierte Wandertrieb des ‚fahrenden Volkes‘ hat sich im Bewusstsein der Mehrheitsbevölkerung verankert, wenngleich vor allem Kriege, Verfolgung und wirtschaftliche Not die RomNija zur langen Wanderung nach und durch Europa zwangen (ebd.). Da ihnen das Recht, sich niederzulassen und ein Gewerbe auszuüben, zumeist versagt blieb, wurden sie in ein nichtsesshaftes Leben außerhalb der Mehrheitsgesellschaft gedrängt. Durch die Herausbildung von Nationalstaaten hat sich ihre Situation zusätzlich erschwert. Klaus-Michael Bogdal führt in einem Interview zum erzwungenen Nomadentum der RomNija aus:

Im Zuge der Herausbildung territorialer Nationalstaaten geraten sie in West- und Zentraleuropa als Minderheit im wahrsten Sinne des Wortes zwischen die Fronten und werden von Territorium zu Territorium gejagt. Nun werden auch sesshafte Familien gezwungenermaßen zu Nomaden.“ (Asmuth/Bogdal, 2014)

Wissenschaftliche Werke über die Kultur der RomNija, darunter auch einige von EthnologInnen und AnthropologInnen verfasste, haben zur „ Verfestigung von ‚Zigeuner‘-Bildern beigetragen“ und ihre „Verfolgungen vorbereitet “ (vgl. Engbring-Romang 2014). Ein frühes, bis in die Gegenwart zitiertes Beispiel ist das Buch Heinrich Moritz Gottlieb Grellmanns: „ Historischer Versuch über die Zigeuner betreffend Lebensart und Verfassung, Sitten und Schicksale dieses Volkes seit seinem Erscheinen in Europa und dessen Ursprung “, das als erstes wissenschaftliches Werk über „Zigeuner“ gilt. Im Kapitel „ Über die Duldung der Zigeuner im Staat “ beantwortet er die Frage, wie der Staat mit den „Zigeunern“ am besten umzugehen habe. Die Landesverweisung werde sowohl von Geistlichen als auch von Staatsgelehrten allerorts eingefordert und sei der einzig natürliche, vernünftige Umgang mit diesen schädlichen Elementen (vgl. Grellmann, 1783: 134).

Im 19. Jahrhundert wurde die Situation der RomNija als unabwendbare Folge ihrer Volks- und Rassenzugehörigkeit gesehen. Am Beginn des 20. Jahrhunderts setzten sich zwei unterschiedliche Sichtweisen hinsichtlich der „Zigeuner“ durch. Von den einen wurden sie als archaisches, zum Untergang verurteiltes Urvolk gesehen, das romantische Musiker und schöne Zigeunerinnen hervorbrachte und als Symbol für Freiheit, Ungebundenheit und Unbürgerlichkeit galt. Die anderen sahen in den RomNija geborene Verbrecher mit angeborenem Wandertrieb, deren „asoziales Verhalten“ anhand der sich neu entwickelnden Rassentheorien erklärt wurde (vgl. Bogdal, 2014. 336 f.).

1921 wurde von Fritz Lenz, Erwin Baur und Eugen Fischer das Standardwerk der Rassenhygiene: „ Grundriss der menschlichen Erblichkeitslehre und Rassenhygiene “ veröffentlicht (vgl. Böhacker 2012: 33). Der Direktor des 1927 gegründeten Kaiser-Wilhelm-Instituts für Anthropologie, Menschliche Erblehre und Eugenik, Hermann Muckermann, forderte eine Regulierung der Eheschließung und der Fortpflanzung, um den weiteren Verfall der Gesellschaft durch die unkontrollierte Fortpflanzung „ Minderwertiger “ und „ Erbkranker “ abzuwenden (vgl. Klautke 2004: 294).

Am Beginn standen Maßnahmen bei „ eugenischen Indikationen “ wie „ angeborenem Schwachsinn “ und „ schweren körperlichen Missbildungen “ im Vordergrund, später wurde die Anwendung des Gesetzes auf „ Asoziale “, „ Artfremde “ (vgl. Klautke 2004: 306 f.) und „ erblich belastete Homosexuelle “ (vgl. Herzog 2002: 14) ausgeweitet. Für die „ Neudefinition der Zugehörigkeit oder Nicht-Zugehörigkeit zum deutschen Volk nach rassischen Kriterien “ (Pollak:1970: 25) wurden „ professionalisierte “ Qualifikationsmethoden benötigt. Anthropologische Gutachten lieferten die Entscheidungskriterien über die Zuordnung von Menschen zu einer „ Rasse “ und besiegelten das Schicksal von Tausenden (vgl. Pollak 1990: 31 f.).

Robert Ritter und seine Assistentin Eva Justin beschäftigten sich mit der Erforschung von „ Asozialen “, zu welchen auch „Zigeuner“ und „ Zigeunermischlinge “ gezählt wurden. Sie forderten Zwangssterilisierungen und lieferten mit ihren Gutachten die Entscheidungsgrundlage für die Deportation von tausenden RomNijas und SintIze (vgl. Reemtsma 1998). Die in den 50er und 60er Jahren von Überlebenden des Porjamos[1] angestrebten Verfahren gegen Ritter und Justin wurden eingestellt. Beide setzten nach dem Krieg ungehindert ihre beruflichen Laufbahnen fort. Der Frankfurter OberstaatsanwaltHans-Krafft Kosterlitz argumentierte 1950 die Einstellung des Verfahrens gegen den Nervenarzt Robert Ritter damit, dass sich die Frage stellt:

„ob und inwieweit überhaupt den Darstellungen der Zeugen zu glauben ist. Es handelt sich um die grundsätzliche Frage, ob und inwieweit Aussagen von Zigeunern zur Grundlage richterlicher Überzeugungen gemacht werden können […]. Zahlreiche Wissenschaftler haben lange vor 1933 die Anschauung vertreten, dass Zigeuneraussagen grundsätzlich für die richterliche Überzeugungsbildung ausscheiden müssen.“ (Hohmann, 1991, 168 zit. nach Schmidt-Degenhard 2008: 233)

Katrin Reemtsma, Ethnologin und Menschenrechtsaktivistin, beschäftigte sich mit den Inhalten und Methoden ethnologischer Arbeiten zu RomNija und SintIze nach 1945 und verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass für die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Situation der Minderheit und ihrer Position innerhalb der Mehrheitsbevölkerung das Wissen um die „wissenschaftlichen“ Herangehensweisen während des Nationalsozialismus unerlässlich ist, da ein wesentlicher Teil unseres Wissens und Denkens über RomNija auf die Wissensproduktion dieser Ära zurückgreift (vgl. Reemtsma 1998).

3.2 Die Entwicklungen nach dem Zweiten Weltkrieg

Die Situation der RomNija nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges unterscheidet sich aufgrund der unterschiedlichen politischen Systeme im zweigeteilten Europa wesentlich voneinander.

3.2.1 Die Situation der RomNija in den sozialistischen Staaten

Nach Kriegsende befinden sich Millionen RomNija in den von den Sowjettruppen befreiten Gebieten. Die Minderheiten wurden in den sozialistischen Staaten in der jeweiligen nationalen Ausprägung am „Umbau der Gesellschaft“ beteiligt. Kurz nach dem Krieg blieb ihre kulturelle Eigenständigkeit noch bewahrt, Schulen und Kultureinrichtungen wurden für sie gebaut und ihre repräsentative Beteiligung an den zentralen Machtorganen wurde gefördert. Bereits in den 1960er Jahren änderten die sozialistisch-kommunistischen Regierungen jedoch ihren Zugang zur „Zigeunerpolitik“. Die Integration „rückständiger Völker“ sollte in den sozialistischen Gesellschaftssystemen zur Lösung sozialer Probleme beitragen. Die sowjetische Regierung ging zu einer konsequenten Assimilierungspolitik gegenüber den RomNija über und begann, gemäß der stalinistischen Nationalitätenpolitik die RomNija nicht als ethnische, sondern als soziale Gruppen zu begreifen, die in das Proletariat eingefügt werden mussten (vgl. Bogdal, 2014: 374 f.). Die Chancen auf attraktive Tätigkeiten blieben für RomNija aber gering, da sie nur selten über die notwendigen Bildungszertifikate verfügten. Die Mehrheit der RomNija blieb daher weiterhin an den sozialen und wirtschaftlichen Rand der Gesellschaft verbannt (vgl. Bogdal, 2014: 389).

Als Ende der 1980er die Sowjetunion zusammenbrach, brach auch das „ soziale Verantwortungsgefühl von Staat und Gesellschaft gegenüber den Romvölkern “ weg (Bogdal, 2014: 395). Arbeitsplätze für Niedrigqualifizierte waren mit Beginn der wirtschaftlichen Krisen kaum mehr vorhanden, was, aufgrund ihres unterdurchschnittlichen Ausbildungsniveaus, besonders viele RomNija betraf. Durch Kürzungen und Streichungen der Sozialleistung wurde ihre Verelendung weiter vorangetrieben. Die zunehmend isolierten RomNija versuchen ihre Überlebensstrategien flexibel auf die neue Situation in Europa anzupassen, „wie die Wanderbewegungen und die Verlagerung der traditionellen Tätigkeiten nach Frankreich, Italien, Österreich und zunehmend auch nach Deutschland zeigen“ (Bogdal, 2014: 399).

3.2.2 RomNija in Mittel- und Westeuropa

Obwohl auch in Mittel- und Westeuropa ein Großteil der RomNija zu den gesellschaftlichen Randgruppen zählt, ist es hier einem wesentlich höheren Anteil der autochthonen RomNija -Bevölkerung gelungen, einen relativen Wohlstand zu erreichen. Ihre Chancen auf Bildung und Arbeit sind verglichen mit der Situation in den östlichen und südöstlichen Staaten Europas relativ hoch. Zudem gelang es den RomNija in den letzten Jahrzehnten, ein gut ausgebautes Netz an Vereinen und Organisationen aufzubauen, die sich für ihre Anliegen einsetzen.

In den 60er und 70er Jahren wanderten im Zuge der Arbeitsmigration aus dem Osten, speziell aus dem ehemaligen Jugoslawien, vermehrt auch RomNija in die Staaten Mittel- und Westeuropas zu. In den jeweiligen Aufnahmegesellschaften sind diese zumindest teilintegriert und werden von der Mehrheitsbevölkerung zumeist weniger als RomNija denn als Gastarbeiterfamilien wahrgenommen. Ihr Status ist somit mit dem anderer GastarbeiterInnen vergleichbar. Weitaus schwieriger gestaltet sich die Situation für die MigrantInnen und Flüchtlinge, die seit der Ostöffnung nach Mittel- und Westeuropa gekommen sind. Viele haben nur befristete Arbeitsgenehmigungen oder versuchen Asyl zu erhalten, was angesichts der sich verschärfenden politischen Situation immer schwieriger wird. Einige von ihnen halten sich illegal im Westen auf. RomNija aus Schengen-Staaten versuchen Fuß zu fassen, aber ihre Eingliederung in den regulären Arbeitsmarkt ist aufgrund der fehlenden Qualifikationen oft nicht möglich. Die Situation wird durch rechtspopulistische, ausländerfeindliche Kampagnen und Rassismus erschwert, welche die Akzeptanz von RomNija und SintIze in der Mehrheitsbevölkerung zusätzlich negativ beeinflussen (vgl. URL 1).

3.3 Die Geschichte der RomNija in Österreich

Da eine quantitative Demographie grundsätzlich problematisch ist, zumal es keine Verpflichtung gibt, sich zu einer benachteiligten Gruppe zu bekennen, ist die genaue Anzahl der in Österreich lebenden RomNija nur schwer zu ermitteln. Schätzungen gehen davon aus, dass derzeit zwischen 25 000 und 50 000 Personen in Österreich zur Minderheit der RomNija zählen. Auch in Österreich bilden die RomNija keine homogene Gruppe. Ähnlich wie in anderen westeuropäischen Ländern wird aufgrund des soziohistorischen Hintergrunds zwischen drei Gruppen aus drei ‚Migrationswellen‘ unterschieden: Die erste Migrationswelle fand im 15. und 16. Jahrhundert statt und bildet heute die ‚indigene RomNija-Bevölkerung‘. Mit der zweiten Einwanderungswelle Mitte des 19. Jahrhunderts kamen Vlach-RomNija, die nach der Abschaffung der Sklaverei in den Gebieten der Walachei und Moldawiens nach Westen aufbrachen. Mitte des 20. Jahrhunderts begann ein dritter Migrationsschub von RomNija aus Südosteuropa, die in den wirtschaftlich besser entwickelten mitteleuropäischen Raum abwanderten. Die verschiedenen Gruppen unterscheiden sich auch durch den unterschiedlichen soziopolitischen Status der einzelnen RomNija-Gesellschaften (vgl. URL 3).

Die erste urkundliche Erwähnung von RomNija in Österreich geht auf das Jahr 1674 zurück, als Graf Christof Batthyány einer Gruppe von RomNija einen Schutzbrief für seine Besitzungen im Südburgenland ausstellte. Immer schon als Fremde am Rand der Gesellschaft angesiedelt, verschlechterte sich ihre Lage massiv nach dem Ersten Weltkrieg. Im Jänner 1933 fand in Oberwart eine Konferenz statt, da die Mehrheitsbevölkerung besorgt darüber war, dass die „Zigeuner“ bald in manchen Gemeinden die Bevölkerungsmehrheit stellen könnten. Man beschloss daher, Maßnahmen zur Einschränkung der Bewegungsfreiheit der RomNija umzusetzen, und begann damit, die ansässigen RomNija in einer Kartothek mit Fotos und Fingerabdrücken zu erfassen. Mit diesem Projekt wurde bereits die Vorarbeit für die spätere Deportation in Konzentrationslager geleistet. 1940 wurde im ehemaligen Gutshof in Lackenbach das größte „Zigeunerlager“ auf österreichischem Gebiet errichtet. Von dort aus wurden in den folgenden Jahren tausende RomNija und SintIze in das Ghetto Lódz/Litzmannstadt deportiert. 1943 folgten Deportationen nach Auschwitz-Birkenau, wo im „Zigeunerlager“ in Summe mehr als 20 000 Häftlinge registriert wurden. Insgesamt haben von den ursprünglich etwa 11 000 österreichischen RomNija und SintIze nur 10 % den Holocaust überlebt (vgl. Sarközi 2015: 97 f.).

Die Rückkehr der Überlebenden gestaltete sich äußerst schwierig. Die wenigen Besitztümer waren verloren und zerstört. In den Heimatgemeinden wurden sie zwar untergebracht aber als „Zigeuner“ nach wie vor nur geduldet. Auch ihre Anerkennung als Opfer des Holocaust erfolgte nur schleppend: Entschädigungszahlungen blieben aus oder kamen erst sehr spät, obwohl sich die überlebenden RomNija-KZ-Häftlinge an die Lagergemeinschaften und Opferverbände wandten. Resigniert zogen in den 1960ern viele junge RomNija auf der Suche nach Anonymität und einem Neuanfang in die großen Städte (Sarközi 2015: 99). Wie in anderen europäischen Staaten war auch in Österreich der Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit problematisch. Insbesondere die systematische Verschleppung und Ermordung von „Zigeunern“ wurde tabuisiert, verharmlost oder uminterpretiert (vgl. Thurner 2015: 24). Das Eingangs angeführte „ Konzept der Asozialität “ zeigt sich in diesem Zusammenhang besonders deutlich. Die RomNija, so das gängige Credo, seien weniger aus rassistischen Gründen, sondern vor allem aufgrund ihrer asozialen und kriminellen Haltung verfolgt und inhaftiert worden (vgl. Lausberg 2015: 70). Mit dieser Argumentation wurde die Stigmatisierung und Kriminalisierung der RomNija über das Ende der nationalsozialistischen Systeme hinaus weitergetragen, wie sich beispielsweise in einem von Katrin Thurner veröffentlichten Dokument aus der Generaldirektion für öffentliche Sicherheit des österreichischen Innenministeriums aus dem Jahr1949 zeigt, in dem auf das Wiederaufkeimen des „Zigeunerunwesen“ hingewiesen wird und Maßnahmen gegen das selbige angeordnet werden (vgl. Thurner 2015: 25).

4 Die größte Minderheit in der Europäischen Union

Die Gesamtbevölkerung der RomNija in Europa wird aktuell auf acht bis zehn Millionen geschätzt. Sie bilden die größte Minderheit der Europäischen Union. Im folgenden Abschnitt soll zunächst der Begriff Minderheit betrachtet und in Bezug zur Situation der RomNija in der Europäischen Union gebracht werden. In weiterer Folge werden die Eckdaten der Europapolitik im Zusammenhang mit den RomNija und SintIze zusammengefasst.

4.1 Wer ist eine Minderheit?

Der Begriff Minderheit ist völkerrechtlich bis dato nicht eindeutig definiert. Die Definitionsmacht darüber, welche Gruppe eine Minderheit ist, beziehungsweise welche Herausstellungsmerkmale eine Gruppe zur Minderheit innerhalb der Mehrheitsbevölkerung machen, liegt in Händen der staatlichen Institutionen.

In den meisten gültigen Konventionen wird der Begriff einfach vorausgesetzt, so auch im Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten des Europarats. In den wesentlichen Aspekten bauen die Autoren auf den allgemein anerkannten Definitionen von Capotorti und Deschenes auf, nach welchen sich eine Minderheit durch vier Punkte auszeichnet:

- numerische Unterlegenheit im Vergleich zur Gesamtbevölkerung
- Nicht-dominante Stellung im Staat
- Ethnische, religiöse oder sprachliche Gemeinsamkeiten
- Staatsangehörigkeit des Aufenthaltsstaates (URL 2)

Vor allem für WanderarbeiterInnen und ‚staatenlose‘ Gruppen wie es Teile der RomNija Gesellschaften sind, ist die Staatsangehörigkeit ein strittiges Thema (vgl. URL 2).

Der Begriff ‚Minderheit‘ suggeriert die Homogenität der „ jeweiligen Minderheit in Beziehung zu einem einheitlichem Mehrheitsgebilde“, was bedeutet, dass die sich gegenüberstehenden Ethnien, Kulturen oder Nationen als „ geographisch umgrenzte Räume gedacht“ werden (Ries/Jacobs 2009: 117). Der Minderheit bleibt damit nur eine Möglichkeit: Sie muss versuchen, sich in allen Bereichen, sei es Bildung, repräsentative Politik oder Arbeitsmarkt, in die „homogenisierenden Strukturen der staatstragenden Nationen zu integrieren “ (ebd.). Dieser strukturelle Anpassungsdruck bedeutet für die RomNija, dass sie „dem homogenisierenden Paradigma der nation building“ folgen müssen, um auf der politischen Ebene der Nationalstaaten bestehen zu können (ebd.). Das führt dazu, dass für RomNija-Gesellschaften die einzigen Alternativen im Sinne einer strukturell angepassten RomNija-Politik die Herausstellung als nationale Minderheiten auf Ebene der Nationalstaaten und der Aufbau einer Nation auf der internationalen Ebene darstellen (ebd.).

4.2 Die Situation der RomNija in der EU

Die Mehrheit der europäischen RomNija lebt in den ost- und südosteuropäischen Staaten, wobei sich die größten Gemeinschaften in der Slowakei mit ca. 600 000 und in Rumänien mit ca. zwei Millionen RomNija finden, was je etwa 10 % der Staatsbevölkerung entspricht (vgl. URL 3).

Der erste EU-Gipfel zur Lage der RomNija fand im September 2008 statt, in dessen Anschluss das „ Forum für die Einbeziehung der RomNija “ gegründet wurde. Unter Einbeziehung aller Betroffenen soll das Forum Maßnahmen zur Bekämpfung der Diskriminierung und Ausgrenzung von RomNija koordinieren. Im Jahr 2009 verabschiedete das Europäische Parlament einen Entschluss hinsichtlich der sozialen Lage der RomNija und ihres Arbeitsmarktzuganges, in dem ausdrücklich auf die starke Familienbindung der RomNija und die notwendige Einbeziehung dieses „natürlichen, sozialen“ Netzes eingegangen wurde (vgl. URL 9: C 87 E/66). Die Integration am Arbeitsmarkt sollte mit einer Verbesserung der Wohnraumsituation der RomNija einhergehen. Nationale Behörden wurden angehalten, die „ diskriminierende Vertreibung von in Slums lebenden Roma zu beenden und stattdessen konkrete Wohnraumprojekte zu entwickeln “ (URL 9: C 87 E/69). Zudem wurde der Aufbau wissenschaftlicher Netzwerke von Roma-Sachverständigen angeregt und die fehlende Ratifizierung des Rahmenübereinkommens des Europarates zum Schutz nationaler Minderheiten von 1995 kritisiert (vgl. URL12: C 87 E/69 f.). Nachdem die angeforderten Strategie-Papiere zur Verbesserung der Situation der RomNija von den Mitgliedstaaten nicht beigebracht wurden, verfasste das Europäische Parlament eine weitere Entschließung mit der Aufforderung an die Kommission, eine umfassende europäische Strategie zu entwickeln (vgl. URL 10).

Eine weitere Mitteilung der Kommission wurde im Jahr 2011 verabschiedet, in der sie Leitlinien für die Entwicklung nationaler Strategien zur Integration der RomNija abgab und konkrete Strategien und Maßnahmen anführte (vgl. URL 4). Ausdrücklicher als zuvor verwies die Kommission auf ethnische Diskriminierung und Armut als eigenständige, aber miteinander verknüpfte Ursachen für die Situation der RomNija und gab Empfehlungen für Rahmeninterventionen aus, die sich auf spezifische Weise mit den Lebensumständen der RomNija auseinandersetzen und ergänzend zu den Gleichbehandlungsgesetzen wirken sollten (vgl. URL 5).

Die Umsetzung der zahlreichen Vorgaben, Entschließungen und Programme, die hier aus Platzgründen nur zum Teil angeführt wurden, bleibt hinter den gesetzten Zielen weit zurück. Das liegt vor allem auch daran, dass keine einheitliche Strategie verfolgt wird und man sich darauf beschränkt, die Maßnahmen einzelner Institutionen und Nationalstaaten zu koordinieren. Vielerorts fehlt auch der politische Wille zur Umsetzung der EU-Programme zur Bekämpfung der Diskriminierung, zumal die tief in den Mehrheitsgesellschaften verankerten Vorbehalte weiter bestehen und die schwierige wirtschaftliche Situation diese noch verstärkt.

Ausgehend von der Annahme, dass sich mit dem Ende der Ausgrenzung und Diskriminierung der RomNija auch die sozialen Probleme dieser Gesellschaftsgruppe legen werden, versucht die Europäische Union mit Förderungen Abhilfe zu verschaffen. Damit provoziert man wiederrum den Widerstand und die Ablehnung der Mehrheitsbevölkerungen. Arme RomNija treten in Konkurrenz zu armen Ungarn, armen Slowenen und so fort. In der Wahrnehmung der Mehrheitsbevölkerung wird den RomNija durch Antidiskriminierungsgesetze und Förderungen eine positive Diskriminierung gewährt und die Mehrheitsbevölkerung benachteiligt (vgl. Bogdal, 2014: 399). Rechtspopulistische Bewegungen nutzen die Verteilungsängste für ihre Propaganda und da die Entscheidung über Investitionen in RomNija-Viertel häufig von lokalen Machtträgern zu treffen ist, die wiederrum um ihr politisches Überleben bangen, werden zur Verfügung gestellte EU-Gelder für Infrastrukturprojekte in RomNija-Siedlungen oft nicht abgerufen. (vgl. Mappes-Niediek, 2013: 23 ff.).

Die Armutsrate der RomNija ist im Vergleich zu der der Mehrheitsbevölkerung in den östlichen und südöstlichen Staaten Europas signifikant höher. Damit geht auch ein entsprechend höherer Emigrationsdruck der benachteiligten Gruppen einher. Daher verpflichtete man die beitrittswilligen Staaten vor der EU-Osterweiterung die ‚Kopenhagener Kriterien‘ einzuhalten, also „ den nationalen, ethnischen und religiösen Minderheiten einen gewissen Schutz zu gewähren“ (Matter 2015: 104). Für einige Beitrittsländer spielte ihr Umgang mit Minderheiten eine derart zentrale und kritische Rolle, dass sie deren Beitritt zur EU gefährdete. Sprecher der betroffenen Staaten trafen allerdings einen ‚Nerv‘ der Reichen EU 15, als sie darauf hinwiesen, dass EU Staaten wie Spanien, Frankreich und Griechenland bisher, „ ihren Verpflichtungen gegenüber den Roma-Minderheiten auch nur ungenügend nachgekommen seien“ (Matter 2015: 104).

Dass diese Anmerkung nach wie vor ihre Berechtigung hat, zeigen aktuelle Medienberichte. Im Februar 2015 erschien unter dem Titel „ 13.500 Roma in Frankreich aus Lagern vertrieben “ ein Artikel in den Salzburger Nachrichten (vgl. URL 6). Obwohl Frankreichs Politik der Vertreibung von RomNija für viel Kritik gesorgt hat und Frankreich sowohl gegen die Europäischen Minderheitenrechte als auch gegen das EU-Recht der Freizügigkeit verstieß und sich die Europäische Union in mehreren Entschließungen und Deklarationen dazu bekannt hat, die Rechte von RomNija speziell zu schützen, blieben die Vertreibungen weitgehend ohne Konsequenzen (vgl. Kopf 2011: 1). Vergleichbare Maßnahmen anderer EU Mitgliedsstaaten zeigen, wie tief die Ablehnung der „ZigeunerInnen“ gesellschaftlich verankert ist.

Handlungsbedarf besteht vor allem in osteuropäischen Staaten, schon wegen des hohen Bevölkerungsanteils von RomNija. Zudem entwickeln sich seit den 1990ern unterschiedliche politische Stoßrichtungen, die sich auf nationaler und lokaler Ebene in – zum Teil gewaltsamen – Auseinandersetzungen widerspiegeln. Auf der einen Seite versuchen NGOs und Bürgerrechtsbewegungen den antiziganistischen Diskriminierungen entgegenzuwirken und die Selbstorganisation der RomNija zu fördern, auf der anderen Seite formieren sich immer stärker werdende rechte und nationalistische Gruppierungen, die „auf der Grundlage rassistischer Ideologien eine Politik der Verfolgung und Ausgrenzung den Romvölkern gegenüber betreiben“ (Bogdal, 2014: 399). Flankiert wird die Situation von der Minderheiten- und Subventionspolitik der Europäischen Union, die sich auf die Verbesserung der Infrastruktur konzentriert und geraume Mittel in die Erforschung der Lebensverhältnisse und die Kultur- und Sprachförderung investiert (vgl. Bogdal, 2014: 399). Bei der Umsetzung europäischer Förderprojekte wird meist ohne Einbeziehung der Minderheit gearbeitet und die Konzeption und Umsetzung von Projekten lokalen Projektverantwortlichen übertragen, die häufig von den „traditionellen Vorurteilen“ belastet sind. Das führt dazu, dass viele der gutgemeinten Maßnahmen zum Scheitern verurteilt sind. Das Scheitern der Projekte wiederrum führt zur Reproduktion und Festschreibung der tradierten Zuschreibungen in Richtung der Minderheit (vgl. Kopf 2011: 22).

In diesem Abschnitt habe ich gezeigt, dass die Europäische Union bereits im Vorfeld zur EU-Osterweiterung versucht hat, Maßnahmen zu setzten, die der Diskriminierung der RomNija entgegenwirken und eine wirtschaftliche und soziale Integration der Minderheit in Europa fördern sollten. Die politische Realität zeigt aber, dass die Lebensbedingungen der RomNija nach wie vor von antiziganistischen Vorurteilen, Ausgrenzung und Benachteiligungen geprägt ist.

5 Konstruktion des Fremden

In diesem Kapitel werde ich zunächst einige vergleichbare quantitative Studien und Erhebungen aus Deutschland aufgreifen, die die Wahrnehmung von RomNija in den letzten Jahrzehnten darstellen. Das erscheint mir wichtig, da einerseits die Situation der RomNija und ihre Wahrnehmung in Österreich nicht isoliert betrachtet werden kann, andererseits die Ergebnisse der Studien einen Überblick über die Wahrnehmung der RomNija und die Vorurteile gegenüber RomNija im deutschsprachigen Bereich liefern, der die Entwicklung der letzten Jahrzehnte und somit auch den Zusammenhang mit der EU – Osterweiterung berücksichtigt.

Dem folgt ein Überblick über die medialen Diskurse zur Minderheit der RomNija in den heimischen Medien. Zur Veranschaulichung von Ablauf und Auswirkungen dieser Diskurse gehe ich genauer auf eine Studie von Stefan Benedik, Barbara Tiefenbacher und Heidrun Zettelbauer ein, die sich damit auseinander setzen, wie gängige Mythen und antiziganistische Vorurteile mit den konkreten Lebensentwürfen der BettlerInnen in Graz medial aufbereitet und in Beziehung gesetzt werden. Im dritten und letzten Teil des Kapitels greife ich einige Studien aus der Schweiz und Deutschland auf, um zu zeigen, dass die antiziganistischen Diskurse bei allen politischen und sozialen Unterschieden mit diesen Staaten zahlreiche Parallelen mit den in österreichischen stattfindenden Debatten aufweisen.

5.1 Die Wahrnehmung des Fremden – Studien im Vergleich

Was die Abneigung der RomNija und SintIze angeht herrscht weitgehende Einigkeit in Europa. In Deutschland stellen sie die unbeliebteste Minderheit dar wie Umfragen wiederholt belegen. Eine Umfrage des Allensbacher Instituts für Demoskopie im Jahr 1988 ergab, dass rund 50 % der Deutschen Ressentiments gegen „Zigeuner“ hegten. Vier Jahre später gaben bereits 64 % der Deutschen an, Vorurteile gegen RomNija zu haben. 1994 ermittelte EMNID[2], dass bereits 68 % der deutschen Bundesbürger RomNija und SintIze ablehnend gegenüberstanden, was sich zum Beispiel darin äußert, dass sie nicht in einer Nachbarschaft mit RomNija und SintIze leben wollten (Benz 2014: 34 f.). Eine weitere Studie aus dem Jahr 2013 wurde von der ‚Antidiskriminierungsstelle des Bundes‘ beauftragt. Diese brachte erstmals Zahlen über das Bild, das sich die Mehrheitsbevölkerung von den SintIze und RomNija macht. Ziel der repräsentativen Befragung war es, das Wissen und die Ressentiments der Deutschen im Zusammenhang mit SintIze und RomNija zu ermitteln. Es zeigte sich, dass das Wissen über den Völkermord an den RomNija während des Nationalsozialismus vor allem unter den jüngeren Befragten sehr gering ist. In der gestützten Befragung verlangen 91 % Integrationsangebote, 83 % wollen einen freien Zugang zum Arbeitsmarkt, aber 80 % fordern eine Bekämpfung von Leistungsmissbrauch, 78 % die Bekämpfung der Kriminalität, 70 % das Eingreifen des Jugendamtes. Immerhin 68 % möchten die Minderheitenrechte gestärkt sehen. Dem stehen 50 % gegenüber, die Einreisebeschränkungen fordern. Immerhin jeder Fünfte sieht Abschiebung als beste Lösung an und 14 % der Befragten wünschen sich eine „gesonderte Unterbringung“ von SintIze und RomNija (ebd.). Die wesentliche Erkenntnis aus der Studie ist, so Benz, dass „ die Mehrheit sich für die Minderheit weder interessiert noch engagiert […]. In diese Gleichgültigkeit stoßen die neuen Fremdbilder der zuwandernden Roma aus Südosteuropa und werden zu Feindbildern“ (Benz 2014: 35). Ähnliche Ergebnisse liefert auch die Rechtsextremismus-Studie der Universität Leipzig aus dem Jahr 2014, die eine stark steigende Tendenz, was die Abneigung gegenüber RomNija und SintIze in Deutschland angeht, konstatiert. Zum Themenblock Antiziganismus wurden drei Fragen gestellt, die bereits 2011 abgefragt wurden. 2011 gaben noch 40,1 % der Deutschen an sie hätten Probleme damit, wenn sich Sinti und Roma in ihrer Gegend aufhalten, 2014 waren bereits 55,4 % dieser Meinung. Die Annahme „ Sinti und Roma neigen zur Kriminalität “ bejahten 2011 44,2 %, drei Jahre später bereits 55,9 %. 27,7 % der Befragten gaben an, dass „ Sinti und Roma aus den Innenstädten verbannt werden sollten “. 2014 waren es bereits 47,1% (vgl. Benz 2014: 36). Laut Benz ist diese Entwicklung nicht nur durch die Zuwanderung von RomNija zu erklären, auch nicht durch die „politische Stimmungsmache“ und die Berichterstattung. Er verweist auf eine jahrhundertelange Tradition des Antiziganismus. Stereotypen wie Kriminalität, Nomandentum und Zivilisationsunfähigkeit sind tief in der Mehrheitsbevölkerung verankert, können entsprechend leicht abgerufen werden und erleichtern so die Zuschreibung von neuen „Vergehen“ wie Sozialschmarotzertum (ebd.).

Auch wenn die Studien in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführt wurden, ist es meines Erachtens zulässig, trotz aller Unterschiede, Ähnlichkeiten mit der Situation in Österreich hinsichtlich der grundlegenden Tendenzen zu vermuten, da, wie sich in den nächsten Unterkapiteln zeigen wird, die politischen und medialen Diskurse durchaus ähnlich strukturiert sind. Deutlich lässt sich aus den Ergebnissen der Studien zur Wahrnehmung von RomNija eine Zuspitzung der Diskurse im ‚reichen Westen‘ rund um die EU-Osterweiterung in den letzten zwei Jahrzehnten. Die Immigration von RomNija aus den Staaten des ehemaligen Ostblocks führt zu einer verstärkt ablehnenden Haltung gegenüber der Minderheit und zum Erstarken antiziganistischer ‚Glaubensätze‘.

5.2 RomNija in den österreichischen Medien

Im Folgenden soll die Aufmerksamkeit der österreichischen Situation gelten. Die öffentliche Wahrnehmung der RomNija wird entscheidend von jenen Bildern geprägt, die im medialen Diskurs über sie geschaffen werden.

Die Auseinandersetzung mit den medialen Diskursen erachte ich als wesentlich, da sie einerseits Projektionsfläche dafür sind, was in der öffentlichen Wahrnehmung Aufmerksamkeit findet und diese prägt, anderseits entfalten diese Diskurse ihre Wirkmacht in der Form der Repräsentation des Fremden, der dem Fremden zugestandenen Selbstrepräsentation und letztendlich in ihren politischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Konsequenzen. Daher möchte ich mich zunächst mit der Theorie des Diskurses auseinandersetzen um ein Bild von der ‚Macht der Diskurse‘ zu skizzieren.

5.2.1 Die Macht der Diskurse

Nach Foucault wird mittels eines Diskurses bestimmt, wie über etwas geredet wird, aber auch wie nicht darüber gesprochen werden darf. In diesem Sinne agieren Diskurse als Filter für das Gesagte und damit in weiterer Folge für Denk- und Handlungsweisen. Ihre Bedeutung ist unmittelbar mit dem Machtbegriff verknüpft. Diese Macht strukturiert die Diskurse und wird ihrerseits über die Diskurse legitimiert (vgl. Pühretmayer/Puller 2011). Stuart Hall greift den Foucaultschen Diskursbegriff auf und merkt an, dass dieser nicht zwischen Denken und Handeln unterscheidet. In der Analyse der für ein Themenfeld relevanten Diskurse ist es wesentlich, die eingesetzten diskursiven Strategien und Praktiken aufzudecken und die entscheidenden Machtverhältnisse auszumachen. Diskurse transportieren bestimmte Vorstellungen und Bilder die ‚das Fremde‘ repräsentieren (vgl. Habinger 2006: 16f). Im Alltag wird das Fremde‘ meist als kulturelle Fremdheit verstanden. Dabei werden Kulturen zumeist als in sich geschlossene, homogene Systeme gesehen und auch als solche dargestellt. Als scheinbare Einheit kann ‚das Fremde‘ dann über die Andersartigkeit und Fremdheit im Vergleich zum ‚Eigenen‘ definiert werden (vgl. Hall 1994:142). Für Hall handelt es sich dabei um ein „Repräsentationssystem“, das ein „Ensemble von Bildern“ zur Verfügung stellt, in dem sich die diversen Charakteristika verdichten. Über dieses Konzept ist es möglich, Gesellschaften in unterschiedliche Teilgruppen einzuteilen und ein ‚Standardmodell‘ sowie Untersuchungskriterien zu definieren, die die Basis für die Beurteilung und Einordnung des jeweils anderen bilden (vgl. Habinger 2006: 16f). Repräsentationen stellen also einen wesentlichen Teil der vernetzten Machtbeziehungen dar. Wichtig ist dabei auch, dass der Diskurs nicht nur ein Mittel der Macht ist, auch der Zugang zu den Diskursen steht nur für bestimmte Personen offen. Foucault spricht von der „Verknappung der Subjekte“, dabei geht es darum , die Bedingungen ihres Einsatzes zu bestimmen, den sprechenden Individuen gewisse Regeln aufzuerlegen und so zu verhindern, dass jedermann Zugang zu den Diskursen hat (Foucault 1991: 25f). Im Zusammenhang mit den RomNija ist vor allem die Repräsentation dieser ‚innergesellschaftlichen Fremden‘ in den medialen Diskursen relevant, sowie die Art von Wissen das mittels dieser Diskurse produziert wird. Dabei ist auch die Frage nach der Repräsentationsmacht unumgänglich. Wissen produziert wer über die Macht und die Mittel dafür verfügt, die anderen werden zum „Gegenstand der Unterwerfung “ zu machen ( Hall zit. nach Habinger 2006: 18). Unter diesem Gesichtspunkt ist auch die Repräsentation der RomNija in den österreichischen Medien zu analysieren, zeigt sich doch, dass im öffentlichen Diskurs vorwiegend über RomNija gesprochen wird und es primär die Fremdrepäsentationen sind, die das Wissen über und das Bild von der Gruppe prägen, während Eigendarstellung, Betroffeneninterviews u.ä. vergleichsweise selten anzufinden sind.

5.2.2 Auswirkung des Anschlages in Oberwart auf die Wahrnehmung von österreichischen RomNija

Betrachten wir nun die medialen Diskurse, die im Zusammenhang mit der Minderheit der RomNija während der letzten Jahrzehnte in Österreich von Bedeutung waren. Die Auseinandersetzung mit der Verfolgung und Ermordung der ‚Zigeuner‘ während des Nationalsozialismus begann sowohl in den Medien als auch im wissenschaftlichen Diskurs erst Ende der 1980er. Sie war die Voraussetzung für die Akzeptanz und die Anerkennung der RomNija als ethnische, sprachliche und kulturelle Minderheit. Die durch das Engagement der Roma-Vereine erkämpfte Gleichstellung mit den anderen fünf anerkannten Volksgruppen in Österreich war ein wesentlicher Schritt für die „ gesellschaftliche Aufwertung und rechtliche Besserstellung “ (Thurner 2015:36) der österreichischen RomNija. Medial blieb die Anerkennung als autochthone Volksgruppe jedoch weitgehend unbeachtet. Erst ein rassistisch motiviertes Bombenattentat lenkte die Aufmerksamkeit in- und ausländischer Medien auf die Lebensverhältnisse der RomNija in Österreich (vgl. Thurner 2015: 36). Der Terrorist Franz Fuchs verübte zwischen 1993 und 1997 im Namen der ‚Bajuwarischen Befreiungsarmee‘ zahlreiche rassistisch und völkisch motivierte Anschläge. Darunter auch den Rohrbombenanschlag in der Roma-Siedlung Oberwart, dem vier Roma zum Opfer fielen. Im Rahmen der nationalen und internationalen Berichterstattung „wurde ein verdrängter Teil der österreichischen Geschichte und Realität öffentlich“ (Thurner 2015: 38 f.). Bis zu diesem Zeitpunkt wurde die Existenz der RomNija und die Tabuisierung ihrer Verfolgung und Ermordung im Dritten Reich ebenso ignoriert, wie die späte Anerkennung als Opfer des Nationalsozialismus und die damit einhergehenden nicht oder erst spät zugestandenen Entschädigungszahlungen. Der Anschlag 1995 führte zu einer Welle der Empörung und Anteilnahme. Die österreichische Öffentlichkeit interessierte sich erstmals für die Lebenssituation und die Benachteiligungen der heimischen RomNija. Zahlreiche Zusicherungen und Beteuerungen von Seiten der Politik, Diskriminierungen in Zukunft zu bekämpfen und integrative Schritte zu setzen, folgten. Wenngleich nicht alle Versprechungen sofort umgesetzt wurden, so wurden die prekären Lebensumstände dieser Minderheit zumindest nicht mehr ignoriert. Zudem blieb doch ein gewisses Wissen über die österreichischen RomNija in der Öffentlichkeit verankert.

Die tragischen Geschehnisse in Oberwart führten also dazu, dass die RomNija durch die Berichterstattung rund um den Anschlag ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt und damit ‚Wissen‘ über die RomNija in Österreich geschaffen wurde.

In den letzten Jahrzehnten hat die wissenschaftliche Beschäftigung mit RomNija und ihrer Geschichte deutlich zugenommen. Seit 1989 wurden mehrere Eigenorganisationen und Interessensvertretungen gegründet, beispielsweise der „ Verein Oberwart“, der „ Kulturverein österreichischer Roma“ oder das „ Romano Centro “, die sich für die Interessen der RomNija in Österreich und der EU engagierten (vgl. Thurner 2015: 39 f.). Das neue öffentliche Auftreten der RomNija und ihrer Vertretungen hat zur Entwicklung einer differenzierteren Sichtweise auf die österreichische RomNija-Bevölkerung beigetragen.

5.2.3 Mediale Diskurse im Umfeld zur EU-Osterweiterung

Wie schon im den vorhergehenden Kapiteln gezeigt, kam es vor allem im Zusammenhang mit der EU-Osterweiterung und der damit einhergehenden Migrationsbewegungen aus den Staaten Ost- und Südosteuropas zu einer deutlichen Zunahme von antiziganistischen Ressentiments. Auch österreichische Medien greifen in diesem Zusammenhang in ihren Berichten zunehmen auf althergebrachte Stereotype und Zuschreibungen zurück, die, wie sich in Leserbriefen und diversen Internetforen ablesen lässt, rassistische Grundhaltungen ermutigen und reaktivieren und, wie wir etwas später am Beispiel Graz sehen werden, unmittelbare Auswirkungen auf die Lebensrealität der RomNija in Österreich haben.

Insbesondere in den sozialen Netzwerken erlauben sich User eine oft erschütternde Offenheit in Form von rassistischen und antiziganistischen Hasspostings. In „Banalität des Rassismus“ prägt Terkessidis den Begriff der ‚Entgleichung‘, bei dem es darum geht, dass die Zuschreibungen und Klischees zumeist auch den Hinweis auf ein Defizit der Betroffenen beinhaltet.“ (Terkessidis 2004: 195) Im Sprechen über die Minderheit wird verdeutlicht, dass sie der gängigen Norm nicht genügen. Terkessidis führt aus, dass die Unterstellung eines Defizites, damit einhergeht, dass die Person, die sie ausspricht, gewissermaßen zum Richter über die Qualitäten des Anderen erhoben wird. Die Entgleichung zeigt der betroffenen Person, dass sie sich einer Konfrontation nicht zu stellen braucht, da sie noch nicht einmal zur Konkurrenz zugelassen ist (vgl. Terkessidis 2004:195).Vor allem im Internet ergibt sich eine besondere Dynamik, die einerseits die schnelle und unreflektierte Verbreitung von Informationen an große Personengruppen auf schnellstem Weg ermöglicht, andererseits durch diverse Filterkriterien für eine sehr selektive Informationsbereitstellung sorgt und damit bereits vorhandene Vorurteile und Ängste stetig weiter verstärkt (vgl. Benz 2014: 57 f).

Wolfgang Benz ortet in diesen Onlineaktivitäten eine „ große Gefahr für die Demokratie, weil sich die Rechtextremisten europaweit organisieren “ (Benz 2014: 57). Diese Gefahr werde durch die wirtschaftlichen Krisen verstärkt, die Existenzängste in den Bevölkerungen auslösen und die Zugänglichkeit für rechtspopulistische Propaganda erhöhen (vgl. ebd.).

Die Systematik der zumeist, aber nicht nur rechtspopulistischen Publikationen und Statements folgt bewährten Techniken: Unterschiede zum ‚Eigenen‘ werden in Form von Stereotypisierungen und Naturalisierungen hervorgehoben. Thematisiert wird, was die Erwartungen der Mehrheitsgesellschaft stört, also die Differenz zur ‚Norm‘, die Differenz zwischen den verschiedenen Gruppen autochthoner und allochthoner RomNija oder auch einzelnen Personen der Gruppen wird ausgeblendet. Die Ethnie wird also im öffentlichen Diskurs homogenisiert (vgl. Hall 1994: 162f). In der Abgrenzung gegenüber dem so homogenisierten ‚Anderen‘ wird versucht, ein neues, zumeist nationales Identitätsgefühl zu schaffen und ein geeignetes Bedrohungsszenarium aus der Anwesenheit der ‚Fremden‘ zu konstruieren.

Miles differenziert zwischen einem Diskurs über den ‚fiktiven‘ und den ‚wirklichen‘ Anderen und beschreibt in seiner Analyse den Nutzen der negativen Konnotation des ‚Fremden‘ damit, dass die negative Darstellungsform des ‚Fremden‘ dabei hilft, die „unterstellten positiven Eigenschaften des Lesers, wie auch des Autors zu definieren und zu legitimiere n“ (Miles 1991:27f). Für Stuart Hall zeigt sich im Alltagsbewusstsein vieler Menschen eine Art „ Rassismus ohne Rassen “, der sich über diverse soziale Ausgrenzungspraxen manifestiert. Rassismus, in diesem Sinne liegt dann vor, wenn die ausgrenzende Mehrheitsgruppe die Macht besitzt, eine als Minderheit definierte Gruppe, als ‚andersartig‘ und /oder ‚kulturell verschieden‘ zu definieren und sie aufgrund dieser tatsächlichen oder vermuteten Differenz in ihren Lebensbedingungen zu benachteiligen. Dieser „ Rassismus ohne Rassen “ ermöglicht es laut Hall „Identität zu produzieren“ und ist ein wichtiger Bestandteil bei der Konsolidierung einer sozialen Gruppe in Opposition zu einer anderen. Ein Prozess den Hall auch allgemein als die „Konstruktion des Anderen“ beschreibt ( vgl. Hall 1989: 913). Ein solcherart konstruiertes Klassifikationssystem einzelner gesellschaftlicher und ethnischer Gruppen kann dazu beitragen, soziale, ökonomische und politische Praktiken zu rechtfertigen, die den Zugang zu Ressourcen für manche Gruppen reduzieren oder ganz verhindern. Für Hall handelt es sich dabei um rassistische Praktiken die den ‚genetischen‘ durch einen ‚kulturellen‘ Rassismus ablösen. Dabei ersetzen Begriffe wie Kultur und Ethnie den Begriff ‚Rasse‘, die dahinterliegenden Mechanismen sind jedoch dieselben (vgl. ebd).

Auch im Zusammenhang mit der medialen Repräsentation der RomNija lässt sich diese Art von kulturellem Rassismus‘ beobachten. Medien und Politik bedienen sich neuer Begriffe wie ‚Ethnizität‘ und ‚Kultur‘ zur abgrenzenden Beschreibung des ‚Fremden‘, im konkreten Fall zur Abgrenzung von den RomNija. Obwohl Antiziganismus „ in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist “ (vgl. Lausberg 2015: 104), arbeiten vor allem rechtspopulistische Politiker und Medien mit antiziganistischen Argumentationen und Stereotypen. So forderte beispielsweise der Europaabgeordnete der Freiheitlichen Partei Andreas Mölzer in der von der FPÖ herausgegebenen Zeitschrift „ Junge Freiheit “ ein „ strenges Grenzregime “ gegen RomNija und argumentiert mit der kulturellen Eigenart der „Zigeuner“, sich nicht an Gesetze zu halten. Laut Mölzer sei es allgemein bekannt, dass RomNija den Eigentumsbegriff anders auslegen als andere Völker (vgl. Benz 2014: 41).

In den alltäglichen Diskursen werden ‚Kulturen, Ethnien usw.‘ so wie in diesem Beispiel häufig als in sich geschlossene Systeme gesehen und als homogene Gruppen präsentiert. Damit wird das ‚Fremde‘ zur kulturellen Einheit, die sich durch ihre Andersartigkeit in Opposition zum ‚Eigenen‘ definiert. Hall spricht in diesem Zusammenhang von der „ Unfähigkeit, Differenzen zu erkennen und zu respektieren “ und meint damit, dass die eigene, ‚überlegene‘ Gruppe trotz ihres Wissens über die spezifischen Strukturen und Unterschiede in der Gruppe der ‚Anderen‘ nicht in der Lage sind diese zu respektieren. Die Gruppe der ‚Anderen‘ wird also trotz ihrer Komplexität und Heterogenität zur Einheit gemacht, die sich vor allem durch ihre Differenz zum ‚Eigenen‘ definiert. (vgl. Hall 1994: 161ff)

Im konkretem Beispiel definiert Herr Mölzer die ‚gesetzestreuen Österreicher‘ im Gegensatz zu der Gruppe von ‚Zigeunern‘, deren Eigentumsbegriff ‚anders‘, also nicht gesetzestreu ist.

Mediales Aufsehen erregen seit den späten 1990gern vor allem Diskurse über BettlerInnen aus den Staaten Südosteuropas, wobei die Gleichsetzung von BettlerInnen und RomNija in vielen Fällen explizit, oft aber auch schon implizit anhand von Reizwörtern und Codes wie „Bettlermafia“, „organisierte Bettelei“, „ausländische Bettler“ und vergleichbaren Begriffen erfolgt (vgl. Benedik/Tiefenbacher/Zettelbauer 2013: 37 f.). Aufgegriffen werden in den medialen Diskursen und Darstellungen also tatsächliche oder zugeschriebene Lebensgewohnheiten und Gebräuche der RomNija, die dann verabsolutiert und naturalisiert werden. Die Lebensgewohnheit der eigenen Gruppe werden als ‚Norm‘ herangezogen, die Abweichung anderer Gruppen von dieser Norm wird als Berechtigung dafür genommen, die abweichende Gruppe auszugrenzen und gegebenenfalls als Bedrohung zu bekämpfen (vgl. Hall 1989: 917).Dargestellt werden BettlerInnen und somit RomNija in den diversen Zeitungsreportagen oft als Bedrohung. So ging beispielsweise 2010 in Salzburg die Polizei gegen Menschen vor, die in Ermangelung an Notquartieren in leerstehenden Häusern und Zelten Unterschlupf gefunden hatten. Für diese „Verwaltungsübertretung“ nutzten die Salzburger Nachrichten die Formulierung, dass die Beamten „ fündig “ geworden wären und „ fünf Rumänen stellen konnten“. Verstärkt wurde der Eindruck, dass es sich hier um eine Maßnahme gegen Verbrecher handelte, mit der Formulierung: „ Die Polizeiinspektion übernahm die nötigen Sofortmaßnahmen“ (Benedik 2015: 79). Durch die verbale Zuspitzung wird der Eindruck erzeugt, dass es sich um eine Situation von besonderer Gefährlichkeit gehandelt habe (ebd.). Dabei richtet sich die Ablehnung nicht nur gegen RomNija, sondern gegen mittellose MigrantInnen im Allgemeinen.

In der österreichischen Diskussion herrscht die Meinung vor, dass das Sozialsystem von „ausländischen BettlerInnen“ ausgebeutet und somit in Gefahr gebracht wird. Was ist insofern paradox ist, da BettlerInnen deswegen betteln, weil ihnen keine anderen Ressourcen zur Verfügung stehen (Benedik 2015: 79f). Mit dem Verweis auf die wirtschaftliche Bedrohung der LeserInnen wird das Bedrohungsszenario weiter aufgebaut. Als Beispiel kann eine Presseaussendung der ÖVP Salzburg im Oktober 2013 zur „BettlerInnen Debatte“ herangezogen werden: „ Sicher ist nur, dass die Belästigungen enorm zunehmen werden und unsere Steuerzahler die Zeche des ganzen Blödsinns werden blechen müssen“ (ÖVP Salzburg 2013 zit. nach Benedik 2015: 86).

Dass Betteln zur gängigen Vorurteilsstruktur des modernen Antiziganismus zählt, zeigt auch die Analyse der Werke bekannter „Tsiganologen[3] “ wie Martin Block oder Herman Arnold, welche die „ gesamte Bandbreite antiziganistischer Vorurteile “ reproduzieren und in ihrer Beschreibung der „Erwerbsquellen“ und des „Wirtschaftsverhaltens“ der „Zigeuner“ dem Betteln eine zentrale Stelle einräumen (vgl. Benz 2012: 96 f.). Markus End betont, dass das „ Stereotyp vom ‚bettelnden Zigeuner‘“ eine „zentrale Stellung im Vorurteilskomplex des Antiziganismus“ einnimmt (End 2012: 91).

Die mediale und politische Diskussion um die Anwesenheit von BettlerInnen im öffentlichen Raum dreht sich vor allem um BettlerInnen ohne österreichische Staatsbürgerschaft. Bilder in den Medien zeigen vorwiegend Menschen mit dunkler Haut und dunklen Haaren. Der mediale Diskurs rekurriert dabei auf alte antiziganistische Stereotype von bettelnden, arbeitsscheuen ‚Zigeunerbanden‘, wobei das Stereotyp in den Medien zwei Ausprägungen kennt: einerseits das von kriminellen Bettlerbanden und ihren Hintermännern und andererseits jenes von den ausgebeuteten Opfern – Kindern, Frauen, behinderten BettlerInnen. Bildliche Darstellungen in den Printmedien wie der Kronen Zeitung, dem Standard, dem Falter und anderen zeigen stets den „Opfer“-Stereotyp. Darstellungen von den „kriminellen Hintermännern“ fehlen gänzlich, auch weil die Unsichtbarkeit Teil dieses Stereotyps ist (vgl. Thuswald 2012: 122 f). Die Betonung der Dichotomie von Opfer und Täter schafft ein Szenario von Gewalt und Bedrohung, dass das gesellschaftliche und politische Vorgehen gegen die Ethnie rechtfertigt.

Fassen wir diesen Abschnitt zusammen, lässt sich vor allem festhalten, dass in der medialen Repräsentation der RomNija die ‚klassischen‘ auf genetischen Merkmalen basierenden rassistischen Begriffe durch scheinbar harmlose Begriffe wie Kultur und Ethnie ausgetauscht wurden. Ausgrenzung und Abwehr der Minderheit wird als quasi-natürliche Reaktion der Mehrheitsbevölkerung auf die RomNija dargestellt, deren kulturelle und soziale Eigenheiten mit der eigenen Gruppe nicht vereinbar sind und deren Lebensart und Gewohnheiten die Sozialsysteme und Sicherheit der Mehrheitsbevölkerung bedrohen. Der mediale und politische Diskurs wird primär anhand von überlieferten, reaktivierten und adaptierten Zuschreibungen und Stereotypisierungen geführt.

Im folgenden Unterkapitel möchte ich anhand einer Studie aus Graz zeigen, wie mediale und politische Diskurse ineinander greifen können und welche konkreten Auswirkungen diese Diskurse für die betroffene Minderheit und ihre Wahrnehmung in der Öffentlichkeit haben können.

5.2.4 Ethnisierung am Beispiel des BettlerInnen Diskurses in Graz

Als Beispiel für Ethnisierungen anhand multidimensionaler Codes und ihren Einfluss auf die Wahrnehmung von RomNija soll hier der Printmediendiskurs der letzten 20 Jahre über BettlerInnen in Graz dargestellt werden.

Der Historiker und Kulturwissenschaftler Stefan Benedik, die Slawistin und Romistin Barbara Tiefenbacher, die Medizinanthropologin Edit Szénássy und die Historikerin und Kulturwissenschaftlerin Heidrun Zettelbauer untersuchten im Rahmen des Projektes „ Bettlerflut? Bilder und Kontexte von Romani Migrationen nach Graz “ im Zeitraum Juli 2010 bis Februar 2011 die Themenfelder Migration und Romani Studies und ihre Verknüpfungen mit gesellschaftspolitischen Fragestellungen wie Betteln. Ihr Fokus galt dabei der temporären Migration und den dabei entwickelten transnationalen Beziehungen (vgl. Benedik/Tiefenbacher/Zettelbauer 2013: 7).

Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs begann eine verstärkte Migrationsbewegung von RomNija in den „reichen Westen“. Darunter auch jene RomNija, die in Graz seit 1996 zu einer Zuspitzung der politischen und medialen Debatten führten. Diese RomNija reisen zumeist nur für kurze Zeit nach Graz, auf der Suche nach Möglichkeiten des Geldverdienstes, systembedingt vorwiegend durch Bettelei. Gegenstand der lokalen Diskurse waren sowohl Verhandlungen von Hilfsmaßnahmen als auch von rassistischen Vorurteilen. Das „Bettlerproblem“ wurde mit der Anwesenheit der RomNija in Graz und deren Tätigkeiten verknüpft. Die Gefahren, die von ihnen ausgingen und die Hintergründe der RomNija-Migration wurden wiederholt in den lokalen Medien thematisiert. Ausgehend von einer katholischen NGO bildete sich eine Lobby für eine Gruppe von BettlerInnen, die in Folge alle einem südslowakischen Dorf zugeordnet wurden. Durch die medialen Debatten wurden langfristig stabile Repräsentationsformen entwickelt, welche eine stark homogenisierte Wahrnehmung in der Mehrheitsbevölkerung schufen, die wiederrum den Alltag der RomNija mitprägte. Die Codes BettlerIn, RomNija und „Medovce“[4] sind in der Steiermark seit der anhaltenden Mediendiskussion so stark miteinander verbunden, dass sie beinahe synonym verwendet werden (vgl. Tiefenbacher / Benedik 2012: 225).

Obwohl es in Graz weder besonders häufig zu Konflikten noch zu Anlässen polizeilicher oder juristischer Interventionen gegen Bettlerinnen kam, ist das Thema BettlerInnen in den Jahren 1996 bis 2013 Inhalt zahlreicher medialer und politischer Debatten gewesen. Insbesondere in den Jahren 1996, 2005/2006 und 2011 dominierten politische Konflikte zum Thema die regionalen Medien und lösten teils sehr emotionale Debatten aus. Bedeutsam für die öffentlich-medialen Debatten in Graz ist zum einen „ ein im europäischen Vergleich relativ ausdifferenziertes Sprechen über bettelnde RomNija, zum anderen die Dynamik der eingesetzten Gruppenidentifikationen, Begrifflichkeiten und Narrative “ (Benedik/Tiefenbacher/Zettelbauer 2013: 36).

Die Bezeichnungen für die scheinbar homogene Gruppe änderten sich im Laufe der Zeit. Mitte der 90er Jahre wurden BettlerInnen noch unter „ Sandler Bettler, Punks “ oder „ Zigeuner und Sandler “ subsumiert, später änderte sich das Bild vom „typischen Bettler“ in das eines „ arbeitsfähigen Rom, Familienvater und Slowaken “ (ebd.). Migrantinnen, die dem neuen Bild des Bettlers entsprachen, erfuhren in den Medien und in den politischen Debatten zumindest teilweise Unterstützung. Abweichungen vom Prototypus, Frauen, Behinderte oder Nicht-Slowaken wurden als ‚troublemakers‘ markiert. Damit verbunden war die diskursive Konstruktion des Dorfes Medovce als Herkunftsort aller Grazers BettlerInnen, dessen medialen Beschreibungen deutlich von der Realität abwichen. In der Illustration diverser Artikel dominieren Symbolbilder von Kindern, die im Schmutz vor Hütten spielen, oder typische ‚Romani Ghettos‘ mit Plattenbauten, die es Medovce gar nicht gibt. Sofern tatsächlich Bilder von Medovce gezeigt wurden, dann vor allem aus einer Perspektive, die den Müllplatz im Vordergrund zeigt. Bilder also, die einerseits ausgrenzend in Hinblick auf die Kennzeichnung als unordentlich, rückständig, vernachlässigt etc. sind und andererseits der Grazer BettlerInnenlobby halfen, die Migration der BettlerInnen mit wirtschaftlicher Not zu erklären und so den kriminalisierenden Wahrnehmungsmustern entgegen zu stellen.

Auch die mediale Ethnisierung der Grazer BettlerInnen hat ihren Ursprung in der Lobby für BettlerInnen. Der katholische Pfarrer Wolfgang Pucher, eine Leitfigur der BettelbefürworterInnen, bezeichnete in Leserbriefen die von der Polizei vertriebenen BettlerInnen als „ die bekannten, bettelnden Roma “ (Benedik/Tiefenbacher/Zettelbauer 2013: 37). Mit der Ethnisierung kam auch der Verweis auf die Verfolgung und Ermordung der als „ZigeunerInnen“ bezeichneten Menschen im Nationalsozialismus. Zugleich kann diese „ Viktimisierung “ im Zusammenhang mit dem Bombenattentat in Oberwart wenige Monate vorher gesehen werden. Die ursprünglich als Schutz vor Übergriffen durch Politik und Polizei eingesetzte Ethnisierung machte aber auch die „ Produktion und Verbreitung spezifischer, konkret rassistischer Negativimages möglich “ (ebd.). Vor allem die Boulevardmedien reagierten, indem sie die althergebrachten, gegen „ZigeunerInnen“ gerichteten Stereotype in die Debatte um die BettlerInnen in Graz einbrachten. Durch den schrittweisen Übergang zur Verwendung der politisch korrekten Terminologie wurde aber auch der Transfer der alten „Zigeuner-Stereotypen auf die nun verwendete Bezeichnung ‚Roma‘ ermöglicht.

Mit der Auflösung der Gleichsetzung von „BettlerIn“ und „Medovce“ im späteren Diskurs ging auch eine Wertung einher. Die Medien begannen zwischen „bedürftigen“ slowakischen und „aggressiven“ ex-jugoslawischen BettlerInnen zu unterscheiden. Vor allem in den Monaten vor dem Beschluss des Bettlerverbotes 2011 wurde die Unterscheidung zwischen den BettlerInnen in den medialen Debatten auf Basis einer moralisch wertenden Differenzierung zwischen legitimen und problematischen Formen des Bettelns massiv vorangetrieben. 2005/2006 begannen JournalistInnen und PolitikerInnen zwischen vorgeblich kriminellen BettlerInnen mit Behinderung in der Innenstadt und den akzeptierten BettlerInnen im Rest der Stadt zu differenzieren (vgl. Benedik/Tiefenbacher/Zettelbauer 2013: 38).

Wie die AutorInnen betonen, ist dieser Differenzierungsschritt aus diskursanalytischer Sicht interessant, da er zeigt, dass es sich „ bei der Entwicklung der öffentlich-medialen Repräsentation bettelnder RomNija um keinen fortschrittsorientierten Prozess handelt“ (Benedik/Tiefenbacher/Zettelbauer 2013: 38), bei dem immer genauere Beschreibungen von sozialen Praktiken die abwertenden Repräsentationen ablösen können. Die unterschiedlichen Gruppenkonstruktionen bleiben nebeneinander bestehen und können bei Bedarf abgerufen werden. Dennoch zeigt sich, dass, auch wenn die RomNija in den Medien ausschließlich als „ vorgestellte Fremdheit “ und mit dem Verweis auf eine „ andere Kultur “ definiert wurden, wurden sie doch seit Beginn der Berichterstattungen relativ stark eingebunden. Denn obwohl den NGOs nur wenig Relevanz zugeordnet wurde, wurde unter dem Paradigma der „authentischen Berichterstattung“ häufig auf Reportagen mit Statements der Betroffenen zurückgegriffen. Die Aushandlung dessen, wer Grazer BettlerInnen sind und welche Probleme sie bringen, fand vor allem in den klassischen Medien statt, wobei die Bedeutung von Artikeln, LeserInnen-Briefen und Fernsehreportagen als sehr hoch einzuschätzen ist (vgl. Benedik/ Tiefengraber 2012: 227). Parallel zu den Darstellungen, die der Romani Migration relativ positiv gegenüberstanden, entwickelten sich auch jene Diskurse, die auf die verfügbaren Stereotypen und Vorurteile rekurrierten, wobei dies vorwiegend in den Massenaussendungen politischer Parteien stattfand. Aber auch Poster, Graffiti und Briefe an NGOs wurden eingesetzt. Hier fanden neben den bekannten Diskursen auch radikalisierte Slogans wie „ Roma ins Gas “ und ähnliches Verbreitung (ebd.). Die AutorInnen der Studie heben hervor, dass in jüngerer Zeit Homogenisierungen und Pauschalisierungen im Diskurs vorherrschten, was die Darstellung einer klar abgrenzbaren Einzelgruppe ermöglichte. Die schrittweise Präzisierung der Definitionen hinsichtlich der Gruppe und der zugerechneten Personen hat nicht nur dazu geführt, dass ein sehr konkretes Wissen über die RomNija produziert wurde, sondern auch ermöglicht, dass die Formulierung von Vorurteilen und Bedrohungsszenarien spezifischer wurde. Zudem veränderten die fortschreitenden Definitionsvorgänge die Wahrnehmung der BettlerInnen und begünstigten die Bildung von neuen beziehungsweise erneuerten Stereotypen. Zu Beginn der Diskurse war relativ lange unklar, wie die diskutierten Personen identifiziert werden sollten, auch wenn hinsichtlich ihres Handelns und des von ihnen ausgehenden „Gefahrenpotentials“ bereits Argumentationen und politische Standpunkte erörtert wurden. In dieser Phase wurden BettlerInnen noch nicht als RomNija wahrgenommen.

Es zeigt sich also, dass sich das „ öffentliche Sprechen über RomNija “ im Zuge der anhaltenden öffentlichen Debatten maßgeblich veränderte (Benedik/Tiefengraber 2012: 227), wobei die höhere Ausdifferenzierung und damit der höhere Wissenstand nicht dazu führten, dass rassistische oder pejorative Interpretationen seltener wurden. Als Beispiel dafür führen die AutorInnen einen LeserInnen-Brief an, in dem erklärt wurde, dass man sehr wohl wisse, woher die BettlerInnen kämen und auch warum sie kämen, seien sie, die RomNija, in der Slowakei doch „ sehr gut als arbeitsscheu “ bekannt. Die Reaktion auf differenziertere Berichterstattung waren also mitunter neue, „ konkretere und komplexere Vorurteile “ (vgl. Benedik/Tiefengraber 2012: 230). Eine weitere Folge des lang andauernden Bettlerinnen Diskurses war, dass der Zusammenhang BetterIn ist gleich RomNija zu einer fixen Kombination wurde, sodass selbst BettlerInnen automatisch der Gruppe der RomNija zugeordnet werden.

Die konzentrierte Berichterstattung der Boulevard Medien und die zahlreichen populistisch geführte Diskurse führten letztendlich zu einer zunehmend negativen Wahrnehmung der RomNija in Graz. Das so geschaffene gesellschaftliche und politische Klima ermöglichte rechtliche Maßnahmen wie das ‚Bettelverbot‘ in der Grazer Innenstadt, das später aufgehoben und in leichter Abwandlung wieder eingeführt wurde. Diese juristischen Einschränkungen brachten für die RomNija neben der zusätzlichen sozialen Stigmatisierung und Kriminalisierung auch weitreichende ökonomische und soziale Konsequenzen mit sich.

Es konnte anhand dieser Studie gezeigt werden, dass die medialen Diskurse unmittelbaren Einfluss auf die Wahrnehmung der Minderheit in der Öffentlichkeit haben. Zudem führt die Studie vor Augen, welche weitreichenden Konsequenzen diese Art der Diskurse auf die Betroffenen haben können. Interessant ist aus meiner Sicht auch, dass die differenzierte Berichterstattung nicht zur Ablösung negativer Stereotype führte, sondern die verschiedenen Gruppenkonstruktionen nebeneinander bestehen und selektiv abgerufen werden konnten.

5.3 Repräsentationen von RomNija in der deutschsprachigen Öffentlichkeit

Die medialen Diskurse in den mitteleuropäischen, vor allem in den deutschsprachigen Staaten weisen, trotz aller nationaler Unterschiedlichkeiten, vergleichbare Tendenzen und Entwicklungen auf. Beispielhaft möchte ich im Folgenden auf einzelne Analysen aus dem deutschsprachigen Bereich eingehen, um die Repräsentation von RomNija in Österreich in einen größeren Kontext einzubetten und zu veranschaulichen, dass die Diskriminierung dieser Ethnie in ihren modernen Ausprägungen auch im Zusammenhang mit der Entwicklung der europäischen Union und den wirtschaftlichen und politischen Umwälzungen der letzten Jahrzehnte zu sehen ist. Besonders wichtig erscheint mir dabei auch, dass Vertreter der RomNija wie Romani Rose, der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma und Stéphane Laederich, Direktor der Schweizer Rroma Foundation zu Wort kommen.

In Deutschland setzten sich etliche Autorinnen mit Repräsentationen von RomNija in den Medien auseinander. In allen mir vorliegenden Studien wird auf verschärfte öffentliche Debatten und eine Zunahme antiziganistischer Ressentiments hingewiesen. So untersuchte beispielsweise der Politikwissenschaftler Michael Lausberg die Zunahmen stigmatisierender Äußerungen im Rahmen der Zuwanderung rumänischer und bulgarischer RomNija seit der EU-Osterweiterung und kommt zu dem Schluss, dass die Hetze gegen die MigrantInnen nicht mehr nur im rechtsextremen Rand verortet ist, sondern die ‚Mitte‘ der Gesellschaft erreicht hat. (vgl. Lausberg 2015: 104). Änneke Winckel analysierte rassistische Ressentiments im wiedervereinigten Deutschland und folgerte, dass antiziganistisches Denken in der deutschen Öffentlichkeit weit verbreitet ist und seit der Wende von staatlicher Seite regelmäßig gefördert und legitimiert wird. Während Antisemitismus gesellschaftlich nach wie vor geächtet ist, stellt der in „ seiner Konstruktion und Funktion “ ähnlich strukturierte Antiziganismus in vielen Fällen eine „ unhinterfragte Selbstverständlichkeit “ dar (Winckel 2002: 107). Der Großteil der von Winckel ausgewerteten Beiträge aus den 90er Jahren reproduziert antiziganistische Stereotype und Zuschreibungen. Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, führt in einem Gespräch mit Wolfgang Benz aus, dass die Minderheit der SintIze und RomNija durch die Debatten über Armutsmigration wieder ins Gespräch gekommen ist. Nach dem Beitritt der zehn neuen EU-Staaten steht der Arbeitsmarkt für Zuwanderer aus Südosteuropa offen. Geringqualifizierte finden aber selten Arbeit. Den RomNija bleibt als Einkommensquelle oft nur das Kindergeld, was wiederrum neue Debatten auslöst. Neue Metaphern tauchen in den Medien auf: Sozialtourismus, Sozialbetrug, Überfremdung, Unterwanderung und ähnliche Begriffe erscheinen vermehrt in den Medien. Die RomNija stellen gewissermaßen eine Inkarnation der Bedrohungsängste dar. (vgl. Benz 2014: 154f). Die „uralte Furcht vor ‚den Zigeunern‘ wird konnotiert mit Eigentumsdelikten, Gewalttaten, Unsauberkeit“ und „findet ihren Kristallisationspunkt in der unerwünschten Minderheit “ (Benz 2014: 154). Zu den alten Klischees, die „ den Boden seit Generationen bereitet “ haben, gesellen sich neue Bilder von den Elendssiedlungen, aus denen die Zigeuner kommen. Medien und Politik arbeiten mit diesen Bildern, beschreiben die Situation der Zuwanderer, erläutern ihre Motivation und ihre Interessen und gestalten laut Benz diese Bilder zu Feindbildern um (ebd.).

Auch Stéphane Laederich, Direktor der Schweizer Rroma Foundation, kommt in seinen Untersuchungen zum Schluss, dass die Berichterstattung über RomNija tendenziell pauschalierend und einseitig ist. Die Bilder, so der Roma-Aktivist, die von den Medien gezeichnet werden, erzählen von Elend und der Hoffnungslosigkeit, von Bettler- und Räuberbanden und Zigeunerbaronen, die ihre eigenen Leute ausbeuten. Im Rahmen einer Studie wurden 297 Artikel über RomNija untersucht, die in acht Zeitungen und Magazinen im Zeitraum von fünf Jahren publiziert wurden. Es zeigte sich, dass die deutsch-schweizer Medien über in der Schweiz lebende RomNija ausschließlich im Zusammenhang mit Betteln, Diebstählen, Prostitution und in patriarchalen Clans organisierten Banden berichten. Im Ausland lebende RomNija werden dagegen vorwiegend als Opfer dargestellt, die arm, ungebildet und sozial marginalisiert leben (vgl. Rroma Foundation 2014: 7 f.). Diese Art von Reproduktion der Stereotype kann auch damit zu tun haben, dass Zeitungen Wertansichten vermitteln, die auf eine bestimmte Leserschaft ausgerichtet sind. Die Ausgrenzung der Minderheit wird also aufrechterhalten, Pressekommentare werden zu Quellen, auf die immer wieder zurückgegriffen wird. „ Diese Falschinformationen haben Eingang in die Ansichten des Volksmundes, der Populär- und Hochkultur und sogar der Wissenschaft gefunden“ (ebd.) . Belege für diese Art der Berichterstattung ließen sich in allen Zeitungen finden. Die zugeschrieben Merkmale werden häufig als Eigenschaften der Ethnie naturalisiert. Immer wieder findet sich auch das Motiv der archaischen RomNija, die sich gewissermaßen in einem „ Zustand der Vorzeitlichkeit “ verfangen haben. Kritisiert wird von den StudienautorInnen, dass die Tatsache, dass viele RomNija „ gut integriert “ in der Schweiz leben, vollkommen außer Acht gelassen wird. Diese Art der einseitigen Berichterstattung habe für die RomNija in der Schweiz schwerwiegende Folgen, etwa wenn es um die Zuschreibung von Bildungsdefiziten geht. Das wiederrum führt dazu, dass viele Schweizer RomNija ihre ethnische Herkunft verheimlichen (vgl. Rroma Foundation 2014: 33).

Die vorgestellten Studien zeigen die Parallelen in den medialen Mechanismen bei der Darstellung von RomNija in den deutschsprachigen Medien. RomNija werden als Fremde markiert, die als ArmutsmigrantInnen und BettlerInnen die Sozialsysteme der heimischen Mehrheitsgesellschaft ausnutzen, oder die Mehrheitsgesellschaft durch eine, der Minderheit eigene ‚kriminelle Lebensweise‘ bedrohen. Die AutorInnen zeigen, dass in den medialen Repräsentationen der RomNija Vorurteile immer neu reproduziert werden. Der Ethnie zugeschriebene Merkmale werden im Verlauf der medialen Diskurse als spezifische Eigenschaften der Ethnie naturalisiert. Wie die AutorInnen der Studien betonen, wird in der Berichterstattung auf alte, überlieferte Stereotypen zurückgegriffen und durch die Betonung der Unvereinbarkeit der Kulturen die Ausgrenzung der Minderheit prolongiert mitunter sogar verstärkt.

Generell zeigt sich in den letzten Jahrzehnten ein erstarkender Antiziganismus in den nationalen und internationalen Medien. Vor allem die prekären Verhältnisse der RomNija in den neuen EU-Staaten führen dazu, dass sich PolitikerInnen in der ganzen EU mit der Thematik auseinandersetzen müssen, da der Anteil an zuwandernden RomNija in die reichen EU-Staaten steigt. Die Berichterstattung in den Medien trug wesentlich dazu bei, dass Stereotype über die „Bedrohung“ durch einwandernde RomNija, die Bilder ihrer fatalen Lebenssituation in den Herkunftsländern und „Informationen“ zu ihren „kulturellen Eigenheiten“, ihren clanähnlichen Familienstrukturen usw. neu aufbereitet in den Alltagsdiskursen über RomNija verankert wurden. (vgl. Thurner 2015: 46 f.).

6 Conclusio

Ich habe in den vorhergehenden Kapiteln einige theoretische Ansätze zum Thema Rassismus angeführt und ihre Unterschiede und Übereinstimmungen gezeigt, wobei ich den Ausführungen Susan Arndts folgend, die Aufgabe der Rassismus-Theorien nicht in der Schuldzuweisung sondern vielmehr in der Verantwortung sehe, das Wissensarchiv des Rassismus zu hinterfragen. Die Auseinandersetzung mit den Theorien Halls, Miles‘ und Terkessidis‘ zeigt, dass theoretische Reflexion und eine historisch spezifische Analyse zwei unabdingbare, miteinander verwobene Aspekte einer differenzierten Rassismus-Theorie darstellen. Einig sind sich die drei Autoren darin, dass ein wesentliches Merkmal von Rassismus in der Differenzierung und Abgrenzung einer als ‚fremd‘ wahrgenommenen Gruppe von Menschen anhand eines Ensembles von Merkmalen, das dieser Gruppe als ‚natürlich‘ zugeschrieben wird, liegt. Verbunden mit diesen Prozessen der Differenzierung und Ausgrenzung sind Prozesse der Hierarchisierung und Wertung, die die Diskriminierung und Schlechterstellung dieser Gruppe rechtfertigen.

Das Spezielle am Antiziganismus ist, dass er sich gegen eine Gruppe von „innergesellschaftliche Fremden“ wendet. Den Kern antiziganistischen Stereotype bildet eine strukturelle Verknüpfung zum „Konzept der Asozialität“. ‚

Der von mir gegeben Überblick über die Geschichte der RomNija in Ost- und Mitteleuropa zeigt, dass sich die spezifischen historischen Gegebenheiten im ‚Osten‘ zwar wesentlich von jenen im ‚Westen‘ unterscheiden, Antiziganismus und Ausgrenzung jedoch allerorts prägende Elemente in der Geschichte der RomNija waren. Die aktuelle Situation der RomNija in der EU vermuten, dass sich die grundlegende Haltung den „Zigeunern“ gegenüber über die Jahrhunderte nicht oder nur wenig geändert hat. Zwar gibt es auf EU-Ebene eine ganze Reihe von Bekenntnissen, die den Schutz und den Respekt gegenüber der Kultur und der Lebensart der RomNija – nicht zuletzt aus ökonomischen Überlegungen – fordern, die Umsetzung der diversen Entschlüsse und Deklarationen auf staatlicher Ebene lassen jedoch auf sich warten.

In Österreich blieb die Situation der RomNija von der Mehrheitsbevölkerung in den Jahrzehnten zwischen dem Zweiten Weltkrieg und dem Bombenattentat des Franz Fuchs weitgehend unhinterfragt. Ihre Geschichte, insbesondere die ihrer Verfolgung und Ermordung während des Nationalsozialismus, wurde zumeist verdrängt oder als Folge ihrer Asozialität abgetan. Auch wenn ihnen medial kaum Aufmerksamkeit zukam und sie im Alltagsbewusstsein der Mehrheitsbevölkerung keinen großen Stellenwert einnahmen, schwärten im Hintergrund die alten, tiefverwurzelten Stereotype und Vorurteile weiter und konnten leicht reaktiviert werden.

Wie aber werden RomNija aktuell in der österreichischen Öffentlichkeit wahrgenommen? Welche medialen Diskurse prägen das Bild über RomNija und inwiefern beeinflusst die EU-Osterweiterung die Präsenz und Repräsentation von RomNija in den österreichischen Medien?

Die zahlreichen medialen Debatten über Betteln in den letzten zwei Jahrzehnten berühren den Schnittpunkt zwischen „Fremdheit“ und Armut und führten zur Ethnisierung von sozialen und wirtschaftlichen Prozessen. In den aktuellen medialen Repräsentation der RomNija werden die ‚klassischen‘ auf biologischen Merkmalen basierenden rassistischen Begriffe durch scheinbar harmlose Begriffe wie Kultur und Ethnie ausgetauscht. Die Diskriminierung und Ausgrenzung der RomNija wird als Reaktion der Mehrheitsbevölkerung auf eine homogenisierte Gruppe von ‚Fremden‘ dargestellt, deren kulturelle und soziale Eigenheiten mit der eigenen Gruppe nicht vereinbar sind und die mit ihrer Lebensart und ihren Gewohnheiten die Sozialsysteme und Sicherheit des Landes bedrohen. Der mediale und politische Diskurs wird mithilfe von überlieferten, reaktivierten und den aktuellen Bedingungen angepassten Zuschreibungen und Stereotypisierungen geführt.

Als Folge der sozialen Umwälzungen im Zuge der Osterweiterung und der wirtschaftlichen Krisen wurde vor allem die sogenannte Armutsmigration zu einem zentralen Thema der öffentlichen Berichterstattung. Diskussionen über Migration, die rassistische und antiziganistische Ressentiments aufgreifen, bauen eine gesellschaftliche Spannung auf, die sich im weiteren politischen Diskurs und in juristischen Maßnahmen abbildet. Die Darstellung der BettlerInnen als kriminelle, bedrohliche Fremde wird dabei nicht nur von den Boulevardzeitungen weitergetragen, sondern findet sich quer über alle Medientypen. BettlerInnen werden nicht als Einzelperson dargestellt, sondern als Gruppe von BettlerInnen codiert und im medialen Diskurs zunehmend der Gruppe der RomNija gleichgeschaltet – eine Entwicklung, die im Zuge der BettlerInnen Diskussion in Graz begann, wo es zu Beginn der Debatte noch keine einheitlichen Sprachbilder gab. Die Grazer Studie des Historikers und Kulturwissenschaftler Stefan Benedik, der Slawistin und Romistin Barbara Tiefenbacher, der Medizinanthropologin Edit Szénássy und der Historikerin und Kulturwissenschaftlerin Heidrun Zettelbauer zeigt anschaulich, welchen Einfluss medialen Diskurse auf die Wahrnehmung der Minderheit in der Öffentlichkeit haben und führt vor Augen, dass die Konsequenzen medialer Diskurse unmittelbare Auswirkungen auf die Lebensrealität der Betroffenen haben können. Eine interessante Erkenntnis der Studie ist auch, dass eine differenzierte Berichterstattung nicht unbedingt zur Ablösung negativer Stereotype führt, sondern auch zur Ausformulierung differenzierterer Stereotype und Vorurteile führen kann. In Graz führte die konzentrierte Berichterstattung über RomNija zu einer zunehmend negativen Wahrnehmung der Ethnie. Es entwickelte sich ein gesellschaftliches und politisches Klima, dass rechtliche Maßnahmen wie das ‚Bettelverbot‘ in der Grazer Innenstadt ermöglichte, das implizit auch gegen RomNija gerichtet ist.

Studien zur Situation von RomNija in Deutschland und der Schweiz zeigen, trotz lokaler und nationaler Unterschiede, zahlreiche Ähnlichkeiten mit den Diskursen und Entwicklungen in Österreich. Es zeigt eine Tendenz dahingehend, dass die Diskurse zum Thema RomNija im Zusammenhang mit der EU-Osterweiterung und der sogenannten ‚Armutsmigration‘ eine gewissen Intensivierung und Zuspitzung erfahren.

Zusammenfassend lässt sich dazu sagen, dass die Wahrnehmung von RomNija durch die Mehrheitsbevölkerung und das Wissen über sie in den letzten zwei Jahrzehnten in Österreich zugenommen haben. Zwar wurde im Zuge der verstärkten medialen Präsenz das Bewusstsein und das Wissen über die Situation der RomNija in Österreich und in Europa verstärkt, überlieferte antiziganistische Stereotype und Zuschreibungen werden jedoch selbst in positiv konnotierten Berichten reproduziert.

Mit Susan Arndts gesprochen ist es an der Zeit, dass das „ Wissensarchiv des Rassismus“ hinterfragt und Glaubensätze aufgegeben werden (vgl. Arndt 2011: 43). Dazu ist neben der kritischen Analyse alltäglicher Mechanismen des Rassismus, die wissenschaftliche Zusammenarbeit mit diskriminierten Gruppen unumgänglich. Die Zunahme an wissenschaftlicher Beschäftigung mit den RomNija und ihrer Geschichte, sowie das Engagement zahlreicher Eigenorganisationen und ihr selbstbewusstes öffentliches Auftreten lassen hoffen, dass die Entwicklung einer differenzierteren Sicht auf die RomNija auch ihren Niederschlag in den breiteren medialen Diskursen finden wird.

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[...]


[1] Romani Begriff für den Völkermord an den Roma während des NS-Regimes, bedeutet wortwörtlich in etwa: „das große Verschlingen“ (vgl. URL 7)

[2]

[3] Der Begriff kann im weitesten übersetzt werden mit „Zigeunerwissenschaft“, die von ForscherInnen betrieben wird, die sich für RomNija und andere Gruppen, die sie unter dem Begriff „Zigeuner“ subsumieren, interessieren. Sowohl die Ausrichtung der Tsiganologie als auch der Begriff an sich werden von den VertreterInnen der RomNija und Sinti abgelehnt (vgl. URL 8).

[4] Die AutorInnen verwenden zum Schutz ihrer Interview - Partnerinnen ein Pseudonym für den Ort. Medovce entspricht dem slowakischen Dorfnahmen. (vgl. Benedik/Tiefengraber 2013: 24)

Ende der Leseprobe aus 50 Seiten

Details

Titel
Die RomNija. Ihre Migrationsbewegungen und ihre Wahrnehmung in der österreichischen Öffentlichkeit
Hochschule
Universität Wien  (Kultur- und Sozialanthropologie)
Note
Gut
Autor
Jahr
2016
Seiten
50
Katalognummer
V356795
ISBN (eBook)
9783668426788
ISBN (Buch)
9783668426795
Dateigröße
753 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Armutsmigration, Roma, RomNija, Migration
Arbeit zitieren
Ute Hablesreiter (Autor:in), 2016, Die RomNija. Ihre Migrationsbewegungen und ihre Wahrnehmung in der österreichischen Öffentlichkeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/356795

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