Die Auswirkungen der Aktualisierung des Betriebsstättenbegriffs im Zuge des Aktionspunktes 7 des BEPS-Aktionsplans der OECD auf die Besteuerung international tätiger Unternehmen


Masterarbeit, 2016

80 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Gang der Untersuchung

2 Der Betriebsstättenbegriff vor dem Hintergrund der BEPS-Problematik
2.1 Die Funktion des Betriebsstättenbegriffs
2.1.1 Die Notwendigkeit einer Betriebsstättendefinition nach nationalem und nach bilateralem Recht
2.1.2 Grundzüge der Betriebsstättenbesteuerung
2.1.3 Die Relevanz des abkommensrechtlichen Betriebsstättenbegriffs für die Auslegung der DBA
2.2 Der abkommensrechtliche Betriebsstättenbegriff im Spannungsfeld von politischer Agenda und wirtschaftlichen Interessen
2.2.1 Die politische Dimension und die ökonomische Rechtfertigung des Betriebsstättenbegriffs
2.2.2 Die Entwicklung des Art. 5 OECD-MA bis hin zum BEPS-Aktionsplan
2.3 Die Aktualisierung der Betriebsstättendefinition im Zuge BEPS-Aktionsplans
2.3.1 Der BEPS-Aktionsplan der OECD
2.3.2 Der Aktionspunkt 7 - Die Verhinderung der künstlichen Umgehung des Status als Betriebsstätte

3 Maßnahmen gegen die künstliche Vermeidung einer Betriebsstätte durch Nutzung von Kommissionären und ähnlicher Strukturen
3.1 Gegenwärtige Vertriebsstrukturen international tätiger Unternehmen
3.2 Die Vertreterbetriebsstätte gem. Art. 5 Abs. 5 OECD-MA
3.2.1 Das Erfordernis der formellen Abschlussvollmacht
3.2.2 Die wesentliche Rolle des Vertreters beim Vertragsabschluss als entscheidendes Kriterium für die Begründung einer Vertreterbetriebsstätte
3.2.3 Die Ausgestaltung der Vertragstypen gem. Art. 5 Abs. 5 Buchst. a bis c OECD-MA-E
3.3 Einschränkung der Ausnahmeregelung des Art. 5 Abs. 6 OECD-MA
3.3.1 Die Regelung nach aktueller Fassung
3.3.2 Das neue Konzept zur Berücksichtigung von Näheverhältnissen
3.3.3 Die (fast) ausschließliche Tätigkeit für nahestehende Personen
3.4 Die Auswirkungen der Neuerungen zur Vertreterbetriebsstätte für international tätige Unternehmen
3.4.1 Die Reihenfolge der Prüfung nach aktuell gültiger und neuer Fassung
3.4.2 Beispiel 1: Kommissionärsgestaltungen
3.4.3 Beispiel 2: Die 10 % Grenze bei Vertretertätigkeiten für nicht nahestehende Personen
3.4.4 Beispiel 3: Die wesentliche Rolle des Vertreters beim Vertragsabschluss
3.5 Gestaltungsmöglichkeiten
3.5.1 Der Low-Risk Distributor als Möglichkeit zur Umgehung des Betriebsstättenstatus
3.5.2 Die Abschwächung der Rolle des Vertreters und weitere Aspekte
3.6 Zwischenfazit

4 Maßnahmen gegen die Betriebsstättenvermeidung aufgrund der Inanspruchnahme des Art. 5 Abs. 4 OECD-MA
4.1 Die Voraussetzung der Vorbereitungs- bzw. Hilfstätigkeit
4.1.1 Die Art der Tätigkeit als entscheidendes Kriterium
4.1.2 Die vorbereitende bzw. unterstützende Art der Tätigkeit als zusätzliche Voraussetzung
4.1.3 Lagerung, Einkaufund Informationsbeschaffung
4.2 Die künstliche Aufteilung von Tätigkeiten
4.2.1 Die Zusammenfassung von Tätigkeiten gem. Art. 5 Abs. 4 Buchst. f OECD-MA
4.2.2 Die Anti-Fragmentation-Rule
4.3 Die Auswirkungen der Aktualisierung des Art. 5 Abs. 4 OECD-MA für international tätige Unternehmen
4.3.1 Die Reihenfolge der Prüfung nach aktuell gültiger und neuer Fassung
4.3.2 Beispiel 4: Das Auslieferungslager als Betriebsstätte
4.3.3 Beispiel 5: Die Einkaufsbetriebsstätte
4.3.4 Beispiel 6: Die Anti-Fragmentation-Rule
4.4 Gestaltungsmöglichkeiten
4.4.1 Vermeidung einer festen Geschäftseinrichtung
4.4.2 Gefahr der Begründung einer Vertreterbetriebsstätte und weitere Aspekte
4.5 Zwischenfazit

5 Weitere Fragen zur Betriebsstäte mit Bezug zu weiteren Aktionspunkten
5.1 Die Aufteilung von Bau- und Montageverträgen
5.1.1 Die Zwölfmonatsregel
5.1.2 Der Principal Purpose Test (PPT)
5.1.3 Beispiel 7: Anwendung des PPT
5.1.4 Die Alternativregelung zum PPT
5.2 Fragen der Ergebniszuordnung
5.2.1 Ausstehende Ergänzungen zum Aktionspunkt 7
5.2.2 Voraussichtliche Auswirkungen auf die Betriebsstättenbesteuerung
5.3 Der Aktionspunkt 15 und die Umsetzung in den bestehenden DBA
5.3.1 Die Notwendigkeit eines multilateralen Abkommens
5.3.2 Überlegungen zur möglichen Ausgestaltung des multilateralen Instruments

6 Fazit und Ausblick
6.1 Fazit
6.2 Ausblick

Urteilsverzeichnis

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Prüfungsreihenfolge Vertreterbetriebsstätte

Abbildung 2: Prüfungsreihenfolge Vorbereitungs- bzw. Hilfstätigkeiten

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

1.1 Problemstellung

Die Weltwirtschaft befindet sich im Umbruch. In Zeiten der immer weiter voranschreitenden Globalisierung und Digitalisierung ergibt sich durch die Vielzahl an neuen Modellen, wie Un­ternehmen ihre Produktion und Wertschöpfung über Landesgrenzen hinweg organisieren, die Notwendigkeit einer steuerpolitischen Neuausrichtung. Jedoch erscheint es, als könnten die internationalen Besteuerungsstandards mit dieser rasanten Entwicklung nicht mithalten. Dies schlägt sich z.B. in der Weiterentwicklung der Informations- und Kommunikationstech­nologien nieder, die es Unternehmen ermöglicht, in erheblichem Maße am Wirtschaftsleben eines Staats teilzuhaben, ohne dort eine steuerpflichtige Präsenz in Form einer Betriebsstät­te begründen zu müssen.[1] Hinzu kommt, dass die diesbezüglichen Regeln für die internatio­nale Besteuerung nicht aufeinander abgestimmt sind und somit für Unternehmen die Mög­lichkeit bieten, legale Strukturen zu entwickeln, um diese Asymmetrien auszunutzen und Profit aus ihnen zu schlagen.[2] Die Existenz von über 3000 voneinander unabhängigen bilate­ralen Steuerabkommen[3] stellt einen wesentlichen Teil dieses internationalen Steuersystems dar und trägt somit im besonderen Maße zu einer Zuspitzung dieser unübersichtlichen Situa­tion bei. Im Zuge dieser Entwicklung hat sich die OECD erneut das Ziel auf die Agenda ge­setzt, dass eine Besteuerung der Gewinne von international agierenden Unternehmen wie­der an dem Ort zu erfolgen hat, an dem die wesentliche Wertschöpfung stattfindet.[4] Um die­ses Vorhaben in die Tat umzusetzen, wurde der 15 Punkte umfassende BEPS-Aktionsplan 2013 ins Leben gerufen.

Einer der zentralen Punkte ist in diesem Zusammenhang der Aktionspunkt 7, da er eine Neu­fassung der Betriebstättendefinition gem. Art. 5 OECD MA vorsieht. Eine Aktualisierung des Begriffs der Betriebstätte scheint überfällig, da es seit 1977 keine wesentlichen Änderungen in der Ausgestaltung des Art. 5 OECD-MA gab.

Im Mittelpunkt des Aktionspunktes 7 stehen zum einen Kommissionärsstrukturen, die nach Meinung der OECD dazu beitragen, dass Gewinne aus dem Quellenstaat in den Ansässig­keitsstaat verlagert werden, obwohl ein Großteil der Wertschöpfung im Quellenstaat erfolgt. Zum anderen liegt ein inhaltlicher Schwerpunkt auf einer Aktualisierung des Ausnahmekata­logs gem. Art. 5 Abs.4 OECD-MA. Hierbei soll verhindert werden, dass Unternehmen sich missbräuchlicher Gestaltungen bedienen, um die Ausnahmeregelung in Anspruch nehmen zu können. Die Umsetzung der vorgeschlagenen Neuerungen soll einerseits durch die Ak­tualisierung des OECD-MA und andererseits durch die direkte Implementierung der Neure­gelungen in bestehende Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) durchgeführt werden. Die Anpassung der DBA soll mit Hilfe eines multilateralen Übereinkommens erfolgen, welches bis Ende 2016 ausgearbeitet werden soll. Die Intention der OECD, den Betriebsstättenbegriff an die Herausforderung des 21. Jahrhunderts anzupassen, erscheint nachvollziehbar. Es stellt sich in diesem Zusammenhang jedoch die zentrale Frage, ob die OECD diese Agenda derart ausgewogen gestalten kann, dass es nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung der betroffenen Unternehmen kommt. Eine solch', aus unternehmerischer Sicht, übermäßige Beeinträchtigung ihrer Aktivitäten wäre zumal einer positiven Entwicklung der Gesamtwirt­schaft abträglich.

Durch die oben erläuterte Relevanz und Aktualität der Thematik ergibt sich für diese Arbeit folgende Fragestellung:

Die Auswirkungen der Aktualisierung des Betriebsstättenbegriffs im Zuge des Aktionspunk­tes 1 des BEPS-Aktionsplans der OECD auf die Besteuerung international tätiger Unterneh­men.

1.2 Gang der Untersuchung

Zentrales Anliegen dieser Arbeit ist die Auseinandersetzung mit den vorgeschlagenen Neue­rungen des Aktionspunktes 7 zum Betriebsstättenbegriff des OECD-MA. Um die sich daraus resultierenden Auswirkungen auf mikroökonomischer Ebene beurteilen zu können, gilt es im Folgenden zu untersuchen, welche Konsequenzen und Gestaltungsmöglichkeiten sich aus dieser Aktualisierung für international agierende Unternehmen ergeben.

Beginnend mit einer theoretischen Einordnung, soll die Relevanz des Begriffs der Betriebs­stätte für den weiteren Fortgang der Arbeit aufgezeigt werden. Eine erste Übersicht über die Funktionen, vor allem des Begriffs im abkommensrechtlichen Sinne, erlaubt es im Folgen­den, die politischen und ökonomischen Aspekte der Entwicklung der Betriebsstättendefinition gem. OECD-MA aufzuzeigen. So wird deutlich, dass bedingt durch eine vielfältige Interes­senslage, Änderungen seit 1977 kaum möglich waren und diese jetzt eintretende Aktualisie­rung demnach von dringender Notwendigkeit ist. Eine allgemeine Vorstellung des BEPS- Aktionsplans und ein grundsätzliches Verständnis des Aktionspunktes 7 ermöglichen zudem eine Eingrenzung des Gegenstands der Untersuchung.

Der Hauptteil der Arbeit wird sich mit den konkreten Neuerungen des Aktionspunktes 7 be­fassen. Für einen Vergleich erscheint es notwendig, sich ebenfalls einen Überblick über die aktuell gültigen Regelungen zu verschaffen. In einem ersten Schritt sollen die vorgeschlage­nen Veränderungen zur Vertreterbetriebsstätte im Mittelpunkt der Analyse stehen. Dabei wird eine Vergegenwärtigung der Vertriebsstrukturen multinationaler Konzerne zur Klärung des Gegenstandes helfen, bevor die einzelnen Aspekte des Art. 5 Abs. 5 und 6 OECD-MA nach aktueller und nach neuer Fassung im Detail vorgestellt werden. Darauf aufbauend dienen Beispiele zur Veranschaulichung des theoretisch Erarbeiteten. Darüber hinaus ermöglichen diese, Auswirkungen und Gestaltungsmöglichkeiten für betroffene Unternehmen aufzuzeigen.

Welche Änderungen sich durch den Aktionspunkt 7 für die Ausnahmeregelung des Art. 5 Abs. 4 OECD-MA ergeben, wird im zweiten Abschnitt des Hauptteils thematisiert. Dabei soll zunächst auf die zusätzliche Voraussetzung der Vorbereitungs- bzw. Hilfstätigkeit eingegan­gen werden, bevor die sogenannte Anti-Fragmentation-Rule hinsichtlich einer Verhinderung der künstlichen Aufteilung von unternehmerischen Aktivitäten diskutiert wird. Wie bereits in Kapitel 3 wird der Frage, welche Auswirkungen und Gestaltungsmöglichkeiten sich durch die aktualisierte Fassung, in diesen Fall durch Art. 5 Abs. 4 OECD-MA-E, ergeben, auf der Basis von beispielhaften Fällen nachgegangen.

In einer Schlussbetrachtung werden Aspekte weiterer Aktionspunkte, die mit den Arbeiten zum Aktionspunkt 7 in Verbindung stehen, mit den Neuerungen zur Betriebsstättendefinition kontextualisiert. Die Berücksichtigung der Aufteilung von Bau- und Montageverträgen, die nähere Beschäftigung mit Fragen der Ergebniszuordnung und eine Betrachtung der mögli­chen Umsetzung der vorgeschlagenen Änderungen des OECD-MA im Zuge des Aktions­punktes 15 ermöglicht es, ein umfassenderes Bild des Gegenstandes zu zeichnen. Abschließend sollen die Erkenntnisse im Fazit zusammengetragen werden, um einerseits eine fundierte Stellungnahme zu den Konsequenzen der aktualisierten Regelungen für inter­national tätige Unternehmen zu formulieren und um andererseits, die mögliche Umsetzung der Maßnahmen zu beleuchten, um daraus Empfehlungen für die Unternehmen abzuleiten.

2 Der Betriebsstättenbegriff vor dem Hintergrund der BEPS-Problematik

Dieses Kapitel dient als Grundlage für die spätere Untersuchung, indem es den Betriebsstät­tenbegriff vorstellt, seine Funktion allgemein erläutert und seine Bedeutung für das Abkom­mensrecht hervorhebt. Anhand eines historischen Überblicks soll der Weg hin zur Aktualisie­rung des Betriebsstättenbegriffs im Zuge des Aktionspunktes 7 aufgezeigt werden. Anschlie­ßend wird der BEPS- Aktionsplan in seinen Grundzügen erläutert, bevor der Aktionspunktes 7 in die allgemeine Zielsetzung des BEPS-Aktionsplan eingeordnet wird. Die Perspektive soll hierbei gleichermaßen auf der OECD bzw. der am Aktionsplan beteiligten Staaten sowie der international tätigen Unternehmen liegen, bevor in den folgenden Kapiteln die betroffenen Unternehmen in den Mittelpunkt der Untersuchung gerückt werden.

2.1 Die Funktion des Betriebsstättenbegriffs

2.1.1 Die Notwendigkeit einer Betriebsstättendefinition nach nationalem und nach bilateralem Recht

Bei dem Begriff der Betriebsstätte handelt es sich um einen steuerrechtlichen Begriff, der im Handelsrecht zumindest nicht explizit verwendet wird.[5] Allgemein kann man eine Betriebs­stätte als eine rechtlich unselbstständige „Geschäftsentfaltung mittels einer festen Ge­schäftseinrichtung“ ansehen.[6] Eine Betriebsstätte ist daher ein rechtlich unselbstständiger Teil eines Gesamtunternehmens, welches auch Träger aller Rechten und Pflichten und damit einhergehend auch der Steuerpflicht ist.[7] Jedoch ist nicht jeder unselbstständige Unterneh­mensteil auch gleichzeitig eine Betriebsstätte. Eine Betriebsstätte ist in der Regel auf Dauer angelegt, kann aber auch bei Überschreiten eines gewissen Zeitraums zeitlich begrenzt sein. Darüber hinaus kann ein Unternehmen in einem Staat auch mehrere Betriebsstätten in­nehaben und mehrere Einrichtungen eines Unternehmens können zudem eine einzige Be­triebsstätte bilden.[8] Einer Betriebsstätte weitgehend steuerlich gleichgestellt ist das Vorhan­densein eines ständigen bzw. abhängigen Vertreters.[9]

Grundsätzlich werden Einkünfte und Vermögen nicht nach Unternehmensteilen getrennt, sondern insgesamt als Welteinkommen dem jeweiligen Steuersubjekt zugeordnet.[10] In eini­gen Fällen bedarf es jedoch einer getrennten Ermittlung der steuerlichen Bemessungsgrund­lage. Für Zwecke der getrennten Ermittlung und entsprechender Zuordnung der Bemes­sungsgrundlage wird der Begriff der Betriebsstätte sowohl im innerstaatlichen als auch im bilateralen Steuerrecht verwendet.

Im deutschen Steuerrecht wird die Betriebsstätte in § 12 АО und der ständige Vertreter in § 13 АО definiert. Einige deutsche Rechtsvorschriften verwenden jedoch leicht abweichende Definitionen der Betriebsstätte, die der allgemeinen Definition gemäß § 12 АО vorrangig sind.[11] Der Begriff der Betriebsstätte ist u.a. im Gewerbesteuerrecht (Gewerbesteuerzerle­gung), Lohnsteuerrecht (Bestimmung des zuständigen Finanzamtes) und Umsatzsteuerrecht (Bestimmung des Ortes der sonstigen Leistung) von entscheidender Bedeutung.[12]

Eine besondere Bedeutung kommt dem Betriebsstättenbegriff im Zusammenhang mit Aus­landssachverhalten zu.[13] So ist das Vorliegen einer Betriebsstätte u.a. ausschlaggebend für die Bestimmung der beschränkten Steuerpflicht in Deutschland.[14] Wenn ein Unternehmen aufgrund nationaler Vorschriften in mehreren Staaten für denselben Steuergegenstand und den gleichen Zeitraum als steuerpflichtig eingestuft wird, liegt eine Doppelbesteuerung vor.[15]

Es kommt hier z.B. zu einer Überschneidung, da in einem Staat (Ansässigkeitsstaat) das Welteinkommen und in einem anderen Staat (Quellenstaat) nur die inländischen Einkünfte, die einer Betriebsstätte zuzuordnen sind, besteuert werden. Wenn zwischen diesen Staaten ein DBA besteht, regelt dieses die Zuordnung des Besteuerungsrechts an die Vertragsstaa­ten und damit den (teilweisen) Verzicht eines der Vertragsstaaten auf das Besteuerungs­recht. Der Grundgedanke aller DBA ist es, dass der Quellenstaat erst dann die Möglichkeit hat, Einkünfte zu besteuern, wenn die Tätigkeit, aus der die Einkünfte stammen, zu einer ausreichend intensiven wirtschaftlichen Bindung an den Quellenstaat geführt hat.[16] Ist dies nicht gegeben, verbleibt das Besteuerungsrecht beim Ansässigkeitsstaat.[17] Maßgebliches Kriterium für die Bestimmung der Intensität der wirtschaftlichen Bindung ist das Vorliegen einer Betriebsstätte. Die in den meisten deutschen DBA verwendeten Betriebsstättendefiniti­onen orientieren sich sehr stark an der Definition des OECD-Musterabkommens.[18]

Die Definition der Betriebsstätte ist in Art. 5 OECD-MA geregelt. Demnach ist eine Betriebs­stätte eine „feste Geschäftseinrichtung,[19] durch die die Geschäftstätigkeit eines Unterneh­mens ganz oder teilweise ausgeübt“ werden kann.[20] Die allgemeine Definition gem. Art. 5 OECD-MA ist mit der gem. § 12 AO weitgehend inhaltsgleich.[21] In Art. 5 Abs. 2 OECD-MA wird der Begriff der festen Geschäftseinrichtung anhand eines Positivkatalogs veranschau­licht, wobei im Unterschied zum § 12 AO nicht die Beispiele des Warenlagers und der Ein- und Verkaufsstellen aufgeführt werden. Ein weiterer Unterschied besteht zu § 12 AO bezüg- lieh der Regelung zu Bauausführungen und Montagen.[22] In Art. 5 Abs. 4 OECD-ΜΑ wird zu­dem ein Negativkatalog angeführt, der in der deutsehen Norm nieht enthalten ist. Im OECD- MA wird außerdem im Untersehied zur Abgabenordnung (AO) der abhängige bzw. ständige Vertreter als Sondertatbestand in die Betriebstättendefinition miteinbezogen.[23] Absehließend wird unter Art. 5 Abs. 6 OECD-MA noeh einmal klargestellt, dass es allein aufgrund von Be- herrsehungsverhältnissen nieht zur Begründung von Betriebsstätten kommen kann. Wie das Besteuerung der Betriebsstätten erfolgt, soll im naehfolgenden Unterkapitel in Grundzügen dargelegt werden.

2.1.2 Grundzüge der Betriebsstättenbesteuerung

Der Begriff der Betriebsstätte findet sieh in einigen Artikeln des OECD-MA wieder.[24] Für die Frage, welehem Vertragsstaat das Besteuerungsreeht für Einkünfte und Betriebsvermögen eines Unternehmens zusteht, ist jedoeh dessen Verwendung in Art. 7 OECD-MA von ent- seheidender Bedeutung. Aufgrund des in Art. 7 Abs. 1 OECD-MA verankerten Betriebsstät­tenprinzips werden nämlieh die Gewinne eines Unternehmens grundsätzlieh im Ansässig­keitsstaat besteuert, „es sei denn das Unternehmen übt seine Tätigkeit in einem anderen Vertragsstaat dureh eine dort gelegene Betriebsstätte aus“.[25] Dies gilt jedoeh nur wenn diese Gewinne der Betriebstätte aueh naeh Art. 7 Abs. 2 OECD-MA zugereehnet werden können. Die Zuordnung der Gewinne orientiert sieh am sogenannten Arm’s Length-principle (Fremd- vergleiehsgrundsatz).[26] Dieser Grundsatz besagt, dass der Betriebsstätte die Gewinne zuge­reehnet werden, die sie hätte erzielen können, wenn sie als selbständiges und unabhängiges Unternehmen unter gleiehen oder ähnliehen Bedingungen ihre Tätigkeit ausgeübt hätte.[27] Demnaeh sind Gewinne dann einer Betriebsstätte zuzuordnen, wenn aueh die damit im Zu­sammenhang stehenden Gesehäftsbeziehungen zwisehen dem Unternehmen und der Be­triebsstätte mit Gesehäftsbeziehungen vergleiehbar sind, die voneinander unabhängige Drit­te in gleieher Weise unterhalten hätten. Dabei ist es entseheidend, dass der Preis für die zwisehen Unternehmen und Betriebsstätte ausgetausehten Leistungen (Verreehnungspreis) unter vergleiehbaren Umständen aueh von unabhängigen Dritten in gleieher Höhe vereinbart worden wäre.[28] Seit 2008 ist für die Betriebsstättengewinnermittlung der sogenannte Autho­rized OECD Approach (AOA) anzuwenden.[29] Die Gewinnermittlung für die Betriebsstätte gem. AOA hat in zwei Stufen zu erfolgen.[30] Auf der ersten Stufe soll dureh eine Funktions­ und Risikoanalyse die Risiken, Funktionen und Wirtschaftsgüter der Betriebsstätte zugeord­net werden.[31] Auf dieser Stufe sind zudem die Geschäftsbeziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte zu identifizieren. Auf der zweiten Stufe des AOA ist gem. des Fremdver­gleichsgrundsatzes eine entsprechende Verrechnungspreismethode zu wählen und anzu­wenden.[32] Diese Methoden werden u.a. in den Verrechnungspreisleitlinien der OECD be­schrieben.[33] Allgemein lässt sich festhalten: Je mehr Risiken und Funktionen eine Betriebs­stätte übernimmt, desto höher ist der Verrechnungspreis und der damit eingehgehende zuz- rechnende Gewinn für die Betriebsstätte.

2.1.3 Die Relevanz des abkommensrechtlichen Betriebsstättenbegriffs für die Ausle­gung der DBA

In den vorherigen Unterkapiteln wurde ersichtlich, dass der Betriebsstättenbegriff von erheb­licher Bedeutung für die Verteilung des Steuersubstrates im Abkommensrecht ist. Daher soll nun erläutert werden, welche Relevanz das OECD - Musterabkommen sowie der dazugehö­rige Kommentar für die Auslegung der DBA hat.

Bei der Auslegung des Begriffs der Betriebsstätte ist zunächst stets auf das Nebeneinander von Abkommensrecht und nationalem Recht zu achten.[34] Eine Anwendung der abkommens­rechtlichen Regelungen kommt dabei erst zum Tragen, wenn auch nach innerstaatlichem Recht eine Betriebsstätte vorliegt.[35] Das bedeutet, dass wenn nach nationalem Recht keine Betriebsstätte vorliegt, es gar nicht erst zur Anwendung eines DBA kommt. Die Betriebsstät­tendefinition ist nach nationalem Recht nicht vollkommen identisch mit der, die in den DBA verwendet wird. Die nationale Regelung wird regelmäßig durch die abkommensrechtliche Regelung eingeschränkt oder aufgehoben, da die DBA als völkerrechtlicher Vertrag den na­tionalen Vorschriften vorrangig sind.[36] Es stellt sich demnach die Frage, nach welchen Re­geln die in den Abkommen verwendete Betriebsstättendefinition auszulegen ist.

Grundsätzlich darf bei der Auslegung nicht auf innerstaatliches Recht zurückgegriffen wer­den, selbst wenn die verwendete Definition mit der nationalen Definition wortwörtlich über­einstimmt.[37] Allerdings ist zu beachten, dass wenn ein Begriff im DBA nicht geregelt ist, soll dieser nach dem innerstaatlichen Recht des Staates ausgelegt werden, dem das Besteue­rungsrecht zufällt.[38] Da es sich bei dem OECD-MA nicht um einen völkerrechtlichen Vertrag handelt, hat dieses für die Auslegung der DBA an sich auch keine unmittelbare rechtsver­bindliche Wirkung.[39] Es handelt sich vielmehr um Empfehlungen der OECD an ihre Mitglie­ der und auch Nichtmitglieder sich beim Abschluss von DBA am OECD-ΜΑ zu orientieren.40 Das OECD-ΜΑ und der dazugehörige Musterkommentar sind zwar in der Regel nicht unmit­telbar Gegenstand der DBA, dennoch kommt ihnen bei der Auslegung der DBA eine große Bedeutung zu, die durch das hohe Maß an internationaler Übereinstimmung im OECD-MA zum Ausdruck kommt.41 Diese große Bedeutung für die Auslegung wird nicht zuletzt dadurch deutlich, dass nahezu alle DBA der OECD-Mitgliedstaaten sich am OECD-MA orientieren. Dies trifft insbesondere auf die Betriebsstättendefinition zu. Wenn nun eine im DBA verwen­dete Betriebsstättendefinition auf der des OECD-MA beruht, lässt sich dadurch auf den Wil­len schließen, dass das DBA auch im Sinne des OECD-MA zu verstehen ist.42 Bei der Aus­legung des OECD-MA an sich ist neben dem Wortlaut und Sinnzusammenhang auch die Empfehlungen des OECD-Steuerausschusses, mithin als OECD-Musterkommentar (OECD- MK) bezeichnet, heranzuziehen.43 Die Heranziehung des OECD-MK zur Auslegung des OECD-MA und damit auch der DBA, lässt u.a. damit begründen, dass die einzelnen Mit­gliedstaaten der OECD dem Musterkommentar Vorbehalte und Bemerkungen beifügen und damit ihren Willen zum Ausdruck bringen, dass sie sich an die Empfehlungen des Kommen­tars halten wollen.44 Die Auslegung von DBA gemäß OECD-MA und OECD-MK lässt sich außerdem aus völkerrechtlicher Perspektive auf unterschiedlichen Wegen begründen.45 Die Bedeutung des OECD-MA für die Auslegung der DBA, an denen Nicht- OECD-Staaten beteiligt sind, dürfte geringer sein, als für die DBA, die unter OECD-Mitgliedstaaten abge­schlossen werden.46 Wenn allerdings Formulierungen aus dem OECD-MA wortwörtlich übernommen werden und aus dem Zusammenhang keine andere Auslegung zu erkennen ist, kann man auch hier den Willen der Vertragsstaaten vermuten, das DBA inhaltlich ent­sprechend dem OECD-MA auszulegen.47 Bei einigen DBA, die mit Entwicklungsländern ab­geschlossen wurden ist für die Auslegung das UN Musterabkommen (UN-MA) und der da­zugehörige Musterkommentar (UN-MK) zu berücksichtigen. Das UN-MA baut auf dem OECD-MA auf,48 was bedeutet, dass bei der Auslegung ggf. beide Musterabkommen und entsprechende Musterkommentare heranzuziehen sind.49 Im Folgenden werden u.a. einige Hintergründe zur Bedeutung des OECD-MA und des UN-MA bezüglich der politischen Be­deutung der Betriebsstättendefinition dargelegt.

2.2 Der abkommensrechtliche Betriebsstättenbegriff im Spannungsfeld von politischer Agenda und wirtschaftlichen Interessen

2.2.1 Die politische Dimension und die ökonomische Rechtfertigung des Betriebs­stättenbegriffs

Wie in den vorhergehenden Kapiteln gezeigt, haben Inhalt und Auslegung der Betriebsstät­tendefinition in den bilateralen Abkommen erheblichen Einfluss auf den Umfang der Besteuerungsrechte der Vertragsstaaten. Es stellt sich daher in diesem Kontext die Frage der politischen und ökonomischen Rechtfertigung der „Reichweite“ des Betriebsstättenbe­griffs.

Denn wird der Begriff sehr weit gefasst, ist es wahrscheinlicher, dass das Besteuerungsrecht dem Quellenstaat zufällt. Eine enge Definition hingegen kommt in der Regel dem Ansässig­keitsstaat zu Gute. Allgemein wird die Besteuerung im Quellenstaat dadurch gerechtfertigt, dass dem Quellenstaat eine Entschädigung dafür zusteht, dass durch eine Betriebsstätte eine intensivere Nutzung seiner öffentlichen Güter erfolgt.[50] Des Weiteren soll Kapitalexport­neutralität dadurch geschaffen werden, dass die Besteuerung der Betriebsstätte der einer ausländischen Tochtergesellschaft gleichgestellt wird.[51]

Auf internationaler Ebene wird bereits seit Längerem darüber diskutiert, ob die Vorausset­zungen für das Vorliegen einer Betriebsstätte abgesenkt oder ausgeweitet werden sollen.[52] Die an den bilateralen Abkommen beteiligten Staaten interpretieren den Betriebsstättenbe­griff seit jeher nach ihrer jeweiligen Interessenlage, mit dem Ziel möglichst viel Steuersub­strat zu vereinnahmen.[53] Dieser Annahme folgend haben Industriestaaten als kapitalexpor­tierende Länder eher ein Interesse daran, den Begriff der Betriebsstätte enger zu fassen,54 weil sie in der Regel eine Besteuerung im Ansässigkeitsstaat anstreben, wohingegen die Entwicklungsländer an einerweiteren Definition interessiert sind.55

Die OECD, deren Mitgliedstaaten ausschließlich Industriestaaten sind, befürwortet daher traditionell eine engere Definition des Betriebsstättenbegriffs, die dazu führt, dass eine Be­steuerung primär im Ansässigkeitsstaat zu erfolgen hat. Tendenziell führt eine engere Defini­tion zu einer Vereinfachung der Besteuerung und entspricht somit dem Interesse der OECD, die zwischenstaatlichen Wirtschaftsbeziehungen zu liberalisieren.56 Zudem könnte eine weite Definition der Betriebsstätte zu einer vermehrten Bildung von Betriebsstätten führen. Das wiederum birgt die Gefahr von Doppelbesteuerungen sowie von erhöhten administrativen Kosten für betroffene Unternehmen und dem damit einhergehenden Ausbleiben von mögli­chen Auslandsinvestitionen.57 Bei einer engen Definition ist eine einigermaßen befriedigende Verteilung zwischen den Vertragsstaaten jedoch nur gegeben, wenn Investirons- und Han­delsbeziehungen zwischen ihnen halbwegs ausgeglichen sind.58

Die UN legt in ihrem Musterabkommen den Betriebstättenbegriff traditionell weiter aus. Da­mit vertritt sie eher die Interessen der Entwicklungsländer, die die Mehrheit ihrer Mitglied­staaten bilden. Die in den Musterabkommen von OECD und UN gewählte Definition der Be­triebsstätte spiegelt somit die unterschiedlichen finanzpolitischen Zielsetzungen dieser Orga­nisationen wider. Wie bereits angedeutet, hat aber auch das UN-Musterabkommen einen nicht zu vernachlässigenden Einfluss auf die DBA, die zwischen Industrie- und Entwicklungs­ländern abgeschlossen werden.59 Es wird bei diesen DBA daher vermehrt auf Formulierun­gen UN-Musterabkommen zurückgegriffen.60

Die OECD hat zudem bereits in der Vergangenheit damit begonnen, ihre ursprüngliche Be­triebsstättendefinition zu erweitern und sich damit in Richtung UN-Musterabkommen be­wegt.61 Vor dem Hintergrund der aktuellen BEPS-Diskussionen hat diese Tendenz nun er­neut an Fahrt aufgenommen. Im Folgenden soll die Entwicklung des Art. 5 OECD-MA kurz umrissen werden, um damit zu verdeutlichen, welche Tragweite die durch den Aktionspunkt 7 vorgeschlagenen Änderungen möglichweise haben können.

2.2.2 Die Entwicklung des Art. 5 OECD-MA bis hin zum BEPS-Aktionsplan

Bereits bevor die OECD ihr erstes Musterabkommen veröffentlichte, gab es auf der Ebene des Völkerbundes ein Ringen zwischen den Anhängern einer umfassenden Besteuerung im Quellenstaat und den Anhängern des Wohnsitzstaatsprinzips. Dies führte dazu, dass kein gemeinsames Musterabkommen verabschiedet werden konnte.62 Erst nachdem die Anhä­nger des Wohnsitzstaatsprinzips in Gestalt der OECD im ersten OECD-MA 1963 und der darauffolgenden Aktualisierung 1977 ihre Auffassung des Betriebsstättenbegriffs kundtaten, wurde das sogenannte UNO-Modell,63 welches eine dem Interesse der Entwicklungsländer dienende Betriebsstättenauslegung enthielt, verabschiedet.64 Die in Artikel 5 OECD-MA ge­wählte enge Auslegung des Betriebsstättenbegriffs stand jedoch von Anfang an auf dem Prüfstand, weswegen es nahezu bei jeder weiteren Aktualisierung des OECD-MA auch zu Anpassungen beim Artikel 5 OECD-MA kam. Allerdings resultierten diese Änderungen fast ausschließlich in Änderungen des OECD-Musterkommentars. Somit blieb der Wortlaut des Art. 5 OECD-MA an sich seit 1977 fast unverändert.

Von 1977 bis 1992 wurden eine Reihe von Berichten und Stellungnahmen vom Steueraus­schuss der OECD veröffentlicht. Diese mündeten zwar in der Aktualisierung des OECD-MA und des Musterkommentars im Jahre 1992, allerdings wurden nur kleinere Änderungen vor- genommen, die den Regelungsinhalt nicht wesentlich beeinflussten. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass von 1992 an auch Beiträge von Nichtmitgliedstaaten sowie anderer internationaler Organisationen bei der Überarbeitung von OECD-ΜΑ und OECD-MK berücksichtigt werden sollten.[65] Diese Einbeziehung lässt sich zum einen als Zei­chen für die Öffnung der OECD interpretieren und zum anderen könnte sich dadurch in Be­zug auf die Betriebsstättendefinition eine zukünftige Ausweitung desselbigen andeuten.

Von 1992 bis 2010 kam es hingegen zu einer Reihe von Ergänzungen im Musterkommentar bezüglich der Betriebsstättendefintion, welche größere praktische Auswirkungen hatten. Zu den wichtigsten Aktualisierungen zählen die Ergänzungen betreffend Artikel 5 Abs. 1 bis 3 OECD-ΜΑ. Die Betriebsstättendefinition wurde dadurch erweitert, dass Kriterien bezüglich der festen Geschäftseinrichtung, wie die zeitliche Dimension, physische Präsenz und Verfü­gungsmacht durch Beschreibungen und Beispiele ergänzt wurden.[66] Es wurden zudem dem Musterkommentar zwei zusätzliche Abschnitte hinzugefügt, welche sich mit den gesonderten Themenstellungen des elektronischen Geschäftsverkehrs und mit Fragen der Besteuerung von Dienstleistungen beschäftigen.[67] Mit der Ergänzung des Abschnitts zum elektronischen Geschäftsverkehr im Jahre 2002 hat die OECD erstmals auf die Entwicklungen in der digita­len Wirtschaft reagiert. Es werden hier Kriterien genannt, bei denen es zur Bildung von so­genannten „Serverbetriebsstätten“ kommen kann, wobei festgelegt wurde, dass eine Websi­te allein keine Betriebsstätte bilden kann, ein physischer Server hingegen schon.[68] Im Jahre 2003 wurden einige Ergänzungen zur sogenannten Vertreterbetriebsstätte in den Muster­kommentar eingefügt.[69] Leider trugen diese Ergänzungen nicht wesentlich dazu bei, die bei betroffenen Unternehmen bestehenden Unsicherheiten bezüglich der Begrünung von Vertre­terbetriebsstätten zu beseitigen.[70] Weitere Ergänzungen bezüglich der Besteuerung von Dienstleistungen im Jahre 2008 sind als eine Reaktion der OECD auf die zunehmenden grenzüberschreitenden Dienstleistungen zu deuten, wie z.B. Beratung oder technischer Support, die auch ohne feste Geschäftseinrichtung erbracht werden können.[71]

Im Jahre 2011 wurde eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die sich mit diversen Fragestellungen zur Bestriebsstättenbegründung beschäftigte. Im darauffolgenden Jahr wurde ein Diskussi­onsentwurf veröffentlicht, der 25 Vorschläge für Änderungen des Musterabkommens und des Kommentars enthält, wobei es sich bei diesen wiederum hauptsächlich um Änderungsvor- schlage zum OECD-MK handelte.[72] Allerdings wurden keine dieser Vorschläge bei der letz­ten Aktualisierung im Jahre 2014 berücksichtigt. Es wurde jedoch darauf verwiesen, dass aufgrund der bereits begonnen Arbeiten zum BEPS-Aktionsplan die vorgeschlagenen Ände­rungen nicht weiterverfolgt werden bis die Arbeiten am Aktionsplan abgeschlossen sind,[73] wobei einige der Vorschläge aus dem Diskussionsentwurf auch in Aktionspunkt 7 des Akti­onsplans berücksichtigt wurden.

Aufgrund der Bedeutung für die Zuteilung der Besteuerungsrechte ist die Betriebsstättende­finition seit der erstmaligen Einführung des OECD-MA im Jahre 1963 stets Gegenstand kont­roverser Diskussionen. Allerdings konnte die OECD sich bisher nicht dazu entschließen, den Art. 5 OECD-MA wesentlich zu verändern. Anstelle dessen wurde, insbesondere seit 2002, versucht die Betriebsstättendefinition durch Ergänzungen des OECD-MK für das sich immer schneller verändernde wirtschaftliche Umfeld zu adaptieren. Mit dem BEPS-Aktionsplan möchte die OECD nun erstmals umfangreiche Änderungen am Art. 5 OECD-MA selbst vor­nehmen, um die Definition der Betriebsstätte an die Gegebenheiten des digitalen Zeitalters anzupassen. In den nachfolgenden Ausführungen soll zunächst der Aktionsplan allgemein dargelegt werden, um dann im Detail auf diese Neuerungen im dritten und vierten Kapitel eingehen zu können.

2.3 Die Aktualisierung der Betriebsstättendefinition im Zuge des BEPS- Aktionplans

2.3.1 Der BEPS-Aktionsplan der OECD

Da das internationale Besteuerungssystem seit Jahrzehnten keiner Generalüberholung mehr unterzogen wurde, kann es mit der rasanten Entwicklung in einigen Bereichen des Wirt­schaftslebens nicht mehr mithalten. Somit bietet sich daher reichlich Raum für internationale Steuervermeidungsstrategien.[74] Vor diesem Hintergrund hat die OECD auf Bitten der Fi­nanzminister der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) im Jahre 2013 den sogenannten BEPS-Aktionsplan ausgearbeitet, der am 16.11.2015 von den Staats- und Re­gierungschefs der G20 gebilligt wurde.[75] Dem BEPS- Aktionsplan ging ein Bericht der OECD zur Situationsbeschreibung der BEPS-Problematik hervor, in dem ebenfalls Lösungsansätze thematisiert wurden.[76] Unter der Abkürzung BEPS (Base Erosion and Profit Shifting) [77] ver­steht man im Allgemeinen die Steuervermeidungsstrategien multinationaler Konzerne.[78] Die­se haben zum Ziel, Gewinne in die Länder zu verlagern, in denen sie möglichst niedrig be­steuert werden und dementsprechend Aufwendungen in die Länder zu verschieben, in de­nen der Steuersatz höher ist.[79]

Die OECD hat insbesondere folgende Problemfelder identifiziert: die steuerliche Behandlung hybrider Gestaltungen, der Umgang mit immateriellen Wirtschaftsgütern und konzerninterner Finanztransaktionen, die Frage der Abgrenzung der Steuerhoheit in Bezug auf den digitalen Verkehr von Waren und Dienstleistungen, die Bekämpfung schädlicher Präferenzregime sowie die effektive Ausgestaltung bestehender Missbrauchsregelungen.[80] Die identifizierten Schwachstellten sollen nun mit dem 15 Punkte umfassenden Aktionsplan behoben werden, wobei das Hauptaugenmerk darauf liegt, Instrumente zu entwickeln, die sicherstellen, dass in Zukunft wieder eine Besteuerung der Gewinne am Ort der eigentlichen Wertschöpfung stattfindet und zudem eine künstliche Niedrig- bzw. Nichtbesteuerung von Unternehmens­gewinnen unterbunden wird.[81]

Der Aktionsplan konzentriert sich auf drei Schwerpunktbereiche, denen die jeweiligen Akti­onspunkte zugerechnet werden können. Der erste Bereich betrifft die Kohärenz des interna­tionalen Besteuerungssystems und damit die Minimierung von Steuergestaltungsspielräu­men durch die Abstimmung nationaler Steuervorschriften auf internationaler Ebene.[82] Der zweite Bereich beschäftigt sich mit der Wiederherstellung der Besteuerung nach der „maß­geblichen Substanz“.[83] Dieser Bereich zielt vor allem darauf ab, die bestehenden Doppelbe­steuerungsabkommen und Verrechnungspreisrichtlinien an die sich ständig wandelnden Ge­schäftsmodelle und technologischen Entwicklungen anzupassen.[84] Hierunter fällt auch der Aktionspunkt 7, der sich mit der Verhinderung der künstlichen Umgehung des Status als Be­triebsstätte befasst. Der dritte Bereich betrifft die Gewährleistung von Transparenz und Rechtssicherheit.[85] Ziel ist es hierbei, die Informationsasymmetrien zwischen Steuerverwal­tungen abzubauen, um damit eine höhere Vorhersehbarkeit und Planungssicherheit zu ge­währleisten.[86] Die Aktionspunkte 1 (Besteuerungsprobleme der digitalen Wirtschaft) und 11 (Messung von Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung) erstrecken sich inhaltlich über alle Aktionspunkte. Aufgrund seiner besonderen Bedeutung wurde der Aktionspunkt 1 allen anderen Aktionspunkten vorangestellt. Er beschäftigt sich mit den steuerlichen Problemen, die sich durch die Entwicklungen der digitalen Wirtschaft ergeben.[87] Aus dem Bericht zum Aktionspunkt 1 gehen bisher keine konkreten Maßnahmen hervor, dennoch hatte er erhebli­chen Einfluss auf die Berichte der anderen Aktionspunkte, so auch auf den Aktionspunkt 7 und hier insbesondere auf die Neuerungen zum Begriff der Vertreterbetriebsstätte.[88]

Die Umsetzung der geplanten Maßnahmen hat auf zwei Wegen zu erfolgen: Zum einen durch nationales Recht und zum anderen durch die Änderungen von DBA, wobei Über­schneidungen möglich sind.[89] Bei der Umsetzung werden die Aktionspunkte wiederum nach Verbindlichkeit in Maßnahmen, die alle Beteiligten Staaten umsetzen müssen,[90] empfohlene Maßnahmen für ein einheitliches Steuerrecht[91] und sogenannte best practices eingeteilt.[92] Die Vorgehensweise bei der Änderung der DBA wird im Aktionspunkt 15 thematisiert. Damit nicht jedes DBA einzeln angepasst werden muss, soll mit Hilfe eines sogenannten multilate­ralen Instruments eine Aktualisierung der bestehenden DBA im Hinblick auf die entsprechen Vorschläge des Aktionsplans erfolgen.[93] Die Ausarbeitung der einzelnen Aktionspunkte fand in drei Phasen statt, wobei der Aktionspunkt 7 der zweiten Phase zugerechnet werden kann, deren finale Berichte im Oktober 2015 veröffentlicht wurden.

2.3.2 Der Aktionspunkt 7 - Die Verhinderung der künstlichen Umgehung des Status als Betriebsstätte

Der erste Entwurf zum Aktionspunkt 7 in Form eines Diskussionspapiers wurde bereits im Oktober 2014, ein Jahr vor Veröffentlichung des finalen Berichts, der interessierten Öffent­lichkeit präsentiert.[94] Er greift die im OECD-Bericht zur Situationsbeschreibung der BEPS- Probleme (2013) formulierten Herausforderungen hinsichtlich der künstlichen Umgehung des Status als Betriebsstätte auf. So ist es laut Bericht in der heutigen Zeit möglich, in erhebli­chem Maße am Wirtschaftsleben eines anderen Landes teilzunehmen, ohne dort eine Be­triebsstätte zu begründen.[95] Als Ursachen für die künstliche Vermeidung von Betriebsstätten werden zum einen die Entwicklungen in der digitalen Wirtschaft (z.B. Geschäfte über das Internet) und zum anderen die Umgehung der Regelungen zum abhängigen Vertreter (Artikel 5 Absatz 5 und 6 OECD-MA) genannt.[96]

In Konsequenz sei es zwingend notwendig, die Betriebsstättendefinition des OECD-MA im Zuge des Aktionspunktes 7 zu aktualisieren. Einerseits sollen Gestaltungen unterbunden werden, bei denen eine Betriebsstätte dadurch verhindert wird, dass Kommissionäre oder ähnliche Strukturen den Vertrieb im Quellenstaat übernehmen.[97] Andererseits soll verhindert werden, dass multinationale Konzerne ihre Geschäftstätigkeit so aufteilen, dass sie den Ausnahmenkatalog des Artikel 5 Abs. 4 OECD-MA in Anspruch nehmen können. Außerdem sollen damit in diesem Zusammenhang stehende Fragen zur Gewinnzurechnung erörtert werden.[98] Zusätzlich zu diesen Punkten wurden im ersten Diskussionsentwurf noch zwei weitere Fragestellungen berücksichtigt: Der Missbrauch durch die Aufteilung von Bau- und Montageverträgen sowie der Vertrieb von Versicherungen ohne Betriebsstätte. Unter Be­rücksichtigung der eingegangenen Kommentare und der öffentlichen Diskussion das überar­beitete Diskussionspapier im Mai 2015 veröffentlicht.[99]

Nach weiteren Änderungen wurde schließlich der Final Report am 5.10.2015 veröffentlicht. Er schlägt Änderungen zu Art. 5 Abs. 4 bis 6 OECD-MA sowie zu den dazu gehörigen Ab­schnitten des Kommentars vor. Jedoch ist der in den Diskussionsentwürfen noch enthaltene Abschnitt, der sich mit dem Vertrieb von Versicherungen ohne Betriebsstätte beschäftigt, nicht mehr im Final Report enthalten. Vielmehr wird darauf verwiesen, dass eine diesbezüg­liche explizite Regelung als nicht notwendig erachtet wird, da es nicht angemessen er­scheint, eine über die vorgeschlagenen Änderungen zu Art. 5 Abs. 5 und 6 OECD-MA hin­ausgehende Regelung für den Vertrieb von Versicherungsverträgen einzuführen.[100]

Der Final Report zum Aktionspunkt 7 ist in vier Abschnitte gegliedert. Abschnitt A beschäftigt sich mit Kommissionärs- und ähnlichen Strukturen. In ihm werden Änderungen zu Art. 5 Abs. 5 und 6 OECD-MA vorgeschlagen. Abschnitt B stellt Änderungen bezüglich des Ausnahme­katalogs des Art. 5 Abs. 4 OECD-MA vor. Die in Abschnitt C vorgeschlagenen Änderungen zur Aufteilung von Verträgen bei Bauausführungen und Montagen verweisen auf die Arbeiten zu Aktionspunkt 6 und sind daher auch kürzerer Natur. Ebenfalls ein kürzeres Kapitel ist Ab­schnitt D, welches sich mit der Gewinnzuordnung bei Betriebsstätten auseinandersetzt. Es wird an dieser Stelle darauf verwiesen, dass keine ausführlicheren Erläuterungen zu diesem Punkt angeführt werden konnten, weil die dafür notwendigen Arbeiten der Aktionspunkte 8 bis 10 bei Fertigstellung des Aktionspunkts 7 noch nicht abgeschlossen waren.[101]

Betrachtet man die historische Entwicklung des Art. 5 OECD-MA wird deutlich, dass eine Aktualisierung der Betriebsstättendefinition vor dem Hintergrund eines sich immer schneller entwickelnden wirtschaftlichen Umfeld von ausgesprochener Notwendigkeit war. Im nachfol­genden Kapitel sollen die vorgeschlagenen Neuerungen im Detail erläutert werden, um in einem weiteren Schritt deren mögliche Auswirkungen sowie Gestaltungsmöglichkeiten für die Unternehmen anhand von Beispielen zu verdeutlichen.

3 Maßnahmen gegen die künstliche Vermeidung einer Betriebsstätte durch Nutzung von Kommissionären und ähnlicher Strukturen

Nachdem im vorherigen Kapitel aus einer übergeordneten Perspektive u.a. die Notwendig­keit einer Aktualisierung des Art. 5 OECD-MA ersichtlich wurde, soll nun die Sicht der be­troffenen Unternehmen eingenommen werden. Anhand von Beispielen sollen die Auswirkun­gen für die Unternehmen verdeutlicht werden und darüber hinaus Möglichkeiten der Gestal­tung aufgezeigt werden. Um die Hintergründe der Aktualisierungen des Artikel 5 Abs. 5 und 6 OECD-MA zu verstehen, ist es notwendig, sich einen Überblick über die aktuellen Ver­triebsstrukturen international agierender Unternehmen zu verschaffen. Daher sollen diese im Folgenden kurz dargestellt werden.

3.1 Gegenwärtige Vertriebsstrukturen international tätiger Unternehmen

International tätige Unternehmen agieren global meist mit rechtlich selbstständigen Tochter­gesellschaften, die den Vertrieb ihrer Produkte in den jeweiligen Ländern gewährleisten. Sol­che sogenannten Prinzipalstrukturen zielen darauf ab, durch eine zentrale Steuerung der Konzerntätigkeiten durch eine Gesellschaft möglichst viele Funktionen und Risiken bei dieser Gesellschaft anzusiedeln.[108] Für diese Vorgehensweise gibt es sowohl betriebswirtschaftli­che als auch steuerrechtliche Gründe. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist es ein Vorteil, lokale Ansprech- und Vertragspartner für ausländische Kunden vorweisen zu können. Au­ßerdem können durch schnellere und straffere Entscheidungswege die Vertriebsgesellschaf­ten besser überwacht werden.[109] Aus steuerrechtlicher Sicht kann man durch entsprechende Zuordnung von Funktionen und Risiken großen Einfluss auf die Zuordnung der konzerninter­nen Verrechnungspreise nehmen. Im Folgenden soll kurz auf die unterschiedlichen Abstu­fungen bezüglich Funktions- und Risikoumfang bei den Vertriebsgesellschaften eingegangen werden.

Den größten Grad an Unabhängigkeit vom Mutterkonzern besitzt eine Vertriebsgesellschaft, die im eigenen Namen und auf eigene Rechnung tätig ist (Eigenhändler).[110] Der sogenannte Low-Risk Distributor (LRD) handelt zwar auch auf eigene Rechnung, jedoch übernimmt er weniger Risiken und Funktionen, im Gegensatz zum Eigenhändler, der quasi wie ein fremder Dritter agiert.[111] Ein Kommissionär hingegen verkauft Produkte auf eigenen Namen, aber auf fremde Rechnung (auf die des sogenannten Kommittenten).[112] Er erhält dafür eine Provision und keine weitere Beteiligung am Gewinn, der durch den Verkauf erzielt wird. Der Kommis­sionär stellt ebenfalls die Rechnung aus, er übernimmt aber nicht das Zahlungsausfallrisiko und hat auch in der Regel keine Abschlussvollmacht.[113] Der Handelsvertreter bzw. Handels­agent übernimmt keinerlei Risiken und besitzt nur begrenzte Funktionen. Er handelt im frem­den Namen und auf fremde Rechnung und erhält dafür wie der Kommissionär eine Provisi- on.[114]

Zusammenfassend kann man festhalten, dass je funktions- und risikoärmer die Vertriebsge­sellschaften gestaltet sind, desto leichter lässt sich eine geringere Erfolgszuordnung im Rahmen der Verrechnungspreiszuordnung rechtfertigen. Ebenso sinkt das Risiko der Be­gründung einer Betriebsstätte, wenn der Vertriebsgesellschaft weniger Funktionen und Risi­ken beigemessen werden. So sind Vertriebsgesellschaften, die als Eigenhändler oder LRD tätig sind in der Regel nicht betriebsstättenbegründend. Bei Handelsvertretern kann hinge­gen davon ausgegangen werden, dass eine Betriebsstätte begründet wird. Bei Kommissio­närsgestaltungen besteht zwar das Risiko einer Betriebsstättenbegründung, jedoch kann diese in den meisten Fällen, bei denen ein DBA besteht, was sich an Art. 5 OECD-ΜΑ orien­tiert, verhindert werden.[115] Ein Unternehmen kann demnach seine Vertriebsstrukturen im Ausland durch eine entsprechende Gestaltung der Tätigkeiten und Kompetenzen der Vertre­ter soweit modifizieren, dass eine Betriebsstättenbegründung verhindert wird.[116] Somit wird erreicht, dass im Quellenstaat lediglich die Provision des Vertreters versteuert werden muss. Im Ansässigkeitsstaat wird dann der Warenumsatz mit den dazugehörigen Risiken und Wirt­schaftsgütern versteuert.[118] Demnach kann auf diese Weise in Staaten mit hoher Steuerbe­lastung eine Reduzierung des zu versteuernden Gewinns erreicht werden.[119]

Bei Gestaltungen dieser Art stehen laut OECD insbesondere Kommissionärstrukturen im Fokus des Aktionspunktes 7.[120] Denn Kommissionärstrukturen tragen ihrer Meinung nach in doppelter Weise zur Steuervermeidung bei, indem sie einerseits im Innenverhältnis wie ein Agent und im Außenverhältnis wie ein Vertriebsunternehmen agieren, ohne dass ihnen dabei vertragliche Risiken oder Kundenbeziehungen zugerechnet werden.[121] Durch den geringen Funktions- und Risikoumfang wird dem Kommissionär nur ein sehr geringes Ergebnis zuge­rechnet und gleichzeitig kann eine gewisse Kontrolle des Kommittenten über den Vertrieb aufrechterhalten werden. Demnach sieht die OECD hier Handlungsbedarf, da ihrer Meinung nach in den letzten zwei Jahrzehnten herkömmliche Vertriebsstrukturen durch Kommissio­närsmodelle ersetzt wurden, um Gewinne aus dem Quellenstaat in andere Staaten zu verla­gern, ohne dass die in diesem Staat ausgeübten Vertriebstätigkeiten sich wesentlich verän­dert haben.[122]

Neben den Kommissionärsgestaltungen sieht die OECD Strukturen, bei denen eine Be­triebsstättenbegründung vermieden werden kann, obwohl der Vertreter im Quellenstaat eine „wesentliche Rolle beim Abschluss der Verträge“ des ausländischen Unternehmens ein­nimmt als schädlich an.[123] Es soll zudem die Ausnahmeregelung des unabhängigen Vertre­ters gem. Art. 5 Abs. 6 OECD-MA eingeschränkt werden. Diese Neuerungen werden in Ab­schnitt A des Aktionspunktes 7 erläutert.

[...]


[1] Vgl. OECD (Action 7, 2015), Tz. 1.

[2] Vgl. OECD (Situationsbeschreibung und Lösungsansätze, 2014), S. 8.

[3] Vgl. ebd., S. 10.

[4] Vgl. ebd., S. S. 8.

[5] Vgl. Wassermeyer, F. (Kessler/ Kröner/ Köhler, Konzernsteuerrecht, 2008), § 7 Besteuerung der ausländi­schen Aktivität, Rz. 276.

[6] Vgl. Jacobs, O. (Internationale Unternehmensbesteuerung, 2016), S. 299.

[7] Vgl. Fey, A. (Steuer- und Bilanzrechtslexikon, 2016), Betriebsstättenbesteuerung, Rz. 1.

[8] Vgl. Wassermeyer, F. (Kessler/ Kröner/ Köhler, Konzernsteuerrecht, 2008), § 7 Besteuerung der ausländi­schen Aktivität, Rz. 276.

[9] Vgl. Brinkmann, J. (Lüdicke/ Sistermann, Unternehmenssteuerrecht, 2008), § 4 Sonderformen der Unter­nehmensgründung, Rz. 188.

[10] Vgl. Koenig, U. (Pahlke/ Koenig, Abgabenordnung, 2009), § 12 AO, Rz. 1.

[11] Vgl. z.B. § 41 Abs. 2 EStG und § 3a UStG.

[12] Vgl. § 28 Abs. 1 GewStG ; § 4 LStDV ; § 3a Abs. S. 2 UStG.

[13] Vgl. Fey, A. (Steuer- und Bilanzrechtslexikon, 2016), Betriebsstättenbesteuerung, Rz. 1.

[14] Vgl. § 49 Abs.1 Nr. 2a EStG.

[15] Vgl. Fey, A. (Steuer- und Bilanzrechtslexikon, 2016), Doppelbesteuerung, Rz. 1.

[16] Vgl. Esterer, F. (Betriebstättenbegriff, 2015), Rz. 1.

[17] Vgl. BFH: Urteil vom 21.04.1999, I R 99/97, BStBl II 1999, S. 694.

[18] Vgl. Art. 5 Deutsche Verhandlungsgrundlage (DE-VG) ; Der Art. 5 OECD-MA bildet quasi das Grundgerüst für die deutschen DBA. Einige DBA enthalten aber Formulierungen die über die des Art. 5 OECD-MA hinausge­hen.

[19] Gemäß Art. 5 Tz. 2 OECD-MK handelt es sich bei einer festen Geschäftseinrichtung um Räumlichkeiten, Einrichtungen oder Anlagen, die der Ausübung der Tätigkeiten des Unternehmens dienen und sich an einem bestimmten Ort für eine gewisse Dauer befinden.

[20] Vgl. Art. 5 Abs. 1 OECD-MA.

[21] Vgl. Brüninghaus, D. (Vögele/ Borstell/ Engler, Verrechnungspreise, 2015), Betriebsstätten, Rz. 25.

[22] Vgl. Art. 5 Abs. 3 OECD-MA und § 12 Nr. 8 AO. Gemäß OECD-MA begründen Bauausführungen und Monta­gen eine Betriebsstätte ab einer Dauer von 12 Monaten. Gemäß AO geschieht dies ab einer Dauer von 6 Mo­naten.

[23] Vgl. Art. 5 Abs. 5 und 6 OECD-MA.

[24] Vgl. Art. 7 Abs. 1 bis 6, Art. 10 Abs. 4 und 5, Art. 11 Abs. 4 und 5, Art. 12 Abs. 3, Art. 13 Abs. 2, Art. 15 Abs. 2, Art. 21 Abs. 2, Art. 22 Abs. 2 und Art. 24 Abs. 4 OECD-MA.

[25] Vgl. Art. 7 Abs. 1 OECD-MA.

[26] Vgl. Wassermeyer, F. (Wassermeyer, DBA, 2016), Art. 7 OECD-MA, Rz. 184.

[27] Vgl. Art. 7 Abs. 2 OECD-MA.

[28] Vgl. BMF-Sehreiben vom 23.03.1983, Tz. 2.1.4.

[29] Vgl. OECD (Report on the Attribution of Profit, 2008), Teil I Tz. 2.

[30] Vgl. OECD (Report on the Attribution of Profit, 2010), Teil I Tz. 10.

[31] Vgl. Brüninghaus, D. (Vögele/ Borstell/ Engler, Verrechnungspreise, 2015), Kapitel L: Einkunftsabgrenzung bei Betriebsstätten und Personengesellschaften, Rz. 71.

[32] Vgl. OECD (Report on the Attribution of Profit, 2010), Teil I Tz. 39 ff., 183 ff.

[33] Vgl. Kapitel II der OECD-Verrechnungspreisrichtlinien.

[34] Vgl. Debatin, H. (Betriebsstättenprinzip, 1989), S. 1692.

[35] Vgl. Jacobs, O. (Internationale Unternehmensbesteuerung, 2016), S. 315.

[36] Vgl. § 2 AO.

[37] Vgl. Görl, M. (Vogel/ Lehner, DBA, 2015), Art. 5 OECD-MA, Rz. 8.

[38] Vgl. Art. 3 Abs. 2 OECD-MA.

[39] Vgl. Wassermeyer, F. (Wassermeyer, DBA, 2016), Art. 1 Vorbemerkung, Rz. 34.

[40] Vgl. Art. 1 Tz. 3 OECD-MK.

[41] Vgl. Wassermeyer, F. (Wassermeyer, DBA, 2016), Vor Art. 1 OECD-MA, Rz. 34.

[42] Vgl. Mellinghoff, R. (Heranziehung von OECD-MA und OECD-MK, 2015), Rz. 39.

[43] Vgl. Jacobs, O. (Internationale Unternehmensbesteuerung, 2016), S. 315.

[44] Vgl. Lehner, M. (Vogel/ Lehner, DBA, 2015), Grundlagen des Abkommensrechts, Rz. 124.

[45] Vgl. z.B. Art. 32 Abs. 4 WÜRV und BFH: Urteil vom 10. 7. 1996, I R 4/96, BStBl. 1997 II S. 160 f.

[46] Vgl. Lehner, M. (Vogel/ Lehner, DBA, 2015), Grundlagen des Abkommensrechts, Rz. 134.

[47] Vgl. Mellinghoff, R. (Heranziehung von OECD-MA und OECD-MK, 2015), Rz. 37.

[48] Vgl. Introduction Tz. 9 und 37 UN-MA.

[49] Vgl. Lehner, M. (Vogel/ Lehner, DBA, 2015), Grundlagen des Abkommensrechts, Rz. 134.

[50] Vgl. Schönfeld, J. (Achatz, Neue Entwicklungen zur Betriebsstätte, 2013), S. 238.

[51] Vgl. Naumann, M. (Achatz, Betriebsstätten wie Tochtergesellschaften, 20l3), S. 252.

[52] Vgl. Schönfeld, J. (Achatz, Neue Entwicklungen zur Betriebsstätte, 2013), S. 233.

[53] Vgl. Esterer, F. (Betriebstättenbegriff, 2015), Rz. 1.

[54] So z.B. auch der § 12 AO.

[55] Vgl. Lüdicke, J. (DBA-Politik, 2008), S.115.

[56] Vgl. Debatin, H. (Betriebsstättenprinzip, 1989), S. 1693.

[57] Vgl. Müller-Gatermann, G. (Abkommenspolitik, 2012), S. 1034.

[58] Vgl. Lehner, M. (Vogel/ Lehner, DBA, 2015), Art. 5 OECD-MA, Rz. 3.

[59] Vgl. Lehner, M./ Reimer, E. (Ansässigkeit, 2θ05), S.548.

[60] Vgl. Esterer, F. (Betriebstättenbegriff, 2015), Rz. 4.

[61] Vgl. Lehner, M./ Reimer, E. (Ansässigkeit, 2005), S.547.

[62] Vgl. Kroppen, H. (Quo vadis, 2005), S. 728.

[63] Es handelt sich hier um den Vorläufer des UN-MA.

[64] Vgl. Lehner, M. (Vogel/ Lehner, DBA, 2015), Grundlagen des Abkommensrechts, Rz. 36a.

[65] Vgl. Wassermeyer, F. (Wassermeyer, DBA, 2016), , OECD-MK Vor Art. 1, Rz.10.

[66] Vgl. Esterer, F. (Betriebstättenbegriff, 2015), Rz. 6. So wurde u.a. das in der Literatur sehr kritisch gesehene sogenannte Anstreicherbeispiel in Art. 5 Tz. 4.5 OECD-MK eingefügt.

[67] Vgl. zur Besteuerung von Dienstleistungen Art. 5 Tz. 42.11 bis Tz. 42.48 OECD-MK und zum elektronischen Geschäftsverkehr Art. 5 Tz. 42.1 bis 42.10 OECD-MK.

[68] Vgl. Art. 5 Tz. 42.1 bis 42.10. OECD-MK.

[69] Vgl. Art. 5 Tz. 32.1, Tz. 33.1 und Tz. 38 bis 38.8 OECD-MK.

[70] Vgl. Seltenreich, F. (Vertreter-Betriebsstätte, 2006), S.258.

[71] Vgl. Kolb, A. (Update 2008, 2009), S. 69

[72] Vgl. OECD (Public Discussion Draft, 2012).

[73] Vgl. OECD (Action 7, 2015), Tz. 11.

[74] Vgl. Pross, A./ Radmanesh, S. (Aktionsplan der OECD/ G20, 2015), Rz. 2.

[75] Vgl. OECD (Erläuterung, 2015), Tz. 3. Am BEPS Projekt direkt beteiligt sind mehr als 60 Staaten darunter alle Mitgliedstaaten der OECD bzw. der G20. Des Weiteren wurden über 80 Entwicklungs- und Schwellenländer bei der Ausarbeitung des Aktionsplans miteinbezogen. Vgl. OECD (Erläuterung, 2015), Tz. 4.

[76] OECD (Situationsbeschreibung und Lösungsansätze, 2014).

[77] Auf Deutsch lässt sich dies mit Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung übersetzen.

[78] Vgl. Oppel, F. (Kerninhalte, 2016), S. 54.

[79] Vgl. OECD (Situationsbeschreibung und Lösungsansätze, 2014), S. 48f.

[80] Vgl. Ebd., S. 60.

[81] Vgl. Pross, A./ Radmanesh, S. (Aktionsplan der OECD/ G20, 2015), Rz. 11.

[82] Vgl. OECD (Aktionsplan, 2014), S. 17ff. Dieser Bereich umfasst die Aktionspunkte 2 (Neutralisierung der Effekte hybrider Gestaltungen), 3 (Stärkung der Vorschriften zur Hinzurechnungsbesteuerung) und 4 (Be­grenzung der Gewinnverkürzung durch Abzug von Zinsaufwendungen).

[83] Vgl. OECD (Aktionsplan, 2014), S. 22ff. Dieser Bereich umfasst die Aktionspunkte 5 (Bekämpfung schädlicher Steuerpraktiken unter Berücksichtigung von Transparenz und Substanz), 6 (Verhinderung von Abkommens­missbrauch), 7 (Verhinderung der künstlichen Umgehung des Status als Betriebsstätte) sowie 8 bis 10 (ver­schiedene Verrechnungspreisthemen).

[84] Vgl. OECD (Aktionsplan, 2014), S. 16.

[85] Vgl. OECD (Aktionsplan, 2014), S. 25ff. Dieser Bereich umfasst die Aktionspunkte 12 (Verpflichtung von Steuerpflichtigen zur Offenlegung ihrer aggressiven Steuerplanungsmodelle), 13 (Überprüfung der Verrech­nungspreisdokumentation), 14 (Verbesserung der Effizienzvon Streitbeilegungsmechanismen).

[86] Vgl. Pross, A./ Radmanesh, S. (Aktionsplan der OECD/ G20, 2015), Rz. 13.

[87] Vgl. OECD (Aktionsplan, 2014), S. 17.

[88] Siehe dazu Unterkapitel 3.2.

[89] Geplant sind zudem Aktualisierungen der Interpretationshilfen: OECD-MK und OECD- Verrechnungspreisrichtlinien.

[90] Vgl. Aktionspunkte 5, 6, 13 und 14.

[91] Vgl. Aktionspunkte 2, 4, 7 und 8-10.

[92] Vgl. Daher Maßnahmen die eingeführt werden können. Aktionspunkte 3 und 12.

[93] Siehe dazu Unterkapitel 5.3.

[94] Vgl. OECD (Public Discussion Draft, 2014),

[95] Vgl. OECD (Situationsbeschreibung und Lösungsansätze, 2014), S. 45.

[96] Vgl. Ebd., S. 44.

[97] Vgl. OECD (Aktionsplan, 2014), S. 23.

[98] Vgl. Ebd., S. 23.

[99] Vgl. OECD (Revised Discussion Draft, 2015).

[100] Vgl. OECD (Action 7, 2015), Tz. 18.

[101] Vgl. ebd., Tz. 20.

[108] Vgl. Engler, G./ Wellmann, R. (Vögele/ Borstell/ Engler, Verrechnungspreise, 2015), Kapitel N Dienstleistun­gen, Rz. 474.

[109] Vgl. ebd., Kapitel N Dienstleistungen, Rz. 474.

[110] Vgl. Jacobs, O. (Internationale Unternehmensbesteuerung, 2016), S. 1075.

[111] Vgl. Demleitner, J. (Vertriebsstrukturen, 2016), S. 601.

[112] Vgl. § 383 Abs. 1 HGB.

[113] Vgl. Demleitner, J. (Vertriebsstrukturen, 2016), S. 601.

[114] Vgl. § 84 Abs. 1 HGB.

[115] Vgl. Engler, G./ Wellmann, R. (Vögele/ Borstell/ Engler, Verrechnungspreise, 2015), Kapitel N Dienstleistun­gen, Rz. 476.

[116] Vgl. Schoppe, C./ Reichel, C. (Vertreterbetriebsstätten, 2016), S. 1245.

[118] Vgl. ebd., S. 1245. Es kommen hier auch immaterielle Wirtschaftsgüter wie z.B. die Kundenbeziehungen in Betracht.

[119] Vgl. Engler, G./Wellmann, R. (Vögele/ Borstell/ Engler, Verrechnungspreise, 2015), Kapitel N Dienstleistun­gen, Rz. 474.

[120] Vgl. OECD (Aktionsplan, 2014), S. 23.

[121] Vgl. Schoppe, C./ Reichel, C. (Vertreterbetriebsstätten, 2016), S. 1245.

[122] Vgl. OECD (Aktionsplan, 2014), S.23.

[123] Vgl. OECD (Action 7, 2015), Tz. 7.

Ende der Leseprobe aus 80 Seiten

Details

Titel
Die Auswirkungen der Aktualisierung des Betriebsstättenbegriffs im Zuge des Aktionspunktes 7 des BEPS-Aktionsplans der OECD auf die Besteuerung international tätiger Unternehmen
Hochschule
Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin
Note
1,3
Autor
Jahr
2016
Seiten
80
Katalognummer
V358663
ISBN (eBook)
9783668434592
ISBN (Buch)
9783668434608
Dateigröße
2128 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
auswirkungen, aktualisierung, betriebsstättenbegriffs, zuge, aktionspunktes, beps-aktionsplans, oecd, besteuerung, unternehmen
Arbeit zitieren
Patrick Russek (Autor:in), 2016, Die Auswirkungen der Aktualisierung des Betriebsstättenbegriffs im Zuge des Aktionspunktes 7 des BEPS-Aktionsplans der OECD auf die Besteuerung international tätiger Unternehmen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/358663

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