Mit ritualtheoretischem Zugang wird der (Medien)Skandal vor der Uraufführung des Bühnenstücks "Heldenplatz" von Thomas Bernhard am Wiener Burgtheater anhand von Presseberichten im Jahre 1988 betrachtet. Die Texte zur Uraufführung werden als Bestandteil ritueller Handlungsprozesse nach Drückers Merkmalsmatrix und Texthandlungsklassen strukturalistisch untersucht. Dabei steht auch die Frage im Mittelpunkt, inwiefern zwischen den theoretisch-methodischen Instrumentarien "Theatralität" und "Ritualität" sinnvoll differenziert werden kann.
Das 100-jährige Jubiläum des Wiener Burgtheaters, dem österreichischen Nationaltheater, fiel in das Gedenkjahr 1938/1988. Zwei, das Publikum polarisierende, sich in der Provokation kongenial ergänzende, Kunstschaffende – der Autor Thomas Bernhard und der Regisseur und Burgtheaterdirektor Claus Peymann - nutzten diesen historischen Moment und lösten nicht nur einen österreichischen Medienskandal aus, sondern regten mit einem Theaterstück einen gesellschaftlichen Diskurs über die NS-Zeit, die österreichische Mittäterschaft und den österreichischen Opfermythos an. Aus heutiger Sicht stellte dieser Skandal einen Ausgangspunkt für eine neue, veränderte Sichtweise der österreichischen Gesellschaft und Politik auf die eigene NS-Vergangenheit dar und leitete eine Phase intensiverer Auseinandersetzung ein, die sich beispielsweise in neuen Gedenktagen und Erinnerungsstätten, in einer „Historikerkommission zur Prüfung von Wiedergutmachungsansprüchen“ und in der Errichtung des „Nationalfond der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus“ niederschlugen.
Doch was war da genau passiert? Wie lassen sich Theatralität / Fiktionalität und Ritualität im Skandal um das Bühnenstück Heldenplatz und um dessen Autor Thomas Bernhard unterscheiden? Wo liegen die Grenzen zwischen der kurzfristigen „Unterhaltungsfunktion des Theaters“ und der dauerhaften „Transformationsfunktion des Rituals“.
Zu klären wird auch die Rolle des damaligen Burgtheaterdirektors Claus Peymann in diesem Medienskandal sein. Lassen sich Belege für eine „Inszenierung des Skandals“ finden?
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Vorgehensweise
- Forschungsstand
- Begriffsklärung, Arbeitsfeld, Hypothese
- Ritualität
- Ritual
- Rahmen und Rahmung
- Ritualität
- Theatralität
- Fiktionalität
- Skandal
- Begriff „Skandal“
- Rollen, Identitätskapital, Habitus
- Strukturanalyse und Interpretation literaturfundierter ritueller Handlungssequenzen
- Syntexte und deren sprechaktspezifische Funktionen
- Arbeitsfeld
- Leitfrage und Hypothese
- Der Anlass 100-Jahrfeier des Burgtheaters
- Strukturanalyse des Gedenkrituals
- Interpretation
- Heldenplatz
- Das Stück
- Der geschichtsträchtige Platz
- Das Burgtheater - ein Haus mit Tradition
- Der gesellschaftliche, kulturelle und politische Kontext
- Rezeption von Heldenplatz
- Thomas Bernhard und Claus Peymann – Inszenierung einer Provokation?
- Causa Heldenplatz – Der österreichische Medienskandal
- Strukturanalyse des medialen Skandals
- Untersuchung der Syntexte nach sprechaktspezifischen Funktionen
- Gegenüberstellung der Strukturanalysen von Gedenkfeier und Medienskandal
- Interpretation
- Wirkung und Transformation
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Hausarbeit beschäftigt sich mit der Analyse der theatralischen, fiktionalen und rituellen Aspekte des Medienskandals um das Stück „Heldenplatz“ von Thomas Bernhard im Kontext der 100-Jahrfeier des Wiener Burgtheaters. Sie untersucht die Inszenierung des Skandals durch den Autor und den Regisseur Claus Peymann und analysiert die sprechaktspezifischen Funktionen der beteiligten Syntexte. Die Arbeit befasst sich mit der Frage, wie die Grenzen zwischen den kurzfristigen Unterhaltungsfunktionen des Theaters und der dauerhaften Transformationsfunktion des Rituals in diesem spezifischen Fall verlaufen.
- Die Analyse von Ritualität, Theatralität und Fiktionalität im Kontext des „Heldenplatz“-Skandals
- Die Untersuchung der sprechaktspezifischen Funktionen von Syntexten im Medienskandal
- Die Rolle des Burgtheaterdirektors Claus Peymann in der Inszenierung des Skandals
- Die dauerhafte Transformation des österreichischen Alltags durch den Medienskandal
- Die Bedeutung von Ritual und Skandal als gesellschaftliche Akteure
Zusammenfassung der Kapitel
- Die Einleitung führt in das Thema ein und stellt die Fragestellung der Arbeit vor. Sie beleuchtet den historischen Kontext der 100-Jahrfeier des Wiener Burgtheaters und den damit verbundenen Medienskandal um das Stück „Heldenplatz“.
- Das zweite Kapitel definiert zentrale Begriffe wie Ritualität, Theatralität, Fiktionalität und Skandal. Es beleuchtet die verschiedenen Dimensionen der Ritualität und die spezifischen Merkmale des Skandals.
- Das dritte Kapitel widmet sich der Strukturanalyse und Interpretation von rituellen Handlungssequenzen im Kontext der 100-Jahrfeier des Burgtheaters. Es analysiert die Syntexte des Gedenkrituals und untersucht deren sprechaktspezifische Funktionen.
- Das vierte Kapitel stellt das Stück „Heldenplatz“ von Thomas Bernhard vor und beleuchtet den historischen und gesellschaftlichen Kontext, in dem es entstand. Es analysiert die Rezeption des Stückes und die damit verbundenen Reaktionen.
- Das fünfte Kapitel beleuchtet die Rolle von Thomas Bernhard und Claus Peymann in der Inszenierung einer Provokation und analysiert deren Beitrag zum Medienskandal.
- Das sechste Kapitel widmet sich dem österreichischen Medienskandal um „Heldenplatz“. Es analysiert die Struktur des Skandals und untersucht die sprechaktspezifischen Funktionen der beteiligten Syntexte.
- Das siebte Kapitel stellt die Ergebnisse der Strukturanalysen von Gedenkfeier und Medienskandal gegenüber und zeigt die Gemeinsamkeiten und Unterschiede beider Ereignisse auf.
Schlüsselwörter
Die zentrale Thematik der Arbeit liegt in der Untersuchung des „Heldenplatz“-Skandals unter den Gesichtspunkten von Ritualität, Theatralität und Fiktionalität. Die Arbeit analysiert die sprechaktspezifischen Funktionen der Syntexte im Medienskandal und beleuchtet die Rolle von Thomas Bernhard und Claus Peymann in der Inszenierung der Provokation. Die Analyse fokussiert auf die Frage, wie der Skandal eine dauerhafte Transformation in der österreichischen Gesellschaft bewirkte.
- Quote paper
- Martina Wirth (Author), 2015, Theatralität, Fiktionalität und Ritualität. Eine Strukturanalyse literaturfundierter ritueller Handlungen am Beispiel "Heldenplatz" von Thomas Bernhard, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/357343