Warum Kinder Monster brauchen. Entwicklung von Strategien zum Umgang mit Angst durch Kinderliteratur

Roald Dahls "Sophiechen und der Riese"


Hausarbeit, 2016

20 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Wovor sich Kinder fürchten

Schaurig schöne Geschichten - Angstlust

Wie Geschichten die Angst besiegen Sophiechen und der Riese

Fazit

Literaturverzeichnis

Internetquellen

Einleitung

Die erfolgreichsten Bücher der Kinder und Jugendliteratur sind spannende Geschichten, die Kinder gruseln, sie den Atem anhalten und staunen lassen. Warum aber gruseln Kinder sich so gerne? Was macht für sie den Reiz aus, sich freiwillig Angstgefühlen auszusetzen?

Die folgende Arbeit befasst sich mit Monstern in Kinderbüchern und mit der Frage, was Kinder während der Auseinandersetzung mit diesen Monstern lernen können. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Angstbewältigung, welche Strategien mit Ängsten umzugehen erworben werden oder wie Ängste sogar überwunden werden können. Das Ziel dieser Arbeit ist zu zeigen, dass es sinnvoll ist, Kindern Bücher über Monster zur Verfügung zu stellen - nicht um ihre Ängste zu mehren, sondern um ihnen Wege zu zeigen, mit ihren vorhandenen Ängsten umzugehen und diese zu besiegen. Dafür muss zunächst geklärt werden, welche Ängste Kinder empfinden. Je nach Alter der Kinder können diese unterschiedlich sein oder aber anders empfunden werden. Anschließend wird die Lust an der Angst beschrieben, d. h., dass Kinder von sich aus Angst suchen, um sich dieser zu stellen, mit ihr umzugehen und Selbstvertrauen aus der überstandenen Angstsituation zu gewinnen. Warum nicht nur Spiele, sondern auch Bücher für diese Angstlust ein geeignetes Mittel darstellen und sich dazu eignen, Strategien für die Angstbewältigung zu entwickeln, wird im nachfolgenden Kapitel beschrieben.

Schließlich wird an dem Jugendroman Sophiechen und der Riese von ROALD DAHL anschaulich gemacht, wie genau die Angst vor Monstern, der Sieg über diese Angst und die Stärken, die Kinder aus der literarischen Erfahrung ziehen, in Geschichten funktionieren.

Wovor sich Kinder fürchten

Angst ist ein Sammelbegriff für eine Vielzahl von Gefühlen, die mit Unlust verbunden sind und hilflos machen. Laut GETRAUT FINGER ist die Angst ein Gefühl der Bedrohung. Furcht hingegen bezieht sich auf eine tatsächliche Gefahr oder Bedrohung; sie wird deshalb auch als Realangst bezeichnet. Im Kindesalter sind Angst und Furcht nicht immer klar zu trennen, da das Kind Fantasie und Realität noch nicht eindeutig voneinander unterscheiden kann. Schüchternheit und Scham sind soziale Ängste davor, nicht der Erwartung von anderen zu entsprechen. Der Schreck ist die Antwort auf ein plötzliches Ereignis ohne vorherige Angstbereitschaft.1 Die Angst als solche gehört zu den Grundgefühlen des Menschen. Sie ist ein Warn- und Schutzmechanismus und deshalb ein wichtiger Bestandteil der Evolution.2 Dass Kinder und auch Erwachsene vor verschiedenen Dingen Angst haben, ist allgemein bekannt. Es gibt sogenannte Urängste, die in jedem Menschen stecken, und Ängste, die entwicklungsbedingt sind und sich verändern, wenn das Kind älter wird.

Laut ZULLIGER sind die häufigsten Kinderängste, die Angst vor dem Verlassen werden, fremden Leuten, Gespenstern, Geistern, Einbrechern, Dunkelheit.3 „Manche kindlichen Phobien, Kinderängste, verschwinden mit zunehmendem Alter von selber wieder, dies ist eine Erfahrungstatsache.“4 Entwicklungsbedingte Ängste sind laut

JAN-UWE ROGGE

notwendig und Teil einer gesunden Entwicklung. Besonders der Umgang mit diesen Ängsten und diese zu überwinden lässt das Kind reifen und wachsen. Es findet zu mehr Selbstvertrauen und entwickelt Strategien für die Zukunft. Typische Ängste von Kindern sind Angst vor Dunkelheit, Verlustängste und Angst vor dem Unbekannten bzw. Vernichtungsangst. Manche Ängste sind auf Erfahrungen begründet, andere wiederum erscheinen willkürlich und die Ursache ist völlig unklar.5

Kinder sollen also lernen, ihre Ängste kennenzulernen, sie in Worte zu fassen und mit ihnen umzugehen bzw. sie zu überwinden. Besonders kleineren Kindern fällt es jedoch oft schwer, ihre Angst so auszudrücken, dass ein Erwachsener sie verstehen und somit ernst nehmen kann. Hat ein Kind Angst vor einem Monster unter seinem

Bett, so wird durch die Eltern oft der Versuch unternommen, dem Kind durch eine Erklärung und das gemeinsame Nachsehen unter dem Bett, die Angst zu nehmen. Erwachsene haben jedoch ein anderes Realitätsbewusstsein als Kinder. Nur weil das Monster nicht da ist, wenn ein Elternteil nach ihm schaut, heißt das nicht, dass es nicht auftaucht, wenn das Kind allein im Bett liegt.

Wenn Kinder nachts von Gespenstern und bedrohlichen Wesen geplagt werden und dann weinend und voller Angst ins elterliche Schlafzimmer kommen, versuchen manche Eltern sie mit dem Hinweis zu trösten, dass es Gespenster ja gar nicht gibt. Das ist sicher gut gemeint, aber grundverkehrt. Kleine Kinder bis zum Alter von etwa sieben Jahren, können nicht klar zwischen Realität und Vorstellung unterscheiden. Wenn sie ein Gespenst ‚wahrnehmen‘, dann ist es auch Wirklichkeit für sie. Wenn Eltern dann aber behaupten, es gäbe keine Gespenster, ‚lügen‘ sie, sie werden in den Augen ihres Kindes unglaubwürdig und unzuverlässig, denn sie lassen es mit seinem Problem alleine.1

Kinderängsten rational entgegenzuwirken, ist besonders bei kleineren Kindern fast unmöglich, da die Angst vor dem Monster unter dem Bett ohnehin für eine andere Angst des Kindes steht, die es nicht ausdrücken kann. So können sich Verlustangst und Trennungsangst in solchen kindlichen Fantasien äußern, sowie auch Vernichtungsangst, denn kein Mensch kann in der Angst leben. Er versucht sie zu bekämpfen, zu überwinden, sich durch bestimmte Maßnahmen vor ihr zu schützen. Das kleinere Kind tut es sehr häufig dadurch, dass es seine ursprünglich, diffuse Angst an ein Objekt heftet. (...) Sobald es einem Kind gelingt, seine Angst (...) an ein Objekt zu fixieren, bedeutet dies bereits einen beachtenswerten Fortschritt seiner Angstbearbeitung, Angstbekämpfung.2

Es handelt sich hier also schon um eine Strategie, mit der das Kind sich seiner Angst entledigen kann. Kommt das Monster zum Beispiel nur in der Dunkelheit, so braucht nur etwas Licht zu brennen und das Kind hat keine Angst mehr. Kinder glauben an Hexen oder das Monster unter dem Bett, „solange bis sie so alt geworden sind, dass sie sich nicht mehr gezwungen sehen, ihren gestaltlosen Ängsten eine menschliche Gestalt zu geben - sollte man ihnen Geschichten erzählen, in denen gescheite Kinder es fertig bringen, sich von Verfolgerfiguren ihrer Phantasie zu befreien“3.

So sollten Eltern versuchen, ihrem Kind zu helfen - nicht versuchen, dem Kind die Angst durch rationale Erklärungen zu nehmen, sondern ihm Wege aufzuzeigen, die Angst selbst in den Griff zu bekommen und zu besiegen. Denn die „Vermeidung der

Angst scheint zunächst Befreiung zu bedeuten, ist aber letztlich Einengung der Gesamtpersönlichkeit“, denn „Angst in ihren vielfältigen Variationen begleitet jeden dynamischen Entwicklungs- und Nachreifungsprozess“1. Demnach kann das Kind an jeder besiegten Angst wachsen und entwickelt Strategien für sich, um auch in Zukunft mit angstvollen Situationen umzugehen, da es weiß, dass es die Angst besiegen kann. Auch Bruno Bettelheim ist der Ansicht, dass Kinder Stärke daraus ziehen, wenn die Eltern ein Stück weit auf die Fantasien ihrer Kinder eingehen und ihnen das Gefühl geben, das die inneren Erfahrungen der Kinder legitim sind. Er ist der Meinung, dass es diese Bestätigung und Stärkung dadurch erlangen kann, dass es Märchen oder andere Geschichten mit Bösewichtern hört. „Das Kind, ..., braucht die Bestätigung, daß es kein Mangel und kein Versagen ist, wenn es danach verlangt, sich in Phantasien zu ergehen...“2 Kinder haben also Ängste und unsere Aufgabe als Erwachsene ist nicht, diese verschwinden zu lassen, sondern dafür zu sorgen, dass Kinder sich mit ihren Ängsten nicht allein gelassen fühlen und ihnen zu helfen, mit ihren Ängsten umzugehen.

Schaurig schöne Geschichten - Angstlust

Ob in der Geisterbahn auf der Kirmes, in Filmen oder eben auch in Büchern: Kinder und auch Erwachsene suchen bewusst das Spannende und Gruselige. Es ist schön sich zu gruseln und zu erschrecken, wenn man doch weiß, dass die Situation, in der man sich befindet, sicher und völlig gefahrlos ist. „Der Begriff Angstlust stammt von MICHEAL BALINT. Er nennt sie „Thrill“ und versteht darunter, dass jemand sich freiwillig einer Angst aussetzt „mit der zuversichtlichen Hoffnung, dass alles schließlich gut enden wird“1. Kinder setzen sich also bewusst Situationen aus, in denen sie sich ängstigen, genießen das Gefühl der Spannung und Erregung und die Erfahrung, dass sie es schaffen, diese Spannung auszuhalten, während sie die ganze Zeit darauf vertrauen, dass es gut ausgehen wird. So erleben sie noch während der Angst ein Gefühl der Stärke.2 Dazu gehören auch Spiele, wie Fangen oder sich in die Luft werfen lassen; diese Spiele bieten eine Mischung aus Freude, Aufregung, Angst und Erleichterung. Sie „helfen dem Kind mutiger zu werden. Es setzt sich freiwillig der Angst aus, manchmal sucht es sie direkt. Es wird von der Angst nicht überwältigt, sondern baut sie schrittweise ab.“3

Um diese Angst als Lust zu erleben, ist es jedoch notwendig, dass das Kind sich freiwillig in die Situation begibt und weiß, dass die Situation gut ausgeht.4 „Die Balance zwischen Angst und Lust muss stimmen. Die Lust sollte stets etwas größer sein als die Angst. Sonst kippt die Stimmung um und Kinder werden von ihrer Angst überwältigt.“5 Beobachtet man kleinere Kinder, die sich von ihren Eltern fangen oder in die Luft werfen lassen, so kann man in ihren Gesichtern das Wechselspiel zwischen Furcht und Erleichterung und Freude gut ablesen. Die Freude und der Spaß entwickeln sich hierbei aus dem Kontrast zwischen der Angstsituation, in die man sich begeben hat, und der Erleichterung darüber, dieser wieder zu entkommen.

Das Lesen oder Hören von spannenden und gruseligen Geschichten über Monster und andere schreckliche Gestalten kann eben diese Angstlust befriedigen. „Das Gruseln ist eine Form der Angstlust und Kinder suchen starke Gefühle.“6 Viele

[...]


1 Vgl. FINGER S. 275-277

2 Vgl. http://www.real.de/meine-familie/kinderangst-was-ist-normal.html

3 ZULLIGER, S. 81

3 ZULLIGER, S. 70

5 www.kinderbuch-couch.de/wenn-kinder-angst-haben-interview-mit-jan-uwe-rogge.html

1 BAUER, S. 28

2 ZULLIGER, S. 70

3 BETTELHEIM, S. 157

1 LUTZ, S. 19

2 BETTELHEIM, S. 76

1 FINGER (JULIT) S. 15

2 FINGER (JULIT) S. 16

3 FINGER S. 29

4 SENDAK, S. 135

5 JULIT S. 16

6 JULIT S. 16

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Warum Kinder Monster brauchen. Entwicklung von Strategien zum Umgang mit Angst durch Kinderliteratur
Untertitel
Roald Dahls "Sophiechen und der Riese"
Hochschule
Universität Paderborn
Veranstaltung
Literaturwissenschaft Lehramt Grundschule
Note
1,7
Autor
Jahr
2016
Seiten
20
Katalognummer
V358156
ISBN (eBook)
9783668430990
ISBN (Buch)
9783668431003
Dateigröße
435 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
warum, kinder, monster, entwicklung, strategien, umgang, angst, kinderliteratur, roald, dahls, sophiechen, riese
Arbeit zitieren
Julia Hornemann (Autor:in), 2016, Warum Kinder Monster brauchen. Entwicklung von Strategien zum Umgang mit Angst durch Kinderliteratur, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/358156

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