Wenn Schüler zu Amokläufern werden. School Shootings, Tätertypologien, Prävention und Intervention sowie Reaktionen


Hausarbeit (Hauptseminar), 2016

17 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Abgrenzung und Definition der Begriffe „Amoklauf“ und „School Shooting"

3. Psychologische Klassifizierung verschiedener Tatertypologien
3.1 Der psychopathische Tater
3.2 Der psychotische Tater
3.3 Der traumatisierte Tater

4. Prevention und Intervention

5. Politische Reaktionen der USA und Deutschland in vergleichender Darstellung

6. Fazit

Literaturverzeichnis

Anhang

1. Einleitung

>>11:17 Uhr - Eric Harris und Dylan Klebold sitzen in ihren Autos und warten vergeblich auf die Detonation der selbstgebauten Propangasbomben, die sie in der Cafeteria ihrer Schule platziert ha ben. Ein technischer Defekt verhindert jedoch ein noch groderes Ausmad der Zerstorung. Sie gehen zuruck zum Schulhof und beschlieden daher, zwei Minuten spater, ihren Feldzug zu starten. Es ist 11:19 Uhr als Rachel Scott, 17 Jahre, als erstes Opfer ihr Leben lasst. Was dann folgt hinterlasst eine Spur aus 13 Todesopfern sowie mehr als 24 Verletzten, bevor sich die Tater um 12:08 Uhr in der Bibliothek, und gleichzeitig grodtem Schauplatz des Massakers, das Leben nehmen.<<1

Ein solches School Shooting, wie jenes das sich am 20. April 1999 an der Columbine High School ereignete, schien fur viele in Deutschland weit weg zu sein. Oftmals assoziierte man dieses Problem mit dem so waffenaffinen Land, den USA. Doch spatestens seit den Geschehnissen in Erfurt, im April 2002, Oder Winnenden, im Marz 2009, ist das Thema auch hierzulande immer haufiger prasent.

Die meisten Menschen haben in Bezug auf potentielle Tater das Bild eines traumatisierten AuGenseiters vor Augen, der sich mit gewaltverherrlichenden Videospielen beschaftigt und sich aus der realen in eine virtuelle Welt zuruckzieht. Doch trifft dieses stereotypische Taterbild wirklich zu, Oder ist es nur das, was es den Menschen eventuell einfacher macht den Schritt zu einer solchen Tat nachvollziehen und erklaren zu konnen. Auf diese Fragestellung mochte ich in meiner Arbeit naher eingehen, denn allem voran ist die Antwort auf jene Frage zu psychologischen Hintergrunden mit einer der wichtigsten Faktoren zur Fruherkennung und moglichen Prevention solcher Straftaten. Am Beispiel von Eric Harris und Dylan Klebold treffen einige dieser typischen Merkmale zu und doch sind beide Schuler aus psychologischer Sicht sehr verschieden.

Obgleich es gewagt ist, den Einstieg in diese Thematik mit einem simplen psychologischen Trick zu erleichtern, welchen den Rezipienten emotional an das Thema bindet, so lasst sich das ganz rational rechtfertigen2. Wahrend ich zunachst auf die Begriffsabgrenzung und Definition von „Amoklauf“ und „School Shooting" eingehe, gefolgt von einer psychologischen Klassifizierung spezifischer Tatertypologien, werde ich in Punkt 4 die Bereiche der Prevention und Intervention genauer beleuchten. Hierzu sind Sensibilitat und Emotionen wichtige Voraussetzungen und sollten daher nicht auGen vor gelassen werden, sondern als Bezug genutzt werden. Weiterfuhrend gehe ich in vergleichender Weise auf die Reaktionen des Staates nach einer solchen Tat ein, wobei der Fokus meiner Ausfuhrungen auf den beiden Landern „Deutschland“ und „USA“ liegt. Im Abschluss erfolgen ein Fazit, sowie ein kurzerAusblick in die mogliche Entwicklung.

2. Abgrenzung und Definition der Begriffe „Amoklauf“ und ^School Shooting"

Sich mit einem sensiblen Thema wie >>School Shootings« zu befassen, setzt zunachst einmal die Kenntnis uber die genaue Bedeutung dieses Begriffes voraus. Der noch recht junge Begriff wird von den meisten Menschen noch pauschal als Amoklauf betitelt.

Das Wort »Amok«, aus dem Malaiischen stammend, tauchte bereits im Bezug auf Individuen im 16. Jahrhundert auf. „Duarte Barbosa bezeichnete 1512 mit „amuco“ Menschen, die sich nach uberstandener Krankheit als Dank an die Gotter mit Messer und Speer bewaffnet in die Menge sturzten und ruckhaltlos jeden toteten, der sich vor ihrem Warn- und zugleich Kampfschrei „amuco“ nicht in Sicherheit bringen konnte, bis sie selbst getotet wurden."3 Wahrend der Begriff noch bis ungefahr zur Halfte des letzten Jahrhunderts mit jenem Religiosen, Kriegerischen assoziiert wurde, so wurde ihm aber auch in der malaiischen Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr das krankhafte Verhalten beigemessen und somit negativ abgewertet.

Was fur die meisten Menschen heutzutage der Begriff »Amok« bedeutet, geht mit vielem seiner ursprunglichen Herkunft einher.

Es sind einige Ubereinstimmungen bzw. Uberschneidungen in beiden Bezeichnungen zu erkennen, weshalb der Ausdruck des >>School Shootings« auch als eine spezifische, weiterentwickelte Form des Amoklaufs zu betrachten ist.

Der Konnex beider Definitionen differenziert sich zudem auch klar von Totungsdelikten aus (Gruppen-)Streitigkeiten, da diese nicht signifikant an einen Ort, wie im vorliegenden Fall der Schule, gebunden sind4.

Totungshandlungen bei Shootings jedoch, sind im Voraus prazise geplante und immer und immer wieder in der Fantasie durchgespielte Taten5. Oftmals wird bereits im Vorfeld eine sogenannte „Todesliste“ mit moglichen Opfern erstellt, die aber je nach Verlauf, nicht unbedingt eingehalten wird. Hierbei wird dem Tatort, der Schule, eine besondere Bedeutung durch die Tater zugeschrieben und daher zielgerichtet zur Verubung ihrer Tat anvisiert6. Die meisten Delikte werden in homizidal-suizidaler Absicht begangen, d.h. die Totung anderer geht einher mit der Inkaufnahme des eigenen Todes bis hin zur gezielten und vorbereiteten Selbsttotung wie im Fall von Eric Harris und Dylan Klebold.

3. Psychologische Klassifizierung verschiedener Tatertypologien

Wie bereits in der Einleitung erwahnt, teilen Harris und Klebold einige Gemeinsamkeiten, wie das gemeinsame Ziel und ihre Motivation. Die groGtenteils mannlichen Tater konnen sich und ihre Umwelt nicht langer ertragen und sehen daher nur einen Ausweg - die Ausloschung ihrer Existenz sowie deren gesamte Umwelt. Jedoch sind die Ursachen der beiden sowie der Vergleich mit anderen Tatern gerade aus psychologischer Sicht sehr verschieden. Pollmann konstatiert, „[e]s [musse] von einer multifaktoriellen Bedingtheit ausgegangen werden, d.h. das Problem ist mehrschichtig und abhangig von dem Zusammenspiel korperlicher, psychischer und sozialer sowie situativer Faktoren"7.

So thematisiert auch Langman drei psychologisch unterschiedliche Tatertypologien - psychopathische, psychotische und traumatisierte - deren Starke und Auftreten auch maGgeblich von diversen Faktoren abhangt.

3.1 Der psychopathische Tater

Ein Psychopath definiert sich durch mehrere Personlichkeitsmerkmale - Narzissmus, geringe Aggressionskontrolle und Sadismus, wohingegen „Sadismus kein notwendiges Kriterium fur Psychopathie ist“8, haufig aber begleitend bei den Jugendlichen auftritt.

Sadistisch veranlagte Personen genieGen es, Macht uber andere auszuuben und diese leiden zu lassen. Harris zum Beispiel spiegelte das in vielen seiner Tagebucheintrage wieder, in denen er sadistische Wunschvorstellungen auGert. Ebenso wahrend der SchieGerei in der Bibliothek - „[e]in Madchen versteckte sich unter einem Tisch, erfand sie, sagte >>Kuckuck« und schoss auf sie“9.

Damit einher geht der Narzissmus, der sich durch das Zusammenspiel von Egotismus und Egozentrik auszeichnet. Laut Langman glauben egotistische Menschen anderen uberlegen zu sein. Egozentriker kennen weder Moral noch Empathie, wenn es urn die Verfolgung ihrer Interessen geht. Sie sind so selbstzentriert, dass hierbei Bedurfnisse anderer vollig ubergangen werden. Die Reizbarkeit jener Menschen ist sehr hoch, weshalb eine, fur die Allgemeinheit als normal eingestufte, Frustrationssituationen sie stark in Rage versetzen kann. Hierbei gibt die Verzahnung mit dem ebenso auftretenden, egozentrischen Teil des Narzissmus den entscheidenden Ausschlag zu einer sehr gefahrlichen Mischung, die sich dann wiederum in deren Reaktion explosionsartig auGert. Doch ihr Narzissmus erlaubt ihnen auch vor anderen mit groGem Selbstbewusstsein aufzutreten. Diese, oftmals mit ihrer charmanten und netten Art, kombinierten Eigenschaft lasst sie als sehr anziehend auf ihr Gegenuber wirken. Jene Fahigkeit nutzen sie gezielt, urn Vertrauen zu gewinnen.

Es ist bekannt, dass Eric Harris vereinzelt gehanselt wurde. Doch sehr viele Kinder an Schulen werden gehanselt und beginnen nicht eine derartige Tat zu planen. Harris war alles andere als ein AuGenseiter - es ist hinlanglich bekannt, dass er an vielen Freizeitaktivitaten teilnahm und ein reges soziales Umfeld pflegte. So wurde er beispielsweise nur elf Tage vor der Umsetzung des Attentats noch von seinen Freunden zum Feiern seines 18. Geburtstages eingeladen. Auszuge aus seinem Tagebuch sowie von seiner Website geben groGen Aufschluss uber die Ausgepragtheit seines Narzissmus. So ist immer wieder zu lesen, wie er davon traumt „minderwertige“ Menschen auszuloschen - an vielen Stellen in Bezugnahme auf Hitler und die Nazis - und sich auf eine Stufe mit Gott stellt. Diese vorgetauschte Uberlegenheit und Herabstufung anderer sollte uber die eigenen Minderwertigkeitskomplexe hinwegtauschen. Harris hatte mit einer korperlichen Fehlbildung der Brust sowie einer offensichtlichen Rechtschreibschwache zu kampfen und kompensierte diese in fast alien seiner AuGerungen.

Somit erfullte er auch das Personlichkeitsmerkmal, das der Definition eines Psychopathen am nachsten kommt - das antisoziale. Dies bedeutet jedoch keinesfalls, dass er nicht fahig zu sozialen Kontakten war. Diese Fahigkeit war, wie oben bereits erwahnt, durchaus vorhanden. Antisoziale Tater lehnen die Regeln einer Gesellschaft strikt ab. Sie wollen sich nicht fugen und verurteilen, mangels Moral und Empathie, kategorische Klassifizierungen wie ,,Blut und Gewalt sind bose“10 schlichtweg als Vorgaben unserer Gesellschaft, die so nicht hingenommen werden sollten.

Schul-Amoklaufer werden falschlicherweise haufig als Psychopathen eingestuft, jedoch trifft diese Diagnose tatsachlich nur bei sehr wenigen zu.

3.2 Der psychotische Tater

Wahrend der oben genannte Tatertypus nur sehr selten auftritt, findet man psychotische Amoklaufer weitaus haufiger vor. Die Definition dieses psychischen Zustandes umfasst im Allgemeinen den Verlust zur Wirklichkeit. So wird

[...]


1 Vgl. DeutscheDokus2012. Online verfugbar unter https://www.youtube.com/watch?v=U066tTYzHTs. zuletzt gepruft am 27.12.2015.

2 Vgl. Brumme2011,S.7

3 Junkerjurgen/v. Treskow 2015, S.19

4 Vgl. Robertz/Wickenhauser 2007, S.9

5 Vgl. Pollmann 2008, S.56

6 Vgl. Hoffmann/Wondrak 2007, S.12

7 Pollmann 2008, S. 22 Langman 2009, S.55

9 Langman 2009, S.87

10 Langman 2009, S.77

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Wenn Schüler zu Amokläufern werden. School Shootings, Tätertypologien, Prävention und Intervention sowie Reaktionen
Hochschule
Pädagogische Hochschule in Schwäbisch Gmünd
Note
1,5
Autor
Jahr
2016
Seiten
17
Katalognummer
V358603
ISBN (eBook)
9783668434844
ISBN (Buch)
9783668434851
Dateigröße
588 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Amoklauf, School Shootings, Gewalt an Schulen, Täterpsychologie, Columbine High School, Eric Harris, Dylan Klebold
Arbeit zitieren
Kristina Müller (Autor:in), 2016, Wenn Schüler zu Amokläufern werden. School Shootings, Tätertypologien, Prävention und Intervention sowie Reaktionen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/358603

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