Kraft der Mitte? Die nationalliberale Deutsche Volkspartei (DVP) aus der Sicht Gustav Stresemanns


Hausarbeit, 2016

14 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhalt

Einleitung

I. Begriffsklärung: Was ist die politische Mitte?

II. Prinzipien und Grundüberzeugungen
a) Gesellschaft und Wirtschaft
b) Außenpolitik

III. Stellung im Weimarer Parteiensystem im Vergleich zum Zentrum

IV. Fazit

Quellenverzeichnis

Literaturverzeichnis

Einleitung

Nach diesen Zielen strebt die Deutsche Volkspartei. Sie will den Sammelpunkt bilden für die weiten Kreise unseres Volkes, die entschieden national, liberal und sozial empfinden. Sie weiß, dass mit solcher Gesinnung der Weg gefunden werden wird, der aus dem Dunkel der Gegenwart wieder hinaufführt in eine lichtere Zukunft.

Bei aller Not – dennoch vorwärts![1]

Die historischen Anfänge der Weimarer Republik waren von zwei einschneidenden Ereignissen geprägt. Zum einen besiegelte die Novemberrevolution von 1918 mit der Ausrufung der Republik am neunten Tag des gleichen Monats den innenpolitischen Umsturz, der einen Wechsel von der Monarchie der Hohenzollern zur demokratischen Republik bewirkte, zum anderen wurde am 11. November 1918 der Waffenstillstand in Compiègne geschlossen und damit faktisch der Erste Weltkrieg beendet. Nach diesen beiden Geschehen stand man vor dem Beginn der Weimarer Republik. In dieser Zeit gründete sich unter Führung Gustav Stresemann die nationalliberale Deutsche Volkspartei (DVP). Nun trat neben der Zentrumspartei und der Deutschen Demokratischen Partei eine dritte Partei der sogenannten politischen Mitte bei. Diese nationalliberale Partei ist das Thema dieser Hausarbeit. Im Ganzen soll diese Hausarbeit klären, inwieweit die Deutsche Volkspartei eine Kraft der Mitte war. Daher wird zunächst der Begriff der „politischen Mitte“ geklärt. Im weiteren Verlauf werden die, im Oktober 1919 veröffentlichten, Grundsätze der Deutschen Volkspartei in Hinblick auf ihre politische Ausrichtung und ihr politisches Programm erörtert. Zur genaueren Wiedergabe werden diese Grundsätze in Gesellschaft bzw. Innenpolitik, Wirtschaft und der Außenpolitik unterteilt. Danach erfolgt die Spezialisierung zur Stellung der Deutschen Volkspartei im Weimarer Parteien System durch den Vergleich mit der Zentrumspartei. Hier soll letzten Endes geklärt werden, wo genau und ob sich die Deutsche Volkspartei in der „politischen Mitte“ befand und sie daher eine Kraft der Mitte symbolisierte. Als Quellengrundlage dienten die Grundsätze der Deutschen Volkspartei in: F. Salomon, Die deutschen Parteiprogramme, Heft 3, 3. Aufl., 1920, S. 97-111.

Zur Literaturgrundlage dienten vor allem die Werke von Roland Thimme: Stresemann und die deutsche Volkspartei 1923 – 1925 und Gustav Stresemann 1878 – 1929,Weimars größter Staatsmann von Jonathan Wright.

I. Begriffsklärung: Was ist die politische Mitte?

Der Begriff der „politischen Mitte“ stammt aus der Politikwissenschaft und beschreibt die Position bzw. den Standort einer Partei innerhalb des politischen Spektrums. Dieser Standort liegt zwischen den politischen Linken und den Rechten. Die politische Mitte könnte man mit Kurt Lenks Worten aus seinem Essay vom Mythos der politischen Mitte beschreiben, in dem er sagt, sie sei das Symbol für den sozialen und politischen Ausgleich. Es ist die eine Richtung, die von ihren eigenen Anhängern als liberal und freiheitlich beschrieben wird und daher erhält die „Mitte“ einen positiven Klang. Gerade die Volksparteien sahen die „Mitte“ als eine Möglichkeit zur Lösung komplexer Fragen und gleichzeitig das offene Bekenntnis der Ablehnung des Extremen. Sie sind es, die nach Einführung des allgemeinen Wahlrechts als Klassen-, Weltanschauungs- und Massenparteien mit festen Mitgliedern und Programmen ihre Wähler erhalten. Ihre, Gemeinwohl dienenden, Programme sollen die Bürger zur Teilnahme am öffentlichen Leben im Sinne genau dieser Programme verleiten. Dennoch kommt man nicht umhin festzustellen, dass der Begriff der „politischen Mitte“ ein längst vernachlässigtes Phänomen ist, welches auch heute noch schwer zu verorten ist[2].

II. Prinzipien und Grundüberzeugungen

a) Gesellschaft und Wirtschaft

Am Nachmittag des 15. Dezembers 1918 gründete sich unter der Führung Gustav Stresemanns die Deutsche Volkspartei. Gebildet aus dem rechten Flügel der alten Nationalliberalen Partei, war sie daher nichts anderes als eine verkümmerte Wiedergeburt. Dennoch war die Gesinnung des Nationalliberalismus wie eine Art Waffe, mit der sich die Partei wirkungsvoll vereinigen konnte.[3] Ihr Leitgedanke war geprägt von dem Streben nach ihrer Erhaltung der Selbstständigkeit sowohl nach rechts als auch nach links.[4] Zu Beginn konnte die Deutsche Volkspartei weder eine Organisation, geschweige denn ein aussagekräftiges politisches Programm vorweisen. Erst am 19. Oktober 1919 wurden auf dem Leipziger Parteitag die Grundsätze der Partei ausformuliert.[5] Diese Grundsätze bestehen aus insgesamt 25 Punkten, geteilt in zwei Kapitel. I. „Vom Staatswesen“ und II. „Von der Volkswirtschaft“. In der Gesamtbetrachtung strebte die Deutsche Volkspartei nach einer Rückgewinnung der politischen und sozialen Verhältnisse vor 1914, also vor dem Ersten Weltkrieg, an. Dies bedeutete vor allem das Beibehalten der Monarchie. Doch durch den verlorenen Krieg und der Revolution sahen viele deutsche Bürger, allen voran Politiker, keine Notwendigkeit eines Monarchen.[6] Für Stresemann jedoch war es keine Frage gewesen, ob und dass die Monarchie in parlamentarisch – demokratischer Form erhalten werden sollte[7]. Daher lehnte die Deutsche Volkspartei, die am 31. Juli 1919 angenommene neue Verfassung, ab. Sie beanstandete nicht ihren Inhalt, sondern zeigte sich hier ihre strikte Ablehnung gegenüber der republikanischen Staatsform. Stresemann rechtfertigte diese Entscheidung mit der Treue zum „alten Deutschland“. Zudem heißt es in ihren Grundsätzen, dass das Kaisertum die einzige für das deutsche Volk geeignetste Staatsform wäre und fordern daher den deutschen Einheitsstaat, der die „Selbstverwaltung und die Sicherung der Eigenart der einzelnen geschichtlich, kulturell und wirtschaftlichen zusammenhängenden Landschaften“ prägen sollte[8]. Jedoch betonten sie auch, dass die Deutsche Volkspartei im Rahmen ihrer politischen Grundsätze an der jetzigen Staatsform mitarbeiten wird. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Grundsätze war die Weimarer Verfassung und somit die republikanische Staatsform längst in Kraft getreten.[9] Zu dieser Zeit war es trotz strikter Ablehnung der Republik noch nicht ganz klar, wie genau die Einstellung der Deutschen Volkspartei zur neuen Staatsform war, da auch ihnen bewusst war, dass die Wahrscheinlichkeit für ein erneutes Kaisertum in Deutschland sehr unwahrscheinlich war. Es war Stresemann, der ein Gleichgewicht zwischen Vergangenheit und Gegenwart herstellen musste. Und obwohl er für die Monarchie einstand, weswegen er in seinen früheren Jahren als der Monarchist charakterisiert wurde, lassen sich hier die ersten Anzeichen seines Wandels zum Vernunftrepublikaner erkennen. Mit dieser Ansicht stand Stresemann fast alleine. Viele Bürger und Politiker, auch in der Deutschen Volkspartei, bekannten sich zum Geist der neuen Zeit und waren quasi Überzeugungsrepublikaner.

Die Deutsche Volkspartei proklamierte mit ihren Grundsätzen im ersten Kapitel „Vom Staatswesen“ nicht nur ihr Streben nach der Rückgewinnung der Monarchie, sie insistierten aufgrund der neuen Regierungsform die aktive und verantwortungstragende Mitarbeit des Parlaments an der Gesetzgebung und bestanden ebenso auf die Koalitionsfreiheit.

Es ist zu komplettieren, dass die Führungsschicht der Deutschen Volkspartei aus industriellen Unternehmern und Akademikern bestand und die Anhänger und Wähler in den breiten Schichten des Mittelstandes, aber auch der bürgerlichen Oberschicht zu finden waren. Im Ganzen kamen die Wähler aus dem Besitzbürgertum.[10] In Bezug auf die „Bevölkerungspolitik“ versprach die Deutsche Volkspartei die deutsche Volksgesundheit zu pflegen, sie sittlich bzw. deutsch zu erhalten. Dies sei nicht nur ein einfaches Vorgehen, sondern auch ihre ernstzunehmende Pflicht.[11] Die Partei gab der Novemberevolution die Schuld am Sturz der Monarchie und ihre draus resultierende Umwandlung in eine Republik. Die Deutsche Volkspartei verlangte die Selbstverantwortlichkeit in allen religiösen und kirchlichen Angelegenheiten, sprich die Trennung von Kirche und Staat und somit die Religionsfreiheit. Im zweiten Kapitel der Grundsätze der Deutschen Volkspartei „Von der Volkswirtschaft“ wurde festgehalten, dass jeder Bürger das Recht auf Privateigentum und dem gesetzlichen Erbrecht der engeren Familie besitzt. So sah und bestimmte die Deutsche Volkspartei die „blühende Land-wirtschaft“[12] und einem „kräftigen selbstbewussten Bauernstand“[13] als die wichtigste Grundlage deutscher Volkskraft. In Bezug auf die Volksernährung erstrebte die Partei die Unabhängigkeit aus dem Ausland mittels planmäßiger Pflege aller Zweige der Landwirtschaft. Um die eigene Landwirtschaft vor den Wirkungen des Weltmarktes zu schützen, sei sie durch Schutzzölle zu sichern.

Der Punkt 21. „Handel und Schifffahrt; Kolonien“ spiegelt Stresemanns zweifelslose Ansicht wider, dass das Deutsche Reich aus wirtschaftlichen Gründen ihre, durch den Versailler Vertrag abzutretenden, Kolonien zurückgewinnen und der Ausbau von Flotte und Häfen erfolgen müsse. Denn Stresemann war sich bewusst, dass die deutsche Bevölkerung, die jährlich um eine Millionen Menschen wuchs, Arbeitsplätze brauche und ernährt werden müsse und dass dies nur durch einen Aufschwung im Handelsgewerbe und in der Exportindustrie zu bewerkstelligen wäre.[14] Der Ausbau von Häfen müsse erfolgen, um mit den ausländischen Häfen mithalten zu können.[15] Eine Flotte, sah Stresemann, als reinen Selbstschutz an. Die Erhaltung der weltwirtschaftlichen Stellung des Deutschen Reiches basierte letzten Endes auf der Abhängigkeit von Importen, wie Gummi und Baumwolle aus Amerika. Deswegen strebte Stresemann nach der Rückgewinnung der Kolonien und zu einer Vergrößerung ihres Kolonialgebietes nach dem Vorbild des britischen Empires.[16]

b) Außenpolitik

Ab dem 18. Januar 1919 tagte die Friedenkonferenz in Versailles. Deutschland wurde von den Friedenverhandlungen komplett ausgeschlossen. Erst und nur für die Unterschreibung wurden die Vertreter Deutschlands nach Versailles eingeladen. Als im Mai die Bedingungen des Vertrages bekannt gegeben wurden, war Stresemann in seiner Haltung gegen die Regierung bestärkt. So hatte er oft die Naivität der Regierung beklagt, vor allem in Bezug auf diejenigen, die an eine milde Behandlung der Siegermächte geglaubt hatten.[17] Dies war der Moment, an dem Deutschland vor gravierende und unerwartete Tatsachen gestellt wurde. Hatte man doch auf den gerechten und harmlosen 14. Punkte-Plan von Woodrow Wilson gehofft. Neben dem Verlust von Territorien und den hohen Reparaturzahlungen, kam noch der Kriegsschuldartikel hinzu, der allein Deutschland die Schuld am Ausbruch des Krieges gab. Als alle Parteien, außer der Unabhängige Sozial-demokratische Partei Deutschlands, die Annahme des Vertrages zurückwiesen, erfolgte am 22. Juni 1919 eine Drohung der Alliierten, in Deutschland einzumarschieren. Deutschland unterschrieb daher gezwungener-maßen am 28. Juni 1919 den Versailler Vertrag. Die Bezeichnungen des „Diktatfriedens“ und des „Gewaltfriedens“ erschien nicht nur auf der öffentlichen Bildfläche, sondern auch in den Grundsätzen der Deutschen Volkspartei. Wie die meisten anderen Parteien in der Weimarer Republik, besonders die Rechten, stand auch die Deutsche Volkspartei stark für den sogenannten Anti-Versailles-Revisionismus, also das Bestreben den Vertag und seine Bedingungen für illegitim zu erklären, ein. Stresemann war sich bewusst, dass der Versailler Vertrag keine neue Weltepoche einleitete. Viel mehr erschien er als eine Umbruchsphase deren Verlauf und Ende abzuwarten sei.[18] Die Deutschen Volkspartei intendierte in Bezug auf ihre „Stellung nach Außen“ eine politische und wirtschaftliche Völkerversöhnung, sprich eine Verständigung mit Österreich, dem Verbündeten im Ersten Weltkrieg.[19] Die Deutsche Volkspartei sah dies aber als unmöglich an, solange „die Ehre des deutschen Volkes“ von ihren Feinden, den Alliierten England, Amerika und Frankreich, weiterhin verletzt werden würde.[20] Im Grunde lässt sich außerhalb der Grundsätze auch eine Völkerverständigung mit den Alliierten erkennen. Stresemann ersehnte hier jedoch noch nicht das, was er im Jahre 1926 mit dem Eintritt Deutschlands in den Völkerbund verwirklichte. Zur Zeit der Parteigründung bezeichnete er den Völkerbund noch als Farce.[21]

[...]


[1] Zit. n Salomon, F: Die deutschen Parteiprogramme, Heft 3, 3. Aufl., 1920. S. 111.

[2] Vgl. Lenk, Kurt: Vom Mythos der politischen Mitte, in: Politik für Zeitgeschichte 38/2009, 14. September 2009, S. 15 – 20.

[3] Vgl. Wright, Jonathan: Gustav Stresemann 1878 – 1929. Weimars größter Staatsmann, München 2006. S. 137.

[4] Vgl. Ebd., S. 138.

[5] Vgl. Richter, Ludwig: Die Deutsche Volkspartei 1918 – 1933, Düsseldorf 2002. S. 46.

[6] Vgl. Dederke, Karlheinz: Reich und Republik. Deutschland 1917 – 1933, Stuttgart 1984. S. 132f.

[7] Vgl. Eschenburg, Theodor: Gustav Stresemann, Stuttgart 1978. S. 41.

[8] Zit. n. Salomon 1920 S. 97 – 111.

[9] Ebd., S. 97 – 111.

[10] Vgl. Dedercke 1984, S. 132.

[11] Zit. n. Salomon 1920, S. 97 - 111

[12] Ebd., S. 97 - 111

[13] Ebd., S. 97 - 111

[14] Vgl. Wright 2006, S.

[15] Vgl. Stresemann 1926, S. 49 – 55.

[16] Vgl. Wright 2006, S. 139.

[17] Vgl. Ebd., S.139

[18] Vgl. Wright 2006, S. 155.

[19] Vgl. Salomon 1920, S. 99 – 111.

[20] Ebd., S. 99 – 111.

[21] Vgl. Wright 2006, S. 155.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Kraft der Mitte? Die nationalliberale Deutsche Volkspartei (DVP) aus der Sicht Gustav Stresemanns
Hochschule
Universität Potsdam  (Historisches Institut)
Note
2,0
Autor
Jahr
2016
Seiten
14
Katalognummer
V358384
ISBN (eBook)
9783668434066
ISBN (Buch)
9783668434073
Dateigröße
525 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
kraft, mitte, deutsche, volkspartei, sicht, gustav, stresemanns
Arbeit zitieren
Saskia Mewes (Autor:in), 2016, Kraft der Mitte? Die nationalliberale Deutsche Volkspartei (DVP) aus der Sicht Gustav Stresemanns, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/358384

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